13. Oktober 2022
InsO § 61; InsO § 55; InsO § 53

Haftung für Notarkostenrechnung als Masseverbindlichkeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 190638
letzte Aktualisierung: 13. Oktober 2022

InsO §§ 53, 55, 61
Haftung für Notarkostenrechnung als Masseverbindlichkeit nach Aufhebung des
Insolvenzverfahrens

I. Sachverhalt
Ein Insolvenzverwalter hat den Notar mit der Erstellung eines Kaufvertragsentwurfs beauftragt
bzw. zu diesem ausführlich verhandelt. Der Entwurf wurde erstellt, mehrfach angepasst und
wiederholt besprochen. Kostenrechtlich ist davon auszugehen, dass eine Beauftragung vorliegt.
Es kommt jedoch nicht zur Beurkundung, Nachfragen des Notars bleiben unbeantwortet.
Eine Einsicht ins Grundbuch hat zwischenzeitlich ergeben, dass mittlerweile ein Kaufvertrag über
das Kaufobjekt bei einem anderen Notar beurkundet wurde. Darauf hat der Notar den Entwurf
abgerechnet und die Kostenrechnung an den Insolvenzverwalter versandt. Der Insolvenzverwalter
lehnt die Begleichung der Rechnung ab. Er trägt hierzu vor, dass es sich bei der Kostenrechnung
um eine Masseverbindlichkeit handeln würde, die im Hauptverfahren hätte angemeldet
werden müssen. Da das Verfahren mittlerweile aufgehoben worden sei, sei eine Geltendmachung
der Masseverbindlichkeit nicht mehr möglich. Von der Aufhebung des Verfahrens war dem Notar
bis zur Rechnungsstellung nichts bekannt.

II. Frage
Ist es zutreffend, dass die Kostenrechnung im dargestellten Sachverhalt nach Aufhebung des Verfahrens
nicht mehr geltend gemacht werden kann?

III. Zur Rechtslage
1. Der Insolvenzverwalter kann Schuldner von Notarkosten nach § 29 GNotKG sein. Er haftet
dann jedoch nur mit dem von ihm verwalteten Vermögen. Wird die Kostenschuld – wie im
unterbreiteten Sachverhalt – erst während des laufenden Insolvenzverfahrens durch eine
Rechtshandlung des Insolvenzverwalters (Beauftragung des Notars) begründet, so handelt es
sich nach allgemeinen insolvenzrechtlichen Regelungen um eine Masseverbindlichkeit
gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (s. hierzu Korintenberg/Gläser, GNotKG, 22. Aufl. 2022, § 29
Rn. 15 f.). Derartige Masseverbindlichkeiten sind aus der Insolvenzmasse vorweg zu berichtigen
(§ 53 InsO).

2. Im vorliegenden Fall wurde das Insolvenzverfahren allerdings bereits aufgehoben (§ 200
InsO). In derartigen Fällen haftet zunächst der Insolvenzschuldner im Rahmen der sog.
Nachhaftung für die vom Insolvenzverwalter durch Rechtshandlungen nach § 55 Abs. 1
Nr. 1 InsO begründeten Masseverbindlichkeiten. Seine Haftung ist allerdings aus Sicht der
herrschenden Rechtsprechung und Literatur beschränkt auf die nicht verwertete Insolvenzmasse,
d. h. auf die restlichen Vermögensgegenstände, über die der Insolvenzschuldner
nach Aufhebung des Verfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zurückerhält. Der
Insolvenzverwalter kann Masseverbindlichkeiten nur im Hinblick auf die von ihm zu verwaltende
und zu verwertende Insolvenzmasse begründen. Der Schuldner seinerseits hat im eröffneten
Verfahren keine Möglichkeit mehr, auf die Entstehung der Masseverbindlichkeiten
aus der Tätigkeit des Insolvenzverwalters einzuwirken. Eine persönliche Nachhaftung des
Schuldners, die über die aus der Masse wieder in seine freie Verfügung gelangten Vermögenswerte
hinausgeht, kommt deshalb regelmäßig nicht in Betracht (s. hierzu BGH NJW 2010,
69 f.; MünchKommInsO/Hefermehl, 4. Aufl. 2019, § 53 Rn. 34a; Uhlenbruck/Sinz, InsO,
15. Aufl. 2019, § 53 Rn. 11 m. w. N.).

Es trifft hiernach nicht zu, dass die Kostenrechnung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens
definitiv nicht mehr geltend gemacht werden könnte. Allerdings dürfte zunächst der Insolvenzschuldner
deswegen in Anspruch zu nehmen sein. Da der Insolvenzschuldner – wie
gesehen – nur beschränkt auf die verbliebene Masse haftet, geht diese nach Haftung des Insolvenzschuldners
in Leere, wenn im Rahmen des Insolvenzverfahrens die Insolvenzmasse –
wie vielfach - vollständig unter den Gläubigern verteilt wurde. In diesem Fall haftet der Insolvenzschuldner
für die gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch den Insolvenzverwalter begründete
Masseverbindlichkeiten nicht mehr (vgl. Foerste, Insolvenzrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 448).
3. Weiter kommt jedoch noch eine Haftung des (früheren) Insolvenzverwalters in Betracht.
Grundlage hierfür ist primär § 61 InsO: Kann eine Masseverbindlichkeit, die durch eine
Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, aus der Insolvenzmasse nicht
voll erfüllt werden, so ist der Verwalter dem Massegläubiger zum Schadensersatz verpflichtet.
Dies gilt nicht, wenn der Verwalter bei der Begründung der Verbindlichkeiten nicht erkennen
konnte, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen würde. Als lex specialis
verdrängt § 61 InsO die allgemeine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters nach § 60
InsO, soweit es um die pflichtwidrige Begründung von Masseverbindlichkeiten geht. Lediglich
dann, wenn es erst wegen nachfolgender insolvenzspezifischer Sorgfaltspflichtverletzungen
des Verwalters im Verlauf einer Vertragsabwicklung zu einer Verkürzung der Insolvenzmasse
und zum (teilweisen) Ausfall von Massegläubigern kommt, greift allein die Haftungsnorm
des § 60 InsO ein (BGH NJW 2004, 3334; BGH ZIP 2010, 2356 Rn. 6;
MünchKommInsO/Hefermehl, § 53 Rn. 84). Für eine derartige Sonderkonstellation ist hier
nichts erkennbar.

Ansonsten dürften – falls der Kostenschaden nicht im Rahmen der Nachhaftung des Insolvenzschuldners
ersetzt wird – die Tatbestandsvoraussetzungen des § 61 S. 1 InsO grundsätzlich
erfüllt sein: Es handelt sich bei der Kostenrechnung um eine Masseverbindlichkeit,
die nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet
wurde. Führt die Haftung des früheren Insolvenzschuldners mit der ihm ggf. verbliebenen
Insolvenzmasse nicht zur Deckung des Schadens, dann dürfte in der Tat der Insolvenzverwalter
(subsidiär) dem Notar nach Maßgabe des § 61 InsO zum Schadensersatz verpflichtet
sein.

Wesentlich ist noch, dass die Rechtsfolge des § 61 S. 1 InsO lediglich im Ersatz des Vertrauensschadens,
dagegen nicht des Erfüllungsschadens besteht (Ersatz des negativen
Interesses). Der Anspruch ist lediglich nach oben der Höhe nach durch das positive
Interesse begrenzt (BGH NJW-RR 1990, 45; BGH ZIP 2014, 736 Rn. 17; BGH NZI 2004,
435). Der Massegläubiger ist so zu stellen, wie er stünde, wenn der Verwalter keine Pflichtverletzung
begangen hätte (Überblick: Uhlenbruck/Sinz, § 61 Rn. 16; MünchKommInsO/
Schoppmeyer, § 61 Rn. 46 ff.). Diese Rechtsfolgenbestimmung bedeutet u.a., dass die
Umsatzsteuer nicht ersatzfähig ist, da der Anspruch aus § 61 InsO einen echten Schadensersatzanspruch
und keine umsatzsteuerbare Leistung i. S. v. § 1 Abs. 1 UStG darstellt (BGH
ZInsO 2005, 1269; BGH NZI 2006, 99; MünchKommInsO/Schoppmeyer, § 61 Rn. 49;
Uhlenbruck/Sinz, § 61 Rn. 17).

Schließlich kann sich der Insolvenzverwalter durch den Nachweis fehlenden Verschuldens
gem. § 61 S. 2 InsO entlasten. Wie aus dem Gesetzeswortlaut hervorgeht, liegt die Beweislast
für fehlendes Verschulden beim Verwalter (MünchKommInsO/Schoppmeyer, § 61
Rn. 43 ff., 44). Der Verwalter handelt schuldhaft, wenn er es unterlässt, eine Liquiditätsplanung
zu erstellen oder wenn die Liquiditätsplanung nicht den üblichen Sorgfaltsmaßstäben
genügt (Einzelheiten: MünchKommInsO/Schoppmeyer, § 61 Rn. 44). Ausweislich des
Gesetzeswortlauts des § 61 S. 2 InsO knüpft die dort geregelte Entlastungsmöglichkeit des
Verwalters an den Zeitpunkt der Begründung der Masseverbindlichkeit an. Der Verwalter
muss sich also für diesen Zeitpunkt entlasten, mithin darlegen, dass er zu diesem Zeitpunkt
nicht erkennen konnte, dass die Masse zur Erfüllung der Verbindlichkeit voraussichtlich nicht
ausreichen wird (BGH NJW-RR 2009, 276, 277; BeckOK-InsO/Desch/Hochdorfer,
Std.: 15.7.2021, § 61 Rn. 28).

4. Ob und inwieweit die Kostenrechnung damit letztlich erfolgreich beim früheren Insolvenzschuldner
oder beim früheren Insolvenzverwalter realisiert werden kann, lässt sich zwar nicht
abschließend beurteilen und ist eine Tatfrage des Einzelfalls. Jedenfalls ist keine Rechtsgrundlage
für die Ansicht erkennbar, dass die Kostenrechnung nach Aufhebung des Verfahrens
überhaupt nicht mehr geltend gemacht werden könne. Die vorstehend erörterten
Haftungsgrundlagen greifen gerade nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ein.

Gutachten/Abruf-Nr:

190638

Erscheinungsdatum:

13.10.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Insolvenzrecht

Normen in Titel:

InsO § 61; InsO § 55; InsO § 53