01. Januar 1997
ErbbauRG § 10 Abs. 1

Rangfähigkeit eines Zustimmungsvorbehaltes nach § 6 Abs. 4 BoSoG - erstrangige Bestellung eines Erbaurechtes

DNotI
Deutsches Notarinstitut

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Gutachten des Deutschen Notarinstitut Dokumentnummer: letzte Aktualisierung: 1611# 14. Juni 2004

BoSoG § 6 Abs. 4; ErbbauVO § 10 Abs. 1 S. 1 Rangfähigkeit eines Zustimmungsvorbehaltes nach § 6 Abs. 4 BoSoG - erstrangige Bestellung eines Erbbaurechtes

I. Zum Sachverhalt An einem Grundstück im Beitrittsgebiet ist ein Zustimmungsvorbehalt nach § 6 Abs. 4 Bodensonderungsgesetz (BoSoG) eingetragen. An diesem Grundstück soll nunmehr ein Erbbaurecht bestellt werden. II. Fragestellung Hindert der eingetragene Zustimmungsvorbehalt nach § 6 Abs. 4 BoSoG die erforderliche Bestellung des Erbbaurechtes an ausschließlich erster Rangstelle?

III. Zur Rechtslage 1. Fehlende Rangfähigkeit von Verfügungsbeschränkungen a) Nach § 10 Abs. 1 S. 1 ErbbauVO kann ein Erbbaurecht grundsätzlich nur an ausschließlich erster Rangstelle bestellt werden.

b) Unproblematisch sind jedoch bestehende Grundbucheintragungen, die gar nicht rangfähig sind. Rangfähig sind grundsätzlich nur beschränkt dingliche Rechte, Vormerkungen sowie Nutzungsregelungen nach § 1010 BGB. Hier wirkt sich der Rang vor allem im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus (§ 10 ZVG).

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Nicht rangfähig sind hingegen Verfügungsbeschränkungen, die dem Berechtigten kein Befriedigungsrecht gewähren sondern allenfalls eine dagegen verstoßende Verfügung unwirksam machen. Solche nicht rangfähigen Verfügungsbeschränkungen sind insbesondere der Zwangsversteigerungsvermerk nach § 19 ZVG, der Umlegungsvermerk nach § 54 Abs. 1, die Sanierungs- und Entwicklungsbereichsvermerke nach §§ 143 und 170 BauGB oder der Heimstättenvermerk nach § 5 RHG (ebenso nach heute allgemeiner Meinung auch der Nacherbenvermerk). Eine Eintragung dieser Vermerke verhindert daher eine rangerste Bestellung des Erbbaurechtes nach einhelliger Meinung nicht (Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 10. Aufl. 1993, Rn. 1737; Ingenstau, Kommentar zum Erbbaurecht, 7. Aufl. 1994, § 10 ErbbauVO Rn. 6/7; MünchKomm-von Oefele, 2. Aufl. 1986, § 10 ErbbauVO Rn. 4; Staudinger/Ring, 13. Aufl. 1994, § 10 ErbbauVO Rn. 8; von Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, 2. Aufl. 1995, Rn. 2.107 - 2.109). 2. Zustimmungsvorbehalt nach dem Bodensonderungsgesetz a) Das Bodensonderungsgesetz (BoSoG) vom 20.12.1993 (BGBl I, 2182) und die Sonderungsplanverordnung (SPV) vom 27.11.1994 (BGBl I, S. 3701) sollen bei nicht oder nicht ausreichend vermessenen Grundstücken in den neuen Bundesländern eine schnelle Abgrenzung der betroffenen Flächen ohne Durchführung eines vollständigen Vermessungsverfahrens ermöglichen, um damit Hemmnisse für den Grundstücksverkehr schnellstmöglich zu beseitigen. Nach dem Bodensonderungsgesetz können Grundstücksgrenzen rein auf einer Karte gebildet werden und müssen nicht wie bei einer Vermessung vermessungstechnisch bestimmt werden. Dieser Bodensonderungsplan gilt in der durch den Sonderungsbescheid festgestellten Form als amtliches Grundstücksverzeichnis im Sinne des §2 Abs. 2 GBO und ersetzt damit in seinem Anwendungsbereich das Grundstückskataster (vgl. allgemein zum Bodensonderungsgesetz Thöne, in: Eickmann, SachRBerG, Kommentierung zum BoSoG, Stand Juni 1996; SchmidtRäntsch/ Marx, in: Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachRBerG, Kommentierung zum BoSoG und Sonderungsplanverordnung, Stand Mai 1996; Pittack-Puls, Struktur und Inhalt des BoSoG, VIZ 1994, 393; Schmidt-Räntsch/Marx, Bodensonderung in den neuen Bundesländern, DtZ 1994, 354; Schmidt-Räntsch, Zur Sonderungsplanverordnung, DtZ 1995, 74). Das Bodensonderungsgesetz regelt dabei die Bestimmung der Grundstücksgrenzen in vier Fallgruppen, nämlich zum einen bei unvermessenem Eigentum bzw. unvermessenen Nutzungsrechten, zum anderen zur Unterstützung der Sachenrechtsbereinigung, zum dritten im Rahmen einer ergänzenden Bodenneuordnung und zum vierten im Rahmen einer komplexen Bodenneuordnung (§ 1 BoSoG). Eine ergänzende oder komplexe Bodenneuordnung findet statt, um die Grundstücksgrenzen bei Privatgrundstücken der vorhandenen Bebauung anzupassen, soweit eine Bebauung für Zwecke der öffentlichen Wohnungsversorgung im komplexen Siedlungs- und Wohnungsbau über private Grundstücke und ohne Beachtung der vorhandenen

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Grundstücksgrenzen erfolgte (§ 1 Nr. 3 und 4, § 5 BoSoG). Die ergänzende Bodenneuordnung dient dabei der Ergänzung der Vermögenszuordnung, die nur für im Eigentum der öffentlichen Hand stehende Grundstücke möglich ist, wenn der komplexe Siedlungs- und Wohnungsbau zum Teil auf öffentlichen, zum Teil auf privaten Grundstücken erfolgte, während eine komplexe Bodenneuordnung dann erfolgen kann, wenn die Wohnbebauung ausschließlich auf Privatgrundstücken erfolgte. b) Im Regelfall wird im Anwendungsbereich des Bodensonderungsgesetzes eine Verfügung über das Grundstück schon deshalb nicht erfolgen, weil die Grundstücksverhältnisse in der Natur entweder unklar sind oder weil Grundstücksgrenzen und die Grenzen der Nutzungsrechte bzw. der Bebauung nicht übereinstimmen. Im Rahmen der ergänzenden und komplexen Bodenneuordnung kann die Sonderungsbehörde aber auch eine Genehmigungspflicht für Verfügungen über Grundstücksrechte anordnen, wenn dies für die Durchführung des Verfahrens erforderlich ist (§ 6 Abs. 4 BoSoG). Dieser Zustimmungsvorbehalt wird nicht bereits mit der Anordnung durch die Sonderungsbehörde wirksam, sondern erst mit seiner Eintragung im Grundbuch (§ 6 Abs. 4 S. 2 BoSoG). Der Wortlaut des Zustimmungsvorbehaltes ergibt sich aus § 8 Abs. 1 SPV. Daraus ergibt sich, daß die Verfügungsbeschränkung durch den Zustimmungsvorbehalt nach § 6 Abs. 4 BoSoG genau dieselbe Funktion hat wie die anderen Verfügungsbeschränkungen im Rahmen der Bodenneuordnung, d. h. wie Umlegungs-, Sanierungs- und ähnliche Vermerke (Schmidt-Räntsch, in: Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachRBerG, a.a.O., § 6 BoSoG, Rn. 9). Daraus sowie bereits aus seinem Charakter als bloße Verfügungsbeschränkung ergibt sich, daß der Zustimmungsvorbehalt nicht rangfähig ist. Die Eintragung eines Zustimmungsvorbehaltes nach § 6 Abs. 4 BoSoG steht damit der erstrangigen Bestellung eines Erbbaurechtes nicht entgegen. Allerdings bedarf es zur Wirksamkeit der Erbbaurechtsbestellung der Zustimmung der Sonderungsbehörde, da die in der Bestellung des Erbbaurechts liegende Verfügung nur das Grundstück ohne deren Genehmigung schwebend unwirksam ist. 3. Gleichzeitige Durchführung von Bodensonderung und Erbbaurechtsbestellung a) Da im Recht der DDR Grundstückseigentum und Gebäudeeigentum auseinanderfallen konnten, kommt es im Beitrittsgebiet häufig zu Konflikten zwischen Nutzungrechten oder Bebauung und Grundeigentum. Eine der Lösungsmöglichkeiten für das Auseinanderfallen bei der Rechtstellung ist die Bestellung eines Erbbaurechtes für den bisherigen Nutzungsberechtigten bzw. Gebäudeeigentümers. So sieht etwa das Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachRBerG) vom 21.09.1994 (BGBl I, S. 2457) in seinen §§ 32 - 60 ausdrücklich einen Anspruch des Nutzers an den Grundstückseigentümer auf Annahme eines Angebots auf Bestellung eines Erbbaurechts zu bestimmten Konditionen vor. Die Bestellung eines Erbbaurechtes wird daher auch im vorliegenden Fall geeignet sein, die Rechtsverhältnisse zwischen Eigentümer und Nutzer zu regeln.

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b) Die Frage der Bodensonderung betrifft demgegenüber ein anderes Problem, nämlich das Auseinanderfallen von Grundstücksgrenzen und Gebäude bzw. Nutzungsgrenzen. Auch im vorliegenden Fall kann es daher sein, daß sich das Gebäude bzw. die Nutzung über das Grundstück hinaus, an dem nun das Erbbaurecht bestellt werden soll, auf benachbarte Grundstücke erstrecken. Für den ,,überbauten" Teil ist damit weiterhin eine Lösung erforderlich. Eine solche kann im Rahmen der Bodensonderung vorbereitet werden, indem die Grundstücksgrenzen verändert werden. Die Beteiligten sollten daher jedenfalls schuldrechtlich im Innenverhältnis bereits jetzt regeln, auf welche möglicherweise dem bisherigen Grundstück im Rahmen der Bodenneuordnung noch zugeschriebenen Grundstücksteile sich die Ausübung des Erbbaurechtes erstrecken sollte. Da Bodensonderung und Erbbaurechtsbestellung aber zwei verschiedene Konflikte regeln sollen, ist ihre gleichzeitig Durchführung bzw. Bestellung sinnvoll. Dieses Gutachten ist nicht zur Weitergabe an Dritte bestimmt.

Gutachten/Abruf-Nr:

1611

Erscheinungsdatum:

01.01.1997

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

ErbbauRG § 10 Abs. 1