01. April 2022
BGB § 161; ZPO § 859

Konkurrenz zwischen einem schuldrechtlichen Erwerbsrecht an einem Erbteil und einer nachfolgenden Erbteilspfändung

BGB § 161; ZPO § 859
Konkurrenz zwischen einem schuldrechtlichen Erwerbsrecht an einem Erbteil und einer nachfolgenden Erbteilspfändung

I. Sachverhalt
Im Grundbuch eines Grundstücks sind zwei Geschwister in Erbengemeinschaft nach ihrem verstorbenen Vater (Erblasser) als Eigentümer eingetragen. Der Sohn hat seiner Mutter an seinem Erbteil ein bedingtes Übertragungsrecht eingeräumt. Die betreffende Regelung hat folgenden Wortlaut:

„Herr … (Sohn) verpflichtet sich, seinen Erbteil am Nachlass des Vaters zu Lebzeiten seiner Mutter, Frau …, ohne deren Zustimmung weder zu belasten noch zu veräußern.

Frau … (Mutter) hat das Recht, die Übertragung des Erbteils auf sich zu verlangen, wenn:

1. Herr … (Sohn) vor ihr versterben sollte oder

2. der Erbteil ohne ihre Zustimmung ganz oder teilweise veräußert oder belastet wird, gleich ob im Wege eines Rechtsgeschäfts oder der Zwangsvollstreckung.

Die Rückübertragung hat unentgeltlich und frei von allen im Grundbuch eingetragenen Rechten zu erfolgen. Ausgenommen sind solche Rechte, denen Frau … zugestimmt hat oder die bereits jetzt bestehen.“

Auf eine dingliche Sicherung dieses Übertragungsrechts wurde verzichtet. Einige Jahre später hat eine Bank den Erbteil des Sohnes gepfändet. Die Mutter möchte nun ihr Übertragungsrecht ausüben.

II. Fragen
1. Hat das früher begründete Übertragungsrecht irgendeine Auswirkung auf das Pfandrecht der Bank?

2. Ist eine Übertragung des Erbteils an die Mutter ohne Zustimmung der Pfändungsgläubigerin möglich?

III. Zur Rechtslage
1. Wirksame Erbteilspfändung
Es stellt sich die Frage, ob die Bank das Pfändungspfandrecht am Erbteil des Sohnes (§ 859 Abs. 2, 1 S. 1 ZPO) wirksam erworben hat, obwohl zeitlich zuvor ein Erwerbsrecht der Mutter an dem betreffenden Erbteil des Sohnes begründet worden war.

Bei der Vereinbarung zwischen Mutter und Sohn handelt es sich nach den vertraglichen Bestimmungen um eine rein schuldrechtliche Übertragungsverpflichtung. Da eine auf den Eintritt des jeweiligen Übertragungsfalls bedingte Abtretung des Erbteils an die Mutter nicht aufgenommen wurde, greift der Schutz des § 161 Abs. 1 S. 1, 2 BGB nicht ein. Wäre eine derartige, aufschiebend bedingte Abtretung zugleich in die Urkunde mit aufgenommen worden, so hätte die Bank das Pfändungspfandrecht nachfolgend nicht wirksam erwerben können. Nach § 161 Abs. 1 S. 2 BGB sind nämlich auch Zwischenverfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung insoweit unwirksam, als sie die von der Bedingung abhängige Wirkung vereiteln würden. Auch ein gutgläubiger Erwerb des Pfändungspfandrechts durch die Bank nach § 161 Abs. 3 BGB wäre bei einer derartigen Gestaltung nicht möglich gewesen, da es beim Erwerb eines Pfändungspfandrechts im Wege der Zwangsvollstreckung an einem Erwerb kraft Rechtsgeschäft fehlt (s. grundsätzlich Staudinger/Bork, BGB, 2020, § 161 Rn. 15; BeckOK-BGB/Rövekamp, Std.: 1.2.2022, § 161 Rn. 13; speziell zu einer derartigen Gestaltung mit aufschiebend bedingter Rückabtretung: BayObLG NJW-RR 1997, 1173 f.; allgemein die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs eines Pfändungspfandrechts verneinend: BGH NJW 1992, 2570, 2574).

Im vorliegenden Sachverhalt wurde demgegenüber nur ein schuldrechtlicher Erwerbsanspruch der Mutter hinsichtlich des Erbteils begründet. Dieser wirkt nach dem Grundsatz der Relativität derartiger Schuldverhältnisse nur in der Beziehung zwischen dem Verpflichteten (Sohn) und der Berechtigten (Mutter). Eine Drittwirkung gegenüber dem Pfändungsgläubiger kam diesem Erwerbsrecht der Mutter nicht zu. Die Bank hat daher das Pfändungspfandrecht am Erbteil gemäß §§ 859 Abs. 2, 1 S. 2, 857 Abs. 1, 829 Abs. 3 ZPO wirksam vom Berechtigten erworben (allgemein zur Pfändung des Miterbenanteils: Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 1659 ff.).

Wird ein Erwerbsrecht an Rechten vertraglich eingeräumt, so wird daher kautelarjuristisch vielfach zur Sicherung dieses Übertragungsrechts zusätzlich die Vereinbarung einer aufschiebend bedingten Abtretung des betreffenden Rechts empfohlen, um die Anwendbarkeit des § 161 BGB zugunsten des Berechtigten zu begründen (s. zu Rückforderungsrechten an GmbH-Gesellschaftsanteilen etwa Wälzholz, GmbHR 2007, 1319 f.).

2. Erbteilsübertragung nach Ausübung des Erwerbsrechts
Infolge der dargestellten Rechtslage bleibt die Übertragung des mit dem Pfändungspfandrecht belasteten Erbteils vom Sohn an die Mutter trotz der zwischenzeitlichen Pfändung, ohne Zustimmung der Bank als Pfändungsgläubigerin, möglich. Auch wenn die Pfändung nicht ins Grundbuch eingetragen wurde, erwirbt die Mutter gleichwohl den mit dem Pfändungspfandrecht belasteten Erbteil, da der öffentliche Glaube des Grundbuchs (§§ 891, 892 BGB) beim Erwerb von Rechten nicht eingreift (siehe dazu OLG Köln MittBayNot 1997, 240; Schöner/Stöber, Rn. 1665 m. w. N.). Das Verwertungsrecht der Bank an dem Erbteil, das durch das Pfändungspfandrecht begründet wurde, könnte also nach Übertragung des Erbteils an die Mutter nach den allgemeinen zwangsvollstreckungsrechtlichen Regeln auch dieser gegenüber durchgesetzt werden.

Gutachten/Abruf-Nr:

188782

Erscheinungsdatum:

01.04.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 52-53

Normen in Titel:

BGB § 161; ZPO § 859