05. Mai 2023
GmbHG § 15; GmbHG § 5a; GmbHG § 33 Abs. 2

Erwerb eigener Anteile durch Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt); Zulässigkeit; Ermittlung des zulässigen Kaufpreises

GmbHG §§ 33 Abs. 2, 5a, 15
Erwerb eigener Anteile durch Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt); Zulässigkeit; Ermittlung des zulässigen Kaufpreises

I. Sachverhalt
Gesellschafter einer UG (haftungsbeschränkt) sind A und B zu jeweils 50 %. B möchte seine Geschäftsanteile verkaufen. Da A nicht über ausreichend Liquidität verfügt, soll – auf Anraten des Steuerberaters – die UG selbst die Anteile zu einem Kaufpreis von 10.000 € erwerben. Der Steuerberater meint, „das Kapital der UG“ werde Ende des Jahres bei ca. 25.000 € liegen.

II. Frage
Ist der Erwerb eigener Anteile im konkreten Fall möglich?

III. Zur Rechtslage
1. Erwerb eigener Anteile durch eine UG (haftungsbeschränkt)
Der Vorschlag des Steuerberaters zielt auf einen Erwerb eigener Geschäftsanteile durch die GmbH. Ein solcher Erwerb ist nur unter den Voraussetzungen des § 33 GmbHG zulässig. Gem. § 33 Abs. 1 GmbHG verbietet sich der Erwerb nicht volleingezahlter Geschäftsanteile. Der Erwerb volleingezahlter Geschäftsanteile ist gem. § 33 Abs. 2 GmbHG nur gestattet, wenn die Gesellschaft „im Zeitpunkt des Erwerbs eine Rücklage in Höhe der Aufwendungen für den Erwerb bilden könnte, ohne das Stammkapital oder eine nach dem Gesellschaftsvertrag zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zur Zahlung an die Gesellschafter verwandt werden darf.“ Vereinfacht gesagt müsste es der Gesellschaft zum maßgeblichen Zeitpunkt möglich sein, eine hypothetische Rücklage in Höhe des Kaufpreises zu bilden. Tatsächlich ist diese Rücklage nicht zu bilden.

Zur Frage, ob der Erwerb eigener Anteile im Falle einer UG (haftungsbeschränkt) weiter eingeschränkt oder gar ausgeschlossen ist, haben wir wenige ausdrückliche Stellungnahmen ausfindig machen können. Begründen ließe sich eine Einschränkung u. E. nur unter dem Aspekt der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung. Dabei ist zunächst zu bedenken, dass ein Ausschluss des Erwerbs nach § 33 Abs. 1 GmbHG (diese Regelung dient der Kapitalaufbringung, Kersting, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 33 Rn. 2; MünchKommGmbHG/Roßkopf/Notz, 4. Aufl. 2022, § 33 Rn. 44) von vornherein nicht in Betracht kommt, weil das Stammkapital der UG gem. § 5a Abs. 2 S. 1 GmbHG immer volleingezahlt sein muss. Die Kapitalerhaltung wird u. E. durch § 33 Abs. 2 GmbHG ausreichend gesichert. Wenn nur ungebundenes Vermögen für den Kaufpreis verwendet werden darf, ist auch die UG in ihrer Kapitalausstattung nicht gefährdet. Zudem gewährleistet die Thesaurierungspflicht des § 5a Abs. 3 GmbHG, dass der UG auch zusätzlich vorhandenes Vermögen zugutekommt. Davon abgesehen ist kein Grund ersichtlich, warum ungebundenes Vermögen nicht für beliebige Zwecke – wie etwa den Erwerb eigener Anteile – zur Verfügung stehen sollte (so auch GroßkommGmbHG/Paura, 3. Aufl. 2019, § 5a Rn. 20).

2. Kapitalerhaltungsrechtliche Anforderungen des § 33 Abs. 2 GmbHG
Freilich müssten die Anforderungen des § 33 Abs. 2 GmbHG im konkreten Fall erfüllt sein. Wenn mit dem im Sachverhalt genannten „Kapital der UG“ das Stammkapital zum Jahresende gemeint ist (also das Stammkapital einer regulären GmbH aufgrund einer bis dahin durchgeführten Kapitalerhöhung), so besagt dies im Hinblick auf § 33 Abs. 2 GmbHG nichts. Die Norm knüpft nämlich in keiner Weise an die Stammkapitalziffer an.

Wenn mit „Kapital der UG“ das voraussichtliche bilanzielle Eigenkapital gemeint ist, so ist diese Angabe für sich genommen ebenso wenig aussagekräftig. Zum Eigenkapital (vgl. § 272 HGB) gehören auch die Einlagen und die gebundenen Rücklagen der Gesellschaft. Ungebundenes Vermögen i. S. d. § 33 Abs. 2 GmbHG kann aber nur das darüber hinaus vorhandene Vermögen sein (Maßstab des § 30 Abs. 1 GmbHG), also der Überschuss der in der fortgeschriebenen Ertragsbilanz korrekt angesetzten Aktiva nach Abzug sämtlicher Verbindlichkeiten und Rückstellungen (Bilanzgewinn) sowie die ausschüttungsfähigen „freien“ Rücklagen (MünchKommGmbHG/Roßkopf/Notz, 4. Aufl. 2022, § 33 Rn. 86 f.). Nicht zu berücksichtigen sind folglich Rücklagen nach § 5a Abs. 3 GmbHG (MünchKommGmbHG/Roßkopf/Notz, § 33 Rn. 86; MünchKommHGB/Reiner, 4. Aufl. 2020, § 272 Rn. 24; vgl. auch dazu, dass § 30 Abs. 1 GmbHG die Rücklage nach § 5a Abs. 3 GmbHG erfasst: Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, § 30 Rn. 11). Zur Verfügung kann nach unserem Verständnis zudem nicht der zu thesaurierende Gewinnanteil gem. § 5a Abs. 3 S. 1 GmbHG stehen.

Des Weiteren wird im konkreten Fall die Frage nach dem Zeitpunkt relevant, zu dem das ungebundene Vermögen gegeben sein muss. Diese Frage ist allgemein umstritten:

Vor Neufassung des § 33 Abs. 2 GmbHG durch das MoMiG stellte der BGH (NJW 1998, 3121, 3122) auf den Zeitpunkt der Gegenleistung ab. Zu bedenken ist aber, dass § 33 Abs. 2 GmbHG a. F. sich zum Zeitpunkt der (damals tatsächlich erforderlichen) Rücklagenbildung nicht ausdrücklich verhielt. Gleichwohl hat der BGH obiter dictum auch in einer aktuelleren Entscheidung (NZG 2020, 384 Rn. 40 f.) den Zahlungszeitpunkt für entscheidend erklärt.

Nach Ansicht des OLG Rostock (NZG 2013, 543, 545) ist bei § 33 Abs. 2 GmbHG n. F. der Zeitpunkt des schuldrechtlichen Geschäfts maßgeblich (s. auch Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl. 2023, § 33 Rn. 16).

Die wohl h. M. in der Literatur stellt hingegen auf den Zeitpunkt der Erfüllung des Kaufpreisanspruchs ab (MünchKommGmbHG/Roßkopf/Notz, § 33 Rn. 100; Altmeppen, GmbHG, § 33 Rn. 20; BeckOK-GmbHG/Schindler, Std.: 1.3.2023, § 33 Rn. 53.1; Wicke, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 33 Rn. 6; Henssler/Strohn/Fleischer, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 33 GmbHG Rn. 15; Lieder, GmbHR 2014, 57; Priester, GmbHR 2013, 1121, 1124).

Nur eine Mindermeinung dürfte das Vorhandensein des Vermögens zu beiden Zeitpunkten verlangen (Kersting, § 33 Rn. 11a).

3. Fazit
Ein Erwerb eigener Anteile gem. § 33 Abs. 2 GmbHG dürfte der UG (haftungsbeschränkt) grundsätzlich möglich sein. Die Mittel zur Kaufpreiszahlung müssten dem ungebundenen Vermögen der UG entnommen werden (das nicht gleichbedeutend mit dem Eigenkapital der Gesellschaft ist). Richtet man sich nach der Entscheidung des OLG Rostock, so müsste dieses Vermögen bereits zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses in ausreichender Höhe vorhanden sein.

Gutachten/Abruf-Nr:

189604

Erscheinungsdatum:

05.05.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

GmbH

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 67-69

Normen in Titel:

GmbHG § 15; GmbHG § 5a; GmbHG § 33 Abs. 2