16. April 2021

Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts verabschiedet

Der Bundesrat hat am 26.3.2021 der vom Bundestag am 5.3.2021 beschlossenen umfangreichen Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts zugestimmt. Grundlage der Reform ist der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 23.9.2020 (vgl. BR-Drucks. 564/20 v. 25.9.2020). Das Gesetz wird am 1.1.2023 in Kraft treten, eine Verkündung im Bundesgesetzblatt steht noch aus.

Mit der Reform wird das Vormundschafts- und Betreuungsrecht neu strukturiert und inhaltlich modernisiert. Im Rahmen der Reform werden zahlreiche Bestimmungen aus dem Bereich der (Minderjährigen-)Vormundschaft (u. a. zur Vermögenssorge, zur gerichtlichen Aufsicht und zum Aufwendungsersatz/zur Vergütung) in das Betreuungsrecht (d. h. „nach hinten“) verschoben. Dadurch soll die Rechtsanwendung vereinfacht werden (zumal vielen Bestimmungen eine praktische Bedeutung in erster Linie im Betreuungsrecht zukommt). Außerdem soll die Gefahr von Fehlern bei der Rechtsanwendung (z. B. das Übersehen von Vertretungsverboten oder Genehmigungserfordernissen) verringert werden. Dies hat umfassende Umwälzungen zur Folge, die vom Umfang der betroffenen Paragrafen her selbst die Schuldrechtsmodernisierung von 2002 in den Schatten stellt (vgl. Schwab, Die große Paragraphenwanderung und mehr, FamRZ 2020, 1321 ff.).

Die Mehrzahl der Änderungen, hinsichtlich derer nachfolgend nur ein erster Überblick gegeben werden soll, betreffen das Minderjährigenvormundschaftsrecht. So sollen die Rechte des Mündels gestärkt und die Pflichten des Vormunds stärker betont werden. Die zahlreichen Änderungen im Betreuungsrecht verfolgen in erster Linie das Ziel einer Stärkung von Selbstbestimmung und Autonomie betreuter Personen im Vorfeld und während einer rechtlichen Betreuung i. S. von Art. 12 UN-BRK. Der Erforderlichkeitsgrundsatz soll deutlicher betont und das Handeln der Betreuer stärker an den Wünschen des Betreuten ausgerichtet werden. Die Vermögensverwaltung durch Betreuer und Vormünder wird modernisiert und soll künftig grundsätzlich bargeldlos erfolgen.

Mit der Reform wird zudem ein wechselseitiges gesetzliches Vertretungsrecht für Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitsfürsorge eingeführt (§ 1358 BGB n. F.). Ehegatten können künftig einander in Gesundheitsangelegenheiten kraft Gesetzes für die Dauer von sechs Monaten gegenseitig vertreten, wenn ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit vorübergehend seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge nicht rechtlich besorgen kann. Das gesetzliche „Not“-Vertretungsrecht ist ausgeschlossen, wenn die Ehegatten getrennt leben, ein Betreuer mit entsprechendem Aufgabenkreis bestellt ist, der vertretene Ehegatte eine Vertretung ablehnt (wobei ein Widerspruch in das ZVR eingetragen werden kann, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 7 VRegV n. F.) oder er eine andere Person in Angelegenheiten der Gesundheitssorge bevollmächtigt hat (vgl. zum Ehegattenvertretungsrecht auch Dutta, FamRZ 2020, 1881 ff.; Müller-Engels, DNotZ 2021, 84 ff.).

Aus notarieller Sicht besonders bedeutsam sind die vorgesehenen Änderungen im Bereich der Vorsorgevollmacht und der Kontrollbetreuung (vgl. dazu Müller-Engels, FamRZ 2021, 645 ff. – im Erscheinen). Die augenscheinlichste Änderung besteht darin, dass (nahezu) alle Bestimmungen, die die Vorsorgevollmacht und die Kontrollbetreuung betreffen, künftig in einer Norm (§ 1820 BGB n. F.) zusammengefasst sein werden. Die Vorsorgevollmacht soll nach dem Willen des Gesetzgebers weiter gefördert werden. Von der Einführung eines Formerfordernisses oder weiterer Wirksamkeitsvoraussetzungen wurde abgesehen. Der Kreis der Bevollmächtigten, für die das Vorrangprinzip nicht gilt (vgl. § 1896 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 BGB), wird mit der Reform erheblich ausgeweitet, und zwar auf alle Personen, die im Rahmen der institutionellen Versorgung des Vollmachtgebers tätig sind. Er umfasst damit künftig beispielsweise auch Mitarbeiter von ambulanten Pflege- oder Essensdiensten (vgl. § 1814 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 i. V. mit § 1816 Abs. 6 BGB n. F.).

Die sog. Kontrollbetreuung, die bislang in § 1896 Abs. 3 BGB nur als besonderer Aufgabenkreis des Betreuers geregelt war, hat nun einschließlich deren Voraussetzungen in § 1820 Abs. 3 BGB n. F. eine eigenständige Regelung gefunden.

§ 1820 Abs. 5 BGB n. F. betrifft den Widerruf der Vorsorgevollmacht, wobei das Widerrufsrecht künftig jedem Betreuer (nicht nur dem Kontrollbetreuer) im Rahmen seines Aufgabenkreises – und ohne dass dies explizit ausgesprochen werden müsste – zustehen soll. Der Widerruf durch einen Betreuer, der nach dem Gesetz nur unter engen Voraussetzungen zulässig ist, bedarf nun erstmals der (vorherigen) betreuungsgerichtlichen Genehmigung (S. 2).

Völlig neu ist auch die in § 1820 Abs. 4 BGB n. F. vorgesehene Möglichkeit des Betreuungsgerichts, eine Vorsorgevollmacht vorläufig zu „suspendieren“. Hiermit soll dem Bedürfnis Rechnung getragen werden, eine wirksame Vollmacht bei einem bestehenden, aber noch nicht bestätigten Missbrauchsverdacht vorübergehend außer Kraft setzen zu können, ohne sie zugleich widerrufen zu müssen (vgl. BT-Drucks. 19/24445, S. 247). Um sicherzustellen, dass der Bevollmächtigte während des Verbotes keinen Gebrauch von der Vollmacht macht, kann das Gericht zugleich die Herausgabe der Vollmachtsurkunde anordnen.