10. Oktober 2019
BGB § 1047; KAG RP § 10a

Wiederkehrende Ausbaubeiträge nach rheinland-pfälzischem Kommunalabgabenrecht als außerordentliche Lasten

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 171432
letzte Aktualisierung: 10. Oktober 2019

BGB § 1047; KAG RP § 10a
Wiederkehrende Ausbaubeiträge nach rheinland-pfälzischem Kommunalabgabenrecht
als außerordentliche Lasten

I. Sachverhalt

Der Erblasser hatte testamentarisch A und B – seinen Bruder und seinen Neffen – zu seinen
Erben eingesetzt und seiner Lebensgefährtin C ein Nießbrauchsrecht nach den gesetzlichen
Bestimmungen an seinem Hausgrundbesitz vermacht. Nach seinem Tod im Jahr 2010 wurde das
Vermächtnis vollzogen und der Nießbrauch im Grundbuch eingetragen. Vom Gesetz
abweichende Bestimmungen zum Nießbrauch bestehen nicht.

In den Folgejahren wurde es in Rheinland-Pfalz, wo der Sachverhalt spielt, immer häufigere
Rechtspraxis, dass von den Kommunen Satzungen erlassen wurden, wonach öffentlichrechtliche
Ausbaubeiträge für Verkehrsanlagen nicht mehr durch einmalige Inanspruchnahme
der Bürger bei Verwirklichung der Maßnahme erhoben werden, sondern durch sog. wiederkehrende
Beiträge dauerhaft und regelmäßig, in der Regel quartalsweise. Eine entsprechende
Satzung wurde auch von der betreffenden Gemeinde erlassen. Nunmehr werden ohne konkrete
Ausbaumaßnahme die Eigentümer des Grundstücks mit Beitragsbescheid wegen wiederkehrender
Beiträge in Anspruch genommen, konkret in Höhe von 35 Euro pro Quartal.

II. Frage
Von wem sind die wiederkehrenden Beiträge im Verhältnis Eigentümer – Nießbrauchsberechtigter
zu tragen, vom Eigentümer oder vom Nießbrauchsberechtigten?

Es wurden folgende Bemerkungen mitgeteilt:

Nach den gesetzlichen Bestimmungen zum Nießbrauch in § 1047 BGB ist der Nießbraucher
dem Eigentümer gegenüber verpflichtet, für die Dauer des Nießbrauchs die auf der Sache
ruhenden öffentlichen Lasten mit Ausschluss der außerordentlichen Lasten, die als auf den
Stammwert der Sache gelegt anzusehen sind, zu tragen. Hierzu ist allgemein anerkannt, dass
wiederkehrende öffentliche Lasten grundsätzlich vom Nießbraucher zu tragen sind (z. B.
Grundsteuer). Andererseits nennt die Literatur als klassisches Beispiel für außerordentliche
Lasten Erschließungskosten. Die Abgrenzung erfolgt offenbar einerseits nach dem Kriterium
„wiederkehrend“, andererseits offenbar aufgrund der Höhe der Zahlungspflicht, mit Rücksicht
darauf, ob diese aus den Erträgen der Sache zu erwirtschaften sind.

III. Zur Rechtslage

1. Lastenverteilung nach § 1047 BGB

Die in § 1047 BGB enthaltene Lastenverteilung regelt grundsätzlich nur die Pflichten des
Nießbrauchers gegenüber dem Eigentümer. Hiernach ist der Nießbraucher dem Eigentümer
gegenüber verpflichtet, für die Dauer des Nießbrauchs die auf der Sache ruhenden öffentlichen
Lasten mit Ausschluss der außerordentlichen Lasten, die als auf den Stammwert der
Sache gelegt anzusehen sind, zu tragen.

Im Ausgangspunkt fallen unter öffentliche Lasten alle Abgaben, die aufgrund öffentlichen
Rechts zu leisten sind (BGH NJW 1981, 2127; BayObLGZ 1999, 252, 254;
MünchKommBGB/Pohlmann, 7. Aufl. 2017, § 1047 Rn. 6; BeckOGK-BGB/Servatius,
Std.: 1.9.2018, § 1047 Rn. 10). Dementsprechend wären auch wiederkehrende Ausbaubeiträge
für Verkehrsanlagen hierunter zu subsumieren, da es sich bei ihnen um Abgaben
kraft öffentlichen Rechts handelt.

Der Begriff der öffentlichen Lasten wird jedoch im Rahmen des § 1047 BGB noch weiter
differenziert: Hierunter fallen nur die öffentlichen Lasten, die auf der Sache ruhen
(BeckOGK-BGB/Servatius, § 1047 Rn. 11). Dabei wird näher danach unterschieden, ob die
Abgabe die fortlaufende Nutzung der Sache durch den Nießbraucher ermöglicht und
fördert (BeckOGK-BGB/Servatius, § 1047 Rn. 11). Nach einhelliger Meinung fallen hierunter
Grund- und Gebäudesteuern sowie Gebühren für Kanalisation, Müllabfuhr, Kaminkehrer
und Straßenreinigung (Schippers, MittRhNotK 1996, 197, 201;
MünchKommBGB/Pohlmann, § 1047 Rn. 7; BeckOGK-BGB/Servatius, § 1047 Rn. 13).
Nicht erfasst von der Lastentragungspflicht des Nießbrauchers sind dagegen außerordentliche
öffentliche Lasten wie Anlieger- und Erschließungsbeiträge, Umlegungsbeiträge sowie
Ausgleichsbeiträge nach BauGB (Schippers, MittRhNotK 1996, 197, 201;
MünchKommBGB/Pohlmann, § 1047 Rn. 7; BeckOGK-BGB/Servatius, § 1047 Rn. 18).
Die Abgrenzung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Lasten wird vielfach über
die ständige Wiederkehr (dann ordentliche, vom Nießbraucher zu tragende Last) einer
Abgabe vorgenommen (Schön, Der Nießbrauch an Sachen, 1992, S. 172;
Staudinger/Heinze, BGB, 2017, § 1047 Rn. 10; MünchKommBGB/Pohlmann, § 1047
Rn. 7; BeckOK-BGB/Wegmann/Reischl, 50. Ed. 1.5.2019, § 1047 Rn. 5). Zusätzlich muss,
damit der Eigentümer die Last zu tragen hat, diese auf den Stammwert der Sache gelegt sein
(Staudinger/Heinze, § 1047 Rn. 11). Unter letzteren Aspekt sind solche Abgaben zu subsumieren,
deren Bestreitung nach dem Normtelos der betreffenden Abgabevorschrift nicht
aus den Erträgen, sondern aus der Substanz der Sache erwartet wird (BGH NJW 1952,
1053, 1054; OLG Celle DNotZ 1952, 31 m. Anm. Wennrich; KG JW 1920, 564; Lieck,
NJW 1951, 568; Schippers, MittRhNotK 1996, 197, 201; Palandt/Herrler, BGB, 78. Aufl.
2019, § 1047 Rn 2; MünchKommBGB/Pohlmann, § 1047 Rn 7; Staudinger/Heinze, § 1047
Rn. 11; a. A. wohl: BeckOK-BGB/Wegmann/Reischl, § 1047 Rn. 5).

2. Einordnung der wiederkehrenden Beiträge für Verkehrsanlagen nach KAG RP
Die generelle Einordnung von Erschließungs- und Anliegerbeiträgen als vom Eigentümer
zu tragende Abgaben beantwortet noch nicht die Frage, wie die hier in Rede stehenden
wiederkehrenden Beiträge für den Ausbau von Verkehrsanlagen einzuordnen sind. Nach
Heinze müssen die beiden Tatbestandsmerkmale „außerordentlich“ und „auf den Stammwert
der Sache gelegt“ kumulativ erfüllt sein (Staudinger/Heinze, § 1047 Rn. 10).

Schon das erste Element von außerordentlichen Kosten liegt aber nicht vor, da es sich bei
wiederkehrenden Beiträgen nach § 10a KAG RP (und vergleichbaren anderen Landesgesetzen)
um periodische (und damit schon kraft dieses Umstands ordentliche) Abgaben an
die Gemeinden handelt. Vor diesem Hintergrund könnte man annehmen, dass der Nießbraucher
zur Lastentragung verpflichtet wäre, weil es sich um (ordentliche) öffentliche
Lasten i. S. d. § 1047 BGB handelt.

Man wird zudem nicht davon ausgehen können, dass der wiederkehrende Beitrag nach
§ 10a KAG RP auf den Stammwert der Sache gelegt ist. Der BGH führt zu diesem
Kriterium im Jahr 1952 mit Blick auf das Lastenausgleichsgesetz wie folgt aus (BGH NJW
1952, 1053, 1054):

„Es ist zwar richtig, daß die Soforthilfeabgabe, wie sich aus § 25
SHG ergibt, eine erste Abgabe im Rahmen des endgültigen
Lastenausgleichs darstellt. Daraus folgt indessen noch nicht, daß
sie auf den Stammwert des Vermögens gelegt ist, zumal da zur
Zeit noch nicht einmal feststeht, in welcher Form der endgültige
Lastenausgleich vorgenommen werden wird, so daß aus ihm
Rückschlüsse auf die Soforthilfeabgabe nicht gezogen werden
können. Nach der ganzen Fassung des Gesetzes und insbes. aus
§ 3 SHG ist aber zu folgern, daß die Soforthilfe als eine Vermögensabgabe
gedacht ist (so auch Reuthe, NJW 50, 494). Das
besagt indessen noch nicht, daß sie als auf den Stammwert des
Vermögens gelegt anzusehen ist. Mit Recht hat das BeschwGer.
darauf hingewiesen, daß das SHG im Gegensatz zu früheren
Gesetzen über Vermögensabgaben keinen Hinweis darauf enthält,
ob die Abgabe ganz oder teilweise aus der Vermögenssubstanz
zu leisten ist. Reuthe (aaO) hat daraus den Schluß gezogen,
daß die Soforthilfe nicht eine Last darstellt, die als auf den
Stammwert des Vermögens gelegt anzusehen ist. Diese Ansicht
hat vieles für sich, denn Reuthe weist zutreffend darauf hin, daß
sie auch dem Wesen der Soforthilfe gerecht wird, die nicht durch
eine oder mehrere Leistungen größeren Umfangs zu
bewirken ist, sondern den Charakter einer fortlaufenden Rentenbelastung
erhalten hat, indem regelmäßig wiederkehrende
Zahlungen für einen noch unbestimmten Zeitraum zu entrichten
sind, die sich in solchen Grenzen halten, daß es dem Abgabepflichtigen
weitgehend möglich sein wird, die Soforthilfe aus den
Erträgen des Vermögens zu bestreiten. Angesichts dieser Ausgestaltung,
welche die Abgabe in dem SHG gefunden hat, und in
Ermangelung einer ausdrücklichen Bestimmung des Gesetzes
erscheint die Annahme gerechtfertigt, daß der Gesetzgeber die
Frage, ob die Abgabe aus der Substanz des Vermögens oder aus
seinen Erträgen zu entrichten ist, bewußt offengelassen hat und
davon ausgegangen ist, sie werde, soweit das im Einzelfalle
möglich ist, aus den Erträgen geleistet werden. Dafür spricht
nicht zuletzt die Tatsache, daß er im Innenverhältnis die
Möglichkeit zu einer teilweisen Abwälzung der Abgabe gerade in
solchen Fällen gegeben hat, in denen dem Eigentümer die
Nutzungen des Vermögens nicht in vollem Umfang zur Verfügung
stehen, wie es bei einer Belastung mit Altenteilen und
wiederkehrenden Leistungen der Fall ist. Die Soforthilfeabgabe
kann daher nicht als eine lediglich auf den Stammwert des Vermögens
gelegte außerordentliche Last angesehen werden. § 1047
BGB steht mithin dem Anspruch des ASt. nicht entgegen.“

(Hervorhebung durch DNotI)

Dieses Kriterium lässt sich nach den Ausführungen des BGH, aber auch nach denjenigen
des Gesetzgebers (Mugdan, Band 3 Sachenrecht, 1979, S. 287: „was sich unter Umständen
aus der Höhe der Last ergeben kann“) wohl nicht abstrakt-generell erfassen, sondern bedarf
stets einer konkret-individuellen Prüfung. Denn für die Frage einer außerordentlichen Last
i. S. d. § 1047 BGB kommt es darauf an, ob die zu erbringenden Zahlungen größeren
Umfangs sind oder sich in solchen Grenzen halten, dass sie aus den Erträgen des Vermögens
bestritten werden können.

Auch der Gesetzgeber hatte mit der Einführung wiederkehrender Beiträge für Verkehrsanlagen
eine relativ geringe und gleichmäßige Belastung des Grundstücks vor Augen (LTDrs.
RP 15/318, S. 6):

„Das mit Kommunalabgabengesetz vom 5. Mai 1986 für den
Straßenausbau eingeführte System des wiederkehrenden Beitrags
hat sich in der kommunalen Praxis bewährt. Mit diesem – inzwischen
auch vom Saarland sowie von Thüringen und Sachsen-
Anhalt übernommenen – Institut wurde den Städten und
Gemeinden die Möglichkeit eröffnet, den Investitionsaufwand
für den Ausbau von Straßen durch eine periodisch wiederkehrende,
gleichmäßige und dadurch relativ geringe Belastung der
Abgabenschuldner zu finanzieren.“

Nimmt man all dies zusammen, so dürfte es sich vorliegend bei den wiederkehrenden Beiträgen
für Verkehrsanlagen nach § 10a KAG RP um ordentliche Lasten handeln, die auch
nicht auf den Stammwert der Sache gelegt sind. Selbst wenn man sie aber auf den Stammwert
der Sache gelegt ansehen wollte, wäre der Nießbraucher angesichts der Periodizität der
Zahlungen immer noch zur Tragung dieser ordentlichen Lasten verpflichtet.

3. Ergebnis
Wir teilen Ihre Ansicht, wonach wiederkehrende Beiträge nach dem Kommunalabgabenrecht
ggü. dem Eigentümer vom Nießbrauchsberechtigten zu tragen sind, weil es sich bei
ihnen regelmäßig um ordentliche Lasten (Periodizität) handelt, die nicht als auf den
Stammwert der Sache gelegt anzusehen sind.

Gutachten/Abruf-Nr:

171432

Erscheinungsdatum:

10.10.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Kommunalrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch

Normen in Titel:

BGB § 1047; KAG RP § 10a