28. August 2025
DNotI-Report Sonderheft 10 Jahre Europäische Erbrechtsverordnung
Die Europäische Kommission wollte ursprünglich lediglich die Möglichkeiten einer Ergänzung der Vorschriften der Brüssel I-Verordnung um Regeln zur internationalen Zuständigkeit in Erbsachen prüfen lassen. Sie gab eine Studie in Auftrag, die im Jahr 2002 vom Deutschen Notarinstitut (Christian Hertel und Dr. Wolfgang Riering) in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Heinrich Dörner (Münster) und Prof. Dr. Paul Lagarde (Paris) erstellt wurde. Die Studie sah einen Dreiklang vor, der neben der Regelung der internationalen Zuständigkeit und gegenseitigen Anerkennung von Entscheidungen die Vereinheitlichung des Erbkollisionsrechts und die Schaffung eines unionsweit gültigen einheitlichen Nachlasszeugnisses (ENZ) vorsah. Die Kommission griff die Vorschläge der Studie auf, doch die Herausforderungen waren enorm. Es galt nicht nur, diesen Dreiklang in Gesetzesform auszuformulieren, sondern auch die Differenzen zwischen den einzelnen erbrechtlichen Systemen in einer laufend zunehmenden Anzahl von Mitgliedstaaten sowie das Zusammenspiel mit zahlreichen Nachbargebieten wie dem Nachlassverfahrensrecht, dem Immobilienregisterrecht und dem Güterrecht zu koordinieren. Die Zeit war jedoch günstig und die Unterstützer des Projektes hatten einen langen Atem. So gelang es, dieses komplexe und hochinnovative Projekt nach mehr als zehn Jahren intensiver Arbeiten abzuschließen.
Der Verabschiedung (DNotI-Report 15/2012, S. 121 ff.) und dem Inkrafttreten der EuErbVO war bereits eine Ausgabe des DNotI-Report gewidmet (DNotI-Report 15/2015, S. 113 ff). 10 Jahre praktische Geltung der EuErbVO geben nun Anlass zu einem Rückblick. Eine Revue der Entscheidungen des EuGH zur EuErbVO soll die bisherige Entwicklung nachzeichnen, den aktuellen Stand dokumentieren und künftige Entwicklungen aufzeigen. Neben den drei Paukenschlägen (Kubicka, Oberle und Mahnkopf), die die deutsche Selbstgewissheit enttäuschten, es bleibe aus deutscher Sicht das Meiste beim Alten, finden sich Entscheidungen, die Klarheit schafften (z.B. bei der Erbausschlagung) und neue Perspektiven eröffneten (wie bei der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts).
Insgesamt zeigt sich, dass das Instrument im Rechtsverkehr wertvolle Dienste leistet. Die EuErbVO wurde zum Vorbild für Verordnungen in weiteren Rechtsgebieten (etwa im Güterrecht) sowie für den geplanten Rechtsakt zum Erwachsenenschutz.
Das DNotI wünscht den am Internationalen Privatrecht interessierten Leserinnen und Lesern viel Freude mit dieser Sonderausgabe des DNotI-Report und blickt nicht ohne Stolz auf seine Rolle in der Entstehung der EuErbVO zurück. Ungelöste Fragen gibt es weiterhin, so etwa zur Aufnahme von einzelnen Gegenständen in das ENZ (s. hierzu Vorlageverfahren des BGH; EuGH – C-873/24, Marwanak), zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts in den Fällen des sog. Demenztourismus und zum Umgang mit dem personal representative (einem Protagonisten im Erbrecht des common law).
Abrufbar unter Sonderheft 10 Jahre Europäische Erbrechtsverordnung