Nachfolgend finden Sie eine
Auswahl der wichtigsten in der vergangenen Woche in die Datenbank
DNotI-Online-Plus eingestellten Gerichtsentscheidungen,
Arbeitshilfen und Links.
Da instanzgerichtliche
Entscheidungen oftmals erst längere Zeit nach Verkündung
rechtskräftig werden oder uns erst mit einiger Verspätung bekannt
werden, weicht das Entscheidungsdatum ggf. deutlich vom Versanddatum
dieses Newsletters ab. Wir bitten insoweit um Verständnis.
Entscheidung der Woche
BGB §
179
Haftung des Alleingesellschafters bei Handeln vor Entstehung der
Vorgesellschaft
Handelt der
Alleingesellschafter einer künftigen GmbH für diese vor
Entstehung der Vorgesellschaft, so haftet der
Alleingesellschafter analog § 179 BGB als Vertreter ohne
Vertretungsmacht. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)
OLG München, Endurt. v.
12.8.2020 – 20 U 4366/19
Familienrecht
BGB § 1896 Abs. 1 u. 2
Voraussetzung für die Bestellung eines Betreuers für alle
Angelegenheiten
Die Bestellung eines
Betreuers für alle Angelegenheiten setzt voraus, dass der
Betroffene aufgrund seiner Erkrankung oder Behinderung keine
seiner Angelegenheiten selbst besorgen kann. Zudem muss in all
diesen Angelegenheiten, die die gegenwärtige Lebenssituation des
Betroffenen bestimmen, ein Handlungsbedarf bestehen. Beides muss
durch konkret festgestellte Tatsachen näher belegt werden (im
Anschluss an Senatsbeschluss vom 13. Mai 2020 – XII ZB 61/20 –
zur Veröffentlichung bestimmt).
BGH, Beschl. v.
10.6.2020 – XII ZB 25/20
Gesellschaftsrecht
AktG
§§ 117, 147 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 S. 1, 214 Nr. 3, 309, 317
Beschluss über die Bestellung eines besonderen
Vertreters zur Geltendmachung konzernrechtlicher Haftungsansprüche;
Anfechtbarkeit
a) Ein selbständiger
Beschluss über die Bestellung eines besonderen Vertreters, dem
ein wirksamer oder als wirksam zu behandelnder Beschluss zur
Geltendmachung der Ersatzansprüche zugrunde liegt, ist nicht
wegen des Fehlens von Anhaltspunkten für das Bestehen von
Ersatzansprüchen anfechtbar.
b) Konzernrechtliche Haftungsansprüche nach §§ 309, 317 AktG
gehören zu den Ersatzansprüchen gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG.
BGH, Urt. v.
30.6.2020 – II ZR 8/19
AktG
§§ 305, 327a, 327b, 327c Abs. 2
Schätzung des Unternehmenswertes bei gutachterlicher Anpassung der
Unternehmensplanung
1. Gutachterliche
Anpassungen der Unternehmensplanung können der gerichtlichen
Schätzung des Unternehmenswerts zu Grunde zu legen sein, wenn
die Ausgangsplanung unplausibel ist.
2. Die Plausibilität der Planung ist insbesondere dann zu
überprüfen, wenn die Planung auf einem gegenüber dem
tatsächlichen Ist-Ergebnis deutlich schlechteren – hier: nahezu
zeitgleich mit der Ankündigung der Strukturmaßnahme erstellten –
Forecast basiert, und die Planungsverantwortlichen gleichwohl
auf eine Aktualisierung verzichten.
3. Die Unternehmensplanung – hier: der EBIT-Marge und der zu
kapitalisierenden Ergebnisse – kann sich als unplausibel
erweisen, wenn sie im Vergleich zu den Ergebnissen der
Vergangenheit, den Planansätzen aus den Planungen der Vorjahre
und unter Berücksichtigung von Analystenschätzungen für den
Detailplanungszeitraum zu konservativ ist und überdies
Planabweichungen zur vergangenen Entwicklung nicht schlüssig
erklärbar sind.
OLG Düsseldorf,
Beschl. v. 25.2.2020 – 26 W 7/18
Öffentliches Recht
PStG
§§ 9, 45b
Von § 45b PStG vorausgesetzte Variante der Geschlechtsentwicklung
nur bei Unmöglichkeit der eindeutigen Bestimmung des Geschlechts als
weiblich oder männlich
a) Die von § 45 b
PStG vorausgesetzte Variante der Geschlechtsentwicklung ist nur
dann gegeben, wenn die Bestimmung des Geschlechts als weiblich
oder männlich anhand angeborener körperlicher Merkmale nicht
eindeutig möglich ist. Auf Personen mit körperlich eindeutig
weiblichem oder eindeutig männlichem Geschlecht ist die
Bestimmung daher nicht anzuwenden (im Anschluss an
Senatsbeschluss vom 22. April 2020 – XII ZB 383/19 – NZFam 2020,
519, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
b) Die von § 45 b Abs. 3 Satz 1 PStG zum Nachweis des Vorliegens
einer Variante der Geschlechtsentwicklung vorgesehene
Bescheinigung muss von einem approbierten, also mit staatlicher
Zulassung tätigen Arzt ausgestellt sein, ohne dass dieser einer
bestimmten Fachrichtung angehören oder über bestimmte
berufliche Erfahrungen verfügen müsste, und hat im Übrigen keine
besonderen inhaltlichen Anforderungen zu erfüllen.
c) Bei Vorliegen einer diesen Vorgaben genügenden ärztlichen
Bescheinigung ist dem Standesbeamten nicht jede weitere Prüfung
versagt; er hat vielmehr eigene Ermittlungen im Sinne des § 9
Abs. 1 PStG anzustellen, wenn die Bescheinigung wegen besonderer
Umstände oder anderweitiger Erkenntnisse des Standesbeamten
nicht die vom Gesetzgeber typisierend angenommene, für die
erforderliche Sachverhaltsermittlung ausreichende
Nachweiswirkung entfaltet.
BGH, Beschl. v.
10.6.2020 – XII ZB 451/19
Steuerrecht
ErbStG § 13b; EStG § 15
Erbschaftsteuerliche Einordnung von Vermögensverwaltung und
Geschäftsbetrieb bei Vermietungstätigkeit
1. Wenn ein
Steuerpflichtiger neben der Überlassung von Wohnungen
zusätzliche Leistungen erbringt, die das bei langfristigen
Vermietungen Übliche überschreiten und der Vermietungstätigkeit
einen originär betrieblichen Charakter i. S. v. § 15 Abs. 1 S. 1
Nr. 1 EStG verleihen, liegt ein wirtschaftlicher
Geschäftsbetrieb i. S. v. § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 ErbStG vor.
2. Eine gewerbliche Vermietungstätigkeit besteht, wenn der
Vermieter bei der Vermietung von Räumen unübliche
Sonderleistungen – wie z. B. die Reinigung der vermieteten
Wohnungen oder die Bewachung des Gebäudes – erbringt oder wenn wegen
eines besonders schnellen, sich aus der Natur der Vermietung
ergebenden Wechsels der Mieter oder Benutzer der Räume eine
Unternehmensorganisation erforderlich ist.
FG Münster, Urt. v. 25.6.2020 – 3 K 13/20
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