18. Juli 2019
EGBGB Art. 15; EuGüVO Art. 20

Serbien: Ehegüterstatut, Rechtswahl, bewegliche Rückverweisung

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 170037
letzte Aktualisierung: 1 8 . Juli 2019

EGBGB Art. 15; EuGüVO Art. 20 ff.
Serbien: Ehegüterstatut, Rechtswahl, bewegliche Rückverweisung

I. Sachverhalt

Die Eheleute haben im Jahr 1992 geheiratet. Damals waren beide jugoslawische Staatsangehörige.
Die Ehefrau hatte den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und der Ehemann in Jugoslawien.
Mittlerweile sind beide Eheleute Doppelstaater (deutsch/serbisch) mit gewöhnlichem
Aufenthalt in Deutschland. Beide Eheleute sind Unternehmer und möchten gegenseitig am unternehmerischen
Vermögen nicht beteiligt sein. Die Ehefrau könnte ihre serbische Staatsangehörigkeit
abgeben.

II. Fragen

1. Welches Güterrecht gilt?

2. Ist eine Rechtswahl möglich? Hat die Rechtswahl Wirkung ex nunc oder tunc?

3. Ist eine ehevertragliche Vereinbarung möglich, nach der sich die Eheleute das unternehmerische
Vermögen (private Schulden, Gesellschaftsbeteiligungen) jeweils einzeln zuweisen?

Welcher Form bedarf die Vereinbarung? Wie bestimmt müssen die Gegenstände benannt
werden? Ab wann wirkt die Vereinbarung gegenüber Dritten, insbesondere Gläubigern?

4. Ändert sich an der Beurteilung etwas, wenn die Ehefrau die serbische Staatsangehörigkeit
abgibt?

III. Zur Rechtslage

1. Die objektive Anknüpfung des Ehegüterstatutes richtet sich aus deutscher Sicht noch nicht
nach der Europäischen Güterrechtsverordnung (EuGüVO), da die Eheleute hier vor dem
29.1.2019 geheiratet haben (vgl. Art. 69 Abs. 3 EuGüVO, auszugsweise abgedruckt etwa bei
Palandt/Thorn, BGB, 78. Aufl. 2019, Anh. 2 zu Art. 15 EGBGB). Da die Eheleute andererseits
nach dem 8.4.1983 geheiratet haben, spielen die Übergangsvorschriften in Art. 220
Abs. 3 EGBGB hier ebenfalls keine Rolle. Gem. Art. 229 § 47 Abs. 1, 2 Nr. 2 EGBGB gelten
vielmehr für den Zeitpunkt der Eheschließung Art. 15, 14 EGBGB a. F.
Da beide Eheleute bei der Eheschließung 1992 übereinstimmend die jugoslawische Staatsangehörigkeit
besaßen, beruft Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB a. F. ihr
jugoslawisches Heimatrecht zur Anwendung. Es handelt sich um eine Gesamtverweisung
unter Einschluss des betreffenden IPR (Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Da Jugoslawien seither
in mehrere Teilrechtsordnungen zerfallen ist, stellt sich die Frage, welche der Nachfolgerechtsordnungen
Jugoslawiens maßgeblich ist. Gegen die Anwendung des vormaligen
gesamtstaatlich jugoslawischen interlokalen Privatrechts spricht, dass es sich nach dem
Zerfall des jugoslawischen Staates um „totes Recht“ handelt, das keine Anwendung mehr
beanspruchen kann (Großerichter/Bauer, RabelsZ 2001, 201, 214, 217). Deswegen soll
nach h. M. in Rechtsprechung und Schrifttum die Frage der jetzt nachträglich anwendbaren
Teilrechtsordnung in analoger Anwendung von Art. 4 Abs. 3 S. 2 EGBGB zu
beantworten sein (OLG Nürnberg FamRZ 2017, 698; OLG Stuttgart NJW-RR 2015, 838;
ebenso im Ergebnis OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1203; Palandt/Thorn, Art. 4 EGBGB
Rn. 12 a. E.; abweichender Ansatz: OLG Frankfurt/Main IPRax 2001, 140). Es kommt
nach Art. 4 Abs. 3 S. 2 EGBGB also darauf an, zu welcher Teilrechtsordnung des vormaligen
Jugoslawien die Eheleute die engste Verbindung hatten. Für das Kriterium der
„engsten Verbindung“ i. S. v. Art. 4 Abs. 3 S. 2 EGBGB wird vielfach auf den gewöhnlichen
Aufenthalt bzw. den letzten gewöhnlichen Aufenthalt der Betreffenden abgestellt,
weiter hilfsweise auf eine etwa vorhandene Teilstaatsangehörigkeit (s. hierzu
Staudinger/Hausmann, BGB, 2013, Art. 4 EGBGB Rn. 396 ff.; Palandt/Thorn, Art. 4
EGBGB Rn. 12). Der vorliegende Sachverhalt lässt lediglich die Verweisung auf die derzeitige
serbische Teilstaatsangehörigkeit der Eheleute als Anküpfungspunkt erkennen. In
Ermangelung weiterer Anhaltspunkte gehen wir daher davon aus, dass hier analog Art. 4
Abs. 3 S. 2 EGBGB das serbische IPR zur Anwendung berufen ist.

Das auf das eheliche Güterrecht anwendbare Recht wird aus serbischer Sicht nach Art. 36-
38 des Gesetzes vom 15.7.1982 zur Lösung von Gesetzeskollisionen mit den Vorschriften
anderer Staaten für bestimmte Verhältnisse (IPRG) bestimmt. Diese Vorschriften bestimmen
im Wortlaut:

36. èlen

Za osebna in zakonska premoženjska
razmerja zakoncev se
uporabi pravo države, katere
državljana sta.

Èe sta zakonca državljana razliènih
držav, se uporabi pravo
države, v kateri imata prebivališèe.

Èe zakonca nimata niti istega
državljanstva niti prebivališèa v
isti državi, se uporabi pravo
države, v kateri sta imela zadnje
skupno prebivališèe.

Èe prava, ki naj se uporabi, ni
mogoèe doloèiti po prvem, drugem
in tretjem odstavku tega
èlena, se uporabi pravo
Socialistiène federativne

Art. 36.

Für die persönlichen und die gesetzlichen
Vermögensverhältnisse
der Ehegatten ist das
Recht des Staates maßgeblich,
dessen Staatsangehörige sie sind.
Sind die Ehegatten Staatsangehörige
verschiedener Staaten, so
ist das Recht des Staates maßgeblich,
in dem sie ihren Wohnsitz
haben.

Haben die Ehegatten weder dieselbe
Staatsangehörigkeit noch
den Wohnsitz in demselben
Staat, so ist das Recht des Staates
maßgeblich, in dem sie den
letzten gemeinsamen Wohnsitz
gehabt haben.

Kann das anzuwendende Recht
nicht gemäß Abs. 1-3 dieses Artikels
bestimmt werden, so ist
das Recht der SFR Jugoslawien
maßgeblich.
republike Jugoslavije.

37. èlen
Pogodbena premoženjska
razmerja zakoncev se presojajo
po pravu, ki je ob sklenitvi
pogodbe veljalo za osebna in
zakonska premoženjska
razmerja.
Èe pravo iz prvega odstavka
tega èlena doloèa, da lahko
zakonca izbereta pravo za
presojo premoženjske pogodbe
medi zakoncema, se uporabi
pravo, ki sta si ga izbrala.
38. èlen
Èe je zakonska zveza neveljavna
ali je prenehala, se za osebna in
zakonska premoženjska razmerja
uporabi pravo, ki je doloèeno v
36. èlenu tega zakona.
V primerih iz 36. èlena tega
zakona se za pogodbena
premoženjska razmerja med
zakoncema uporabi pravo,
doloèeno v 37. èlenu tega
zakona.

Art. 37.
Für die vertraglichen Vermögensverhältnisse
der Ehegatten

ist das Recht maßgeblich, das im
Zeitpunkt des Abschlusses des
Vertrages für die persönlichen
und die gesetzlichen Vermögensverhältnisse
maßgeblich
war.

Sieht das gemäß Abs. 1 dieses
Artikels bestimmte Recht vor,
dass die Ehegatten das für den
Ehevermögensvertrag maßgebliche
Recht wählen können, so
ist das von ihnen gewählte Recht
maßgeblich.

Art. 38.

Ist die Ehe ungültig oder beendet,
so ist für die persönlichen
und die gesetzlichen Vermögensverhältnisse
das gemäß
Art. 36 dieses Gesetzes bestimmte
Recht maßgeblich.
In Fällen gemäß Art. 36 dieses
Gesetzes ist für vertragliche
Vermögensverhältnisse der
Ehegatten das in Art. 37 dieses
Gesetzes bestimmte Recht maßgeblich.

Das serbische IPR unterstellt also – im Gleichlauf mit dem deutschen IPR – den ehelichen
Güterstand primär dem gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten und, im Falle gemischtnationaler
Ehen, in zweiter Linie dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten ihren gemeinsamen
Wohnsitz haben.

Für Mehrstaater enthält Art. 11 serb. IPRG die maßgebliche Regelung:

Art 11
Hat ein Staatsangehöriger der Republik Serbien auch die Staatsangehörigkeit eines
anderen Staates, so gilt für die Anwendung dieses Gesetzes, dass er nur die Staatsangehörigkeit
der Republik Serbien hat.

Hat eine Person, die nicht Staatsangehöriger der Republik Serbien ist, zwei oder
mehrere ausländische Staatsangehörigkeiten, so gilt für die Anwendung dieses Gesetzes,
dass sie die Staatsangehörigkeit des Staates hat, dessen Staatsangehöriger
sie ist und in dem sie auch ihren Wohnsitz hat.

Hat eine in Abs 2 dieses Artikels genannte Person ihren Wohnsitz in keinem
der Staaten, deren Staatsangehöriger sie ist, so gilt für die Anwendung dieses
Gesetzes, dass sie die Staatsangehörigkeit des Staates besitzt, dessen Staatsangehöriger
sie ist und mit dem sie im engsten Zusammenhang steht.

Bei Personen, die auch die serbische Staatsangehörigkeit besitzen, hat also aus Sicht des
serbischen IPR stets die serbische Staatsangehörigkeit bei der Anknüpfung den Vorrang.
Damit nimmt, bezogen auf den Zeitpunkt der Eheschließung 1992, das serbische IPR die
Verweisung an. Es ist daraufhin zunächst serbisches Ehegüterrecht anzuwenden (s. dazu
noch unten).

Anders als das deutsche IPR, das im vormaligen Art. 15 Abs. 1 EGBGB unwandelbar auf
den Zeitpunkt der Eheschließung abstellte (s. hierzu nur Palandt/Thorn, Art. 15 EGBGB
Rn. 3 m. w. N.), handelt es sich bei der Anknüpfung des Ehegüterrechts im serbischen
IPR um eine wandelbare Anknüpfung. Änderungen der maßgeblichen Anknüpfungspunkte
nach Eheschließung sind aus der Sicht des serbischen IPR also zu berücksichtigen
(s. schon Cigoj/Firsching, Jugoslawisches Familienrecht, 1980, S. 82;
Staudinger/Hausmann, BGB, 2013, Art. 4 EGBGB Rn. 217). Würde also die Ehefrau ihre
serbische Staatsangehörigkeit aufgeben, so würde wegen der wandelbaren Anknüpfung
im serbischen IPR für das Ehegüterrecht nicht mehr gem. Art. 36 Abs. 1 IPRG die vormalige
Verweisung durch Art. 15 Abs. 1 EGBGB a. F. angenommen werden. Vielmehr
wäre dann, weil die Ehegatten nunmehr Staatsangehörige verschiedener Staaten sind, auf
das Recht des Staates abzustellen, in dem sie ihren Wohnsitz haben (Art. 36 Abs. 2 IPRG).
Damit würde ab dem Zeitpunkt, zu dem die Ehefrau ihre serbische Staatsangehörigkeit aufgibt,
durch das serbische IPR wieder auf das deutsche Recht zurückverwiesen werden. Aus
deutscher Sicht wäre damit ab diesem Zeitpunkt gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB deutsches
Sachrecht anzuwenden.

Denn der Grundsatz der Unwandelbarkeit im Ehegüterrecht ist nur ein verweisungsrechtliches
Prinzip des (insoweit vormaligen) deutschen Kollisionsrechts in Art. 15 Abs. 1
EGBGB a. F. Dieser Grundsatz setzt sich daher gegenüber der Wandelbarkeit des Güterrechtsstatuts
nach dem von Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 EGBGB a. F. zur Anwendung berufenen
ausländischen Kollisionsrechts nicht durch. Haben sich die maßgebenden
Anknüpfungskriterien also nach Eheschließung geändert, so ist dies nach Art. 4 Abs. 1 S. 2
EGBGB zu beachten, wenn sich hieraus nach dem maßgeblichen ausländischen
Kollisionsrecht eine sog. „bewegliche“ Rückverweisung gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2
EGBGB auf das deutsche Recht ergibt. Dieser Standpunkt entspricht der fast einhelligen
heutigen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (s. etwa OLG Celle FamRZ
2015, 160; OLG München FamRZ 2011, 1006; OLG München NJW-RR 2011, 663, 665;
OLG Düsseldorf FamRZ 2011, 1510, 1512; OLG Hamm FamRZ 2010, 975, 976 f.;
MünchKommBGB/v. Hein, 7. Aufl. 2018, Art. 4 EGBGB Rn. 85; Hausmann,
Internationales und Europäisches Familienrecht, 2. Aufl. 2018, 1. Teil B Rn. 440). Der
abweichende Standpunkt ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung nach unseren
Recherchen bis heute nur vom OLG Nürnberg (FamRZ 2011, 1509, 1510) vertreten
worden. Gegen den Standpunkt des OLG Nürnberg spricht, dass auf die Gesamtverweisung
in Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB hin das serbische Kollisionsrecht in seiner
Gesamtheit so anzuwenden ist, wie es der serbische Rechtsanwender selbst tun würde.

Denn dieses Verständnis erklärt Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB auch aus deutscher Sicht für
maßgeblich.

Der Statutenwechsel durch die bewegliche Rückverweisung aufgrund der wandelbaren
Anknüpfung im serbischen IPR gilt allerdings nicht rückwirkend, sondern erst ab dem Zeit-
punkt, zu dem sich der aus Sicht des serbischen IPR maßgebliche Anknüpfungspunkt
ändert, also ab der Aufgabe der serbischen Staatsangehörigkeit durch die Ehefrau. Damit
wird Art. 36 Abs. 2 serb. IPRG (Wohnsitzanknüpfung) ab diesem Zeitpunkt maßgeblich.
Abweichendes wird aus deutscher Sicht nur angenommen, wenn das die Rückverweisung
aussprechende ausländische IPR ausdrücklich selbst eine Rückwirkung anordnet. Dies tut
bspw. Art. 55 Abs. 1 Schweizer. IPRG (vgl. Staudinger/Hausmann, Art. 4 EGBGB
Rn. 216 f.). Das serbische IPR enthält eine vergleichbare Anordnung aber nicht.
2. Zu den Rechtswahlmöglichkeiten bemerken wir folgendes:

a) Aus deutscher Sicht gilt für die Rechtswahlmöglichkeiten nicht mehr Art. 15 Abs. 2
EGBGB a. F., sondern bereits Art. 22 ff. EuGüVO (vgl. Art. 69 Abs. 3 Var. 2
EuGüVO; Art. 229 § 47 Abs. 2 EGBGB). Hiernach können die Eheleute jedenfalls
nach Art. 22 Abs. 1 lit. a EuGüVO deutsches Ehegüterrecht als das Recht ihres gewöhnlichen
Aufenthalts bei Rechtswahl wählen. Mindestvorschriften über die Form der
Rechtswahl enthält Art. 23 Abs. 1 EuGüVO. Da hier beide Eheleute derzeit ihren gewöhnlichen
Aufenthalt in Deutschland haben, wäre darüber hinaus gem. Art. 23 Abs. 2
EuGüVO die Beachtung der Formvorschriften nach deutschem Recht ausreichend.
Wir verweisen zu dieser Problematik auch noch auf das kürzlich im DNotI-Report veröffentlichte
Gutachten (DNotI-Report 2019, 1 ff.).

Da die Eheleute – auch – serbische Staatsangehörige sind und zumindest der Ehemann
diese Staatsangehörigkeit auch zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzen wird, ist nach
Art. 22 Abs. 1 lit. b EuGüVO darüber hinaus die Wahl des serbischen Ehegüterrechts
möglich. Nach einhelliger Auffassung können Mehrstaater hierbei das Recht jedes ihrer
Heimatstaaten wählen. Sie sind nicht auf die Wahl der effektiven Staatsangehörigkeit i.
S. v. Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB beschränkt (so etwa MünchKommBGB/Looschelders,
7. Aufl. 2018, EuGüVO Rn. 72; Martini, IPRax 2011, 437, 449; Weber, DNotZ 2016,
659, 678).

Ob die Eheleute die Rechtswahl rückwirkend oder nur mit Wirkung für die Zukunft
treffen wollen, unterliegt ihrer freien Parteidisposition. Allerdings müssen sie eine
Rückwirkung ausdrücklich bestimmen (vgl. Art. 22 Abs. 2 EuGüVO). Ansprüche
Dritter dürfen durch eine solche Rückwirkung nicht beeinträchtigt werden (Art. 22
Abs. 3 EuGüVO).

b) Das serbische IPRG enthält für das Ehegüterrecht keine eigenen Rechtswahlmöglichkeiten.
Ist allerdings aus Sicht des serbischen IPR ausländisches IPR anzuwenden und
lässt dieses seinerseits eine Rechtswahl zu, so wird auch aus serbischer Sicht diese
Rechtswahl anerkannt (Art. 37 Abs. 2 serb. IPRG). Wie bereits festgestellt, ist hier aus
serbischer Sicht gem. Art. 36 Abs. 1 serb. IPRG zunächst serbisches Ehegüterrecht anzuwenden.
Bei einer Aufgabe der serbischen Staatsangehörigkeit durch die Ehefrau
würde durch Art. 36 Abs. 2 serb. IPRG auf das deutsche Recht verwiesen werden, und
zwar unter Einschluss des deutschen IPR (Art. 6 Abs. 1 serb. IPRG). Wünschen nun
die Eheleute weiterhin die Geltung serbischen Rechts, und hätten sie dieses gem.
Art. 22 Abs. 1 lit. b EuGüVO gewählt, so wäre diese Rechtswahl nach unserer Auffassung
wegen Art. 37 Abs. 2 serb. IPRG auch aus serbischer Sicht anzuerkennen.

Es wäre daraufhin weiter serbisches Ehegüterrecht anzuwenden. Wählen die Eheleute
umgekehrt gem. Art. 22 Abs. 1 lit. a EuGüVO deutsches Ehegüterrecht – je nach
Wunsch mit Rückwirkung (Art. 22 Abs. 2 EuGüVO) – so wäre umgekehrt auch aus
serbischer Sicht daraufhin deutsches Ehegüterrecht anzuwenden. Eine von den
Parteien bestimmte Rückwirkung der Rechtswahl zum deutschen Recht hin wäre aus
serbischer Sicht aber nicht zu beachten, da das serbische IPR erst ab dem Zeitpunkt der
Aufgabe der Staatsangehörigkeit durch die Ehefrau das deutsche IPR (hier:
Europäische Güterrechtsverordnung) auf seine Rechtsanwendung hin befragt.

3. Zum serbischen Ehegüterrecht bemerken wir einführend folgendes:

a) Das Güterrecht ist in Serbien im Familiengesetz vom 24.2.2005 geregelt (vgl. Kraljic, in:
Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Serbien,
Std.: 6/2006, S. 51 ff.).

Im serbischen Recht ist gesetzlicher Güterstand die Errungenschaftsgemeinschaft.
Art. 171 FamG bestimmt, dass das Vermögen, das die Eheleute im
Laufe ihrer Ehe gemeinschaftlich erwerben, grundsätzlich ihr gemeinsames Vermögen
wird (Errungenschaftsgemeinschaft). Daneben existiert das besondere Vermögen eines
jeden der Ehegatten. Zu dem sog. Sondervermögen eines jeden einzelnen Ehegatten
zählt zum einen das Vermögen des Ehegatten, das er bereits vor Eheschließung
besessen hat, und zum anderen das während der Ehe durch Teilung des gemeinsamen
Vermögens, Erbschaft, Schenkung oder ein anderes rechtlich vorteilhaftes Geschäft
erlangte Vermögen (Art. 168 serb. FamG). Bei Handelsgesellschaften wird in der
Literatur zum serbischen Ehegüterrecht wegen der rechtlichen Selbständigkeit und
Unabhängigkeit der Gesellschaft von ihren Gründern die Zugehörigkeit des Gesellschaftsanteils
des Gesellschafter-Ehegatten zum gemeinsamen Vermögen und eine
automatische Mitgesellschafterstellung des anderen Ehegatten abgelehnt (Abbas, Die
Vermögensbeziehungen der Ehegatten und nichtehelichen Lebenspartner im
serbischen Recht, 2011, S. 84 f. m. w. N.). Er muss folglich Sondervermögen sein.

Insoweit bedarf es einer gesonderten ehevertraglichen Vereinbarung folglich nicht.

Sondervermögen sind darüber hinaus solche Güter, die der Ehegatte allein mit Mitteln
seines Sondervermögens erworben hat (Surrogation, vgl. Abbas aaO S. 57). Der
gemeinschaftliche Erwerb wird allerdings nur angeordnet, wenn er während der Dauer
der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgt ist (Art. 171 Abs. 1 serb. FamG). Dabei stellt
Art. 171 Abs. 1 FamG nicht auf das formelle Bestehen des Ehebandes ab, sondern auf
das tatsächliche Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft (Abbas, S. 67).

b) Bestimmungen über den Ehevertrag nach serbischem Ehegüterrecht enthalten die
Art. 171, 188-190 FamG. Über die Haftung für Verpflichtungen enthalten Art. 186,
187 FamG einige Bestimmungen. Die Vorschriften haben folgenden Wortlaut:

Art 171 Erwerb

(1) Das Vermögen, das die Ehegatten durch ihre Arbeit während der Dauer der
ehelichen Lebensgemeinschaft erwerben, stellt ihr gemeinsames Vermögen
dar.

(2) Die Ehegatten können ihre Vermögensbeziehungen durch einen Ehevertrag
anders regeln.

Haftung für Verpflichtungen

Art 186 Haftung für eigene Verpflichtungen

Für die vor oder nach der Eheschließung übernommenen eigenen Verpflichtungen
haftet der Ehegatte, der sie übernommen hat, mit seinem Sondervermögen
wie auch mit seinem Anteil am gemeinsamen Vermögen.

Art 187 Haftung für gemeinsame Verpflichtungen

(1) Für die zur Befriedigung der Bedürfnisse der ehelichen Lebensgemeinschaft
übernommenen Verpflichtungen wie auch für Verpflichtungen, die nach
dem Gesetz beide Ehegatten belasten, haften die Ehegatten solidarisch
mit ihrem gemeinsamen und ihrem Sondervermögen.

(2) Der Ehegatte, der aus seinem Sondervermögen eine gemeinsame Verpflichtung
beglichen hat, hat das Recht auf Ersatz vom anderen Ehegatten im
Verhältnis seines Anteils am gemeinsamen Vermögen.

3. Verträge der Ehegatten

Art 188 Ehevertrag

Die Ehegatten bzw. künftigen Ehegatten können ihre Vermögensbeziehungen am
bestehenden oder künftigen. Vermögen durch einen Vertrag regeln (Ehevertrag).
Der Ehevertrag muss in schriftlicher Form geschlossen und von einem
Richter beglaubigt werden, welcher verpflichtet ist, den Ehegatten den Vertrag
vor der Beglaubigung vorzulesen und darauf hinzuweisen, dass damit
der gesetzliche Güterstand des gemeinsamen Vermögens ausgeschlossen
wird.

Der Ehevertrag, der sich auf Grundstücke bezieht, wird in das öffentliche Register
der Rechte an Grundstücken eingetragen.

Art 189 Vertrag über die Verwaltung und Verfügung über das gemeinsame
Vermögen

Die Ehegatten können einen Vertrag schließen, aufgrund dessen einer von ihnen
das gesamte gemeinsame Vermögen oder Teile davon verwaltet und darüber verfügt.
Der Vertrag nach Abs 1 dieses Artikels kann sich nur auf die Verwaltung
oder nur auf die Verfügung oder nur auf einzelne Verwaltungs- und Verfügungsgeschäfte
beziehen.

Die Verwaltung umfasst auch die Verfügung im Rahmen der regelmäßigen Geschäftstätigkeit,
außer wenn etwas anderes vereinbart wird.

Der Vertrag über die Verwaltung und die Verfügung über das gemeinsame Vermögen,
der sich auf Grundstücke bezieht, wird in das öffentliche Register der
Rechte an Grundstücken eingetragen.

Art 190 Vertrag über Geschenke

(1) Endet die Ehe durch Ehescheidung oder Ungültigerklärung, werden die Geschenke,
welche sich die Ehegatten gegenseitig während der Dauer der ehelichen
Lebensgemeinschaft gemacht haben, nicht zurückgegeben.

(2) Geschenke, deren Wert hinsichtlich des Werts des gemeinsamen Vermögens
der Ehegatten unverhältnismäßig groß ist, und die sich die Ehegatten während
der Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft gegenseitig gemacht haben,
werden zurückgegeben.

(3) Das Recht auf Rückgabe von Geschenken hat kein Ehegatte, wenn die Anerkennung
seines Antrags auf Rückgabe des Geschenks eine offensichtliche
Ungerechtigkeit für den anderen Ehegatten darstellen würde.

(4) Die Geschenke werden in dem Zustand zurückgegeben, in dem sie sich im
Zeitpunkt der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft befanden.

Eheverträge sind also auch nach serbischem Sachrecht möglich (Art. 188 FamG). Das
serbische Recht verlangt, dass der Ehevertrag in schriftlicher Form geschlossen und
von einem Richter beglaubigt wird, der verpflichtet ist, den Ehegatten den Vertrag vor
der Beglaubigung vorzulesen und darauf hinzuweisen, dass damit der gesetzliche Güterstand
des gemeinsamen Vermögens ausgeschlossen wird (Art. 188 Abs. 2 FamG).

Was die Form betrifft, so wäre nach Art. 15 Abs. 3, Art. 14 Abs. 4 S. 1 EGBGB, die
weiterhin gelten, wenn die Eheleute mit Eheschließungsdatum vor dem 29. Januar 2019
einen Ehevertrag ohne eine Rechtswahl abschließen (Art. 229 § 47 Abs. 2 Nr. 2
EGBGB) eine notarielle Beurkundung der Rechtswahl ausreichend. Nichts anderes
würde im Übrigen gelten, wenn Art. 25 Abs. 2 EuGüVO anwendbar sein sollte.
Darüber hinaus ist, wenn serbisches Recht Ehegüterstatut ist, nach Art. 11 Abs. 1
EGBGB die notarielle Beurkundung des Ehevertrags in Deutschland ausreichend.
Etwas anderes würde jedoch gelten, wenn Art. 25 Abs. 3 EuGüVO anwendbar wäre
(was hier nicht der Fall ist). In diesem Fall wären die serbischen Formvorschriften
anzuwenden (Art. 25 Abs. 3 EuGüVO). Zu Art. 188 Abs. 2 FamG verfügen wir über
keine weitergehende Literatur. Persönlich möchten wir aber annehmen, dass das dort
geregelte, dem § 13 BeurkG ähnelnde Verfahren auch von einem deutschen Notar
durchgeführt werden könnte.

Der recht knappe, interpretationsoffene Wortlaut von Art. 171 Abs. 2 FamG wird in
der serbischen Literatur anscheinend einhellig zumindest im Sinne eines Grundbestandes
an Gestaltungsfreiheit dahin verstanden, dass durch Ehevertrag nicht nur der
gesetzliche Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft im Ganzen ausgeschlossen
werden kann. Vielmehr können die Vermögensbeziehungen, also die Zuordnung eines
Gegenstands zu einer Vermögensmasse, auch hinsichtlich eines einzelnen Gegenstandes
jeweils abweichend vom Gesetz geregelt werden (dahin zusammenfassend:

Abbas, Die Vermögensbeziehungen der Ehegatten und nichtehelichen Lebenspartner
im serbischen Recht, 2011, S. 151 bei Fn. 690). Überwiegend wird deutlich weitergehend
angenommen, die Vorschrift eröffne einen sehr weitgehenden
Gestaltungsspielraum, der sich anders als in ausländischen Rechtsordnungen
nicht auf bestimmte Wahlgüterstände beschränke (Abbas aaO S. 151 bei Fn. 691).

Im Interesse der Rechtsklarheit an sich wünschenswerte Vorschriften über als
Gestaltungsrahmen zur Verfügung stehende Wahlgüterstände fehlen im serbischen
Güterrecht allerdings gänzlich (vgl. Abbas aaO S. 152).

Keine Äußerung haben wir in der Literatur zur notwendigen Bezeichnung der Gegenstände
im Ehevertrag ausfindig machen können. Nach allgemeinen Grundsätzen wird
die notwendige Bestimmtheit zum Verständnis des geregelten Inhalts des Ehevertrages
aber auch durch Auslegung hergestellt werden können. Jedenfalls sollte gem. § 17
BeurkG auf eine möglichst präzise Erfassung des Willens der Eheleute hingewirkt
werden.

Was die Verbindlichkeiten der Eheleute angeht (Art. 186 ff. FamG), so ist uns ebenfalls
ins Detail gehende Literatur nicht zugänglich (knapp eine Regelungsmöglichkeit
andeutend: Abbas aaO S. 151 bei Fn. 693). Wir möchten aber wegen des allgemeinen
Verbots von Verträgen zu Lasten Dritter annehmen, dass eine nach serbischem Ehegüterrecht
bestimmte gemeinsame Haftung beider Eheleute gegenüber dem betreffenden
Gläubiger nicht ohne dessen Mitwirkung beeinträchtigt werden könnte. Regelbar erscheint
insoweit nur, dass bei gemeinsamer Haftung einer der beiden Eheleute im Innenverhältnis
unter einander für die betreffende Verbindlichkeit aufzukommen hat.

Bestimmungen über eine verzögerte Drittwirkung des Ehevertrages enthält das serbische
vertragliche Güterrecht nach Durchsicht grundsätzlich nicht. Lediglich für grundstücksbezogene
Eheverträge enthalten Art. 188 Abs. 3, 189 Abs. 4 FamG besondere
Vorschriften über die Eintragung in das öffentliche Register der Rechte an Grundstücken.
Ist eine Eigentumsänderung an in Deutschland belegenem Grundbesitz beabsichtigt,
so muss diese ohnehin nach allgemeinen Grundsätzen ins Grundbuch eingetragen
werden (Art. 43 EGBGB; §§ 873, 925 BGB).

4. Gibt die Ehefrau die serbische Staatangehörigkeit ab, so können die Eheleute
durch Rechtswahl nach Art. 22 Abs. 1 lit. a EuGüVO auch aus serbischer Sicht ab
dem Zeitpunkt der Aufgabe der serbischen Staatsangehörigkeit deutsches Ehegüterrecht
zur Anwendung bringen (s. o. Ziff. 2). Bleibt die Ehefrau demgegenüber
serbische Staatsangehörige, so wäre aus der Sicht des serbischen IPR ohne Möglichkeit
einer Rechtswahl durchgehend serbisches Ehegüterrecht anzuwenden.

Gutachten/Abruf-Nr:

170037

Erscheinungsdatum:

18.07.2019

Rechtsbezug

International

Normen in Titel:

EGBGB Art. 15; EuGüVO Art. 20