03. September 2021
BGB § 1018; BGB § 94; BGB § 96; BGB § 1090; BGB § 95

Grenzüberschreitende Tiefgarage; Bestellung einer Dienstbarkeit mit räumlichem Ausübungsbereich in natura außerhalb des belasteten Grundstücks

BGB §§ 94, 95, 96, 1090, 1018
Grenzüberschreitende Tiefgarage; Bestellung einer Dienstbarkeit mit räumlichem Ausübungsbereich in natura außerhalb des belasteten Grundstücks

I. Sachverhalt
Ein Grundstück wird mit einer Tiefgarage über- bzw. unterbaut. Zugunsten des jeweiligen Eigentümers des überbauenden Grundstücks ist im Grundbuch des überbauten Grundstücks eine Überbaudienstbarkeit mit folgendem Inhalt eingetragen:

„Der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks ist berechtigt […] das dienende Grundstück mit Teilen seiner Tiefgaragenanlage zu unterbauen und den Tiefgaragenunterbau mit den darin befindlichen baulichen, technischen und sonstigen Einrichtungen als Grenzüberbau/unterbau dauernd zu belassen und zu nutzen.“

Zusätzlich wird der genaue Ausübungsbereich des Unterbaurechts durch entsprechende Pläne konkretisiert. Die Eintragung der Dienstbarkeit im Grundbuch erfolgte vor vollständiger Errichtung der Tiefgarage. Zugunsten des jeweiligen Eigentümers des überbauten Grundstücks sollen verschiedene Grunddienstbarkeiten an dem überbauenden Grundstücks bestellt werden, deren Ausübungsbereiche den Tiefgaragenunterbau betreffen, z. B. Dienstbarkeiten zur Nutzung von Stellplätzen, Technikräumen und Schächten.

II. Frage
Sind die Grunddienstbarkeiten zu Gunsten des überbauten Grundstücks und zu Lasten des überbauenden Grundstücks im Grundbuch des überbauenden Grundstücks (= Stammgrundstück der Tiefgarage) eintragungsfähig, obwohl sich die Ausübungsbereiche der Dienstbarkeiten räumlich innerhalb der Flurstücksgrenzen des überbauten Grundstücks befinden?

III. Zur Rechtslage
1. Eigentumsrechtliche Verhältnisse bei grenzüberschreitenden Tiefgaragen
Ob und inwieweit eine Gestaltung rechtlich zulässig ist, wonach Tiefgaragen mittels Dienstbarkeiten räumlich auf andere Grundstücke erstreckt werden können, ist zwar derzeit noch nicht abschließend geklärt, in der Sache allerdings zu bejahen. Richtigerweise kann durch sog. Überbaudienstbarkeiten die Zuordnung des gesamten Tiefgaragengebäudes zu einem Stammgrundstück geschehen, auch wenn der Tiefgaragenbaukörper teilweise auf einem anderen (Nachbar-)Grundstück tatsächlich belegen ist (siehe hierzu DNotI-Report 2009, 49 ff.). Wir gehen nach dem mitgeteilten Sachverhalt davon aus, dass die Voraussetzungen für die Zuordnung zum Stammgrundstück vorliegen und daher der gesamte Baukörper der Tiefgarage dem Stammgrundstück zuzurechnen ist.

Dies hat zur Folge, dass die Tiefgarage als Baukörper insgesamt nach § 94 Abs. 1 BGB ausschließlich wesentlicher Bestandteil des herrschenden und damit des Stammgrundstücks ist. Dabei kommt es nicht darauf an, wo die Teile der Garage in natura belegen sind. Vielmehr ist für die rechtliche Einordnung nach § 94 BGB allein die juristische Zuordnung entscheidend, was wegen dieser Vorschrift dazu führt, dass die Tiefgarage insgesamt dem Stammgrundstück zugerechnet werden muss.

2. Bestellung einer Dienstbarkeit mit Ausübungsbereich außerhalb des dienenden Grundstücks
Ist die Garage damit insgesamt wesentlicher Bestandteil ausschließlich des Stammgrundstücks, so kann durch eine Dienstbarkeit, die die Benutzung der Tiefgarage regeln soll, auch nur das Stammgrundstück belastet werden. Anderenfalls würde nämlich ein Grundstück mit einer Dienstbarkeit belastet werden, das in rechtlicher Hinsicht keinen Bezug zur Tiefgarage aufweist. Für die Dienstbarkeit kommt es entscheidend darauf an, dass diese als beschränkt dingliches Recht eine Belastung des Eigentums darstellt, was aber nur insoweit möglich ist, als die Tiefgarage der Gegenstand des Eigentums am dienenden Grundstück ist. Als wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks ist diese gleichermaßen der Gegenstand des Eigentums an ebendiesem (Stamm-)Grundstück. Die tatsächliche räumliche Lage des wesentlichen Bestandteils „Tiefgarage“ ist demgegenüber ohne Bedeutung.

An dieser Beurteilung ändert sich auch dadurch nichts, dass Berechtigter der Grunddienstbarkeit der jeweilige Eigentümer des Grundstücks sein soll, auf dessen Fläche sich tatsächlich die Tiefgarage (teilweise) befindet. Insoweit kommt es auf die Belastung des jeweiligen Eigentumsrechts an, während die faktische Lage unbedeutend ist. Da rechtlich die Tiefgarage insgesamt dem Stammgrundstück zuzurechnen ist, ist allein entscheidend, ob die Dienstbarkeit für den jeweiligen Eigentümer eines anderen als dem des Stammgrundstücks bestellt wird, was hier der Fall ist.

Auch die Entscheidung des OLG Hamm (DNotZ 2008, 612 ff.) steht dem hier vertreten Ergebnis nicht entgegen. In dem dort zu beurteilenden Fall ging es darum, dass durch eine Dienstbarkeit die hierdurch Berechtigten das Recht erhalten sollten, die Rechte aus einer anderen Dienstbarkeit auszuüben. Dies wurde vom OLG Hamm als unzulässig beurteilt, steht aber in keiner Verbindung zu dem hier mitgeteilten Fall. Die Befugnis, Rechte aus einer Dienstbarkeit auszuüben, kann nicht isoliert übertragen werden, sondern ist nach Auf­fassung des OLG Hamm untrennbar mit der Eigentümerstellung am Grundstück verbunden (OLG Hamm DNotZ 2008, 612, 613). Um eine solche Befugnis geht es vorliegend allerdings nicht. Vielmehr soll durch die Dienstbarkeit lediglich die Benutzung von wesentlichen Bestandteilen des Stammgrundstücks geregelt werden. Damit bezieht sich die Dienstbarkeit rechtlich auf eine Nutzung des Stammgrundstücks, nicht aber darauf, einzelne oder alle Rechte aus der Überbaudienstbarkeit durch einen Dritten ausüben zu lassen. Dass sich die Eigentümerstellung an der Tiefgarage möglicherweise erst aus der Ausübung der Überbaudienstbarkeit ergibt (die zumeist aber ohnehin nur deklaratorische Funktion hat, wenn der Überbau mit Zustimmung des Nachbarn erfolgt), steht dem nicht entgegen. Insoweit übt nämlich der jeweilige Grundstückseigentümer seine Rechte aus der Dienstbarkeit selbst aus und gewährt dann nur dem Dritten ein eigenständiges Recht, einzelne räumliche Bereiche der Tiefgarage zu benutzen. Dies ist deshalb zulässig, weil aufgrund von § 94 Abs. 1 BGB die Tiefgarage insgesamt Bestandteil des Stammgrundstücks ist.

3. Ergebnis
Im Ergebnis ist daher die Bestellung einer Dienstbarkeit und Eintragung derselben an dem Stammgrundstück auch dann zulässig, wenn sich der faktische Ausübungsbereich auf eine Fläche außerhalb des Stammgrundstücks bezieht, solange der Ausübungsbereich rechtlich auf einen Teil eines Bauwerks begrenzt ist, das nach § 94 Abs. 1 BGB dem Stammgrundstück als wesentlicher Bestandteil zuzurechnen ist. Dies gilt selbst dann, wenn der jeweilige Eigentümer des (Nachbar-)Grundstücks berechtigt sein soll, auf dessen Fläche sich die Tiefgarage tatsächlich erstreckt.

Gutachten/Abruf-Nr:

183657

Erscheinungsdatum:

03.09.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Dienstbarkeiten und Nießbrauch

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 129-130

Normen in Titel:

BGB § 1018; BGB § 94; BGB § 96; BGB § 1090; BGB § 95