16. April 2021
BGB § 883; BGB § 1821; BGB § 894

Familiengerichtliche Genehmigung einer Berichtigungsbewilligung hinsichtlich materiell-rechtlich bereits erloschener Auflassungsvormerkung

BGB §§ 883, 894, 1821
Familiengerichtliche Genehmigung einer Berichtigungsbewilligung hinsichtlich materiell-rechtlich bereits erloschener Auflassungsvormerkung

I. Sachverhalt
Ein minderjähriger Käufer schloss mit einem volljährigen Verkäufer einen (Immobilien-)Kaufvertrag ab. Alle Kosten und den Kaufpreis hatten die Eltern des Minderjährigen als sorgeberechtigte Personen zu tragen. Ein Anspruch gegen den Minderjährigen mit Ausnahme der Notar- und Grundbuchkosten war im Vertrag ausgeschlossen, sodass der Minderjährige mit dem Erwerb rechtlich lediglich einen Vorteil erlangte. Für den Minderjährigen wurde eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen. Die Eltern und auch der Minderjährige haben den Kaufpreis jedoch nicht bezahlt. Der beurkundete Vertrag enthielt in einer Anlage den Antrag und die Bewilligung der Löschung der Vormerkung bei Nichtleistung. Im Vertrag selbst war folgende Anweisung an den Notar vorgesehen:

„Der beurkundende Notar wird unwiderruflich angewiesen, auf einseitigen Antrag des Verkäufers den Antrag auf Löschung der Auflassungsvormerkung beim Grundbuchamt zu stellen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a. der Verkäufer hat dem Notar schriftlich seinen Rücktritt von diesem Vertrag wegen nicht rechtzeitiger Bezahlung des Kaufpreises mitgeteilt;

b. der Notar hat den Eltern des Käufers, den Erschienenen zu 3, die beabsichtigte Löschung der Vormerkung per Einschreiben mit Rückschein an die ihm zuletzt bekannt gegebene Anschrift angezeigt;

c. die Erschienenen zu 3 haben dem beurkundenden Notar nicht innerhalb von 14 Tagen nach erfolgter Anzeige die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen oder nachgewiesen, dass ein gerichtliches Verfahren zur Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts des Verkäufers rechtshängig ist.“

Die Eltern wurden entsprechend aufgefordert, nachzuweisen, dass die Zahlung erfolgt oder dass ein gerichtliches Verfahren zur Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts des Verkäufers rechtshängig sei. Die Eltern reagierten nicht, sodass entsprechend der vorstehenden Anweisung die Löschung der Auflassungsvormerkung beantragt wurde. Das Grundbuchamt verlangt die familiengerichtliche Genehmigung.

II. Frage
Ist die familiengerichtliche Genehmigung zur Löschung der Vormerkung erforderlich?

III. Zur Rechtslage
1. Kein Eigenhandeln des Minderjährigen
Ein Eigenhandeln des minderjährigen Käufers bei Abgabe der Löschungsbewilligung zur Auflassungsvormerkung (hier in Form der sog. Schubladenlöschungsbewilligung bereits im ursprünglichen Kaufvertrag) scheidet vorliegend auch dann aus, wenn der Käufer bereits das siebte Lebensjahr vollendet haben sollte und deswegen nach § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig wäre. Denn mit Löschung der Auflassungsvormerkung im Grundbuch gibt der Minderjährige eine zumindest formale, sich aus dem Grundbuch ergebende Rechtsposition auf; dies ist kein „lediglich rechtlicher Vorteil“ i. S. v. § 107 BGB.

2. Familiengerichtliche Genehmigungspflichtigkeit der Löschung der Vormerkung bei Handeln der Eltern als gesetzliche Vertreter
Deswegen müssen die Eltern insoweit als gesetzliche Vertreter nach §§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 S. 1, 2 BGB für den minderjährigen Käufer handeln. Sofern die Voraussetzungen des § 1643 Abs. 1 i. V. m. § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB vorliegen, benötigen die Eltern zur Löschungsbewilligung hinsichtlich der Vormerkung die Genehmigung des Familiengerichts. Dies wäre also dann der Fall, wenn durch die Abgabe der Löschungserklärung (§ 875 Abs. 1 BGB) über ein Recht an einem Grundstück verfügt würde. Der Begriff der Verfügung ist hier grundsätzlich nach allgemeinem bürgerlichrechtlichen Begriffsverständnis aufzufassen. Verfügungen sind hiernach Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es inhaltlich zu verändern, zu übertragen, zu belasten oder aufzuheben (s. nur Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Aufl. 2021, Überbl. v. § 104 Rn. 16; Palandt/Götz, § 1821 Rn. 10; Staudinger/Veit, BGB, 2020, § 1821 Rn. 12 ff.).

Es besteht zwar Einigkeit, dass – bei wörtlicher Auslegung des § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB – die Vormerkung nicht als Recht an einem Grundstück i. S. dieser Vorschrift anzusehen ist (Palandt/Götz, § 1821 Rn. 8; Staudinger/Veit, § 1821 Rn. 11).

Was zunächst die Eintragung einer Vormerkung anbelangt, so wird diese gleichwohl als eine Verfügung des Betroffenen über das Eigentum am Grundstück oder über ein sonstiges Recht an einem Grundstück angesehen, die nach § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB der Genehmigung des Familiengerichts bedarf. Der Grund hierfür liegt in der dinglichen Gebundenheit des mit der Vormerkung belasteten Grundstücks oder Rechts, die mit der Eintragung bewirkt wird (bereits RGZ 118, 230, 234; KG Rpfleger 2017, 266, 267; Staudinger/Veit, § 1821 Rn. 28 m. zahlr. w. N., auch zur vereinzelten Gegenansicht).

Ist aber die Bewilligung der Eintragung einer Vormerkung nach ganz h. M. gem. § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB genehmigungspflichtig, so hat konsequenterweise dasselbe auch für die Löschung einer Vormerkung zu gelten, da damit die dingliche Gebundenheit des mit der Vormerkung zunächst belasteten Grundstücks aufgehoben wird und auch die Aufgabe eines Rechts unter den Verfügungsbegriff fällt. Im Allgemeinen steht die h. M. folgerichtig auf dem Standpunkt, dass auch die Bewilligung der Berichtigung des Grundbuchs eine Verfügung i. S. d. § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB und damit genehmigungspflichtig sei. Denn durch sie wird zumindest ein vermeintliches, sich aus dem Grundbuch ergebendes Recht beseitigt. Deshalb ist die Bewilligung der Grundbuchberichtigung hinsichtlich der Rechte genehmigungsbedürftig, über die der Vormund nicht ohne Genehmigung des Familiengerichts verfügen darf (OLG Frankfurt FGPrax 2008, 6, 8 für Betreuer gem. § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB; KG OLGE 25, 390, 392; RGZ 133, 259; Staudinger/Veit, § 1821 Rn. 29; Palandt/Götz, § 1821 Rn. 10 m. w. N.). Der einschränkende Standpunkt von Kroll-Ludwigs (in: MünchKommBGB, 8. Aufl. 2020, § 1821 Rn. 33), wonach Löschungsbewilligungen (nur dann) der Genehmigung bedürfen sollen, sofern sie nicht nachweislich nur zur Berichtigung falscher Eintragungen erteilt werden, wird in Rechtsprechung und Literatur sonst nicht vertreten. Auf der Grundlage der dargestellten h. M. ist dementsprechend auch eine Berichtigungsbewilligung zur Löschung einer Auflassungsvormerkung gem. §§ 1643 Abs. 1, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB familiengerichtlich genehmigungspflichtig.

Um eine derartige Berichtigungsbewilligung geht es hier, wenn und weil der Eigentumsverschaffungsanspruch des Minderjährigen aus dem Kaufvertrag (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB) durch den wirksamen Rücktritt der Verkäufer erloschen ist (§§ 346 ff. BGB) und dement­sprechend auch die den Eigentumsverschaffungsanspruch des Käufers sichernde, noch im Grundbuch ein­getragene Auflassungsvormerkung aufgrund ihrer Akzessorietät zum – nun­mehr wegge­fallenen – schuldrechtlichen Eigentumsverschaffungsanspruch bereits außerhalb des Grundbuchs erloschen ist (vgl. allgemein hierzu etwa BGH DNotZ 2009, 434, 436; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 1539; Palandt/Herrler, § 886 Rn. 4). Dass der Verkäufer wegen des vertragswidrigen Verhaltens des Käufers zurücktrat und deswegen auf die Löschung der Auflassungsvormerkung ein Anspruch gem. § 894 BGB bestand, ist für die familiengerichtliche Genehmigungspflichtigkeit als solche unerheblich. Dies folgt bereits daraus, dass nach der genannten h. M. Bewilligungen zur Berichtigung des Grundbuchs gleichwohl stets genehmigungspflichtig sind. Auf die Berichtigung eines unrichtigen Grundbuchs besteht aber regelmäßig ein Anspruch aus § 894 BGB. Auch in anderen Regelungszusammenhängen der familiengerichtlichen Genehmigungspflicht – wie etwa bei der Erfüllung des Anspruchs aus einem Grundstücksvermächtnis gem. § 2174 BGB – ist allgemein anerkannt, dass die Genehmigungspflicht für die Verfügung nicht schon deshalb entfällt, weil der Mündel zu ihrer Vornahme verpflichtet ist (KG OLGE 33, 363; KGJ 38, 219, 223; BayObLG FamRZ 1977, 141, 143). In solchen Fällen beschränkt sich lediglich die Prüfungspflicht des Familiengerichts bei der weiterhin zu erteilenden Genehmigung auf die Frage, ob die in Rede stehende Verpflichtung auch tatsächlich besteht (KG KGJ 38, 219, 223; MünchKommBGB/Kroll-Ludwigs, § 1821 Rn. 19 m. w. N.).

3.Ergebnis
Im Ergebnis ist deswegen nach unserer Einschätzung der Standpunkt des Grundbuchamts zutreffend, dass hier eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich ist. Da im vorliegenden Fall voraussichtlich ein Anspruch auf Löschung der Vormerkung gem. § 894 BGB bestehen dürfte, ist die Genehmigung durch das Familiengericht entsprechend zu erteilen.

Gutachten/Abruf-Nr:

181493

Erscheinungsdatum:

16.04.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Sachenrecht allgemein
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 57-59

Normen in Titel:

BGB § 883; BGB § 1821; BGB § 894