03. August 2017

Erneute Änderung des Rechts der Zwangsbehandlung – Auswirkungen auf die Vorsorgevollmacht

Das Gesetz ist am 22.7.2017 in Kraft getreten. Es sieht eine Änderung des Rechts der Zwangsbehandlung vor und betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine aktuell einwilligungsunfähige Person auch gegen ihren natürlichen Willen ärztlich behandelt werden darf.

Anlass für die Änderung war die Entscheidung des BVerfG vom 26.7.2016 (NJW 2017, 53 m. Anm. Dodegge), mit der das BVerfG eine verfassungswidrige Lücke in der seit dem Jahr 2013 geltenden Regelung der Zwangsbehandlung von psychisch Kranken bzw. geistig Behinderten (vgl. § 1906 Abs. 3, Abs. 3a BGB a. F.) festgestellt hat (vgl. dazu auch DNotI-Report 2013, 35; G. Müller, ZEV 2013, 304.; Milzer, DNotZ 2014, 95). Konkret ging es um eine Person, die zwangsbehandelt hätte werden müssen, bei der aber die Voraussetzungen für eine freiheitsentziehende Unterbringung nicht vorlagen.

Durch das aktuelle Gesetz wurde im neu eingefügten § 1906a BGB eine eigenständige Regelung für die Zwangsbehandlung geschaffen und damit das Recht der Zwangsbehandlung von der freiheitsentziehenden Unterbringung abgekoppelt. Eine Zwangsbehandlung kommt nach der Neuregelung auch für Patienten in Betracht, die nicht freiheitsentziehend untergebracht werden dürfen, weil sie sich der Unterbringung nicht entziehen können oder wollen. In Zukunft wird die Zwangsbehandlung damit auch außerhalb einer freiheitsentziehenden Unterbringung des Betroffenen möglich sein, allerdings nur in einem dafür geeigneten Krankenhaus (vgl. § 1906a Abs. 1 BGB). Gemeint ist damit nur die stationäre Behandlung (vgl. § 1906 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 BGB). Kommt eine Zwangsbehandlung in Betracht, kann der Betroffene auch gegen seinen natürlichen Willen zu einem stationären Aufenthalt in ein Krankenhaus verbracht werden (vgl. § 1906a Abs. 4 BGB).

Unzulässig sind jedoch weiterhin Zwangsbehandlungen in Heimen und sog. „ambulante Zwangsbehandlungen“ (außerhalb einer Einrichtung; vgl. dazu BT-Drucks. 18/11240, 15).

Wie schon bislang kann ein Bevollmächtigter in eine Zwangsbehandlung des Vollmachtgebers nur wirksam einwilligen, wenn die Vollmacht schriftlich erteilt ist und die Vollmacht die Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme bzw. die Einwilligung in eine zwangsweise Verbringung des Vollmachtgebers in ein Krankenhaus ausdrücklich umfasst (§ 1906a Abs. 5 BGB). Ferner bedarf die Einwilligung des Bevollmächtigten in diese Maßnahmen zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung durch das Betreuungsgericht (§ 1906a Abs. 5 S. 2, Abs. 2 BGB).

Für die notarielle Gestaltungspraxis ist zu beachten, dass aufgrund der Gesetzesänderung ggf. die Muster für Vorsorgevollmachten angepasst werden müssen. Soll die Vorsorgevollmacht den weitest möglichen Umfang haben, muss aus dem Text der Vollmacht deutlich hervorgehen, dass der Bevollmächtigte nicht nur über Unterbringungen mit freiheitsentziehender Wirkung (i. S. v. § 1906 Abs. 1 BGB) und über freiheitsentziehende Maßnahmen in einem Heim oder in einer sonstigen Einrichtung (i. S. v. § 1906 Abs. 4 BGB), sondern auch über ärztliche Zwangsmaßnahmen i. S. d. § 1906a Abs. 1 BGB bzw. die zwangsweise Verbringung zu einem stationären Aufenthalt in ein Krankenhaus i. S. v. § 1906a Abs. 4 BGB entscheiden können soll.