21. Januar 2022
BGB § 309; EGBGB Art. 246e; BGB § 305

Bußgelder für Bauträger bei der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen

BGB §§ 305, 309; EGBGB n. F. Art. 246e § 1
Bußgelder für Bauträger bei der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen

I. Sachverhalt
Ein Bauträger spricht den Notar an, dass er die Information erhalten habe, dass unwirksame AGB-Klauseln in Bauträgerverträgen mit Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 künftig zu Bußgeldern für den Bauträger führen werden. Er verweist dazu auf einen Beitrag auf einer Internet-Seite. In dem Beitrag ist davon die Rede, dass Bauträgern Bußgelder in Höhe von „mindestens“ 4 % des Jahres­umsatzes drohten. Notaren drohe bei Verwendung unwirksamer AGB-Klauseln in Bauträgerverträgen eine diesbezügliche Regressforderung.

II. Frage
Ist zu erwarten, dass mit Umsetzung der vorgenannten Richtlinie künftig unwirksame Klauseln in Bauträgerverträgen zu Bußgeldern für den Bauträger führen werden?

I. Zur Rechtslage
1. Einführung von Bußgeldern für AGB-Verstöße im deutschen Recht
Bislang kennt das deutsche Zivilrecht für die Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen keine Bußgeldvorschriften. Ein Verstoß gegen die §§ 307 ff. BGB führt regelmäßig lediglich zur Unwirksamkeit der entsprechenden Klausel, der Vertrag bleibt im Übrigen wirksam, § 306 Abs. 1 BGB. Ggf. kommt ein Schadensersatzanspruch gegen den Verwender in Betracht, sofern überhaupt ein Schaden entstanden ist. Weiter besteht die Gefahr, gemäß § 1 UKlaG durch Verbraucherverbände auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden. Im Rahmen des Wettbewerbsrechts sieht § 10 UWG zudem unter be­stimmten Umständen – die bei Bauträgern selten vorliegen dürften – die Möglichkeit der Gewinnabschöpfung vor.

Durch das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch in Umsetzung der EU-Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union und zur Aufhebung der Verordnung zur Übertragung der Zuständigkeit für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 auf das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vom 10.8.2021 (BGBl. I v. 17.8.2021, S. 3483 – im Folgenden kurz „Umsetzungsgesetz“) führt der Gesetzgeber einen neuen Art. 246e EGBGB in das deutsche Recht ein. Art. 246e § 2 EGBGB sieht Bußgeld-Vorschriften für den Fall der vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung des Art. 246e § 1 Abs. 1 EGBGB vor. Art. 246e § 1 Abs. 1 EGBGB definiert als neuen Begriff sog. Verletzungen von Verbraucherinteressen. Die Verletzung von Verbraucherinteressen i. S. dieser Norm setzt jedoch zunächst einen „weitverbreiteten Verstoß“ oder einen „weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Dimension“ i. S. d. Art. 3 Nr. 3 respektive Nr. 4 CPC-VO (Verordnung EU 2017/2394 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2017 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004, Abl. L 345 v. 27.12.2017, S. 1) voraus.

Art. 3 Nr. 3 CPC-VO definiert den weitverbreiteten Verstoß als Handlung oder Unterlas­sung, die gegen Unionsrecht zum Schutz der Verbraucherinteressen verstößt und die Kollektivinteressen von Verbrauchern geschädigt hat, schädigt oder voraussichtlich schädigen kann, die in mindestens zwei anderen Mitgliedstaaten als dem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem die Handlung oder die Unterlassung ihren Ursprung hatte oder stattfand, in dem der für die Handlung oder Unterlassung verantwortliche Unternehmer niedergelassen ist, oder in dem Beweismittel oder Vermögensgegenstände des Unternehmers vorhanden sind, die einen Zusammenhang mit der Handlung oder Unterlassung aufweisen, oder die Handlung des Unternehmers in mindestens drei Mitgliedstaaten gleichzeitig stattfindet. Ein weitverbreiteter Verstoß mit Unions-Dimension wird hingegen in Art. 3 Nr. 4 CPC-VO definiert als ein weitverbreiteter Verstoß, der mindestens 2/3 der Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 2/3 der Bevölkerung der Union ausmachen, betrifft.

Übertragen auf Bauträgerverträge bedeutet dies, dass von vornherein nur Bauträger von der Regelung betroffen sein können, die ihre Objekte auch außerhalb von Deutschland vermarkten oder aus sonstigen Gründen an mindestens zwei Verbraucher veräußern, die in jew. einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind. Ob letzteres – also der letztlich „zufällige“ Erwerb durch Bürger aus zwei weiteren EU-Mitgliedsstaaten – allein genügt, mag zusätzlich bezweifelt werden. Wie die Begriffe künftig ausgelegt werden, vermögen wir mangels entsprechender Literatur derzeit noch nicht prognostizieren. Grundsätzlich dürften aber Bauträger betroffen sein, wenn Käufer erwerben, die in mind. zwei weiteren EU-Staaten ansässig sind. Ein EU-Ausländer, der in Deutschland ansässig ist, genügt hingegen nicht.

Art. 246e § 1 Abs. 2 EGBGB n. F. grenzt den Anwendungsbereich für die Bußgelder weiter ein. Bußgeldbewehrt sind nur Ver­stöße gegen Allgemeine Geschäftsbedingungen, die nach § 309 BGB unwirksam sind oder deren Empfehlung oder Verwendung gegenüber Verbrauchern dem Unternehmer durch rechtskräftiges Urteil untersagt wurde. Letztgenannte Variante dürfte von vornherein kaum eine Rolle spielen, da wir davon ausgehen, dass Bauträger, deren Verträge durch Notare gestaltet werden, von vornherein keine Klauseln verwenden würden, die ihnen bereits durch rechtskräftiges Urteil untersagt wurden. Ein Verstoß gegen § 309 BGB kommt im Rahmen der Gestaltung eines Bauträgervertrags hingegen durchaus in Betracht (vgl. beispielhaft allein aus den letzten Jahren OLG Frankfurt a.M. NZBau 2021, 328; OLG Schleswig, NZBau 2020, 371; OLG Hamburg, BeckRS 2020, 29306; KG RNotZ 2020, 178).

2. Höhe potentieller Bußgelder
Gemäß Art. 246e § 2 EGBGB n. F. können Ordnungswidrigkeiten, die aus AGB-Verstößen herrühren, mit Geldbußen von bis zu 50.000 € geahndet werden. Bei Unternehmern, die im Jahr vor der Bußgeld-Entscheidung mehr als 1.250.000 € Jahresumsatz erzielt haben, kann eine höhere Geldbuße verhängt werden, die jedoch 4 % des Jahresumsatzes nicht übersteigen darf.

3. Inkrafttreten
Gemäß Art. 6 Umsetzungsgesetz (BGBl. I v. 17.8.2021, S. 3483) tritt das Gesetz am 28.5.2022 in Kraft. Eine Übergangsregelung ist nicht vorgesehen, sodass wir davon ausgehen, dass die Verhängung eines Bußgeldes grundsätzlich für die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab dem 28.5.2022 in Betracht kommt.

4. Fazit
U. E. wird die Verhängung von Bußgeldern in der Praxis des Bauträgervertragsrechts eine untergeordnete Rolle spielen, da schon selten ein „weitverbreiteter Verstoß“ oder ein „weitverbreiteter Verstoß mit Unions-Dimension“ i. S. d. CPC-VO vorliegen dürfte. Zudem kommen allenfalls bei Verstößen gegen § 309 BGB Bußgelder in Betracht, die entgegen der Behauptung des Online-Beitrags nicht mindestens, sondern gemäß Art. 246e § 1, § 2 Abs. 2 EGBGB höchstens 4 % des Jahresumsatzes betragen dürfen. Inwiefern die Behörden in den Fällen, in denen die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, tatsächlich Bußgelder verhängen werden, vermögen wir freilich nicht abzuschätzen.

Gutachten/Abruf-Nr:

188092

Erscheinungsdatum:

21.01.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

AGB, Verbraucherschutz

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 9-11

Normen in Titel:

BGB § 309; EGBGB Art. 246e; BGB § 305