14. August 2020
ErbStG § 9

Maßgebender Zeitpunkt für die Wertermittlung bei einer Schenkung; maßgebender Bodenrichtwert

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 178670
letzte Aktualisierung: 14. August 2020

ErbStG § 9; BewG § 179
Maßgebender Zeitpunkt für die Wertermittlung bei einer Schenkung; maßgebender
Bodenrichtwert

I. Sachverhalt

Am 19. Dezember 2018 wurde eine Grundstücksübergabe an die beiden Kinder (unter Nießbrauchsvorbehalt
und Rückforderungsrecht) beurkundet. Vereinbart war, vorbehaltlich des
Nießbrauchs, der sofortige Besitzübergang zum Termin der Beurkundung. Die Urkunde war
auch mit Unterschriftsleistung am 19. Dezember unmittelbar wirksam (also keine schwebende
Unwirksamkeit durch öffentlich-rechtliche Genehmigung oder durch vollmachtlos Handelnde
etc.). Die Anzeige an das Finanzamt erfolgte noch im Dezember 2018, ebenso die Einreichung
zum Grundbuchamt.

Zum 1. Januar 2020 wurden sodann turnusgemäß die neuen Bodenrichtwerte festgestellt. Die
Veröffentlichung der Bodenrichtwerttabellen hat das Landratsamt ca. März/April 2019 vorgenommen.
Das Finanzamt – Schenkungsteuerstelle – hat den Vorgang offenbar im Frühjahr 2019 bearbeitet
und dabei die Bodenrichtwerte nicht zum Datum der Beurkundung, sondern die höheren
Werte zum Zeitpunkt der Bearbeitung durch das Finanzamt zugrunde gelegt.

II. Frage

Ist diese Handhabung rechtmäßig?

III. Zur Rechtslage

1. Steuerentstehung bei Schenkungen

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG entsteht die Steuer bei Schenkungen unter Lebenden mit
dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Grundsätzlich ist eine Schenkung oder
freigebige Zuwendung ausgeführt, wenn der Bedachte das erhalten hat, was ihm nach der
Schenkungsabrede verschafft werden soll.

Bei Grundstücksschenkungen entsteht die Steuer bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem die
Vertragsparteien die Auflassung erklärt haben und die Eintragung der Rechtsänderung in
das Grundbuch von den Berechtigten bewilligt worden ist, der Schenker also alles zur
Bewirkung der Leistung Erforderliche getan hat und der Beschenkte jederzeit seine Ein-
tragung als Eigentümer in das Grundbuch beantragen und damit den Eintritt der dinglichen
Rechtsänderung herbeiführen kann (Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblatt, § 9
Rn. 94 ff.; Meincke, ErbStG, 17. Aufl. 2018, § 9 Rn. 50 ff.). Diese Vorverlegung des steuerlichen
Ausführungszeitpunkts einer Grundstücksschenkung auf einen Zeitpunkt vor Eintragung
der Rechtsänderung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB) ist im Hinblick darauf
geschehen, dass der Schenker damit alles zur Bewirkung der Leistung erforderliche getan
hat.

Die Übertragung unter Vorbehalt eines Nießbrauchs oder eines Wohnrechts sowie die üblicherweise
damit verbundenen Regelungen stellen keinen Grund dar, die Grundstücksübertragung
schenkungsteuerlich nicht anzuerkennen (BFH, Urt. v. 22.9.1982 – II R 61/80,
juris; BFH, Urt. v. 13.9.1989 – II R 67/86, juris). Der Steuerentstehung steht es auch nicht
entgegen, wenn die Zuwendungen mit Rücktrittsklauseln, Widerrufsvorbehalten oder sog.
Rückschenkungsklauseln verbunden sind, oder ein gesetzlicher Rücktrittsgrund greift. Da
das Erbschaftsteuerrecht allein auf die Zivilrechtslage abstellt und das wirtschaftliche
Eigentum unbeachtlich ist, liegt nach dem BFH eine schenkungsteuerlich anzuerkennende
Zuwendung selbst dann vor, wenn das wirtschaftliche Eigentum
beim Schenker verbleibt. Eine Schenkung i. S. d. Erbschaftsteuergesetzes wird (im
Gegensatz zum Ertragsteuerrecht) nach der h. M. auch dann anerkannt, wenn ein
freier Widerrufsvorbehalt vereinbart wird (BFH, Urt. v. 13.9.1989 – II R 67/86, juris;
Viskorf/Schuck, ErbStG, 5. Aufl. 2017, § 7 Rn. 102-106; Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter,
ErbStG, 6. Aufl. 2017, § 7 Rn. 216; Gebel, § 7 Rn. 54). Zu beachten ist dann allerdings, dass
für die einkommensteuerliche Beurteilung ein freier Widerrufsvorbehalt dazu führen
kann, dass eine Einkunftsquelle nicht übergegangen ist.

2. Bedarfsbewertung; maßgebender Zeitpunkt; Wertermittlung

Die Bereicherung i. S. d. Erbschaft- bzw. Schenkungsteuergesetzes wird ermittelt,
indem von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Steuerwert der Leistung des
Schenkers (Grundstückswert) die übernommenen Verbindlichkeiten sowie
Leistungs-, Nutzungs- und Duldungsauflagen nach § 10 Abs. 5 ErbStG mit dem
nach § 12 ErbStG ermittelnden Wert abgezogen werden (Erbschaftsteuerrichtlinien
2011, RE 7.4 Abs. 1).

Für die Wertermittlung ist, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt
der Entstehung der Steuer maßgebend (so § 11 ErbStG). Dieser
Bewertungsstichtag hat somit umfassende Bedeutung, wenn es darum geht, die
entstandene Erbschaft- und Schenkungsteuer zu ermitteln. Die
Schenkungsteuer/Erbschaftsteuer ist somit eine „Stichtagssteuer“. (vgl. hierzu auch
Moench/Weinmann, ErbStG, Loseblatt, § 11 Rn. 2). Nach dem Stichtag eintretende Ereignisse,
die die beim Erwerber begründete Bereicherung ändern, können bei der Wertermittlung
daher grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (so Pahlke, in:
Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 7. Aufl. 2020, § 11 Rn. 20 ff.).

Nach § 12 ErbStG i. V. m. §§ 151, 157 ff. BewG werden die Grundbesitzwerte unter Berücksichtigung
der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Bewertungsstichtag
festgestellt. Dieser „Feststellungszeitpunkt“ ergibt sich – wie bereits oben
ausgeführt – aus dem Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer (vgl.
hierzu auch Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, Loseblatt, § 151 Rn. 15, 16).

Die Bewertung des Grundbesitzes im Einzelnen ist in den §§ 176-198 BewG geregelt. Abhängig
von der Grundstücksart erfolgt die Bewertung nach dem Vergleichswertverfahren,
dem Ertragswertverfahren oder dem Sachwertverfahren (§ 182 BewG).

Bei der Anwendung des Vergleichswertverfahrens werden Besonderheiten, insbesondere
die den Wert beeinflussenden Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art
nicht berücksichtigt. Will man deren Berücksichtigung erreichen, so sollten die Erfolgsaussichten
eines Verkehrswertgutachtens geprüft werden (so Kreutziger/Schaffner/Stephany,
BewG, 4. Aufl. 2018, § 184 BewG Rn. 10). Erfolgt eine Bewertung im
Ertragswertverfahren, so wird der Bodenwert des bebauten Grundstücks wie der eines
unbebauten Grundstücks ermittelt. Insoweit können sich Baubeschränkungen dann
abbilden, wenn dies bei den amtlich festgestellten Bodenrichtwerten berücksichtigt ist. Zu
beachten ist hierbei, dass der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nur hinsichtlich
des unbebauten Grundstücks nicht geführt werden kann; der gemeine Wert kann nur für die
gesamte wirtschaftliche Einheit (bebautes Grundstück) erbracht werden
(Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG, 4. Aufl. 2018, § 194 Rn. 3; Gürsching/Stenger,
Bewertungsrecht – BewG/ErbStG, 2020, § 184 Rn. 10-12). Erfolgt eine Bewertung im
Sachwertverfahren, erfolgt auch hier – wie im Ertragswertverfahren – eine getrennte Erfassung
von Bodenwert und Gebäudewert. Der sich aus der Addition von Bodenwert und
Gebäudewert ergebende vorläufige Sachwert ist dann mittels einer Wertzahl an den gemeinen
Wert anzupassen. Auch hier kann Überbewertungen (insbesondere auch im Hinblick
auf die Alterswertminderung oder die Marktanpassung) nur dadurch entgegengetreten werden,
dass ein niedrigerer gemeiner Wert durch ein Sachverständigengutachten (§ 198 BewG)
nachgewiesen wird.

Damit sich die typisierende Betrachtung für den Steuerpflichtigen nicht nachteilig auswirkt,
kann der Steuerpflichtige nach § 198 BewG nachweisen, dass der tatsächliche Wert
des Grundstücks (Verkehrswert) am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach
den Vorschriften des Bewertungsgesetzes ermittelte Grundbesitzwert. Nach § 198
S. 2 BewG gelten für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts grundsätzlich die aufgrund
des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften. Gelingt den Steuerpflichtigen der
Nachweis, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag
niedriger ist als der nach §§ 179, 182-196 BewG ermittelte Wert, besteht eine Rechtspflicht
des Finanzamts auf diesen Ansatz (so Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, Loseblatt, Std.:
August 2019, § 198 Rn. 6). Der Steuerpflichtige hat die Nachweislast für einen niedrigeren
gemeinen Wert und nicht eine bloße Darlegungslast; die Vorlage von Auszügen aus der
Kaufpreissammlung beispielsweise erfüllt diese Voraussetzung nicht (so RB 198 Erbschaftsteuerrichtlinien
2019). Im Weiteren führt die Finanzverwaltung aus, dass als Nachweis
regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen
für die Bewertung von Grundstücken erforderlich ist (RB 198, Abs. 3 S. 1). Das Gutachten
muss ferner ordnungsmäßig erstellt sein. Enthält das Gutachten Mängel (methodische
Mängel oder unzutreffende Wertansätze), ist es zurückzuweisen; ein Gegengutachten
durch das Finanzamt ist nicht erforderlich (so RB 198, Abs. 3 m. w. Hinweisen, welche Anforderungen
an ein Gutachten gestellt werden). Gutachten vom örtlichen Gutachterausschuss
oder einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die
Bewertung von Grundstücken werden von der Finanzverwaltung im Grundsatz anerkannt.
Gutachten von „anderen“ Sachverständigen werden von den Finanzbehörden
kritisch gesehen (vgl. hierzu auch Halaczinsky, BewG § 198 Rn. 15, 16).

Hinweisen möchten wir ferner darauf, dass Nießbrauchrechte, die bei der Ermittlung des
gemeinen Wert im Sachverständigengutachten bereits wertmindernd in Ansatz gebracht
worden sind, nicht nochmals als Verbindlichkeit im Rahmen des § 10 Abs. 5 ErbStG in Abzug
gebracht werden können. Dies ist in § 10 Abs. 6 S. 6 ErbStG ausdrücklich geregelt.

3. Ansatz des Bodenrichtwerts (§ 179 BewG) bei Grundstücksbewertungen im
Ertragswert- und Sachwertverfahren

Nach der Regelung in § 179 BewG bestimmt sich der Wert unbebauter Grundstücke regelmäßig
nach ihrer Fläche und den Bodenrichtwerten (§ 196 BauGB). Die Bodenrichtwerte
sind von den Gutachterausschüssen nach dem BauGB zu ermitteln und den Finanzämtern
mitzuteilen.

Die Bewertungsvorschrift des § 179 BewG für unbebaute Grundstücke ist auch bei der
Bewertung der bebauten Grundstücke im Rahmen des Ertragswert- und
Sachwertverfahren von Bedeutung (Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG § 179 Rn. 16;
Rössler/Troll, BewG § 179 Rn. 13). Denn der Grundbesitzwert im Ertragswertverfahren
setzt sich aus dem Gebäudeertragswert und dem nach § 179 BewG zu ermittelnden Bodenwert
zusammen (so § 184 BewG) und es ist mindestens der Bodenwert anzusetzen (§ 184
Abs. 3 S. 2 BewG). Auch im Sachwertverfahren erfolgt eine getrennte Ermittlung von
Gebäudewert und dem nach § 179 BewG zu ermittelnden Bodenwert (§ 189 BewG).

Nach dem Gesetzeswortlaut ist bei der Wertermittlung stets der Bodenrichtwert anzusetzen,
der vom Gutachterausschuss zuletzt zu ermitteln war (so § 179 S. 2 u. S. 3 BewG).

Die Finanzverwaltung führt in den aktuellen Richtlinien (ErbStR 2019) unter RB 179.2 Folgendes
aus:

„Bei der Wertermittlung ist der Bodenrichtwert anzusetzen, dessen
turnusmäßige Ermittlung dem Bewertungsstichtag vorausging. Es kommt
somit nicht darauf an, wann der Gutachterausschuss den Bodenrichtwert
tatsächlich ermittelt und dem Finanzamt mitgeteilt hat (so RB 179.2 Abs. 1
S. 1 u. 2).

Die Finanzverwaltung bildet hierzu folgendes Beispiel (unter HB 179.2, Stichwort:
„anzusetzender Bodenrichtwert“):

„Zum 3.1.2018 wird ein unbebautes Grundstück verschenkt. Der
Gutachterausschuss hat zuletzt zum 31.12.2015 einen Bodenrichtwert von 200
Euro/qm ermittelt. In seiner Sitzung im April 2018 ermittelt der Gutachterausschuss
zum 31.12.2017 einen Bodenrichtwert von 230,00 Euro/qm. Der
Gutachterausschuss teilt den Bodenrichtwert dem Finanzamt erst im Mai 2018
mit. Bei der Bewertung des unbebauten Grundstücks muss das Finanzamt von
einem Bodenrichtwert von 230,00 Euro/qm ausgehen. Dies ist der
turnusmäßig zuletzt vor dem Bewertungsstichtag vom Gutachterausschuss zu
ermittelnde Wert“.

Schaffner (in: Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG) bildet ein ähnliches Beispiel wie die
Finanzverwaltung und weist darauf hin, dass bei der Wertermittlung stets der
Bodenrichtwert anzusetzen ist, dessen turnusmäßige Ermittlung dem Bewertungsstichtag
vorausging. Wann der Wert ermittelt worden ist und wann er dem Finanzamt mitgeteilt
wird, sei nicht von Bedeutung.

Nach § 196 BauGB (in der Fassung vom 3.11.2017) sind die Bodenrichtwerte jeweils zum
Ende jedes zweiten Kalenderjahres zu ermitteln, wenn nicht eine häufigere Ermittlung
bestimmt ist. Für Zwecke der steuerlichen Bewertung des Grundbesitzes sind Bodenrichtwerte
nach ergänzenden Vorgaben der Finanzverwaltung zum jeweiligen Hauptfestellungszeitpunkt
oder sonstigen Feststellungszeitpunkten zu ermitteln (so § 196 Abs. 1 S. 5 u. S. 6
BauGB).

Aufgrund der Ermächtigung des § 199 Abs. 2 Nr. 4 BauGB können die Landesregierungen
jedoch auch jährliche Bodenrichtwertermittlungen vorschreiben. Dem Gutachterausschuss
bleibt es ferner unbenommen, im Interesse einer noch größeren Grundstücksmarkttransparenz
freiwillig jährliche Erhebungen vorzunehmen (so BeckOK-BauGB/Federwisch,
49. Ed., Std.: 1.11.2018, § 196 Rn. 9).

4. Ergebnis:

In dem vorliegenden geschilderten Sachverhalt wird unterstellt, dass bereits zum 19.12.2018
der Schenker alles zur Bewirkung der Leistung Erforderliche getan hat und der Beschenkte
jederzeit seine Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch beantragen und damit den Eintritt
der dinglichen Rechtsänderung herbeiführen konnte. Dieser Zeitpunkt ist dann auch
maßgebend für die Wertermittlung (= Bewertungsstichtag). Für die Wertermittlung ist daher
der Bodenrichtwert anzusetzen, dessen turnusmäßige Ermittlung diesem
Bewertungsstichtag (19.12.2018) vorausging. Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt der letzte
Bodenrichtwert vom Gutachterausschuss nach dem BauGB ermittelt wurde, wäre dies
daher der Bodenrichtwert zum 31.12.2017 (sofern zu diesem Zeitpunkt ein Bodenrichtwert
ermittelt wurde) oder aber zum 31.12.2016. Ein Bodenrichtwert, der auf einen Zeitpunkt
nach dem Entstehen der Schenkungsteuer festgestellt wird, kann nach unserer Auffassung
hingegen nicht in Ansatz gebracht werden.

Gutachten/Abruf-Nr:

178670

Erscheinungsdatum:

14.08.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbschafts- und Schenkungsteuer

Normen in Titel:

ErbStG § 9