Nachfolgend finden Sie eine
Auswahl der wichtigsten in der vergangenen Woche in die Datenbank
DNotI-Online-Plus eingestellten Gerichtsentscheidungen,
Arbeitshilfen und Links.
Da instanzgerichtliche
Entscheidungen oftmals erst längere Zeit nach Verkündung bekannt
werden, weicht das Entscheidungsdatum ggf. deutlich vom Versanddatum
dieses Newsletters ab. Wir bitten insoweit um Verständnis.
Entscheidung der Woche
GBO
§§ 18, 20, 29
Umfang der Prüfung des Grundbuchamts; Zweifel an Geschäftsfähigkeit des
Vollmachtgebers; Falschschreibung des eigenen Vornamens;
Vertauschen zweier Buchstaben
1. Das Grundbuchamt
hat die Geschäftsfähigkeit des Erklärenden zum Zeitpunkt der
Abgabe der Erklärung (hier: der Vollmacht) selbständig zu
prüfen. Dabei hat es vom Grundsatz der Geschäftsfähigkeit
Volljähriger auszugehen. Ergeben sich jedoch auf Tatsachen
gegründete Zweifel an der Geschäftsfähigkeit, ist dem durch
Zwischenverfügung nachzugehen und dem Antragsteller aufzugeben,
die Zweifel etwa durch Vorlage ärztlicher Bescheinigungen
auszuräumen. An die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit durch den
beurkundenden Notar ist das Grundbuchamt nicht gebunden.
2. Hat der Erklärende bei der Unterschrift unter die Urkunde
seinen Vornamen nicht fehlerfrei geschrieben und dies entweder
nicht bemerkt hat oder trotz eines Bemerkens so hingenommen,
kann dies Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Erklärenden
begründen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich nicht um
einen bloßen Schreibfehler im Sinne einer motorischen
Fehlleistung handelt, sondern um eine falsche Reihenfolge der
Buchstaben. Selbst wenn man ein Vertauschen der Buchstaben beim
eigenen Vornamen noch für nachvollziehbar hielte, ist die
Tatsache, dass der Fehler nicht korrigiert wurde, nur noch
schwerlich zu erklären. Jedenfalls begründet dies einen so
erheblichen Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Erklärenden,
dass nicht mehr vom Grundsatz der Geschäftsfähigkeit ausgegangen
werden kann.
OLG Schleswig, Beschl. v.
27.1.2023 – 2 Wx 64/22
Immobilienrecht/allg. Zivilrecht
BGB §
313
Grundstücksübertragungsvertrag; Pflegeverpflichtung; Wegfall der
Geschäftsgrundlage
Zum Wegfall der
Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) bei einem
Grundstücksübertragungsvertrag mit Pflegevereinbarung, wenn das
Verhältnis zwischen den Vertragsparteien heillos zerrüttet ist
und nicht festgestellt werden kann, dass dem Übertragenden die
Zerrüttung allein anzulasten ist.
OLG Hamm, Urt. v.
19.12.2022 – 22 U 97/17
GBO §
35
Zusammentreffen eines öffentlichen und eines privatschriftlichen
Testaments; Erforderlichkeit eines Erbscheins im Grundbuchverfahren;
Bedeutung einer Verwirkungsklausel
1. Liegt neben dem
öffentlichen Testament ein eigenhändiges Testament vor, bleibt
es bei der Regel des § 35 Abs. 1 S. 1 GBO, sofern die Erbfolge
nicht ausschließlich auf dem öffentlichen Testament, sondern
(auch) auf dem privatschriftlichen Testament beruht. Existiert
neben dem öffentlichen Testament ein späteres
privatschriftliches Testament, ist neben Widerruf (§§ 2254 bis
2256 BGB) und Widerspruch zu dem früheren öffentlichen Testament
(§ 2258 BGB) auch jede andere Beschwerung mit Bezug zur
Erbeinsetzung (etwa Nacherbfolge, Testamentsvollstreckung) zu
beachten.
2. Bei Konkurrenz zwischen einem öffentlichen Testament und
einer später errichteten privatschriftlichen Verfügung von Todes
wegen kann das Grundbuchamt daher regelmäßig bereits dann auf
der Vorlage eines Erbscheins bestehen, wenn das eigenhändige
Testament nicht offenbar ungültig, widerrufen oder für die
Erbfolge bedeutungslos ist.
3. Wird in einem späteren privatschriftlichen Testament eine
Verwirkungsklausel eingefügt, ist diese für die Erbfolge von
Bedeutung, weil sie geeignet ist, die in der öffentlichen
Urkunde getroffene Erbfolgeanordnung zu modifizieren oder zu
beseitigen. Eine Verwirkungsklausel führt zum Verlust des
Erbrechts für denjenigen oder diejenigen Erben, die gegen die
sanktionsbewehrte Verhaltensanordnung verstoßen, sodass die
nachträgliche Einfügung einer solchen auflösenden Bedingung für
die Erbfolge von Bedeutung ist.
OLG Schleswig,
Beschl. v. 30.12.2022 – 2 Wx 29/22
GBO
§§ 39, 40
Voreintragungsgrundsatz; isolierte Bestellung von Grundpfandrechten;
keine analoge Anwendung des § 40 GBO
§ 40 GBO ist auf
Fälle einer isolierten Belastung des Grundbesitzes mit einem
(Finanzierungs-) Grundpfandrecht nicht – analog – anwendbar,
sodass es bei dem Erfordernis einer Voreintragung nach § 39 GBO
verbleibt (Anschluss an OLG Oldenburg, Beschluss vom 23.03.2021,
12 W 38/21). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Bewilligung
durch die Erben selbst oder durch einen von ihnen
Bevollmächtigten erfolgt.
OLG Hamm, Beschl. v.
25.11.2022 – 15 W 114/22
Familienrecht
BGB §
1361b
Alleinige Nutzung der Ehewohnung; Nutzungsentschädigungsanspruch;
Ehegatteninnengesellschaft
1. Erfolgt die
Entscheidung von Ehegatten gegen gemeinsames Miteigentum an
einer Immobilie aus haftungsrechtlichen Überlagerungen, wobei
die Vorstellung zu Grunde liegt, dass die betreffende Immobilie
auch bei formal-dinglicher Zuordnung zum Alleinvermögen eines
Ehegatten wirtschaftlich beiden Ehegatten „gehören“ soll, kann
eine Ehegatteninnengesellschaft angenommen werden.
2. Zum Einfluss des Bestehens einer Ehegatteninnengesellschaft
auf den Nutzungsentschädigungsanspruch nach § 1361b Abs. 3 S. 2
BGB.
3. Beim Auszug des dinglich Alleinberechtigten entspricht eine
am vollen Mietwert orientierte Vergütung regelmäßig der
Billigkeit im Sinne von § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB.
OLG Koblenz, Beschl.
v. 7.9.2022 – 9 UF 123/22
Erbrecht
FamFG
§ 382 Abs. 4; BGB § 2209
Testamentsvollstreckung; Zwischenverfügung;
Befugnis zur Handelsregisteranmeldung
1. Wird auf eine
Zwischenverfügung nach § 382 Abs. 4 FamFG hin ein
Fristverlängerungsantrag gestellt, kann dieser nicht in eine
Beschwerdeeinlegung umgedeutet werden.
2. Ob eine Dauertestamensvollstreckung angeordnet ist, die dem
Testamentsvollstrecker die Berechtigung zur Anmeldung des
Ausscheidens des Erblassers und des Eintritts der Erben als
Kommanditisten zum Handelsregister verleiht, ist aus den sich
aus dem Testamentsvollstreckerzeugnis ergebenden Angaben zu
ermitteln.
KG, Beschl. v.
15.12.2022 – 22 W 55/22
|