18. November 2024

Inkrafttreten des Gesetzes zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen zum 17.10.2024

1.    Überblick

 

Zum 17.10.2024 trat das Gesetz zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen (BGBl. I. 2024, Nr. 306) in Kraft. Dieses bewirkt u.a. folgende Änderungen:

 
  • Nach dem neu geschaffenen § 23 Abs. 1a WEG können Wohnungseigentümer mit mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschließen, dass die Versammlung der Wohnungseigentümer innerhalb eines Zeitraums von längstens drei Jahren ab Beschlussfassung ohne physische Präsenz der Wohnungseigentümer und des Verwalters an einem Versammlungsort stattfindet oder stattfinden kann (virtuelle Wohnungseigentümerversammlung).
  • Infolge einer Ergänzung des § 554 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Mieter von Wohnraum verlangen, dass ihm der Vermieter auch solche bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die der Stromerzeugung durch Steckersolargeräte dienen.
  • In gleicher Weise kann jeder Wohnungseigentümer eine angemessene bauliche Veränderung verlangen, die der Stromerzeugung durch Steckersolargeräte dient, § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 WEG.
  • Aufgrund der Neufassung von § 1092 Abs. 3 S. 1 BGB gilt nun, dass eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit, die einer juristischen Person oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft zusteht, übertragbar ist, wenn sie dazu berechtigt, ein Grundstück für Anlagen zur Nutzung von Wasserkraft, Windenergie, solarer Strahlungsenergie, Geothermie, Umweltwärme oder Energie aus Biomasse (Nr. 1) oder für Anlagen zur elektrochemischen Herstellung von Wasserstoff oder zur Erzeugung von Strom aus Wasserstoff zu nutzen (Nr. 2). Die Regelung gilt allerdings nur für solche Dienstbarkeiten, deren Eintragungsbewilligung nach dem 17.10.2024 notariell beurkundet oder öffentlich beglaubigt wird.
 

2.    Rechtslage unter § 1092 Abs. 3 BGB a. F.

 

Die Neufassung des § 1092 Abs. 3 S. 1 BGB dürfte Auswirkungen auf die notarielle Gestaltungspraxis haben. Dies erschließt sich bei Betrachtung der bisher geltenden Rechtslage.

 

Gem. § 1092 Abs. 1 S. 1 BGB sind beschränkte persönliche Dienstbarkeiten grundsätzlich nicht übertragbar und nicht vererblich. Zwar sehen §§ 1092 Abs. 2 und Abs. 3 a.F., 1059a BGB ausdrücklich Ausnahmen von dem Grundsatz der Unübertragbarkeit der Dienstbarkeit vor. Allerdings erfassten diese Ausnahmen nicht jeden Fall der Rechtsnachfolge des Dienstbarkeitsberechtigten. Insbesondere fallen Fotovoltaikanlagen nicht unter den Begriff der Anlage zur Fortleitung von Elektrizität i. S. d. § 1092 Abs. 3 BGB a.F. (OLG Nürnberg RNotZ 2016, 300, 302; OLG München NJOZ 2013, 923, 924). Wechselte der Anlagenbetreiber, so konnte der bisherige Anlagenbetreiber die ursprüngliche Dienstbarkeit nicht auf einen anderen Anlagebetreiber übertragen.

 

Die Gestaltungsliteratur begegnete diesem Hindernis bislang mit der sog. Vormerkungslösung: Der Grundstückseigentümer verpflichtet sich gegenüber dem Anlagenbetreiber, eine weitere, inhaltsgleiche beschränkte persönliche Dienstbarkeit zugunsten eines vom Anlagenbetreiber zu benennenden Dritten zu bestellen (vgl. Reymann, ZIP 2013, 605, 610; DNotI-Report 2019, 13). Bei dem begünstigten Dritten kann es sich insbesondere um den Rechtsnachfolger des Anlagenbetreibers handeln. In diesem speziellen Fall kann der schuldrechtliche Bestellungsanspruch abtretbar sein (grundlegend BGH NJW 1958, 1677, 1678; OLG Nürnberg RNotZ 2016, 300, 302 f.). Er kann durch eine Vormerkung gesichert werden (OLG München MittBayNot 2017, 586 Rn. 12). Vormerkungsberechtigt ist der Versprechensempfänger (der aktuelle Anlagenbetreiber), nicht der noch zu benennende Dritte (vgl. OLG Hamm RNotZ 2011, 243, 245; Keller, MittBayNot 2012, 446). Tritt der Versprechensempfänger seinen Anspruch an den Dritten ab, geht die Vormerkung analog § 401 Abs. 1 BGB auf den Dritten über (OLG Nürnberg RNotZ 2016, 300, 304). Aufgrund der Vormerkung ist der Vormerkungsberechtigte vor nachteilhaften Verfügungen geschützt, § 883 Abs. 2 S. 1 BGB. Die neu bestellte Dienstbarkeit erhält den Rang der eingetragenen Vormerkung, § 883 Abs. 3 BGB.

 

Häufig verpflichtete sich der Grundstückseigentümer zur Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten eines Rechtsnachfolgers des Anlagenbetreibers und zusätzlich gegenüber der finanzierenden Bank. Dann stellte sich die – umstrittene – Frage, ob es sich um einen oder um zwei Ansprüche handelt, zu deren Sicherung jeweils eine eigene Vormerkung in das Grundbuch einzutragen ist, § 883 Abs. 1 S. 1 BGB (so OLG München MittBayNot 2017, 382 Rn. 8; a. A. Kappler ZfIR 2012, 602; Keller MittBayNot 2012, 446, 447; Staudinger/Weber, BGB, 2017, § 1018, Rn. 104a).

 

3.    Neufassung des § 1092 Abs. 3 S. 1 BGB

 

Die Neufassung des § 1092 Abs. 3 S. 1 BGB erübrigt den Einsatz der Vormerkungslösung für neu entstehende beschränkte persönliche Dienstbarkeiten zur Nutzung eines Grundstücks für Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie. Die in § 1092 Abs. 3 S. 1 BGB genannten beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten kann eine juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft nunmehr auf einen Rechtsnachfolger übertragen (siehe Begr. RegE S. 20, abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/RegE/RegE_Online-Versammlungen_Steckersolargeraete_Dienstbarkeiten.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Abruf vom 15.11.2024).

 

Allerdings gilt die neue Fassung des § 1092 Abs. 3 S. 1 BGB nur für all jene beschränkte persönliche Dienstbarkeiten, deren Eintragungsbewilligung nach dem 17. Oktober 2024 notariell beurkundet oder öffentlich beglaubigt wird, Art. 229 § 69 EGBGB. Für bereits vor dem 17. Oktober 2024 zur Eintragung bewilligte oder bereits eingetragene Dienstbarkeiten gilt weiterhin § 1092 Abs. 3 BGB a. F. Hinsichtlich dieser Dienstbarkeiten muss die Gestaltungspraxis daher weiterhin mit der Vormerkungslösung arbeiten. Mit der Übergangsvorschrift will der Gesetzgeber das Vertrauen des Grundstückseigentümers darauf schützen, dass eine bereits bestellte Dienstbarkeit nicht übertragbar ist und die getroffenen schuldrechtlichen Vereinbarungen fortgelten (Begr. RegE S. 21).