15. Januar 2014
FlurbG § 49; FlurbG § 68

Begründung und Aufrechterhaltung von dinglichen Grundstücksrechten im Flurbereinigungsverfahren

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Abruf-Nr.: 128596
letzte Aktualisierung: 13. Januar 2014

FlurbG §§ 49, 68

Begründung und Aufrechterhaltung von dinglichen Grundstücksrechten im Flurbereinigungsverfahren

I. Sachverhalt

Ein Beteiligter möchte zu seinen eigenen Gunsten Dienstbarkeiten und Vorkaufsrechte an in
seinem Eigentum stehenden Grundstücken bestellen, da er fürchtet, im Flurbereinigungsverfahren
Nachteile zu erleiden. Seine bisherigen Grundstücke sind nach seinen Angaben für
Windkraftanlagen (ohne dass es aber hierfür bislang konkrete Planungen gibt) und Photovoltaik
geeignet bzw. könnten in Zukunft als Bauland ausgewiesen werden.
Da er Rechtshilfemöglichkeiten im Flurbereinigungsverfahren nicht traut, möchte er beschränkte
persönliche Dienstbarkeiten für sich bzw. Diensbarkeitsvormerkungen für von ihm zu
benennende Dritte oder – hinsichtlich des potentiellen Bauerwartungslandes – ein
preisgebundenes dingliches Vorkaufsrecht ins Grundbuch eintragen lassen.

II. Fragen

1. Sind Dienstbarkeiten, Diensbarkeitsvormerkungen zur Benennung von Dritten und
Vorkaufsrechte am eigenen Grundstück eintragungsfähig?
2. Können diese Schutz im Flurbereinigungsverfahren bieten?

III. Zur Rechtslage

1. Möglichkeit der Einräumung von dinglichen Grundstücksrechten für den Eigentümer

a) Grundsätzliche Zulässigkeit von Eigentümerrechten

Mittlerweile ist anerkannt, dass auch der Eigentümer selbst an ihm gehörenden
Grundstücken zu eigenen Gunsten dingliche Rechte bestellen kann
(Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn 1200, 1373, 1402). § 889 BGB
verdeutlicht, dass dem Gesetz das Bestehen dinglicher Rechte an eigenen Grundstücken
nicht fremd ist, indem eine Konsolidation ausgeschlossen ist. Auch der früher für
erforderlich gehaltene Nachweis eines berechtigten Interesses wird nicht mehr verlangt.
So entschied der BGH (14.7.2011 – V ZB 271/10), dass der Eigentümer einen Nießbrauch
an seinem Grundstück bestellen kann, ohne dass er ein berechtigtes Interesse an
der Bestellung nachweisen müsste. Das OLG München (30.9.2011 – 34 Wx 328/11)
gestattete die Bestellung einer Eigentümerdienstbarkeit (Photovoltaikdienstbarkeit)
ohne Nachweis eines berechtigten Interesses, lehnte in einem obiter dictum aber eine
Scheinbestandsbegründung auf der Grundlage des § 95 Abs. 1 S. 2 BGB in diesem
Zusammenhang ab.

b) Laufendes Flurbereinigungsverfahren

Durch die Einleitung einer Flurbereinigung wird der Verkehr mit den betroffenen
Grundstücken grundsätzlich nicht behindert. Die Verfahrenseinleitung hat weder ein
Verfügungsverbot für den Grundstückseigentümer noch eine Sperre des Grundbuchs zur
Folge. Der Grundstückseigentümer kann daher ein im Flurbereinigungsgebiet liegendes
Einlagegrundstück bis zum Inkrafttreten der Ausführungsanordnung (§ 62 FlurbG)
belasten (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 4032). Erst mit Erlass
der endgültigen Ausführungsanordnung geht das Grundstück unter und dingliche
Rechte können an ihm nicht mehr begründet werden.

c) Die dinglichen Rechte im Einzelnen

Die Bestellung von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten ist unproblematisch.
Wir weisen jedoch darauf hin, dass bei einem dinglichen Vorkaufsrecht aufgrund des
sachenrechtlichen Typenzwangs eine Abweichung von §§ 1098 Abs. 1 S. 1, 464 Abs. 2
BGB nicht möglich ist. Eine Preisbindung ist beim dinglichen Vorkaufsrecht
ausgeschlossen (Schöner/Stöber, Rn. 1442; Palandt/Bassenge, BGB, 72. Aufl. 2013,
§ 1098 Rn. 1; RGZ 110, 327, 334, BGH WM 1966, 891; BayObLG MittBayNot 1995,
460; BayObLGZ 11, 573, 576), weil gesetzlicher, nicht dispositiver Inhalt eines dinglichen
Vorkaufsrechtes ist, dass bei Ausübung des Vorkaufsrechtes ein inhaltsgleicher
Kaufvertrag mit gleichem Kaufpreis wie mit dem Drittkäufer zustande kommt. Zwar ist
beim schuldrechtlichen Vorkaufsrecht eine Kaufpreisbindung als Abweichung von
§ 464 Abs. 2 BGB möglich und das schuldrechtliche Vorkaufsrecht kann auch durch
eine Vormerkung dinglich abgesichert werden. Doch gilt im Schuldrecht der Grundsatz
der Konfusion, so dass Berechtigter und Verpflichteter des Vorkaufsrechtes nicht personenidentisch
sein können. Ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht kann daher nicht
zugunsten des Eigentümers an einem ihm gehörenden Grundstück begründet werden
(Schöner/Stöber, Rn 1402, 1442).
Für eine Vormerkung zugunsten eines noch zu benennenden Dritten kann der noch
nicht namentlich benannte Dritte als Unbekannter nicht ins Grundbuch eingetragen
werden. Vor Benennung des Dritten kann zu dessen Gunsten keine Vormerkung eingetragen
werden (Schöner/Stöber, Rn. 1494). Vormerkbar wäre aber grundsätzlich der
Anspruch des Gläubigers auf Leistung an den noch zu benennenden Dritten, vgl. § 335
BGB (Schöner/Stöber, Rn. 1494). U. E. steht aber auch hier eine Konfusion der Eintragung
entgegen, denn eine Anspruchsbeziehung im Deckungsverhältnis zwischen Versprechendem
und Versprechungsempfänger für einen Vertrag zugunsten Dritter liegt
nicht vor. Der Beteiligte als Eigentümer kann sich nicht gegenüber sich selbst verpflichten,
einem noch zu benennenden Dritte ein Dienstbarkeit einzuräumen. Ein Vertrag
zugunsten Dritter, durch den ein Anspruch des Versprechungsempfängers (§ 335
BGB) als vormerkungsberechtigter Gläubiger gegen den Eigentümer als Versprechenden
auf Bestellung einer Dienstbarkeit zugunsten eines noch zu benennenden Dritten als
Leistungsempfänger entsteht, scheitert an der Personenidentität der Vertragspartner.
Auch als künftiger Anspruch nach § 883 Abs. 1 S. 2 BGB ist dieser Anspruch nicht
sicherbar, weil kein „sicherer Rechtsboden“ für die Anspruchsentstehung gegeben ist,
selbst eine einseitige Bindung des Schuldners des gesicherten Anspruchs ist zu verneinen.

2. Schicksal der Belastungen im Flurbereinigungsverfahren

a) Grundsatz des Surrogationsprinzips

Maßgeblicher Grundsatz sowohl für das Flurbereinigungsverfahren als auch für die
Umlegung nach §§ 45 ff. BauGB und anderer Verfahren der Bodenordnung ist das
Surrogationsprinzip: Anstelle des Einlagegrundstücks wird dem Eigentümer ein
anderes Ersatzgrundstück (Abfindungsgrundstück) zugeteilt. Es wird lediglich das
Eigentumsobjekt ausgetauscht. Die bisherigen Belastungen setzen sich gem. § 68 Abs. 1
S. 1 FlurbG am Ersatzgrundstück ohne weiteres fort (vgl. insb. Schwantag/Wingerter,
FlurbG, 8. Aufl. 2008, § 68 Rn. 1; Schöner/Stöber, Rn. 4030 ff., 4033 ff.; Tönnies,
MittRhNotK 1987, 93, 94 f.). Die Rechtsprechung hat diese dingliche Surrogation
auch als ungebrochene Fortsetzung des Eigentums an dem „verwandelten“ Grundstück
bezeichnet (BGHZ 86, 226, 230 = NJW 1983, 1661; ähnlich BVerwGE 12, 1, 5;
BayObLGZ 1985, 372 = BayObLG DNotZ 1986, 354 f.; BayObLGZ 1972, 242, 243 f.
= MittBayNot 1986, 20). Es tritt also nicht ein Wechsel des Eigentums, sondern nur ein
Wechsel des Eigentumsobjekts ein (BVerwGE 9, 288 = RdL 1959, 330;
Schwantag/Wingerter, § 68 Rn. 2).
Die Änderung tritt dabei gem. § 61 S. 2 FlurbG ohne weiteren Vollzugsakt zu dem in
der Ausführungsanordnung bestimmten Zeitpunkt ein. Die nachfolgende Eintragung im
Grundbuch ist lediglich eine Grundbuchberichtigung (vgl. § 79 Abs. 1 FlurbG;
Schwantag/Wingerter, § 61 Rn. 3; Schöner/Stöber, Rn. 4046).
Nach dem Wortlaut des § 68 Abs. 1 S. 1 FlurbG treten die Abfindungsgrundstücke hinsichtlich
der Rechte an den alten Grundstücken und die diese Grundstücke betreffenden
Rechtsverhältnisse, die nicht gem. § 49 FlurbG aufgehoben werden, an die Stelle der
alten Grundstücke. Nach § 49 Abs. 1 FlurbG können Dienstbarkeiten, Reallasten
und Erwerbsrechte an einem Grundstück sowie persönliche Rechte, die zum Besitz
oder zur Nutzung eines Grundstücks berechtigen oder die Benutzung eines Grundstücks
beschränken, aufgehoben werden, wenn es der Zweck der Flurbereinigung
erfordert. Eine Aufhebung wird ermöglicht, weil örtlich gebundene privatrechtliche
Belastungen in der neuen örtlichen Lage häufig mit ihrem bisherigen Inhalt Dritte
beeinträchtigen oder inhaltslos bzw. wertlos werden (Schwantag/Wingerter, § 49 Rn. 1).
Soweit der Flurbereinigungsplan ein bestehendes Grundstücksrecht jedoch nicht
ausdrücklich aufhebt, setzt sich die Belastung des ehemaligen Einlagegrundstücks am
Abfindungsgrundstück fort.
Soweit ein Grundstück herrschendes Grundstück ist bzw. ein dingliches Vorkaufsrecht
für den jeweiligen Grundstückseigentümer besteht, gehen diese Rechtsverhältnisse
ebenso auf die Abfindungsgrundstücke über, soweit die Rechte nicht nach § 49 FlurbG
aufgehoben werden.

b) Ausnahme der Surrogation für örtlich gebundene Lasten

In Ausnahme zur Surrogation sind örtlich gebundene privatrechtliche Belastungen
durch den Flurbereinigungsplan auf das ursprünglich belastete Grundstück zu
übertragen (Schöner/Stöber, Rn. 4035). Rechte, die auf bestimmte örtliche Verhältnisse
abstellen, sind nach § 68 Abs. 1 S. 2 FlurbG sinnvollerweise auf das
Abfindungsgrundstück zu übertragen, das die ursprünglich belastete Grundstücksfläche
umfasst. Ein Übergang auf das für das Einlagegrundstück erhaltene Abfindungsgrundstück
nach dem Surrogationsprinzip ist aufgrund der örtlichen Bindung dagegen
nicht sinnvoll. Das BVerwG (BVerwGE 98, 230 ff.) entschied, dass über den Wortlaut
des § 68 Abs. 1 S. 2 FlurbG hinaus nicht nur öffentliche Lasten, sondern auch
privatrechtlich begründete Lasten der Norm unterfallen, wenn eine örtlich gebundene
privatrechtliche Belastung nicht ohne Wegfall ihrer Substanz auf die für das belastete
Grundstück ausgewiesenen Abfindungsgrundstücke übergehen kann.
In den Anwendungsbereich des § 68 Abs. 1 S. 2 FlurbG fallen daher beispielsweise
Anliegerbeiträge, Beiträge zu Wasserverbänden, ein Wegerecht, ein Fischereirecht
(BVerwGE 98, 230 ff.) oder ein Erbbaurecht. Ob die vom Beteiligten geplanten
dinglichen Rechte tatsächlich eine solche örtlich gebundene privatrechtliche Belastung
darstellen, kann von uns nicht beurteilt werden. Soweit die Einlagegrundstücke des
Beteiligten für Windkraft und Photovoltaik geeignet sind, erscheint uns eine örtliche
Bindung möglich, wobei u. E. wohl auch zu berücksichtigen sein dürfte, ob die
Abfindungsgrundstücke bzw. große Grundstücksflächen der Gemeinde ebenfalls für
eine solche Nutzung geeignet sind. Die örtliche Bindung könnte umso mehr zu verneinen
sein, als die beabsichtigte Nutzung (insbes. Photovoltaik) generell im
Gemeindegebiet bzw. im vom Flurbereinigungsverfahren umfassten Gebiet möglich ist.
Ebenso kann es aber sein, dass ein Grundstücksrecht, das am Abfindungsgrundstück
wertlos würde, nach § 49 Abs. 1 FlurbG aufgehoben wird und der Berechtigte des aufgehobenen
Rechts entweder in Land, durch gleichartige Rechte oder mit seiner
Zustimmung in Geld abzufinden ist.

3. Ergebnis

Im Ergebnis halten wir es für zweifelhaft, dass die Interessen des Beteiligten durch die
Bestellung von dinglichen Grundstücksrechten gewahrt werden können. Auch bei Anwendung
des § 68 Abs. 1 S. 2 FlurbG muss der Flurbereinigungsplan eine entsprechende Übertragung
ausdrücklich vorsehen. Ebenso kann im Flurbereinigungsverfahren nach § 49
FlurbG die Aufhebung von Rechten durchgesetzt werden.
Im Ergebnis können daher u. E. die Rechte des Beteiligten nicht vor dem
Flurbereinigungsverfahren geschützt werden. Der Beteiligte ist vielmehr angehalten, seine
Interessen im Flurbereinigungsverfahren durchzusetzen. Auch bei der Begründung der
gewünschten dinglichen Rechte – welche ohnehin nur eingeschränkt für die gewünschten
Dienstbarkeiten möglich ist – bleibt der Beteiligte auf die Entscheidungen im
Flurbereinigungsverfahren „angewiesen“, weil seine Rechte nicht kraft Gesetzes wie von
ihm gewünscht fortbestehen würden.

Gutachten/Abruf-Nr:

128596

Erscheinungsdatum:

15.01.2014

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

FlurbG § 49; FlurbG § 68