01. Januar 2001
WRV Art. 155; EGBGB Art. 115

Fideikommissauflösung; Löschung altrechtlicher Währungen

DNotI
Dokumentnummer: letzte Aktualisierung:

Deutsches Notarinstitut
11211 5. April 2001

EGBGB Art. 115, 181; WRV Art. 155 Fideikommisauflösung; Löschung; altrechtliche Währung

Ein Grundstück im Bereich eines bayerischen Amtsgerichtsbezirks ist in Abt. II laufende Nr. 1 wie folgt belastet: 49 fl mit 4 % verzinsliches Handlohnsbodenzinskapital des Freiherrlich von L'schen Familienfideikommisses und 6 fl jährlichen Bodenzins des Freiherren von R; ... eingetragen am 9.1.33; umgeschrieben am 22.2.56; erneut umgeschrieben am 21.11.1991.

II. Fragestellung Kann dieses Recht ohne Betroffenenbewilligung (§ 19 GBO), möglichst von Amts wegen, gelöscht werden?

III. Zur Rechtslage 1. Möglichkeiten der Löschung ohne Betroffenenbewilligung Die GBO hält mit §§ 22, 29 GBO, § 53 Abs. 1 S. 2 GBO und § 84 GBO verschiedene Möglichkeiten bereit, eine im Grundbuch eingetragene Belastung auch ohne Bewilligung des Betroffenen (§ 19 GBO) löschen zu lassen. Allerdings stellt die GBO lediglich das Verfahren zur Verfügung, in dem eine solche Löschung erreicht werden kann. Ob die Löschungsmöglichkeit tatsächlich eingreift, ist immer als Frage des materiellen Rechts zu beantworten. Dies zeigt sich exemplarisch an § 53 GBO: Ob ein Recht inhaltlich unzulässig ist, lässt sich nicht aus der GBO heraus beurteilen, sondern ist eine materiell- rechtliche Frage. Dabei gilt grundsätzlich, dass die Frage der inhaltlichen Zulässigkeit oder Unzulässigkeit nach der Rechtslage zu beurteilen ist, die im Zeitpunkt der Eintragung des Rechts galt (Demharter, GBO, 23. Aufl. 2000, Rn 50 zu § 53 GBO). Nachträgliche Rechtsänderungen führen

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lediglich dann zur inhaltlich Unzulässigkeit, wenn ausdrücklich eine Aufhebung des früheren Rechts angeordnet wurde (Demharter, a. a. O., Rn. 50 zu § 53 GBO). Dieselbe Überlegung gilt bei Anwendung des § 84 GBO (vgl. Demharter, a. a. O., Rn. 6 zu § 84 GBO). Wenn man entsprechend den in der Eintragung benutzten Währungen einmal davon ausgeht, dass das Recht nicht erst im Jahre 1933 begründet wurde, sondern lediglich im Jahre 1933 die Grundbuchverlautbarung eines schon aus der Zeit vor dem 1.1.1900 herrührenden Rechts erfolgte, so ist hier zunächst auf Art. 181 EGBGB hinzuweisen. Danach wurden nämlich mit Inkrafttreten des BGB die bisherigen Belastungen nicht unzulässig und nur in kleinem Ausmaß auf das Sachenrecht des BGB übergeleitet (übergeleitet wurden insoweit Grundpfandrechte, Grunddienstbarkeiten partiell, Erbbaurechte ,,ein wenig"). Nicht übergeleitet wurden dabei insbesondere Reallasten, Vorkaufsrechte, beschränkte persönliche Dienstbarkeiten sowie Rechte, die in der Terminologie des BGB überhaupt kein Äquivalent mehr haben. Das Inkrafttreten des BGB hat also im Sinne des § 53 GBO die alten Rechte gerade nicht prinzipiell inhaltlich unzulässig gemacht. 2. Das Recht der Fideikommisse a) Grundzüge der Rechtslage Das Recht der Familienfideikommisse wurde in Bayern im wesentlichen durch das Fideikommiss-Edikt vom 26.5.1818 (als VII Beilage zur Verfassungsurkunde GBl. 1818, 277 ­ hier zitiert nach Schmidt Bay. Justizgesetze 1905) geregelt. Für seinerzeit bereits bestehende Familienfideikommisse konnte daneben jedoch altes Recht fortgelten (siehe auch den Überblick, einschließlich statistischen Daten, in MittBayNot 1918, 297). Der Fideikommiss ist in der Terminologie des BGB nur schwer zu beschreiben, er ist in der Sache eine Mischung aus Stiftung, Nießbrauch sowie Vor- und Nacherbschaft (Staudinger/Mayer, 13. Bearb. 1997, Rn. 9 zu Art. 59 EGBGB). Mit der Stiftung hat der Fideikommiss gemeinsam, dass die Begründung und die nähere Ausgestaltung auf einen einseitigen Rechtsakt des Konstituenten (den das Edikt teilweise auch als Stifter bezeichnet) zurückgeht. Anders als die uns heute bekannte Stiftung war der Fideikommiss aber keine selbständige juristische Person, sondern lediglich ,,Sondervermögen", welches einer natürlichen Person zugeordnet war (dazu auch die Notiz in MittBayNot 1914, 25 ­ Kopie anbei). Bei der Be schreibung dieser Zuordnung versagt nun aber die Terminologie des BGB vollends, weil es noch auf der altertüm-

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lichen Denkweise beruht, dass es geteiltes Eigentum (nämlich Ober- und Untereigentums) geben kann. So bestimmt § 42 des Edikts: ,,Das Eigentum des Fideikommissvermögens steht nicht dem jedesmaligen Besitzer desselben allein, sondern auch den übrigen zur Nachfolge Berechtigten (Anwärtern) zu." Alsdann wies das Edikt dem jeweiligem Fideikommissbesitzer ein Nutzungseigentum zu (wir würden vielleicht sagen: Ein Eigentum, das die Befugnisse eines Nießbrauchers verleiht), während das Miteigentum der Anwärter in etwa die Rechtsstellung des uns bekannten Nacherben mit sich brachte (nämlich Anspruch auf Inventarisierung, Rechnungslegung sowie eine Eingriffsbefugnis des Gerichts bei nicht ordnungsgemäßer (,,übler") Verwaltung). Seinem Herkommen nach sollte das Rechtsinstitut des Fideikommisses die Vermögensbindung innerhalb der Adelsfamilie generationenübergreifend sicherstellen. Deswegen wird in 35 von 108 Paragraphen des Edikts die Schuldenhaftung des gebundenen Fideikommissvermögens eingehend geregelt. In den Grundzügen besteht diese Schuldenhaftung darin, dass das Fideikommissvermögen nur für solche Verbindlichkeiten haftet, die auf die Substanz des Fideikommisses verwendet wurden. Selbst die Begründung solcher Schulden bedurfte der aufsichtlichen Genehmigung. Damit stand der Fideikommissbesitzer auch im Hinblick auf die Verwendung der Vermögenssubstanz im wesentlichen dem Nießbraucher gleich. Eine zweite Besonderheit betraf die Erbfolge. Hier bestimmt das Edikt in § 81: ,,Der Besitzer eine Familienfideikommisses kann, solange der fideikommissarische Verband dauert, darüber nicht durch letzten Willen verfügen." Die Erbfolge wurde also generationenübergreifend vom Stifter festgelegt, so dass insbesondere auch der jeweilige Fideikommissbesitzer als Erbe des Stifters und nicht als Erbe des vorherigen Besitzers angesehen wurde. Aus dieser Licht erklärt sich auch die in Art. 15 Abs. 2 2. Hs. Preußisches AGGBO (vom 26.9.1899) enthaltene Anweisung zur analogen Anwendung des § 41 Abs. 1 GBO. In der Erläuterung von Güthe/Triebel, GBO, 5. Aufl. 1929 heißt es dazu, dass eine unmittelbare Anwendung des § 41 Abs. 1 GBO deswegen nicht in Betracht komme, weil der Fideikommissnachfolger nicht Erbe seines Vorgängers sei.

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b) Gebundenes Vermögen; Eintragung im Grundbuch Das gebundene Vermögen sollte, wie schon die geschichtliche Herkunft nahe legt, vorrangig in Grundvermögen bestehen. So verlangt § 2 des Edikts: ,,Zur Errichtung eines Familienfideikommisses wird ein Grundvermögen erfordert, von welchem an Grund- und Dominizalsteuer in simplo wenigstens 25 Gulden zu entrichten sind." Bei diesem Grundvermögen war die Zugehörigkeit zum Fideikommiss und damit die besondere Gebundenheit des Vermögens in den Grundbüchern durch einen Fideikommissvermerk im Bestandsverzeichnis einzutragen. So heißt es in der Dienstanweisung für Grundbuchämter für Bayern vom 27.2.1905, JMBl. 1905, 61, unter § 301: ,,Auf den Grundbuchblättern für Grundstücke, die zu dem Familiengut einer standesherrlichen Familie, zu einem Familienfideikommiss, zu einem Lehn- oder landwirtschaftlichen Erbgut gehören, ist diese Eigenschaft im Titel anzugeben. Die Angabe soll in der Form einer Überschrift der ersten Eintragung im Titel gemacht werden." In anderen Ländern konnten, anders als in Bayern, Fideikommisse auch ganz ohne Grundvermögen, lediglich durch Dotierung mit Finanzvermögen begr ündet werden (vgl. Schulz, JW 1929, 242, 243). Auch in Bayern war es aber zulässig, zusätzlich zu den Grundstücken noch weiteres Vermögen als gebundenes Vermögens hinzuzufügen. Hier von Interesse ist insbesondere, dass nach § 3 des Edikts insbesondere Früchte des Obereigentums (Gilten, Stiften, Grundzinsen, Laudemien, Scharwerke) und fruchtbringende Realrechte auf fremdem Eigentum, insbesondere Zehenten, unablösliche Geldrenten etc. hinzugerechnet wurden. Wie die Gebundenheit des Vermögens bei derartigen dinglichen Rechten im Grundbuch gekennzeichnet wurde, haben wir für Bayern nicht feststellen können, insbesondere die zitierte Dienstanweisung trifft hierzu keine Aussage; sie bezieht sich lediglich auf den Fideikommissvermerk bei Grundstücken. Uns ist allerdings für Preußen eine Entscheidung des Kammergerichts (KGJ 14, 152) aufgefallen, die folgende Leitsätze trägt: ,,Ein Rechtsgrundsatz, dass Familienfideikommisse, welche lediglich oder zur Erreichung von Nebenzwecken zugleich in Bar- oder Kapitalvermögen fundiert sind, ohne weiteres selbst als Subjekte der zum Fideikommiss gehörigen Vermögensrechte anzusehen seien, ist nach gemeinem Recht nicht anzuerkennen; vielmehr ist

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danach, mag der Gegenstand des Familienfideikommisses in Grundstück oder Kapitalien bestehen, der jedesmalige Fideikommissbesitzer der alleinige, wenngleich durch die Rechte der weiteren Familienmitglieder beschränkte, Eigentümer des ge samten Fideikommissvermögens. Bei Hypothekenforderungen, welche Bestandteile eines Familienfideikommisses sind, ist mangels besonderer Bestimmung der Stiftungsurkunde der jedesmalige Fideikommissbesitzer als Gläubiger mit den aus der Fideikommisseigenschaft ergebenen Beschränkungen seines Verfügungsrechts einzutragen." Unter Heranziehung i sbesondere des zweiten Leitsatzes würden wir die hier vorlien gende Grundbucheintragung jedenfalls für ordnungswidrig halten, das sie den Anschein erweckt, als sei ,,der Familienfideikommiss" Inhaber des Rechts. Demgegenüber hätte die Eintragung auf den Namen des jeweiligen Fideikommissbesitzers erfolgen müssen unter Hinzufügung eines Fideikommissvermerks. Gleichwohl würden wir hieraus nicht auf eine inhaltliche Unzulässigkeit schließen, da sich hinreichend deutlich der Sinn der Eintragung ergibt. c) Auflösung Im Zuge der Gründung der Weimarer Republik wurde die Akkumulation dieser gebundenen Vermögen jedoch als bedenkliche, staatsgefährdende Entwicklung angesehen. Daher wurde in Art. 155 WVR eine Anordnung an die Länder ausgesprochen, die Fideikommisse zur Auflösung zu bringen (dazu Schulz, JW 1929, 242 mit ausführlicher Darstellung der Partikularrechte; Staudinger/Mayer, a. a. O., Rn. 22 zu Art. 59 EGBGB). Bayern ist ­ im Gegensatz zu anderen Ländern ­ dieser Aufforderung relativ schnell, nämlich bereits im Jahre 1919 gefolgt (G. vom 28.3.1919, GVBl. S. 114 abgedruckt in BayBS III, S. 118). Die Familienfideikommisse wurden in eine Vor- und Nacherbschaft überführt. Der im Jahr 1919 vorgefundene Fideikommissbesitzer war danach Vorerbe; die vorhandene n Anwärter waren Nacherben. Diese Vor- und Nacherbschaft war also auf eine Generation beschränkt. Der im Grundbuch geführte Fideikommissvermerk wurde mit den Wirkungen des Nacherbenvermerks ausgestattet. Gleichwohl wurde diese Auflösung nicht schnell genug durchgeführt, so dass die bayerische Regelung durch ein Reichsgesetz aus dem Jahre 1938 überholt wurde (G. vom 6.7.1938, RGBl. S. 825 ­ Überblick zu diesem Gesetz bei Koehler JW 1938, 1227). Eine geänderte Bodenpolitik ließ nun auch das NS-Regime durch Reichsgesetz die

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Auflösung der Fideikommisse betreiben. Interessanterweise betraf die Änderung nicht so sehr die Aufhebung jeglicher Vermögensbindung, um auch das Grundvermögen einem ,,freien Markt" zuzuführen. Lediglich sollte die Vermögensbindung im Fideikommiss durch die Vermögensbindung nach der Reichserbhofgesetzgebung ersetzt werden, die eine inhaltsähnliche Bindung vorsah, nur dass mit ihr eben keine großagrarischen, sondern kleinbäuerliche Strukturen gefördert werden sollten (Koehler JW 1938, 1227, 1229). In diesem Gesetz wurde in § 14 Abs. 1 die vom bayerischen Gesetz vorgesehene Nacherbeinsetzung mit Wirkung zum 1.1.1939 für unwirksam erklärt (Koehler, JW 1938, 1227, 1232). Nach unserer Einschätzung haben all diese Gesetze jedoch lediglich die Vermögensbindung des Fideikommisses aufgehoben, also die sich aus dem Fideikommissrecht ergebenden Verfügungsbeschränkungen, insbesondere eingeschränkte Schuldenhaftung und Sondererbrechte. Regelungen, die zu den einzelnen im Fideikommissvermögen befindlichen Vermögensgegenständen Aussagen getroffen hätte, insbesondere bei Aktivforderungen diese Forderungen aberkannt hätten, sind uns nicht aufgefallen. Daher folgt nach unserer Einschätzung auch aus der Fideikommissauflösungsgesetzgebung nicht, das die hier eingetragene Belastung unzulässig geworden wäre. Lediglich wurde sie mit Wirkung zum 1.1.1939 frei vererblich (nach dem zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Berechtigten). 3. Inhalt des Rechts a) Bodenzins Der Begriff des Bodenzinses war offenbar ein sehr allgemeiner Rechtsbegriff (s. die Darstellung bei Roth, Bay. Zivilrecht, 2. Aufl. 1897, § 189), ähnlich wie wir heute sehr allgemein von ,,Grundabgabe" oder im Sinne des § 436 BGB von ,,öffentlichen Lasten" sprechen. Der Begriff des Bodenzinses war dabei offenbar noch viel weiter als die Begriffe für Grundabgabe/öffentliche Last, da der Bodenzins auch und vielleicht sogar vorrangig eine Belastung auf privatrechtlicher Grundlage darstellt, während der Begriff der ,,Grundabgabe" eine öffentlich-rechtliche Abgabe nahe legt. Aus diesem Grunde können wir auch zum zweiten Teil der hier vorgefundenen Eintragung keine nähere Aussage über ihren Inhalt treffen, eben weil der Begriff des Bodenzinses als übergreifender Oberbegriff verwendet wurde.

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b) Handlohn Näher konkretisieren können wir jedoch den Begriff des ,,Handlohnsbodenzinskapitals". Beim Handlohn handelt es sich um eine Abgabe, die an den Erwerb eines Grundstücks anknüpft. Vielleicht könnte man in unserer heutigen Terminologie von einer Art ,, privaten Grunderwerbsteuer" sprechen. Insoweit möchten wir Roth, a. a. O., § 189 zitieren (zum Begriff Laudemium): ,,Das Laudemium ist eine Abgabe, welche der neue Erwerber eines Gutes an den Berechtigten zu bezahlen hat. Sie findet sich gewöhnlich als Gegenleistung bei Gütern, die zu bäuerlichem Nutzungsrecht übertragen sind, aber sie kommt auch bei Bauerngütern im Eigentum vor. Jedenfalls ist sie in dem letzteren Falle als Reallast aufzufassen; ob auch in dem ersteren Fall ist bestritten. In welchen Fällen der Besitzveränderung und in welchem Betrage das Handlohn zu reichen sei, bestimmt sich nach Gesetz oder Observanz." Diese Forderung wurde also immer dann fällig, wenn das belastete Grundstück den Eigentümer oder Nutzungsberechtigen wechselte. Der Handlohnsbodenzins unterlag der Grundentlastung im 19. Jahrhundert. So wurde zunächst mit Gesetz vom 4.6.1848 die Neubegründung auf dem Boden haftender Lasten und Abgaben untersagt. Alte Grundlasten wurden teils entschädigungslos aufgeho ben, wobei allerdings das Laudemium wie folgt abgelöst wurde (Art. 15 des Ablösungsgesetzes vom 4.6.1848): ,,Art. 15 Laudemium Das Äquivalent für das Obereigentum und das Recht der Erhebung einer Besitzänderungsabgabe ist bei Erbrecht und Freistift der ein- und einhalbfache Betrag des ganzen Laudemium, bei Leibrecht und Neustift der doppelte Betrag des ganzen Leibgeldes. ... Obiges Äquivalent ist mit der nächsten Besitzänderung nach Erlass des gegenwärtigen Gesetzes fällig. Die Art der Festsetzung der Besitzä nderungsreichnisse (Handlohn, Leibgeld und dergleichen) richtet sich nach den Bestimmungen der Verordnung vom 19.6. 1832, die Fixierung und Ablösung des Handlohns und anderer unständiger Besitzveränderungsgefälle des Staates betreffend, und den darauf bezüglichen Erläuterungsreskripten mit Rücksicht auf Art. 3 des Gesetzes. ...

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Von dem für das Obereigentum hier festgesetzten Äquivalente ist bei der nächsten Besitzänderung einer ganzer Handlohnsbetrag bar zu entrichten; der Rest kann als ein zu 4 % verzinsliches Bodenzinskapital auf dem pflichtigen Grundstücke liegen bleiben." (Die genannte Verordnung vom 19.6.1832 ist uns leider nicht zugänglich.) Da diese Maßnahme jedoch noch nicht ausreichte, wurden in späteren Jahren durch die diversen Grundentlastungsgesetze Möglichkeiten geschaffen, die Belastung durch Zahlung eines einmaligen Ablösungsbetrages zu beseitigen. Auch konnte der Adel seine Ansprüche auf den Staat übertragen und erhielt hierfür eine einmalige Abfindung. Dieses Verfahren sollte dazu führen, die Ansprüche des Adels gegen den Bauern in einen Anspruch der öffentlichen Hand gegen den Bauern umzuwandeln. Wegen der Einzelheiten weisen wir an dieser Stelle auf einen im Internet aufgefundenen Text zur Bauernbefreiung in Bayern hin (Kopie anbei). Entscheidend ist hier aber: Sämtliche Gesetze sahen immer nur Handlungsmöglichkeiten der Beteiligten vor, also einseitige Kündigungsrechte des Adels oder auch Kündigungsrechte des belasteten Grundstückseigentümers (= des Bauern). In keinem Gesetz ist jedoch angeordnet, dass die Belastung erlöschen solle, falls bis zum Tage X eine Kündigung nicht stattgefunden habe. In diesem Sinne war auch die Übertragung der Ansprüche auf den Staat lediglich eine Möglichkeit, von welcher der Adel Gebrauch machen konnte (wenngleich sie durch eine wohl großzügige Abfindungszahlung honoriert wurde). Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine Übertragungspflicht. Daher ist uns keine Norm aufgefallen, die zu einer inhaltlichen Unzulässigkeit dieser Belastung führt. Insoweit sehen wir uns bestärkt durch die Kommentierung von Staudinger/Keidel, BGB, 9. Aufl. 1929, zu Art. 115 EGBGB. Bei der Erläuterung des Bayerischen Landesrechts führt er aus, dass durch genanntes Ablösungsgesetz vom 4.6.1848 zwar keine Handlohnansprüche mehr begründet werden dürfen. Zum automatischen Wegfall früherer Ansprüche äußert er sich jedoch nicht, so dass von deren Fortbestand auszugehen ist. Die hier als Handlohn eingetragene Besitzveränderungsabgabe darf auch nicht mit den kommunalen Besitzveränderungsabgaben verwechselt werden, die in Bayern durch Gesetz vom 15. 1. 1898 für zulässig erklärt wurden (dazu MittBayNot 1907, 1). Dies war eine Kommunalabgabe, gewissermaßen eine gemeindliche Grunderwerbsteuer, die in unserer heutigen Terminologie dem öffentlichen Recht zuzurechnen wäre (wobei nur fraglich ist, ob seinerzeit in dieser Begrifflichkeit gedacht wurde). Diese ,,kommunale Grunderwerbsteuer"

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wurde folgerichtig mit Einführung der Grunderwerbsteuer auf Reichsebene aufgehoben. Die privaten Besitzveränderungsansprüche blieben jedoch aufrechterhalten; diesbezüglich bestand ja auch kein Kollisionsproblem. c) Aufhebung durch Währungsreform Denkbar wäre jedoch, dass die hier vorhandene Eintragung im Zuge der Aufarbeitung der Währungsreform 1923/24 und hier insbesondere durch das Grundbuchbereinigungsge setz vom 18.7.1930, RGBl. I, 305, gelöscht werden kann. Diesen Ansatz vertritt beispielsweise Camine, DNotZ 1957, 7, 12 bzgl. eingetragener Handlohnansprüche. Er betrachtet eingetragene Handlohnfixen als Hypotheken, auf die dann § 2 GBBerG anzuwenden wäre. Im Hinblick auf die Einordnung der Handlohnfixen als Hypotheken möchten wir ihm jedoch nicht folgen. Nach Art. 15 des Ablösungsgesetzes vom 4.6.1848 verblieb der gestundete Restbetrag als verzinsliches Bodenzinskapital auf dem Grundstücke liegen. Nach der Darstellung von Roth, a. a. O., sind Bodenzinskapitalien jedoch in Reallasten umzudeuten. Letztlich kommt es hierauf aber für die Anwendung des § 2 GBBerG 1930 nicht an, weil nach § 6 desselben Gesetztes die §§ 1 ­ 5, insbesondere also der hier interessierende § 2 auf Reallasten entsprechend anwendbar war. Der für uns nicht zu klärende Widerspruch besteht nun in folgendem: § 1 des GBBerG 1930 enthielt eine Fristbestimmung, wonach Anträge auf Eintragung von Aufwertungshypotheken nur bis zum 31.3.1931 gestellt werden konnte. § 2 bestimmt dann im Anschluss hieran: ,,Ist der Antrag auf Eintragung der Aufwertung (§ 1) bis zum Ablauf des 31.3.1931 nicht gestellt, so erlischt die aufgewertete Hypothek, deren Geldbetrag im Grundbuch noch in Mark oder einer anderen nicht mehr geltenden inländischen Währung bezeichnet ist. Soweit sie noch im Grundbuch eingetragen ist, ist sie vom Amts wegen zu löschen." Aus dem Wortlaut dieser Norm folgt nun, dass nach dem 31.3.1931 nur noch Grundpfandrechte in geltenden Währungseinheiten (Reichsmark oder Goldmark) im Grundbuch eingetragen sein sollten. Auch wenn dies in der Norm nicht ausdrücklich gesagt ist, so folgt doch aus der Möglichkeit zur Amtslöschung bei Grundpfandrechten in anders lautenden Währungen, dass die Neueintragung von Grundpfandrechten (über § 6 auch Reallasten) in anders lautenden Währungen unzulässig war. Hier liegt nun aber der

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Fall so, dass erstmals am 9.1.1933 die Eintragung in einer nicht mehr geltenden Währungseinheit erfolgt ist, und aus diesem Grunde die Eintragung bereits von Beginn an inhaltlich unzulässig war. Einerseits erscheint uns die Rechtslage insoweit zwar eindeutig. Andererseits ist es aber für uns äußerst merkwürdig, dass das Grundbuchamt im Jahre 1933, also sehr zeitnah, zum Erlass des Grundbuchbereinigungsgesetzes von 1930, einen derart gravierenden und im übrigen offensichtlichen Fehler gemacht haben sollte. Dass im Jahre 1991 beispielsweise diese Rechtslage in Vergessenheit geraten ist, dürften nicht weiter verwundern, denn auch am DNotI sind wir erst nach längerem Suchen auf das GBBerG 1930 gestoßen. Für den Januar 1933 sollte man jedoch diese Rechtslage bei jedem Grundbuchbeamten und Rechtspfleger als präsent annehmen dürfen. Immerhin möchten wir insoweit gestützt auf §§ 2, 6 GBBerG 1930 die Eintragung für inhaltlich unzulässig halten. Der weitere Fortbestand des GBBerG 1930 ist für uns wie folgt aufklärbar: Durch nachfolgendes Reichsgesetz wurden zwar einzelne Paragraphen des GBBerG 1930 aufgehoben; dieser Aufhebung unterlagen jedoch insbesondere die hier interessierenden §§ 1 ­ 6 GBBerG 1930 nicht. Noch im GBO-Kommentar von Henke/Mönch/Horber, 7. Aufl. 1962 wird in der Kommentierung zu § 29 GBO eine Norm des GBBerG 1930 erwähnt, nämlich deren § 26, die eine Ausnahme von der Formvorschrift des §§ 29 GBO beinhaltet (Verzicht auf öffentliche Beglaubigung der Unterschrift). Durch das GBMaßnG 1963 ist jedenfalls das GBBerG 1930 nicht aufgehoben worden. Andererseits ist das GBBerG auch nicht im Fundstellennachweis A des Bundesrechts aufgeführt (wir beziehen uns hier auf den Fundstellennachweis vom Stand 1.1.1970). Dies spricht dafür, dass das GBBerG 1930 im Zuge der Sammlung des Bundesrechts (Gesetz vom 10.7.1958 sowie Gesetz über den Abschluss der Sammlung des Bundesrechts vom 28.12.1968) durch Nichtaufnahme in das Bundesgesetzblatt Teil III außer Kraft getreten ist. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass mit dieser Bereinigung des Bundesrechts in Abweichung von §§ 1 ­ 6 GBBerG 1930 Grundbucheintragungen in alten Währungen wieder zulässig sein sollten (so auch BMJ, MittBayNot 1995, 290; Richter/Böhringer, Rpfleger 1995, 437, 440). Nach unserer Einschätzung fällt dies unter den Tatbestand des § 3 Abs. 3 des Gesetzes über die Sammlung des Bundesrechts vom 10.7.1958 mit folgendem Wortlaut:

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,,Nicht aufgenommene Rechtsvorschriften bleiben auch für die Zukunft auf Rechtsverhältnisse und Tatbestände anwendbar, die während der Geltung der Vorschriften ganz oder zum teil bestanden haben oder entstanden sind." Der Tatbestand wäre hier der Tatbestand der Grundbuchunrichtigkeit und dieser ist entsprechend dem oben zitierten Wortlaut des GBBerG 1930 zu dem dort genannten Stichtag unzulässig geworden mit der Folge, dass diese Eintragungen der Löschung von Amtswegen unterlagen. Dieser Löschungstatbestand gilt nach unserer Einschätzung deswegen auch unter Berücksichtung der Bereinigung des Bundesrechts fort. Selbst wenn § 2 GBBerG 1930 als Grundlage für eine Amtslöschung weggefallen ist, könnte heute eine Amtslöschung auf § 84 GBO wegen Gegenstandslosigkeit gestützt werden (BMJ, MittBayNot 1995, 290) oder auf § 53 Abs. 1 S. 2 GBO. 4. Ergebnis Damit möchten wir zusammenfassen, dass uns nur mit §§ 2, 6 GBBerG 1930 eine Norm aufgefallen ist, die für eine inhaltliche Unzulässigkeit und damit für eine Löschungsmöglichkeit ohne Betroffenenbewilligung streitet. Auf den Widerspruch zur erst 1933 erfolgten Eintragung hatten wir hingewiesen. Im Übrigen ist nach Art. 181 EGBGB von einem Fortbestand der Belastung auszugehen, weil andere Gründe der Aufhebung der Belastung nicht ersichtlich sind.

Gutachten/Abruf-Nr:

11211

Erscheinungsdatum:

01.01.2001

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

WRV Art. 155; EGBGB Art. 115