Ausgleichung von Pflegeleistungen; Auswirkung auf Pflichtteilsanspruch des übergangenen Geschwisters; Berechnung des Ausgleichungsanspruchs
BGB §§ 2316, 2057a
Ausgleichung von Pflegeleistungen; Auswirkung auf Pflichtteilsanspruch des übergangenen Geschwisters; Berechnung des Ausgleichungsanspruchs
I. Sachverhalt
Ein Erbauseinandersetzungsvertrag soll beurkundet werden. Die verstorbene Erblasserin E (verwitwet) hinterlässt drei Kinder K1, K2 und K3. Sie hat testamentarisch die Kinder K1 und K2 zu ihren Erben zu je 1/2 Anteil eingesetzt. K3 soll den Pflichtteil erhalten.
Im Rahmen der Auseinandersetzung soll K1 die zum Nachlass gehörende Immobilie gegen Auszahlung von K2 erhalten. Ferner wirkt an der Auseinandersetzung auch K3 mit, der von K1 seinen Pflichtteil ausbezahlt bekommen soll. K1 hat E zu Lebzeiten gepflegt und im Haushalt unterstützt. Sie war über sechs Jahre hinweg täglich von 10 bis 14 Uhr bei ihr, hat sie bekocht, das Haus gereinigt und den Einkauf organisiert. Eine Vereinbarung mit der E hierüber gab es nicht. K1 hatte aber von der Krankenkasse monatliches Pflegegeld i. H. v. 360 EUR erhalten.
Der Pflichtteil ist ansonsten zwischen K1 und K3 beziffert. Es soll aber die Frage geklärt werden, ob die Pflegeleistungen der K1 den Pflichtteil schmälern.
II. Fragen
1. Kann die Erbin K1 gem.
2. Ist das Pflegegeld anzurechnen?
III. Zur Rechtslage
1. Auswirkung der Ausgleichungspflicht auf die Berechnung des Pflichtteils
Nach
Darüber hinaus muss eine ausgleichungspflichtige Zuwendung vorliegen; es muss im (hypothetischen) Fall der gesetzlichen Erbfolge eine Leistung der in
Im Rahmen der Auseinandersetzung bei gesetzlicher Erbfolge wird die Ausgleichung so durchgeführt, dass von dem auf die Abkömmlinge entfallenden reinen Nachlassteil zunächst der Wert abgezogen wird, der dem ausgleichungsberechtigten Abkömmling zufällt. Der um diese Summe verminderte fiktive Nachlass wird dann entsprechend den Erbquoten auf die Abkömmlinge verteilt. Dem ausgleichungsberechtigten Abkömmling wird zusätzlich der Ausgleichungsbetrag zugeschlagen (vgl. zur Berechnung Grüneberg/Weidlich, BGB, 83. Aufl. 2024, § 2057a Rn. 10).
Auch etwaige Pflichtteile der Abkömmlinge sind gem.
Dazu folgendes Berechnungsbeispiel:
Der Nachlasswert beträgt 100.000 EUR. Der Abkömmling A ist Alleinerbe, die beiden weiteren Abkömmlinge B und C sind auf den Pflichtteil gesetzt. A hat Leistungen i. S. d.
2. Voraussetzungen und Höhe des Ausgleichungsanspruchs
Ausgleichung kann nach
Negativ setzt das Bestehen eines Ausgleichungsanspruchs nach
Nach dem mitgeteilten Sachverhalt war zwischen der Erblasserin und K1 keine Vereinbarung über den Ausgleich der Pflegeleistung bzw. keine Vergütungsvereinbarung getroffen worden. K1 hatte aber nach dem mitgeteilten Sachverhalt von der Krankenkasse monatliches Pflegegeld i. H. v. 360 EUR erhalten. Betrachtet man, dass das Pflegegeld nicht dem Pflegenden, sondern dem Pflegebedürftigen zusteht (vgl. § 37 Abs. 1 S. 1 SGB XI), könnte in der Aushändigung bzw. Weiterleitung des Pflegegeldes an die Pflegeperson ein Ausgleich bzw. eine Gegenleistung für die Pflege zu sehen sein. Rechtsprechung liegt zu dieser Problematik, soweit ersichtlich, bislang nicht vor. Im Rahmen der Begründung des Regierungsentwurfs zum Zweiten Pflegestärkungsgesetz wurde allerdings ausgeführt, dass die Weitergabe des Pflegegeldes (§ 37 Abs. 1 SGB XI) an den pflegenden Abkömmling kein „angemessenes Entgelt“ darstelle, weil es nur den Charakter einer Anerkennung für die innerfamiliäre Unterstützungs- und Hilfeleistung habe (BT-Drucks. 18/5926, S. 122; vgl. jurisPK-BGB/Schermann, 10. Aufl. 2023, § 2057a Rn. 73). Wir interpretieren die Aussage in der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs dahingehend, dass es sich bei der Aushändigung des Pflegegeldes wohl um eine Gegenleistung handeln könnte, die allerdings nicht als „angemessenes“ Entgelt i. S. v.
Nach den vorstehenden Ausführungen dürfte daher grundsätzlich ein weiterer Ausgleichsanspruch nach
Eine Aussage über das Bestehen und die Höhe eines etwaigen Ausgleichsanspruchs kann das DNotI daher nicht treffen. Die Beteiligten wären – wenn sie sich nicht einigen können – insoweit auf die gerichtliche Klärung ihrer Ansprüche zu verweisen.
3. Zusammenhang zwischen Erbeinsetzung und Ausgleichung
Grundsätzlich kann auch der zum Alleinerben eingesetzte pflichtteilsberechtigte Abkömmling die Ausgleichung seiner Leistungen gegenüber den Pflichtteilsansprüchen anderer Abkömmlinge geltend machen (vgl. BGH
Auch im vorliegenden Fall kann daher von Seiten des zum Miterben eingesetzten Abkömmlings K1 gegenüber dem Pflichtteilsanspruch von K3 ggf. mit Erfolg ein Ausgleichungsanspruch geltend gemacht werden. Nach Auffassung der Kommentarliteratur muss sich der ausgleichungsberechtigte (Allein-)Erbe nicht zwingend entgegenhalten lassen, dass er bereits durch seine Erbeinsetzung zu Lasten der anderen Abkömmlinge honoriert worden sei (vgl. Staudinger/Löhnig, BGB, 2020, § 2057a Rn. 51). Gleichwohl hat der BGH unlängst entschieden, dass der Anspruch eines Erben auf Ausgleichung für den Erblasser erbrachter Pflegeleistungen durch letztwillige Verfügung ausgeschlossen werden könne, und zwar auch konkludent (vgl. BGH
Im vorliegenden Fall ist nicht bekannt, ob dem Testament der Erblasserin entsprechende Ausführungen zu besonderen Leistungen von K1 entnommen werden können. Sofern dies der Fall wäre, käme nach der eben genannten, wenn auch umstrittenen Rechtsprechung des BGH auch ein Ausschluss der Ausgleichung von Pflegeleistungen in Betracht.
4. Ergebnis
Im vorliegenden Fall könnte theoretisch wegen der erbrachten Pflegeleistungen ein Ausgleichsanspruch der Miterbin K1 bestehen, der sich pflichtteilsreduzierend auf Seiten des K3 auswirken könnte (
199733
Erscheinungsdatum:05.01.2024
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Pflichtteil
Vorweggenommene Erbfolge (Ausgleichung, Anrechnung)
BGB § 2057a; BGB § 2316