14. August 2020
ZPO § 894; ZPO § 794 Abs. 1; BeurkG § 57; BGB § 779

Zustimmung zur Auszahlung des auf einem Notaranderkonto hinterlegten Kaufpreises in einem Prozessvergleich

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 178452
letzte Aktualisierung: 14. August 2020

BeurkG § 57; ZPO §§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 894; BGB § 779
Zustimmung zur Auszahlung des auf einem Notaranderkonto hinterlegten Kaufpreises
in einem Prozessvergleich

I. Sachverhalt

Der Kaufpreis aus einem Kaufvertrag wird auf einem Notaranderkonto verwahrt. Der
Kaufvertrag ist mittlerweile vollzogen. Das Geld ist bisher nicht ausgezahlt worden, weil sich der
Verkäufer, der Berechtigte eines Nießbrauchsrechts, welcher durch seinen Betreuer vertreten
wurde, und der Bezirk M. bisher (noch) nicht über die Auszahlung geeinigt hatten und
vertraglich vereinbart wurde, dass eine Auszahlung nur erfolgen darf, wenn Verkäufer, Betreuer
(für den Nießbrauchsberechtigten) und Bezirk eine übereinstimmende Auszahlungsanweisung
geben.

Mittlerweile liegt ein gerichtlicher Vergleich in beglaubigter Abschrift vor, mit dem Vermerk,
dass der Vergleich nicht widerrufen wurde, dem zu entnehmen ist, dass der Beklagte (Verkäufer)
der Auszahlung eines Hauptsachebetrags von XY € aus dem bei der Notarin … zur Urkunde …
hinterlegten Geldbetrag an die Klägerin (eine Stiftung, welche Ansprüche aus dem Nießbrauchsrecht
geltend gemacht hat) zustimmt.

Der Verkäufer wurde aufgefordert, dass er der Auszahlung nochmals schriftlich zustimmt. Diese
Zustimmung wurde nicht erteilt und wird voraussichtlich nicht erteilt. Die Stiftung möchte aufgrund
Vorlage des vorgenannten Vergleichs eine Auszahlung erreichen. Der Bezirk M. und auch
die Erben des Nießbrauchsberechtigten, welcher zwischenzeitlich verstorben ist, haben der Auszahlung
bereits zugestimmt.

II. Fragen

1. Darf aufgrund des vorgelegten Vergleichs eine Auszahlung erfolgen?

2. Muss dieser Vergleich in vollstreckbarer Ausfertigung vorgelegt werden?

III. Zur Rechtslage

Im Rahmen der Kaufpreisabwicklung über ein Notaranderkonto besteht Einigkeit darüber, dass
sich der Notar bei Auszahlungen vom Notaranderkonto streng an die Auszahlungsvoraussetzungen
bzw. im Treuhandauftrag erteilte Weisungen zu halten hat (BGH NJW 2000,
734). Ein Ermessensspielraum steht ihm nicht zu (Winkler, BeurkG, 19. Aufl. 2019, § 57
Rn. 53). Deshalb verletzt der Notar seine Amtspflicht, wenn er sich weisungswidrig verhält,
selbst wenn dadurch Interessen seines Auftraggebers oder eines sonstigen Beteiligten nicht
gefährdet werden (OLG Celle NdsRpfleger 1997, 73).

Im hier vorliegenden Sachverhalt darf das nach den §§ 57 ff. BeurkG auf dem Notaranderkonto
verwahrte Geld nur dann ausgezahlt werden, wenn alle Beteiligten – u. a. auch der
Verkäufer – eine übereinstimmende Auszahlungsanweisung abgeben. Es handelt sich
insoweit um eine mehrseitige Auszahlungsanweisung, die gem. § 60 Abs. 2 BeurkG
grundsätzlich nur durch alle Beteiligten gemeinsam widerrufen werden kann. Liegt ein solcher
Widerruf nicht vor, ist der Notar an die Auszahlungsanweisung gebunden und darf die Auszahlung
im vorliegenden Fall nur dann vornehmen, wenn eine inhaltlich übereinstimmende
Auszahlungsanweisung aller Beteiligter vorliegt.

Mit Ausnahme des Verkäufers haben die übrigen Beteiligten die Notarin angewiesen, einen
Betrag von XY an eine konkret bezeichnete Stiftung auszuzahlen. Der Verkäufer hat dieser
Auszahlung der Notarin gegenüber noch nicht zugstimmt, d.h. er hat bisher keine konkrete
Auszahlungsanweisung gegenüber der Notarin abgegeben.

Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Vorlage des Prozessvergleichs (die übereinstimmende
Auszahlungsanweisung der weiteren Beteiligten unterstellt) die Voraussetzung der Auszahlungsanweisung
erfüllt oder ob der Verkäufer die Erklärung gegenüber der Notarin selbst auch tatsächlich
abgeben muss.

1. Verpflichtung zur Abgabe der Zustimmungserklärung/Auszahlungsanweisung
Sollte der Prozessvergleich so formuliert sein, dass sich der Verkäufer darin (nur)
zur Abgabe der Zustimmungserklärung verpflichtet, gilt Folgendes:
Gem. § 894 S. 1 ZPO gilt eine Willenserklärung als erteilt, wenn der Schuldner zur Abgabe
verurteilt ist und das Urteil die Rechtskraft erlangt hat. § 894 S. 1 ZPO bezieht sich trotz
des Wortlauts („Willenserklärung“) auf alle rechtsgeschäftlichen Erklärungen (BeckOKZPO/
Stürner, 36. Ed. 1.3.2020, § 894 Rn. 6a). Danach würde die Abgabe der
Zustimmungserklärung/Auszahlungsanweisung (= öffentlich-rechtlichen Verwahrungsanweisung)
fingiert, sodass bei Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung eine Auszahlung
erfolgen könnte. § 894 S. 1 ZPO findet jedoch auf Vergleiche keine Anwendung
(BeckOK-ZPO/Stürner, § 894 Rn. 5). Ist die Verpflichtung zur Abgabe einer
rechtsgeschäftlichen Erklärung in einem Prozessvergleich geregelt, greift § 894 S. 1 ZPO
nicht. Vielmehr muss der Gläubiger die Vollstreckung gem. § 888 ZPO betreiben oder den
Schuldner auf Abgabe der Zustimmungserklärung verklagen, wobei in diesem Fall der
Prozessvergleich als Anspruchsgrundlage herangezogen werden kann (BeckOKZPO/
Stürner, § 894 Rn. 5; BGH NJW 1986, 2704). Ausgehend davon kann im Falle der
Aufnahme einer bloßen Verpflichtung zur Abgabe der
Zustimmungserklärung/Auszahlungsanweisung allein auf Grundlage des Prozessvergleichs
die Auszahlung nicht erfolgen, da die Zustimmungserklärung des Verkäufers bisher fehlt
und deshalb die Auszahlungsvoraussetzungen (noch) nicht eingetreten sind.

2. Abgabe der Zustimmungserklärung/Auszahlungsanweisung im Prozessvergleich
Ist der Prozessvergleich hingegen so formuliert, dass die Zustimmungserklärung
des Verkäufers in diesem selbst enthalten ist (und nicht nur die Verpflichtung zur
Abgabe) (vgl. zu dieser Möglichkeit: Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 894
Rn. 7; MünchKommZPO/Gruber, 5. Aufl. 2016, § 894 Rn. 9), dürfte Folgendes gelten:
Die Auszahlungsanweisung als öffentlich-rechtliche Verwahrungsanweisung i. S. d. § 57
BeurkG betrifft das Verhältnis zwischen dem/den Anweisendem/Anweisenden und dem
Notar (Armbrüster/Preuß/Renner/Renner, BeurkG, 8. Aufl. 2020, § 57 Rn. 31). Die
Erklärung ist deshalb dem Notar gegenüber abzugeben. Es handelt sich um eine zugangsbedürftige
Verfahrensanweisung. Ferner unterliegt sie dem Schriftformgebot gem. § 57
Abs. 4 BeurkG.

Hat der Verkäufer im Prozessvergleich der (dort näher definierten) Auszahlung zugestimmt
und somit eine entsprechende Auszahlungsanweisung abgegeben, dürfte bei interessengerechter
Auslegung davon auszugehen sein, dass die Abgabe dieser verkörperten Erklärung
in Richtung der Notarin erfolgt ist. Werden Willenserklärungen in Prozessvergleichen
abgegeben, sind dies häufig solche, bei denen die Abgabe gegenüber einem Dritten zu
erfolgen hat. Aus diesem Grund liegt es nahe, dass der Erklärende in solchen Fällen die
Erklärung in Richtung des jeweils maßgeblichen Empfängers und nicht nur gegenüber den
Prozessparteien abgibt. Die durch die anderen Beteiligten übermittelte Erklärung wird dann
mit Zugang bei der Notarin gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB analog wirksam. Die anderen
Beteiligten dürften hierbei bei interessengerechter Auslegung des Prozessvergleichs als
Erklärungsboten mit entsprechender Botenmacht für den Verkäufer handeln. U.U. ergibt
sich dies auch ausdrücklich aus dem Prozessvergleich.

Die im Prozessvergleich enthaltene Erklärung dürfte auch dem Schriftformerfordernis i. S.
d. § 57 Abs. 4 BeurkG genügen. Zwar finden die §§ 125, 126 BGB keine unmittelbare
Anwendung; vielmehr genüge nach Auffassung des BGH im Hinblick auf den Gesetzeszweck
von § 57 Abs. 4 BeurkG die Einhaltung der „prozessrechtlichen Form“, sodass auch
die Abgabe der Erklärung durch ein Telefax im Einzelfall genügen kann (BGH DNotZ
2006, 56). Denn § 57 Abs. 4 BeurkG dient der Dokumentation und soll die Prüfung der
Authentizität erleichtern (BeckOGK-BeurkG/Franken, Std.: 1.7.2019, § 57 Rn. 78). Ist die
Erklärung jedoch in einem Prozessvergleich enthalten und ersetzt dies gem. § 127a BGB
sogar die notarielle Beurkundung, dürfte der mit § 57 Abs. 4 BeurkG verfolgte Zweck bei
Vorlage einer Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift dieses Prozessvergleichs
erfüllt sein.

Gutachten/Abruf-Nr:

178452

Erscheinungsdatum:

14.08.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Beurkundungsverfahren
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

ZPO § 894; ZPO § 794 Abs. 1; BeurkG § 57; BGB § 779