05. August 2022

Errichtung eines Nottestaments vor drei Zeugen; Formverstöße; Mitwirkung der begünstigten Lebensgefährtin als Zeugin

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 190246
letzte Aktualisierung: 05. August 2022

BGB § 2250
Errichtung eines Nottestaments vor drei Zeugen; Formverstöße; Mitwirkung der
begünstigten Lebensgefährtin als Zeugin

I. Sachverhalt
Der Lebensgefährte der Mandantin ist verstorben. Er verstarb nach einem Kreislaufzusammenbruch
unerwartet im Juni 2021. Die Mandantin lebte lange Zeit mit dem Verstorbenen in häuslicher
Gemeinschaft. Die Hochzeit, welche für 2020 geplant war, wurde coronabedingt verschoben.
Ein Tag vor seinem Tod kam der Lebensgefährte der Mandantin wegen Kreislaufproblemen in
das Krankenhaus. Die Mandantin war bereits bei ihm, als auch ihre Mutter und eine Freundin
hinzukamen. Mehr Besucher waren aufgrund der Coronamaßnahmen nicht zulässig.
In Anwesenheit dieses Personenkreises wollte der Verstorbene noch seinen letzten Willen festlegen,
falls es nicht gut ausgehe. Da er nicht mehr schreiben konnte, bat er die Mandantin nach
seinem Diktat das Testament aufzusetzen. Dieses hat er dann unterzeichnet.

Das Testament wurde zum Nachlassgericht eingereicht, welches dieses Testament eröffnete.
Daraufhin wurde ein Erbschein beantragt. Seitens des Nachlassgerichts wurde dieser Antrag
moniert: zum einen fehle das Datum auf dem Testament, zum anderen seien keine drei Zeugen
gem. § 2250 BGB vorhanden, da die Lebensgefährtin selber bedacht sei und somit die
Zeugeneigenschaft fehle.

II. Frage
Handelt es sich um ein wirksames Testament?

III. Zur Rechtslage
1. Vorliegen eines Dreizeugentestaments nach § 2250 Abs. 2 BGB
Ausweislich des mitgeteilten Sachverhalts wurde das Testament nicht durch eigenhändig geschriebene
und unterschriebene Erklärung errichtet. Es liegt daher kein eigenhändiges Testament
i. S. v. § 2247 BGB vor.

Das Testament wurde ferner nicht zur Niederschrift eines Notars i. S. v. § 2232 BGB errichtet.
Fraglich kann daher nur sein, inwieweit das Testament die Voraussetzungen eines Nottestaments
i. S. d. §§ 2249-2251 BGB erfüllt. Die Voraussetzungen für ein Nottestament auf See
(§ 2251 BGB) sowie ein Nottestament vor dem Bürgermeister (§ 2249 BGB) liegen offensichtlich
nicht vor. Damit bliebe allenfalls die Annahme eines Nottestaments vor drei Zeugen
i. S. v. § 2250 BGB. Zweck des § 2250 BGB ist es, Vorsorge für außerordentliche Notfälle zu
treffen, in denen weder ein Notar noch ein Bürgermeister erreichbar ist (vgl.
MünchKommBGB/Sticherling, 8. Aufl. 2020, § 2250 Rn. 8).

Dabei unterscheidet das Gesetz zwei Fälle, in denen neben der stets möglichen Errichtung
eines privatschriftlichen Testaments i. S. v. § 2247 BGB die Errichtung eines Nottestaments
möglich ist.

Nach § 2250 Abs. 1 BGB kann ein Nottestament vor drei Zeugen zum einen errichtet werden,
wenn sich der Erblasser an einem Ort aufhält, der infolge außerordentlicher Umstände
dergestalt abgesperrt ist, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht möglich
oder erheblich erschwert ist. Unter „Aufenthaltsort“ ist dabei nicht der gewöhnliche Aufenthalt
i. S. v. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO, sondern der aktuelle Aufenthalt zu verstehen, an dem
sich der Erblasser – möglicherweise auch nur vorübergehend – befindet (vgl. BeckOGKBGB/
Grziwotz, Std: 1.4.2022, § 2250 Rn. 2). Außerdem muss sich der Erblasser an einem
Ort aufhalten, der infolge außerordentlicher Umstände dergestalt abgesperrt ist, dass die Errichtung
eines Testaments vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist. Eine
„Absperrung“ ist dabei nur anzunehmen, wenn ein Hindernis besteht, das es dem Notar unmöglich
oder sehr schwer macht, zum Erblasser zu gelangen (vgl. BeckOGKBGB/
Grziwotz, § 2250 Rn. 2).

Im vorliegenden Fall befand sich der Erblasser laut mitgeteiltem Sachverhalt im Krankenhaus.
Es dürfte daher davon auszugehen sein, dass der Erblasser selbst den Ort nicht zwecks Aufsuchen
eines Notars verlassen konnte. Andererseits ist es möglich und bei Schwerkranken
auch üblich, dass der Notar das Krankenhaus aufsucht, um dort ein Testament zu beurkunden.
Aus unserer Sicht dürften daher die Voraussetzungen für die Errichtung eines Absperrungstestaments
regelmäßig nicht erfüllt gewesen sein, zumindest dann, wenn die
Testamentserrichtung nicht außerhalb der üblichen Geschäftszeiten der Notare erfolgt ist
(zur Corona-Thematik vgl. noch unten 5).

Ein Nottestament kann nach § 2250 Abs. 2 BGB ferner durch mündliche Erklärung vor drei
Zeugen errichtet werden, wenn sich der Erblasser in so naher Todesgefahr befindet, dass
voraussichtlich auch die Errichtung eines Testaments nach § 2249 BGB (Nottestament vor
dem Bürgermeister) nicht mehr möglich ist. Letzteres bedeutet, dass die Todesgefahr für den
Erblasser so akut sein muss, dass weder ein Notar noch ein Bürgermeister bzw. sein Stellvertreter
mit dem Erblasser ein Testament rechtzeitig beurkunden könnte (BeckOGKBGB/
Grziwotz, § 2250 Rn. 6).

Todesgefahr liegt dann vor, wenn aufgrund konkreter Umstände der Eintritt des Todes alsbald,
d. h. vor Eintreffen eines Notars, zu befürchten ist (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR
2017, 905; OLG Hamm, Beschl. v. 10.2.2017 – BeckRS 2017, 103966).

Für das Vorliegen der Todesgefahr kommt es auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung
an. Dabei muss die nahe Todesgefahr entweder zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung
objektiv vorliegen oder zumindest die subjektive Besorgnis der Zeugen bestehen, dass wegen
der nahen Todesgefahr für den Erblasser ein Testament weder vor einem Notar noch vor
dem Bürgermeister errichtet werden kann (BeckOGK-BGB/Grziwotz, § 2250 Rn. 8 f.).
Die nahe Todesgefahr liegt bei einer Erkrankung objektiv vor, wenn vom Zustand einer unmittelbar
bevorstehenden Endphase des Lebens auszugehen ist, was sich i. d. R. dadurch
nachweisen lässt, dass der Erblasser tatsächlich wenige Tage später verstirbt (vgl.
Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, § 2250 Rn. 2; BeckOGK-BGB/Grziwotz, § 2250
Rn. 8 m. w. N.).

Dass diese Voraussetzung des § 2250 Abs. 2 BGB vorlag, bedarf im Hinblick darauf, dass der
Erblasser bereits am Tag nach der Errichtung des Testaments verstorben ist, keiner weiteren
Begründung (vgl. BayObLG NJW 1991, 928).

2. Der Errichtungsakt
Das Dreizeugentestament nach § 2250 Abs. 2 BGB kann durch mündliche Erklärung seitens
des Erblassers errichtet werden. Neben dem Vorliegen der nahen Todesgefahr muss für die
Wirksamkeit des Testaments ein genau vorgesehener Errichtungsakt eingehalten werden,
um den Schutz des Erblassers zu gewährleisten (vgl. Wellenhofer, JuS 2009, 867, 868). Zu
diesem Errichtungsakt gehören im Einzelnen:

die mündliche Erklärung des Erblassers;
- die Niederschrift des Testaments;
- das Vorlesen der Niederschrift;
- die Genehmigung sowie die Unterschrift seitens des Erblassers und der drei Zeugen (vgl.
zum Ganzen Grüneberg/Weidlich, § 2250 Rn. 6 ff.).

Die drei Zeugen müssen während der gesamten Verlesung der Niederschrift, der Genehmigung
und der Unterzeichnung durch den Erblasser gleichzeitig und persönlich anwesend sein
(Grüneberg/Weidlich, § 2250 Rn. 4). Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Zeugen an
die Stelle der Amtsperson treten und deren Beurkundungsfunktion als mitwirkende Person
erfüllen (MünchKommBGB/Sticherling, § 2250 Rn. 11 f.).

Der Erblasser muss die ihm vorgelesene Niederschrift vor allen Zeugen genehmigen, weil
erst auf diese Weise sichergestellt werden kann, dass sein letzter Wille richtig dokumentiert
wurde (Grüneberg/Weidlich, § 2250 Rn. 9). Im Anschluss daran ist die Niederschrift vom
Erblasser und den Zeugen zu unterschreiben.

Ob dieser Errichtungsakt vollständig eingehalten wurde, lässt sich dem mitgeteilten Sachverhalt
nicht entnehmen und ist Tatfrage.

Eine mündliche Erklärung des Erblassers liegt nach den Angaben vor. Er hat das Testament
entsprechend diktiert. Es ist aber nicht klar, ob das Dokument dem Erblasser nach der
Anfertigung vorgelesen wurde.

Von einer Genehmigung durch den Erblasser ist aufgrund seiner Unterschrift auszugehen.
Die eigenhändige Unterschrift der Zeugen fehlt jedoch.

3. Beachtlichkeit von Formverstößen
Die fehlende Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 2250 Abs. 1 BGB wäre freilich
dann unschädlich, wenn deren Nichteinhaltung nicht automatisch zur Nichtigkeit des Testaments
führen würde. Insoweit ist die Vorschrift des § 2250 Abs. 3 S. 2 BGB zu beachten, die
auf § 2249 Abs. 6 BGB verweist. Danach steht ein Formverstoß der Wirksamkeit der Beurkundung
nicht entgegen, wenn bei Abfassung der Niederschrift über die Errichtung des
Testaments Formfehler unterlaufen sind, dennoch aber mit Sicherheit anzunehmen ist, dass
das Testament eine zuverlässige Wiedergabe der Erklärung des Erblassers enthält. In diesem
Fall ist der Formverstoß unbeachtlich. Es gilt mithin zwischen Verstößen gegen die zwingenden
Vorschriften über den Errichtungsakt und solchen gegen Formvorschriften, die
lediglich zur Erhöhung der Zuverlässigkeit der Wiedergabe des letzten Willens des Erblassers
bei Abfassung der Niederschrift gefordert sind, zu unterscheiden
(MünchKommBGB/Sticherling, § 2250 Rn. 19).

a) Unschädlich sind nach h. M. solche Formfehler, die bei der Abfassung der Niederschrift
unterlaufen sind, d. h. also deren Form betreffen Dazu zählen z. B. die fehlende
Angaben über Ort und Zeit der Verhandlung, Identitätsnachweise der Beteiligten,
und die Nichtangabe von Zweifeln über die Testierfähigkeit des Erblassers
(MünchKommBGB/Sticherling, § 2249 Rn. 34).

b) Demgegenüber machen Mängel, die den Errichtungsakt selbst betreffen, die Beurkundung
nichtig (MünchKommBGB/Sticherling, § 2250 Rn. 19). Zu diesen zwingenden
Erfordernissen des Errichtungsakts gehört das Verlesen, die Genehmigung und
Unterzeichnung durch den Erblasser (Staudinger/Baumann, BGB, 2018, § 2250
Rn. 26 ff).

c) Umstritten ist, ob das völlige Fehlen der Unterschriften der Zeugen bei vorhandener
Unterschrift des Erblassers ein unschädlicher Formfehler ist und ob eine Nachholung
der Unterschriften der Zeugen auch nach dem Tod des Erblassers noch möglich ist.
Hierzu ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Zeugen in ihrer Gesamtheit die
Urkundsperson darstellen und nicht nur Überwachungszeugen sind. Andererseits darf
nicht übersehen werden, dass es sich um ein Testament handelt, das in einer Notsituation
vor Laien „beurkundet“ wird. Ist das Nottestament weder vom Erblasser noch von den
Zeugen zum Zeitpunkt des Erbfalls unterschrieben worden, ist es unwirksam. Es fehlt
dann eine Niederschrift; erst durch eine Unterschrift wird aus einer Aufzeichnung eine
rechtswirksame Niederschrift. Daraus ergibt sich aber, dass bereits bei Vorliegen einer
Unterschrift eine Niederschrift gegeben ist, sodass die weiteren Unterschriften der
anderen Zeugen bis zum Erbfall oder sogar der Eröffnung des Testaments nachgeholt
werden können. Auch die unterbliebene Nachholung ist unschädlich, wenn die Zeugenfunktion
von drei Personen feststeht und der Erblasser unterschrieben hat (vgl.
BeckOGK-BGB/Grziwotz, § 2250 Rn. 23 m. w. N.).

Vor diesem Hintergrund ist mit Blick auf den vorliegenden Sachverhalt festzustellen, dass es
entscheidend darauf ankommt, ob das Testament dem Erblasser vorgelesen wurde. Das
Unterlassen des Vorlesens würde nämlich den Errichtungsakt selbst betreffen und würde damit
zur Unwirksamkeit des vorliegenden Testaments führen. Die fehlende Ort- und Zeitangabe
sowie die fehlenden Zeugenunterschriften würden die Wirksamkeit hingegen (nach
h. A.) nicht beeinträchtigen.

4. Ausgeschlossene Zeugin
Mit der Lebensgefährtin hat eine Zeugin mitgewirkt, die in dem Testament bedacht worden
ist. Dies verstößt gegen § 2250 Abs. 3 S. 2 BGB i. V. m. §§ 7 Nr. 1, 27 BeurkG. Bei einem
Verstoß gegen §§ 7 und 27 BeurkG ist nur die Verfügung unwirksam, durch die die Zeugin
begünstigt wird (vgl. BeckOGK-BGB/Grziwotz, § 2250 Rn. 16). Enthält das Drei-Zeugentestament
aber, wie im vorliegenden Fall, nur die Erbeinsetzung der mitwirkenden Zeugin, ist
das Testament insgesamt unwirksam (vgl. OLG Köln FamRZ 2018, 393).
Die Beteiligung der ausgeschlossenen Zeugin wäre nur dann unschädlich, wenn außer ihr
noch drei rechtlich geeignete Personen als Zeugen mitgewirkt hätten. Diesen (Ersatz-)
Zeugen müsste ihre Mitwirkung als Zeuge aber von Anfang an bewusst gewesen sein; als
zufällig auch Anwesende können sie beim „späteren“ Ausfall eines Zeugen nicht so ohne
Weiteres nachgeschoben werden (vgl. MünchKommBGB/Sticherling, § 2250 Rn. 13).

5. Besonderheiten aufgrund der Corona-Pandemie
Auch die Tatsache, dass die Errichtung des betroffenen Testaments während der Corona-
Pandemie erfolgte, dürfte nichts an den vorstehenden Einordnungen ändern.
Zwar ist zuzugeben, dass es während der Corona-Pandemie, namentlich in den ersten Wellen,
die mit weitreichenden Kontaktverboten verbunden waren, für Erblasser schwieriger als
sonst sein konnte, eine letztwillige Verfügung zu errichten (vgl. zur Errichtung letztwilliger
Verfügungen in Corona-Zeiten ausf. Krätzschel, ZEV 2020, 268 ff.; Kroiß, ErbR 2020,
458 ff.). Ein Zutrittsrecht für Urkundspersonen war jedoch durch § 30 Abs. 4 S. 2 IfSG
gewährleistet.

Ferner wurde keine Abmilderung der Voraussetzungen für die sog. Nottestamente beschlossen
(vgl. auch OLG Düsseldorf NJW-RR 2022, 298 f., wonach ein Nottestament trotz
pandemiebedingter Kontaktbeschränkungen nur dann wirksam ist, wenn während des gesamten
Errichtungsakts – wie von § 2250 Abs. 1 BGB vorgeschrieben – gleichzeitig drei
Zeugen anwesend sind).

Laut Sachverhaltsangabe waren im vorliegenden Fall aufgrund der Coronamaßnahmen nicht
mehr Besucher zugelassen. Dies dürfte aber einer wirksamen Errichtung eines Drei-Zeugentestaments
nach § 2250 Abs. 2 BGB nicht entgegen gestanden haben, da statt der Lebensgefährtin
(als ausgeschlossener Zeugin) auch ein anderer Zeuge, ggf. vom Krankenhauspersonal,
hätte zugezogen werden können.

Gutachten/Abruf-Nr:

190246

Erscheinungsdatum:

05.08.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Testamentsform