13. Mai 2022
BGB § 912; WEG § 1 Abs. 4

Einbeziehung eines fremden Grundstücks in die WEG-Aufteilung bei rechtmäßigem Überbau aufgrund schuldrechtlicher Gestattung

BGB § 912; WEG § 1 Abs. 4
Einbeziehung eines fremden Grundstücks in die WEG-Aufteilung bei rechtmäßigem Überbau aufgrund schuldrechtlicher Gestattung

I. Sachverhalt
Ein Bauträger möchte ein Grundstück bebauen und nach § 8 WEG aufteilen. Er hat zur Begradigung der Grundstücksgrenze eine unvermessene Teilfläche von ca. 12 m2 vom Nachbarn erworben und sich bis zur Vermessung und Übertragung ein schuldrechtliches Nutzungsrecht einräumen lassen. Der Wortlaut der Regelung lautet wie folgt:

„Der Käufer wird die Vermessung durchführen, behält sich jedoch vor, die Vermessung erst nach Errichtung des von ihm noch zu erstellenden Mehrfamilienhauses auf den beiden vereinigten Grundstücken Flst. X und Y (Grundstücke des Bauträgers), durchzuführen. Der Verkäufer gestattet dem Käufer, den heutigen Vertragsgegenstand – wie er im Lageplan eingezeichnet ist – zu nutzen und entsprechend seinem beabsichtigten Bauvorhaben mit einem Mehrfamilienhaus zu überbauen. Eine Überbaurente ist vom Käufer nicht zu bezahlen, da dies mit dem Kaufpreis abgegolten ist. Die Vertragsteile verpflichten sich mit Weitergabeverpflichtung, sämtliche Rechtsnachfolger in die vorstehende Vereinbarung eintreten zu lassen.“

Bei Beurkundung des Ankaufsvertrages, wurde davon ausgegangen, dass die Eintragung einer Grunddienstbarkeit nicht notwendig ist. Der zuständige Rechtspfleger des Grundbuchamtes stellt sich nunmehr auf den Standpunkt, dass die Gestattung des Überbaus zugunsten des Nachbargrundstücks bzgl. der abverkauften Teilfläche durch eine Grunddienstbarkeit zu sichern ist.

II. Frage
Ist die Eintragung einer Überbaudienstbarkeit zur Aufteilung des Nachbargrundstückes nach dem Wohnungseigentumsgesetz erforderlich?

III. Zur Rechtslage
Wohnungs- und Teileigentum kann nur entstehen, wenn die betroffenen Räume Teil eines Gebäudes sind, das zum aufgeteilten Grundstück gehört (§ 1 Abs. 2 u. 3 WEG). Das WEG lässt es nicht zu, Miteigentum und Sondereigentum auf einem anderen Grundstück in die Aufteilung einzubeziehen (§ 1 Abs. 4 WEG). Wohnungs- und Teileigentum an, auf einem anderen Grundstück belegenen, Räumen kann somit nur entstehen, wenn der auf dem Nachbargrundstück liegende Gebäudeteil nach allgemeinen sachenrechtlichen Grundsätzen zum Eigentum des Wohnungseigentumsgrundstücks gehört (vgl. Rapp, in: Beck’sches Notarhandbuch, 7. Aufl. 2019, § 3 Rn. 20).

In Betracht kommt dies in bestimmten Konstellationen eines Überbaus i. S. v. §§ 912 ff. BGB (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.10.2012 – 14 Wx 7/11, BeckRS 2013, 14506; BWNotZ 1986, 84; ZWE 2014, 23; OLG Hamm RPfleger 1984, 98; OLG Stuttgart OLGZ 1982, 402, 403; OLG Stuttgart FGPrax 2011, 285, 286; Staudinger/Roth, 2020, BGB § 912 Rn. 79; BeckOGK-WEG/M. Müller, Std.: 1.3.2022, § 1 Rn. 391 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 2817; Tersteegen, RNotZ 2006, 433, 452 ff.). Die eigentumsrechtliche Zuordnung des Überbaus zum Wohnungseigentumsgrundstück wird insbesondere im Fall eines sog. entschuldigten und beim sog. rechtmäßigen Überbau angenommen. Mit dem Begriff des rechtmäßigen Überbaus ist die Situation gemeint, in der der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes mit der Zustimmung des Eigentümers des Nachbargrundstücks über die Grenze baut (vgl. hierzu wiederum statt aller: Staudinger/Roth, § 912 Rn. 66 f.; Tersteegen, RNotZ 2006, 433, 434 jew. m. w. N.). Begründet wird die vorgenannte eigentumsrechtliche Zuordnung des Gebäudeteils auf dem rechtmäßig bzw. entschuldigt überbauten Grundstück zum Stammgrundstück damit, dass in beiden Fällen dem in § 94 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Prinzip des Gebäudezusammenhangs der Vorrang vor dem Akzessionsprinzip gem. §§ 94 Abs. 1 S. 1, 93 BGB einzuräumen ist (statt aller: Staudinger/Roth, § 912 Rn. 71; Tersteegen, RNotZ 2006, 433, 434 jew. m. w. N.). Diese Eigentumszuordnung entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH DNotZ 2004, 373, 374).

Strittig ist, ob es im Falle einer Aufteilung nach WEG unter Einbeziehung eines Gebäudeteils, das auf einem rechtmäßig überbauten Grundstücks steht, ausreicht, dass dem Grundbuchamt die Zustimmung des Eigentümers des überbauten Grundstücks zum Überbau in der Form des § 29 GBO nachgewiesen wird oder ob die Zustimmung zwingend (auch) aus dem Grundbuch ersichtlich sein muss (etwa in Form einer Grunddienstbarkeit, einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit oder eines Erbbaurechtes, hierzu Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 3. Aufl. 2020, Kap. 2 Rn. 319). Nach der herrschenden Auffassung (zu dieser Einordnung als „herrschend“ BeckOK-WEG/Leidner, 48. Ed., Std.: 1.3.2022, § 3 Rn. 7) genügt der Nachweis einer schuldrechtlichen Gestattung in der Form des § 29 GBO (BGH NJW 1983, 2022, 2024; BGH NJW 1982, 756 f.; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 1 Rn. 36; BeckOK-BGB/Hügel, 61. Ed., Std.: 1.2.2022, § 1 Rn. 14; Grziwotz/Lüke/Saller, Kap. 2 Rn. 320; BeckOGK-BGB/M. Müller, § 1 Rn. 402; Staudinger/Rapp, WEG, 2018, § 1 WEG Rn. 30; Tersteegen, RNotZ 2006, 433, 453; Grüneberg/Wicke, BGB, 81. Aufl. 2022, § 1 WEG Rn. 7). Nach a. A. muss die Zustimmung aus dem Grundbuch ersichtlich sein (MünchKommBGB/Brückner, 8. Aufl. 2020, § 912 Rn. 62; BeckOKWEG/Leidner, § 3 Rn. 7; OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.6.1982 – 8 W 226/82, OLGZ 1982, 402). Legt man die h. M. zugrunde, genügt vorliegend der Nachweis einer schuldrechtlichen Gestattung in der Form des § 29 GBO.

Wir verstehen den Sachverhalt so, dass der Überbau derzeit noch nicht erfolgt ist. In der Folge stellt sich die Frage, ob eine Aufteilung in Wohnungseigentum auch im Hinblick auf einen lediglich geplanten, das heißt noch nicht – auch nicht ansatzweise, etwa durch Teilarbeiten – tatsächlich ausgeführten Überbau zulässig ist (vgl. dazu Weber, in: Kölner Formularbuch WEG, 1. Aufl. 2020, Kap. 2 Rn. 105).

Grundsätzlich ist die Aufteilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz von der tatsächlichen Bebauung unabhängig, was zunächst dafür spricht, auch eine antizipierte schuldrechtliche Gestattung genügen zu lassen.

Beim Überbau besteht jedoch insofern die Besonderheit, dass die Duldungspflicht gem. § 912 BGB auch den Einzelrechtsnachfolger trifft, wenn zum Zeitpunkt der Errichtung des Überbaus eine Gestattung vorlag (BeckOK-BGB/Fritzsche, 61. Ed. 1.2.2022, § 912 Rn. 29). Bis dahin besteht grundsätzlich das Risiko, dass die Gestattung vor Ausführung des Überbaus widerrufen wird (siehe zur grundsätzlichen Widerruflichkeit der Gestattung BeckOK-BGB/Fritzsche, § 912 Rn. 28; Brandenburgisches Oberlandesgericht (6. Zivilsenat), Urteil vom 16.9.2003 – 6 U 58/03, OLG-NL 2005, 35, 36). Dieses Risiko kann zwar durch eine unwiderrufliche schuldrechtliche Gestattung zwischen den beiden Eigentümern minimiert werden. Allerdings besteht das durch eine schuldrechtliche Vereinbarung nicht auszuschließende Risiko, dass der Überbau zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Gestattende nicht mehr Eigentümer des Grundstücks ist. Nach Eintritt einer Sonderrechtsnachfolge auf Seiten des Gestattenden wäre der danach durchgeführte Überbau nicht (mehr) durch den aktuellen Eigentümer des Grundstücks genehmigt (es sei denn, der Rechtsnachfolger tritt in die Vereinbarung ein oder trifft eine neue Vereinbarung mit dem Überbauenden), sondern nur von dessen Rechtsvorgänger, was aber den Rechtsnachfolger – als rein schuldrechtliche, nur inter partes wirkende Vereinbarung – nicht bindet. Es bestünde dann kein Fall des rechtmäßigen Überbaus, so dass der einen Überbau darstellende Gebäudeteil nicht in das Eigentum des aufteilenden Eigentümers gelangen würde. Besteht eine dingliche Sicherung, so wäre auch der Rechtsnachfolger gebunden, so dass sich insoweit keine Zweifel ergeben. Die Richtigkeit des Wohnungsgrundbuchs würde ohne eine solche dingliche Sicherung allein vom Belieben des Bauträgers abhängen, ob und wann dieser den Bau ausführt.

Wir tendieren daher zu der Auffassung, dass ein lediglich geplanter, aber noch nicht ausgeführter Überbau nicht in das zu bildende Wohnungseigentum einbezogen werden kann, auch wenn eine schuldrechtliche Zustimmung in der Form des § 29 GBO vorliegt. Wir weisen allerdings darauf hin, dass die Rechtslage insoweit als unsicher zu bezeichnen ist. Nach unserer Auffassung ist es erforderlich, den Überbau entweder dinglich abzusichern (etwa durch eine Dienstbarkeit) oder die Einbeziehung des Überbaus in das aufzuteilende Eigentum erst zu einem Zeitpunkt durchzuführen, in dem der Überbau bereits errichtet ist. Es sollte dann vorsorglich eine erneute, aktuelle Bewilligung in der Form des § 29 GBO vom Eigentümer des überbauten Grundstücks eingeholt werden. Eine dingliche Absicherung wäre unseres Erachtens allerdings der sicherste Weg.

Gutachten/Abruf-Nr:

186799

Erscheinungsdatum:

13.05.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
WEG

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 76-77

Normen in Titel:

BGB § 912; WEG § 1 Abs. 4