27. November 2020

Südafrika: Formwirksamkeit eines Ehevertrags nach der EuGüVO

Gutachten-Abruf-Dienst
Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 175869
letzte Aktualisierung: 27. November 2020

EuGüVO Art. 22
Südafrika: Formwirksamkeit eines Ehevertrags nach der EuGüVO

I. Sachverhalt

Die Ehefrau lebt in Deutschland. Sie ist deutsche Staatsangehörige. Der Ehemann ist Staatsangehöriger
von Südafrika. Die Eheleute haben im Dezember 2019 in Oakland/Neuseeland geheiratet.

Noch vor der Eheschließung haben sie einen Ehevertrag abgeschlossen, mit dem sie (auf
einer einzigen Seite Text) die Gütergemeinschaft, die Haftung für die Schulden des anderen und
die Zugewinngemeinschaft nach „Kapitel 1 des Gesetzes Nr. 88 aus 1984“ (South African
Matrimonial Property Act 88 of 1984) ausdrücklich ausgeschlossen haben. Zudem ist vereinbart,
dass „jeder Ehegatte über sein Vermögen testamentarisch nach eigenem Ermessen verfügen
darf“. Der Vertrag ist anschließend von den Eheleuten, zwei Zeugen und einem Notar zu
Zwecken der Unterschriftsbeglaubigung unterschrieben worden.

Die Eheleute leben derzeit noch getrennt, die Ehefrau in Deutschland und der Ehemann in
Südafrika. Sie wollen allerdings ihren dauernden Aufenthalt in Deutschland nehmen. Durch
Ehevertrag sollen Zugewinnausgleichsansprüche und auf Pflichtteilsrechte verzichtet werden.

II. Fragen

1. Ist die Gütertrennung wirksam vereinbart?

2. Enthält der Vertrag einen Pflichtteilsverzicht?

III. Zur Rechtslage

1. Güterstatut

Die güterrechtlichen Wirkungen bestimmen sich im vorliegenden Fall aufgrund des Umstandes,
dass die Eheschließung nach dem 29.1.2019 erfolgte, nach den Vorschriften der
Europäischen Güterrechtsverordnung vom 24.6.2016. Vorrangig unterliegen die güterrechtlichen
Wirkungen gem. Art. 22 Abs. 1 EuGüVO dem Recht des Staates, das die Eheleute
ehevertraglich einvernehmlich gewählt haben. Es ergibt sich aus dem vorliegendem
Fall allerdings keine Vereinbarung hinsichtlich des anwendbaren Rechts. Allenfalls käme in
Betracht, hier eine konkludente Rechtswahl anzunehmen. Eine solche wird von der deutschen
Literatur insbesondere dann unterstellt, wenn die Beteiligten Bezug auf Vorschriften
einer bestimmten Rechtsordnung genommen haben, sodass hierin eine sog. konkludente
Rechtswahl liegen könne und dass gem. Art. 22 EuGüVO auch eine konkludent getroffene
Rechtswahl zu beachten sei (hierzu z. B. NK-Rom-VO/Sieghörtner, 3. Aufl. 2019, Art. 23
EuGüVO Rn. 1 unter Hinweis auf Art. 24 Abs. 2 EuGüVO). Unklar ist dabei, ob nicht
auch eine konkludente Rechtswahl einen entsprechenden Erklärungswillen verlangt. Nachdem
auch eine konkludente Rechtswahl letztendlich eine Willenserklärung darstellt, wird
man dies verlangen müssen. Ein unbewusstes Unterstellen unter eine bestimmte Rechtsordnung
wäre daher u. E. allenfalls als hypothetische Rechtswahl denkbar.

Insoweit ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Eheleute die Gütergemeinschaft
als gesetzlichen Güterstand ausschließen, sie auch die Zugewinngemeinschaft nach dem
„Gesetz Nr. 88 aus 1984“ ausschließen und dazu auch die im deutschen Recht typischen
Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich „vergessen“ haben, dass dieser Vertrag unter
ausschließlicher Berücksichtigung der Eigenheiten des in Südafrika geltenden Rechts entworfen
wurde (in Südafrika ist immer noch die allgemeine Gütergemeinschaft gesetzlicher
Güterstand). Daher liegt eine „konkludente“ Wahl südafrikanischen Güterrechts nahe.
Sollte keine Rechtwahl vorliegen, so gilt über Art. 26 Abs. 1 lit. a EuGüVO für die güterrechtlichen
Wirkungen der Ehe das Recht des Staates, in dem die Ehegatten nach der Eheschließung
ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt genommen haben. Das
dürfte im vorliegenden Fall Deutschland sein, da die Eheleute beabsichtigen, die erste eheliche
gemeinsame Wohnung in Deutschland zu nehmen. Freilich ergeben sich Probleme
hier daraus, dass es Ansichten in der Literatur gibt, die ein Abstellen auf den ersten gemeinsamen
Aufenthalt der Eheleute dann nicht mehr zulassen wollen, wenn ein relativ kurzer
Zeitraum (teilweise nicht mehr als drei Monate, so z. B. Weber, DNotZ 2016, 671) nicht
eingehalten wird. Andere lassen es ausreichen, dass die Eheleute bereits bei Eheschließung
konkrete Planungen zur Begründung des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts hatten
und lassen dann einen längeren Zeitraum zu (so z. B. Palandt/Thorn, BGB, 79. Aufl. 2020,
Art. 26 EuGüVO Rn. 2). Mithin wäre im vorliegenden Fall die Entwicklung der Rechtsprechung
abzuwarten.

Nach Verstreichen der „kurzen Frist“ wäre aber über Art. 26 Abs. 1 lit. c EuGüVO – da die
zweite Stufe der Anknüpfung mangels gemeinsamer Staatsangehörigkeit der Eheleute ausscheidet
– ersatzweise auf eine auf andere Weise begründete engste Verbindung der Eheleute
zum Zeitpunkt der Eheschließung abzustellen. Hier könnten dann gemeinsame
Zukunftspläne berücksichtigt werden, sollten diese nur hinreichend konkret sein.

2. Zur Formwirksamkeit

Besonderheit der Europäischen Güterrechtsverordnung sind die rigiden Formvorschriften.
Ein Rückgriff auf die lex loci contractus – also das Ortsrecht – ist gesetzlich ausgeschlossen.
Stattdessen soll sich bei gewöhnlichem Aufenthalt eines der Ehegatten in einem Mitgliedstaat
der Europäischen Union immer das Recht dieses Mitgliedstaats durchsetzen.

So ist z. B. die Rechtswahl gem. Art. 23 Abs. 1 EuGüVO nur dann wirksam, wenn diese in
Schriftform verfasst wurde, datiert und von beiden Ehegatten unterzeichnet wurde (sog.
Mindestform). Ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall eingehalten worden sind,
können wir mangels Vorlage des Ehevertrags nicht prüfen. Wir unterstellen jedoch, dass
diese Erfordernisse eingehalten wurden.

Hatte zum Zeitpunkt der Ausübung der Rechtswahl nur einer der Ehegatten seinen
gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat i. S. d. EuGüVO und sind in diesem Staat
zusätzliche Formvorschriften für Vereinbarungen über den ehelichen Güterstand vorge-
sehen, so sind diese Formvorschriften ebenfalls anzuwenden. Insoweit sind im vorliegenden
Fall – da ausschließlich die Ehefrau in einem Mitgliedstaat i. S. d. EuGüVO, nämlich
Deutschland, lebte – zusätzlich die Anforderungen des deutschen Rechts an den formwirksamen
Abschluss eines Ehevertrags anzuwenden. Es gilt also § 1410 BGB. Danach muss
der Ehevertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars
geschlossen werden. Dies ist im vorliegenden Fall nicht eingehalten worden, denn ausweislich
der Übersetzung hat der Notar hier keine Niederschrift über den Ehevertrag beurkundet,
sondern lediglich die Unterschriften beglaubigt. Folge der Nichteinhaltung der gem.
§ 1410 BGB stipulierten Formerfordernisse ist die absolute Nichtigkeit der Vereinbarung,
§ 125 BGB. Mithin ist also im vorliegenden Fall die Rechtswahl unbeachtlich. Es gilt im
vorliegenden Fall ausschließlich das nach Art. 26 EuGüVO bestimmte Recht.

Zugleich muss auch jede Vereinbarung über den ehelichen Güterstand gem. Art. 25
EuGüVO die dort verlangte Form einhalten. Dabei ist die in Art. 25 Abs. 1 EuGüVO verlangte
Schriftform mit Datum und Unterschrift (Mindestform) hier wohl eingehalten
worden (vgl. zu den entsprechenden Vermutungen bereits oben). Darüber hinaus verlangt
Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 3 EuGüVO in dem Fall, dass nur einer der Ehegatten seinen
gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat i. S. d. EuGüVO hat, dass auch die in
diesem Staat geltenden zusätzlichen Formvorschriften für Vereinbarungen über den ehelichen
Güterstand einzuhalten sind. Gem. Art. 25 Abs. 3 EuGüVO ist zusätzlich auch das
auf den ehelichen Güterstand anzuwendende Recht einzuhalten. Beide Verweisungen
führen im vorliegenden Fall zur Geltung der im deutschen Recht bestehenden Formerfordernisse
und damit zu §§ 1410, 125 BGB. Da dessen Erfordernisse nicht eingehalten sind,
sind also nicht nur die Rechtswahl, sondern sind auch die güterrechtlichen Vereinbarungen
des hier vorgelegten Formulars mangels Einhaltung der erforderlichen Formvorschriften
unwirksam und nichtig.

Folglich ist also im vorliegenden Fall eine güterrechtliche Regelung ehevertraglich zu regeln,
damit also die Eheleute erstmalig eine wirksame Vereinbarung treffen.

3. Pflichtteilsverzicht

Möglicherweise könne sich ein Pflichtteilsverzicht daraus ergeben, dass die Eheleute in dem
Vertrag auch vereinbart haben, dass „jeder Ehegatte über sein Vermögen testamentarisch
nach eigenem Ermessen verfügen darf“.

U. E. ist diese Klausel allerdings ausschließlich vor dem Hintergrund des in Südafrika
geltenden Güterrechts zu verstehen. Gesetzlicher Güterstand in Südafrika ist (wie bereits
oben erwähnt) die allgemeine Gütergemeinschaft. Folge der allgemeinen Gütergemeinschaft
ist, dass die Eheleute kein eigenes Vermögen haben, sondern ausschließlich gemeinschaftliches
Vermögen. Insoweit kann daher auch über das Vermögen keine Verfügung von
Todes wegen getroffen werden. Vielmehr fällt in seinen Nachlass ausschließlich das, was
nach Auseinandersetzung der ehelichen Gütergemeinschaft nicht dem überlebenden Ehegatten,
sondern dem Nachlass zugewiesen wurde. Die Vereinbarung der Gütertrennung dagegen
führt dazu, dass er insoweit über sein Vermögen frei testamentarisch verfügen kann.

Darüber hinaus kennt das südafrikanische Recht auch keinerlei quotenmäßige Beschränkungen
der Erbfolge. Der Erblasser kann grundsätzlich frei über seinen Nachlass
verfügen. Allenfalls bedürftige Angehörige können sog. family provision geltend machen. Die
Verfügungsfreiheit wird hierdurch jedoch nicht beeinträchtigt. Es ist auch kein Pflichtteilsverzicht
vorgesehen.

Aus diesen Gründen gehen wir daher davon aus, dass diese Klausel keinen Pflichtteilsverzicht
enthalten sollte. Jedenfalls ist zu vermuten, dass im Erbfall der überlebende
Ehegatte behaupten wird, mit dieser Vereinbarung sei kein Verzicht auf Pflichtteile i. S. d.
§§ 2303 ff. BGB, sondern ausschließlich eine güterrechtliche Regelung beabsichtigt
gewesen. Als Pflichtteilsverzicht zugunsten der überlebenden Erben ist diese Vereinbarung
daher praktisch wertlos. Sollte ein Pflichtteilsverzicht wirklich beabsichtigt sein, müsste
dieser ausdrücklich erklärt und beurkundet werden.

Gutachten/Abruf-Nr:

175869

Erscheinungsdatum:

27.11.2020

Rechtsbezug

National