Dingliches Vorkaufsrecht des jeweiligen Erbbauberechtigten am belasteten Grundstück; Auswirkung der Aufteilung in Wohnungserbbaurechte; Inhalt und Belastungsgegenstand des Vorkaufsrechts sowie Rechtszuständigkeit
BGB §§ 1094, 472; WEG §§ 8, 30
Dingliches Vorkaufsrecht des jeweiligen Erbbauberechtigten am belasteten Grundstück; Auswirkung der Aufteilung in Wohnungserbbaurechte; Inhalt und Belastungsgegenstand des Vorkaufsrechts sowie Rechtszuständigkeit
I. Sachverhalt
An einem Grundstück wurde im Jahr 1967 ein Erbbaurecht bestellt und in Abt. II Nr. 2 eingetragen:
„Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle während der Dauer des unter Nr. 1 eingetragenen Erbbaurechts für den jeweiligen Erbbauberechtigten des im Grundbuch von [Blattnummer des Erbbaurechts] eingetragenen Erbbaurechts.“
Das Erbbaurecht wurde kurze Zeit später in zahlreiche Wohnungserbbaurechte aufgeteilt (über 150). Zu den Rechten Abt. II Nr. 1 und 2 vermerkte man anlässlich der Veränderungen Folgendes:
„Die nebenstehenden Rechte stehen dem jeweiligen Berechtigten dieser Wohnungs- bzw. Teilerbbaurechte zu den Bruchteilen zu, die in den einzelnen Wohnungs- bzw. Teilerbbaugrundbuchblättern verzeichnet sind.“
Inzwischen haben fast alle Erbbauberechtigten am Grundstück einen Miteigentumsanteil gekauft, der ihrem Wohnungserbbaurechtsanteil entspricht. Die Anteile derjenigen Erbbauberechtigten, die keinen Miteigentumsanteil am Grundstück erwerben wollten, hat eine GbR – bestehend aus diversen Erbbauberechtigten – erworben. Ziel der Miteigentümergemeinschaft am Grundstück ist es, bei einer späteren völligen Personenidentität das Erbbaurecht aufzuheben und die Wohnungseigentumsrechte am Grundstück zu begründen.
Einer der Berechtigten will nunmehr das Wohnungs-erbbaurecht und den entsprechenden Miteigentumsanteil am Grundstück verkaufen.
II. Fragen
1. Haben sämtliche Wohnungserbbauberechtigte hin-sichtlich des Miteigentumsanteils des Verkäufers ein Vorkaufsrecht?
2. Falls ja: Besteht es dann für alle Wohnungs-erbbauberechtigten (einschließlich des Verkäufers) oder nur für diejenigen, die bisher keinen Anteil am Grundstück erworben haben?
3. Wenn einer von ihnen sein Vorkaufsrecht nicht ausübt: Haben die weiteren Berechtigten die Rechte aus § 472
S. 2 BGB?
III. Zur Rechtslage
1. Auslegungsfrage
Letztlich hängt die Frage, wem das Vorkaufsrecht zusteht, worauf es gerichtet ist und unter welchen Voraussetzungen es geltend gemacht werden kann, von der insoweit maßgeblichen Grundbucheintragung ab; dazu zählt auch eine gem.
2. Urt. des BGH v. 11.7.2014 – V ZR 18/13
Der vorliegende Fall ist einem Fall ähnlich, über den in jüngerer Zeit der BGH zu entscheiden hatte (
Der BGH legte die Grundbucheintragung vor allem im Hinblick auf den Sinn und Zweck des dinglichen Vorkaufsrechts aus. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass nach Aufteilung des Erbbaurechts in Wohnungserbbaurechte nicht mehr von einem gemeinschaftlichen Vorkaufsrecht auszugehen ist, gerichtet auf den Erwerb des gesamten Erbbaugrundstücks, sondern von einzelnen gleichrangigen Vorkaufsrechten für jede einzelne Wohnungserbbaurechtseinheit; dabei lastet jedes dieser Vorkaufsrechte auf dem gesamten Erbbaurechtsgrundstück, bezieht sich inhaltlich jedoch nur auf den Erwerb eines Miteigentumsanteils entsprechend der Quote am Erbbaurecht (insoweit vergleichbar etwa der Vormerkung auf einem Grundstück, die einen Anspruch auf Übertragung einer unvermessenen Teilfläche absichert und dabei ebenfalls das gesamte Grundstück belastet).
Im Ausgangspunkt stellte der BGH darauf ab, dass Sinn und Zweck eines Vorkaufsrechts, das bereits im Hinblick auf die Aufteilung des Erbbaurechts in Wohnungserbbaurechte bestellt worden war, sich nur dann verwirklichen ließen, wenn das Vorkaufsrecht auf den Erwerb eines Miteigentumsanteils am Erbbaugrundstück gerichtet sei und dem Berechtigten der jeweiligen Wohnungserbbaurechtseinheit allein zustehe – auch wenn sich dies aus dem bloßen Wortlaut der Grundbucheintragung nicht eindeutig ergebe (
Sodann legte der BGH dar, dass der Belastungsgegenstand des Vorkaufsrechts (hier das gesamte Erbbaugrundstück) nicht mit dem Gegenstand identisch sein muss, auf dessen Erwerb es inhaltlich gerichtet ist (
3. Vorliegender Fall
Ob die rechtliche Einordnung der Vorkaufsrechte gemäß der BGH-Entscheidung auf den vorliegenden Fall zu übertragen ist, bleibt im Wesentlichen der Würdigung des Einzelfalls und – wie bereits erwähnt – der Auslegung der Grundbucheintragung vorbehalten. Der kurze Zeitraum zwischen der Bestellung des Erbbaurechts und der Bildung von Wohnungserbbaurechten sowie der bei der Veränderung im Grundbuch eingetragene Vermerk legen es nahe, dass die Aufteilung bereits bei der Bestellung des Vorkaufsrechts vorgesehen war und dass das Vorkaufsrechts auch im Hinblick darauf bestellt worden ist. In den Worten des BGH war also womöglich die Vorkaufsberechtigung der Wohnungserbbauberechtigten „von vornherein als eigenständige Berechtigung der Wohnungserbbauberechtigten vorgesehen, freilich unter der – dann auch eingetretenen – Bedingung, dass es zu dieser Aufteilung kommt“ (
Überträgt man die rechtliche Einordnung des BGH auf den vorliegenden Fall, ergibt sich für die Rechtsfragen u. E. Folgendes:
a) Zur 1. Frage
Was die erste Frage angeht, ob sämtliche Wohnungserbbauberechtigte am Miteigentumsanteil des Verkäufers ein Vorkaufsrecht haben, ist zu bedenken, dass nicht etwa ein einheitliches Wohnungserbbaurecht besteht, sondern mit der Aufteilung in Wohnungserbbaurechte so viele Vorkaufsrechte entstanden wie Wohnungs-erbbaurechtseinheiten gebildet worden sind.
aa) Diejenigen Wohnungserbbauberechtigten, die bereits einen Miteigentumsanteil am Erbbaugrundstück entsprechend ihrem Erbbaurechtsanteil erworben haben, müssen sich dann eine „Vorwegerfüllung der Eigentumsverschaffungsansprüche“ entgegenhalten lassen, sodass sie die Verschaffung weiterer Miteigentumsanteile nicht verlangen können. Ihr Vorkaufsrecht dürfte damit „verbraucht“ und wegen einer aus dem Grundbuch selbst ersichtlichen Grundbuchunrichtigkeit gem.
bb) Diejenigen Wohnungserbbauberechtigten, die noch keinen Miteigentumsanteil am Grundstück erworben haben, verfügen demnach jeweils noch über ein Vorkaufsrecht. Insoweit ist jedoch fraglich, ob die Veräußerung eines Miteigentumsanteils am Erbbaugrundstück, der bereits einem anderen Wohnungserbbauberechtigten zusteht, zusammen mit dessen Wohnungserbbaurecht nach Sinn und Zweck der Vorkaufsrechte einen Vorkaufsfall darstellt. In Konsequenz der Auslegung des BGH wäre dies u. E. zu verneinen. Jedes einzelne Vorkaufsrecht ist demnach auf das Ziel gerichtet, dass jeder Wohnungserbbauberechtigte einen Miteigentumsanteil am Grundstück entsprechend seinem Wohnungsrecht erwerben kann. Dies bedeutet zum einen, dass das Vorkaufsrecht (jedenfalls zunächst) verbraucht ist für denjenigen, der einen solchen Anteil bereits erworben hat. Zum anderen ist es mit dem Zweck des Vorkaufsrechts nicht vereinbar, wenn sich dadurch einem anderen Wohnungserbbauberechtigten dessen Anteil am Erbbaugrundstück bei einer Veräußerung zusammen mit der Wohnungserbbaurechtseinheit „wegnehmen“ ließe. Dazu besteht auch aus Sicht des Vorkaufsberechtigten kein zwingender Anlass, denn durch die Begrenzung jedes Vorkaufsrechts auf einen Miteigentumsanteil entsprechend der Quote am Erbbaurecht bleiben stets noch hinreichend viele Miteigentumsanteile übrig, die keinem anderen Wohnungserbbauberechtigten „zugeordnet“ sind. In Bezug auf sie kann das Vorkaufsrecht bei späterem Verkauf also grundsätzlich noch ausgeübt werden.
Es liegt daher nahe, dass auch diejenigen Wohnungserbbauberechtigten, die noch keinen entsprechenden Anteil am Erbbaugrundstück erworben haben und denen das Vorkaufsrecht noch zusteht, ihr Vorkaufsrecht bei Veräußerung eines Miteigentumsanteils zusammen mit der Wohnungserbbaurechtseinheit nicht ausüben können. Anders verhält es sich, wenn es zu einer Veräußerung von Miteigentumsanteilen am Erbbaugrundstück an Dritte kommt oder wenn die Veräußerung sonst dazu führt, dass der Miteigentumsanteil künftig nicht mehr dem Erbbauberechtigten entsprechend seiner Quote zusteht. Sollten dann mehrere Personen ihr Vorkaufsrecht ausüben wollen, obwohl der veräußerte Miteigentumsanteil nicht ausreicht, um die Quoten aller Vorkaufsberechtigten abzudecken, dürfte nur eine anteilige Ausübung des Vorkaufsrechts denkbar sein (vgl. BGH
b) Zur 2. Frage
Auch hier ist vorauszusetzen, dass eine Mehrzahl von Vorkaufsrechten besteht. Das Vorkaufsrecht des Verkäufers selbst ist dann bereits durch Vorwegerfüllung verbraucht, nämlich durch seinen Erwerb eines entsprechenden Miteigentumsanteils. Folglich ist es erloschen oder kann jedenfalls so lange nicht geltend gemacht werden, wie der Berechtigte Inhaber des entsprechenden Miteigentumsanteils ist.
c) Zur 3. Frage
Was schließlich die Anwendung von
142281
Erscheinungsdatum:31.01.2016
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
WEG
BGB § 472; WEG § 30; WEG § 8; BGB § 1094