16. September 2022
BGB § 925; BGB § 130 Abs. 2; BGB § 1922; BGB § 873

Vollzug einer Auflassung, wenn der Veräußerer vor der Eigentumsumschreibung verstirbt und von der Erwerberin beerbt wird; Auflassung an die Alleinerbin

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 191617
letzte Aktualisierung: 16. September 2022

BGB §§ 130 Abs. 2, 873, 925, 1922
Vollzug einer Auflassung, wenn der Veräußerer vor der Eigentumsumschreibung verstirbt
und von der Erwerberin beerbt wird; Auflassung an die Alleinerbin

I. Sachverhalt
Der Ehemann veräußert zu Lebzeiten aus steuerlichen Gründen eine Immobilie an seine Ehefrau.
Die Ehefrau ist aufgrund notariellen Testaments als unbeschränkte Alleinerbin des Ehemannes
eingesetzt. Plötzlich und unerwartet stirbt der Ehemann nach Einreichung von Auflassung und
Bewilligung beim Grundbuchamt, aber vor Eintragung der Auflassung in das Grundbuch. Das
Grundbuchamt wird vom Nachlassgericht darüber informiert, dass die Ehefrau aufgrund notariellen
Testaments Alleinerbin geworden sei.

Das Grundbuchamt bittet um Rücknahme des Antrags auf Eintragung des Eigentumswechsels
auf die Ehefrau, da diese bereits Alleineigentümerin sei und im Wege der Grundbuchberichtigung
eingetragen werden könne.

Die Beteiligten meinen, dass aus steuerlichen Gründen die Eintragung aufgrund der Auflassung
vorteilhafter für die Ehefrau wäre als die Grundbuchberichtigung.

II. Fragen
1. Kann eine von einem Erblasser an die spätere Alleinerbin erklärte Auflassung nach dem Tod
des Erblassers noch in das Grundbuch eingetragen werden oder ist dies nicht mehr möglich,
da die rechtsgeschäftliche Erwerberin bereits Eigentümerin ist?
2. Falls eine Eintragung noch möglich sein sollte, ist diese auch dann noch möglich, wenn der
Antrag auf Eintragung der Alleinerbin auf Grundlage der erklärten Auflassung nach dem Tod
des Erblassers zunächst zurückgenommen wurde und dann erneut gestellt wird?
3. Muss bzw. kann das Grundbuchamt mangels Antragsrücknahme die Ehefrau noch aufgrund
erteilter Auflassung in das Grundbuch eintragen?

III. Zur Rechtslage
1. Voraussetzungen eines rechtsgeschäftlichen Eigentumsübergangs
Der Eigentumsübergang an einem Grundstück vollzieht sich materiell-rechtlich durch Einigung
und Eintragung gem. § 873 Abs. 1 BGB. Nach § 925 Abs. 1 BGB bedarf die dingliche
Einigung (Auflassung) zwar keiner besonderen Form (so zutreffend BGH DNotZ 2016, 915,
Tz. 18 = notar 2016, 311 m. Anm. Monreal m. w. N.), ist aber bei gleichzeitiger Anwesenheit
der Beteiligten vor einer zuständigen Stelle zu erklären (zur Zuständigkeit des Notars zur
Entgegennahme der Auflassung vgl. § 20 Abs. 2 BNotO).

a) Wirksamkeit der Auflassung
Im vorliegenden Fall bestehen an der Wirksamkeit der dinglichen Einigung (Auflassung)
keine Zweifel. Insbesondere wird die vom Veräußerer abgegebene Willenserklärung nicht
dadurch unwirksam, dass er nach deren Abgabe verstorben ist, § 130 Abs. 2 BGB.
Ebenso wenig führt die Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 Abs. 1 BGB dazu, dass es
an der von § 925 Abs. 1 S. 1 BGB vorausgesetzten Personenverschiedenheit von Veräußerer
und Erwerber fehlen würde. Die dingliche Einigung (Auflassung) war zu einem
Zeitpunkt erklärt und wirksam geworden, als die notwendige Personenverschiedenheit
noch bestand. Die zwischenzeitliche Gesamtrechtsnachfolge führt nicht dazu, dass es
sich nunmehr bei der vom Erblasser abgegebenen Willenserklärung um eine solche der
Erbin handeln würde. Vielmehr bleibt die Willenserklärung eine solche des Erblassers.
Die Gesamtrechtsnachfolge bewirkt „nur“, dass sich die Erbin die mit der Willenserklärung
beabsichtigte Rechtsfolge zurechnen lassen muss, also insoweit an die von ihrem
Ehemann abgegebene Willenserklärung gebunden ist (vgl. BeckOGK-BGB/Preuß, Std.:
1.8.2022, § 1922 Rn. 333).

b) Rechtskonstitutive Wirkung der Eintragung des Eigentumsübergangs auf die Alleinerbin
In Frage steht alleine, ob der grundbuchliche Vollzug der Auflassung noch zu einem
rechtsgeschäftlichen Erwerb des Grundstückseigentums durch die Erbin führen kann.
Die Möglichkeit eines rechtsgeschäftlichen Erwerbs gem. §§ 873 Abs. 1, 925 BGB
könnte allenfalls dann zweifelhaft sein, wenn die Erwerberin die unbeschränkte Alleinerbin
des Veräußerers ist, und die noch zu vollziehende Auflassung – so wie hier – auf den
Erwerb von Alleineigentum gerichtet ist. In diesem Fall ließe sich erwägen, dass eine
rechtskonstitutive Eintragung i. S. v. § 873 Abs. 1 BGB nicht mehr in Betracht kommt,
denn auf den ersten Blick würde hier die rechtsgeschäftliche „Eigentumsumschreibung“
keine andere Rechtsposition vermitteln, als die bereits kraft erbrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge
erworbene Eigentumsposition. Hier bedarf es u. E. einer differenzierten Betrachtung:
Sofern die Auflassung noch vom verstorbenen Veräußerer (Erblasser) erklärt wurde, ist
diese nach unserem Dafürhalten auch noch dann vollzugsfähig, wenn die Erwerberin die
– vermeintliche – unbeschränkte Alleinerbin des Veräußerers ist. Eine „Eigentumsumschreibung
aufgrund Auflassung“ würde nämlich nicht zur Unrichtigkeit des Grundbuchs
führen: Entweder das Grundstück befindet sich im Nachlass des Verstorbenen
und die Erwerberin ist tatsächlich Alleinerbin, dann würde die Eintragung des Erwerbers
zwar nicht zu einem konstitutiven Eigentumserwerb führen, aber die Eigentümerstellung
wäre dennoch zutreffend im Grundbuch verlautbart; die gem. § 9 Abs. 1 lit. d GBV anzugebende
Eintragungsgrundlage (z. B. „eingetragen aufgrund Auflassung …“) nimmt
am öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht teil (vgl. BayObLG DNotZ 2002, 731,
732, BGH NJW 1952, 1289, 1290; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020,
Rn. 345). Oder aber die Erwerberin ist – ggf. entgegen einem anderslautenden Erbschein
oder einer anderslautenden letztwilligen Verfügung, die ggf. zukünftig noch aufgefunden
wird – nicht die Alleinerbin des Veräußerers, dann kann die Eintragung insoweit eine
konstitutive Wirkung entfalten, als sie einen rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb gem.
§§ 873, 925 BGB ermöglicht. Gleiches würde gelten, wenn das Grundstück gar nicht zum
Nachlass gehören würde, sodass die Eintragung bei einem gutgläubigen Erwerb konstitutive
Wirkung entfalten würde (§§ 873, 892, 925 BGB; hätte das Grundbuchamt hiervon
Kenntnis, dürfte es sich nach in der Rechtsprechung vertretener Auffassung freilich
nicht an der Umschreibung beteiligen).

Nach unserem Dafürhalten ist der Antrag auf Eigentumsumschreibung vorliegend vollzugsfähig,
d. h. das Grundbuchamt hat ihn zu vollziehen.

2. Möglichkeit der erneuten Antragsstellung nach Rücknahme des Antrags
Jeder Antragssteller ist berechtigt, seinen Antrag zurückzunehmen (Meikel/Böttcher, GBO,
12. Aufl. 2021, § 13 Rn. 91). Das Grundbuchamt darf dann nicht weiter tätig werden, es sei
denn, es liegen weitere Anträge vor (Meikel/Böttcher, § 13 Rn. 96). Ein zurückgenommener
Antrag kann jederzeit wiederholt werden (Meikel/Böttcher, § 13 Rn. 98). Die Rücknahme des
Antrags ändert nichts daran, dass eine wirksame Auflassung und eine wirksame Bewilligung
bestehen (vgl. BeckOK-GBO/Reetz, 45. Ed., Std.: 1.3.2022, § 13 Rn. 133).

3. Ergebnis
Ein Eigentumsumschreibungsantrag, gerichtet auf den grundbuchlichen Vollzug einer zwischen
Veräußerer und Erwerberin erklärten Auflassung, ist auch dann noch vollzugsfähig,
wenn der Veräußerer vor der Eigentumsumschreibung verstirbt und die Erwerberin die (vermeintliche)
Alleinerbin nach dem Veräußerer geworden ist. Es ist unerheblich, ob die Eintragung
der Erwerberin konstitutiv oder lediglich grundbuchberichtigend wirkt, denn die Eintragungsgrundlage
(§ 9 Abs. 1 lit. d GBV) nimmt nicht an dem guten Glauben des Grundbuchs
teil. Demzufolge hat das Grundbuchamt den Eigentumsumschreibungsantrag zu vollziehen;
der Tod des Veräußerers und die vermeintliche Alleinerbenstellung der Erwerberin
stellen kein Vollzugshindernis i. S. v. § 18 GBO dar.

Ein zurückgenommener Eintragungsantrag der Ehefrau kann von ihr als Antragsberechtigte
i. S. v. § 13 Abs. 1 S. 2 GBO jederzeit wiederholt werden.

Gutachten/Abruf-Nr:

191617

Erscheinungsdatum:

16.09.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Gesetzliche Erbfolge

Normen in Titel:

BGB § 925; BGB § 130 Abs. 2; BGB § 1922; BGB § 873