Konkurrenz zwischen einem schuldrechtlichen Erwerbsrecht an einem Erbteil und einer nachfolgenden Erbteilspfändung
Konkurrenz zwischen einem schuldrechtlichen Erwerbsrecht an einem Erbteil und einer nachfolgenden Erbteilspfändung
I. Sachverhalt
Im Grundbuch eines Grundstücks sind zwei Geschwister in Erbengemeinschaft nach ihrem verstorbenen Vater (Erblasser) als Eigentümer eingetragen. Der Sohn hat seiner Mutter an seinem Erbteil ein bedingtes Übertragungsrecht eingeräumt. Die betreffende Regelung hat folgenden Wortlaut:
„Herr … (Sohn) verpflichtet sich, seinen Erbteil am Nachlass des Vaters zu Lebzeiten seiner Mutter, Frau …, ohne deren Zustimmung weder zu belasten noch zu veräußern.
Frau … (Mutter) hat das Recht, die Übertragung des Erbteils auf sich zu verlangen, wenn:
1. Herr … (Sohn) vor ihr versterben sollte oder
2. der Erbteil ohne ihre Zustimmung ganz oder teilweise veräußert oder belastet wird, gleich ob im Wege eines Rechtsgeschäfts oder der Zwangsvollstreckung.
Die Rückübertragung hat unentgeltlich und frei von allen im Grundbuch eingetragenen Rechten zu erfolgen. Ausgenommen sind solche Rechte, denen Frau … zugestimmt hat oder die bereits jetzt bestehen.“
Auf eine dingliche Sicherung dieses Übertragungsrechts wurde verzichtet. Einige Jahre später hat eine Bank den Erbteil des Sohnes gepfändet. Die Mutter möchte nun ihr Übertragungsrecht ausüben.
II. Fragen
1. Hat das früher begründete Übertragungsrecht irgendeine Auswirkung auf das Pfandrecht der Bank?
2. Ist eine Übertragung des Erbteils an die Mutter ohne Zustimmung der Pfändungsgläubigerin möglich?
III. Zur Rechtslage
1. Wirksame Erbteilspfändung
Es stellt sich die Frage, ob die Bank das Pfändungspfandrecht am Erbteil des Sohnes (§ 859 Abs. 2, 1 S. 1 ZPO) wirksam erworben hat, obwohl zeitlich zuvor ein Erwerbsrecht der Mutter an dem betreffenden Erbteil des Sohnes begründet worden war.
Bei der Vereinbarung zwischen Mutter und Sohn handelt es sich nach den vertraglichen Bestimmungen um eine rein schuldrechtliche Übertragungsverpflichtung. Da eine auf den Eintritt des jeweiligen Übertragungsfalls bedingte Abtretung des Erbteils an die Mutter nicht aufgenommen wurde, greift der Schutz des
Im vorliegenden Sachverhalt wurde demgegenüber nur ein schuldrechtlicher Erwerbsanspruch der Mutter hinsichtlich des Erbteils begründet. Dieser wirkt nach dem Grundsatz der Relativität derartiger Schuldverhältnisse nur in der Beziehung zwischen dem Verpflichteten (Sohn) und der Berechtigten (Mutter). Eine Drittwirkung gegenüber dem Pfändungsgläubiger kam diesem Erwerbsrecht der Mutter nicht zu. Die Bank hat daher das Pfändungspfandrecht am Erbteil gemäß
Wird ein Erwerbsrecht an Rechten vertraglich eingeräumt, so wird daher kautelarjuristisch vielfach zur Sicherung dieses Übertragungsrechts zusätzlich die Vereinbarung einer aufschiebend bedingten Abtretung des betreffenden Rechts empfohlen, um die Anwendbarkeit des
2. Erbteilsübertragung nach Ausübung des Erwerbsrechts
Infolge der dargestellten Rechtslage bleibt die Übertragung des mit dem Pfändungspfandrecht belasteten Erbteils vom Sohn an die Mutter trotz der zwischenzeitlichen Pfändung, ohne Zustimmung der Bank als Pfändungsgläubigerin, möglich. Auch wenn die Pfändung nicht ins Grundbuch eingetragen wurde, erwirbt die Mutter gleichwohl den mit dem Pfändungspfandrecht belasteten Erbteil, da der öffentliche Glaube des Grundbuchs (
188782
Erscheinungsdatum:01.04.2022
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
Erschienen in: Normen in Titel:BGB § 161; ZPO § 859