18. November 2022
BGB § 46; BGB § 45; BGB § 51; BGB § 1936; BGB § 1922 Abs. 1; BGB § 47; BGB § 49

Liquidation des eingetragenen Vereins; Liquidationsgebot; Anfall des Vereinsvermögens durch Gesamtrechtsnachfolge oder Übertragung; Übertragung vor Ablauf des Sperrjahres

BGB §§ 45, 46, 47, 49, 51, 1922 Abs. 1, 1936
Liquidation des eingetragenen Vereins; Liquidationsgebot; Anfall des Vereinsvermögens durch Gesamtrechtsnachfolge oder Übertragung; Übertragung vor Ablauf des Sperrjahres

I. Sachverhalt
Verein A und Verein B sind Gesellschafter der X-GmbH. Die Mitglieder von Verein A haben die Auflösung und Liquidation beschlossen und wollen die endgültige Löschung beantragen. In der Satzung von Verein A ist geregelt, dass das Vermögen bei Auflösung des Vereins dem Verein B (also dem anderen Gesellschafter der X-GmbH) zufällt.

II. Frage
Muss der Geschäftsanteil an der X-GmbH vor Anmeldung der Auflösung des Vereins A auf Verein B übertragen werden oder geht der Geschäftsanteil kraft Gesetzes mit der Auflösung des Vereins A auf den Verein B über?

III. Zur Rechtslage
1. Anfall des Vereinsvermögens „mit der Auflösung“ (§§ 45, 46 BGB)
Mit der Auflösung des Vereins fällt das Vereinsvermögen gem. § 45 Abs. 1 BGB an die in der Satzung bestimmten Personen. Was unter „Anfall“ zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. Je nach Person des Anfallberechtigten ist zu unterscheiden:

a) Fiskus als Anfallberechtigter
Fällt das Vereinsvermögen an den Fiskus, so kommt es gem. § 46 BGB zu einer Gesamtrechtsnachfolge entsprechend den §§ 1922 Abs. 1, 1936 BGB. Eine Liquidation findet in diesem Fall nicht statt (vgl. § 47 BGB und jurisPK-BGB/Otto, 9. Aufl. 2020, § 46 Rn. 5; BeckOK-BGB/Schöpflin, Std.: 1.8.2022, § 46 Rn. 3; Baumann/Sikora/Weiß, Hand- und Formularbuch des Vereinsrechts, 3. Aufl. 2022, § 13 Rn. 267). „Fiskus“ meint im Rahmen der §§ 46, 1936 BGB das Bundesland des Vereinssitzes („Fiskus des Landes“, wie es § 45 Abs. 3 BGB ausdrücklich formuliert), subsidiär den Bund (vgl. Baumann/Sikora/Weiß, § 13 Rn. 267; Soergel/Hadding, BGB, 13. Aufl. 2000, § 46 Rn. 1; Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl. 2022, § 1936 Rn. 2; zu derzeit nicht existenten landesgesetzlichen Vorschriften i. S. d. Art. 85 EGBGB vgl. MünchKommBGB/Säcker, 8. Aufl. 2021, Art. 85 EGBGB Rn. 1; Reichert/Schörnig, Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl. 2018, Kap. 2 Rn. 4260).

b) Sonstiger Anfallberechtigter
Ist Anfallberechtigter des Vereinsvermögens nicht der Fiskus, so bedeutet „Anfall“ keineswegs Gesamtrechtsnachfolge; die Anfallberechtigung verschafft der begünstigten Person nicht einmal einen unmittelbaren Anspruch: Sie erhält lediglich einen auf die Befriedigung der Gläubiger und den Ablauf des Sperrjahres (§ 51 BGB) bedingten und befristeten schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung des Liquidationserlöses (Soergel/Hadding, § 45 Rn. 10; BeckOGK-BGB/Könen, Std.: 1.9.2022, § 45 Rn. 24; abw. MünchKommBGB/Leuschner, 9. Aufl. 2021, § 45 Rn. 6: nur künftiger Anspruch; ebenso Staudinger/Schwennicke, BGB, 2019, § 45 Rn. 10). Ein anfallberechtigter Dritter (also ein Nichtvereinsmitglied) dürfte bis zur tatsächlichen Übertragung des Liquidationserlöses überhaupt keinen durchsetzbaren Anspruch haben, weil die Satzung keine Drittwirkung i. S. d. § 328 BGB entfalten kann (RGZ 169, 65, 82 f.; BFH DStR 1996, 500, 501; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl. 2021, Rn. 406; Reichert/Schörnig, Kap. 2 Rn. 4263). Eine drittbegünstigende Anfallbestimmung lässt sich daher bis zur Beendigung der Schlussverteilung ohne Zustimmung des Dritten beseitigen (Reichert/Schörnig, Kap. 2 Rn. 4263).

Im vorliegenden Fall steht damit fest, dass der Geschäftsanteil nur im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf den anfallberechtigten Verein B übergehen kann (vgl. den Begriff der „Ausantwortung“ in § 49 Abs. 1 BGB; dazu Staudinger/Schwennicke, § 49 Rn. 17). Das macht eine Abtretung gem. § 15 Abs. 3 GmbHG erforderlich.

2. Liquidationsgebot
Im Prinzip können die Vereinsliquidatoren den Geschäftsanteil während der Liquidation (also während des Sperrjahres) übertragen, denn die Abwicklung des Vereinsvermögens gehört gerade zu den Liquidationsaufgaben (vgl. § 49 Abs. 1 BGB). Falls der Verein durch ordnungsgemäße Abwicklung vor Ablauf des Sperrjahres vermögenslos würde, käme sogar eine vorzeitige Löschung (auch Blitzlöschung genannt) in Betracht (vgl. OLG Düsseldorf NZG 2013, 1185; MünchKommBGB/Leuschner, § 76 Rn. 7; Baumann/Sikora/Axmann, § 17 Rn. 84, 97a; gegen liquidationslose Löschung bei der GmbH in jüngerer Zeit aber OLG Celle NZG 2018, 1425; vgl. auch Herrler/Blath, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl. 2021, § 6 Rn. 1762). Eine andere Frage wäre, ob die Liquidatoren im Innenverhältnis u. U. einen Beschluss der Mitgliederversammlung einholen müssten (verneinend wohl die überw. Meinung, vgl. BeckOGK-BGB/Könen, § 49 Rn. 32; Staudinger/Schwennicke, § 49 Rn. 12; MünchKommBGB/Leuschner, § 49 Rn. 7; gegen [entsprechende] Anwendung des § 179a AktG auf Veräußerung in der Liquidation Weber, DNotZ 2018, 96, 129; gegen entsprechende Anwendung des § 179a AktG auf GmbH bzw. KG: BGH DNotZ 2020, 136 = DNotI-Report 2019, 68; DNotZ 2022, 768).

Erlaubt dürfte den Liquidatoren im Rahmen der Liquidation jedoch nur die entgeltliche Veräußerung sein, denn die unentgeltliche Übertragung an den Anfallberechtigten wäre nichts anderes als eine Liquidationsschlussverteilung vor Ablauf des Sperrjahres und damit entgegen § 51 BGB. Es ist zwar umstritten, ob § 47 BGB ein zwingendes Liquidationsgebot enthält (vgl. Staudinger/Schwennicke, § 47 Rn. 11 f.). Klar dürfte jedoch sein, dass jede Verteilung von Vereinsvermögen an andere Personen als den Fiskus nur im Wege eines Liquidationsverfahrens stattfinden darf (BeckOK-BGB/Schöpflin, § 41 Rn. 4; BeckOGK-BGB/Könen, § 47 Rn. 1, 2; Staudinger/Schwennicke, § 47 Rn. 12; Soergel/Hadding, Vor § 41 Rn. 4; Baumann/Sikora/Weiß, § 13 Rn. 260; ausf. K. Schmidt, Verbandszweck und Rechtsfähigkeit im Vereinsrecht, 1984, S. 296 f.: Die Vorschrift „besagt nur, daß eine Vermögensverteilung anders als im Liquidationswege nicht erfolgen darf. Sie betrifft also […] nicht die Frage nach dem weiteren Schicksal des Vereins (Fortbestand oder Zerschlagung), sondern sie regelt für den Fall der Zerschlagung nur die Technik der Vermögensverteilung“.). Insbesondere muss vor einer Vermögensverteilung also das Sperrjahr nach § 51 BGB eingehalten werden. Ansonsten könnte der Anfallberechtigte den Vermögensgegenstand nicht kondiktionsfest erwerben, sondern wäre einem Herausgabeanspruch des Vereins ausgesetzt; die Vereinsvertreter würden schadensersatzpflichtig (vgl. BeckOGK-BGB/Könen, § 51 Rn. 15 ff.; Grüneberg/Ellenberger, § 53 Rn. 2).

3. Ergebnis
Der Geschäftsanteil geht nicht durch Gesamtrechtsnachfolge auf den anfallberechtigten Verein B über, sondern muss gem. § 15 Abs. 3 GmbHG an diesen abgetreten werden. Die Vermögensauskehr setzt eine ordnungsgemäße Liquidation des Vereins A voraus.

Gutachten/Abruf-Nr:

188776

Erscheinungsdatum:

18.11.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Verein
Gesetzliche Erbfolge
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 172-173

Normen in Titel:

BGB § 46; BGB § 45; BGB § 51; BGB § 1936; BGB § 1922 Abs. 1; BGB § 47; BGB § 49