01. April 2022
BGB § 2247; BGB § 2258

Datumsänderung auf einem handschriftlichen Testament; Widerruf eines früheren Testamentes ohne neuerliche Unterschrift?

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 187485
letzte Aktualisierung: 01. April 2022

BGB §§ 2247, 2258
Datumsänderung auf einem handschriftlichen Testament; Widerruf eines früheren
Testamentes ohne neuerliche Unterschrift?

I. Sachverhalt

Die alleinstehende, kinderlose Erblasserin hat ein privatschriftliches Testament errichtet, in dem
sie ihre drei Schwestern zu Alleinerben einsetzte. Dieses Testament datierte ursprünglich auf den
1.11.2007, wurde jedoch um die Daten „1.6.2018“ und „30.9.2019“ ergänzt. Weitere Ergänzungen
(insbesondere eine zusätzliche Unterschrift) fanden nicht statt. Die Schrift deutet stark darauf hin,
dass die Änderung durch die Erblasserin vorgenommen wurde. Nach dem Tod der Erblasserin
taucht ein weiteres privatschriftliches Testament vom 15.11.2007 auf, in dem sie ihre Nichten und
Neffen zu Erben benennt.

II. Frage

Konnte das erste Testament durch Ergänzung des Datums wirksam erneuert werden bzw. auf
welchem Testament beruht die Erbfolge?

III. Zur Rechtslage

1. Errichtung einer neuen wirksamen Verfügung von Todes wegen durch bloße Datumsänderung
auf dem früheren privatschriftlichen Testament?

a) Vorliegend stellt sich zunächst die Frage, ob die bloße handschriftliche Ergänzung der
ursprünglichen Datumsangabe (01.11.2007) um ein weiteres, neues Datum (zuletzt
30.9.2019) ohne erneute Unterschrift der Erblasserin den Formerfordernissen des § 2247
Abs. 1 BGB genügt.

Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift bezweckt zunächst die Feststellung
der Person des Testierenden (Identitätsfunktion), die Echtheitskontrolle aufgrund der
individuellen Schriftzüge des Erblassers (Beweisfunktion), einen Übereilungsschutz,
das ernstliche Bekenntnis zu der schriftlich niedergelegten Erklärung (Erklärungsfunktion)
und ein untrügliches Anzeichen für die Vollständigkeit und den Abschluss (Abschlussfunktion),
die mit einem Schutz vor nachträglichen Zusätzen Dritter einhergeht
(Fälschungsschutzfunktion; siehe Soergel/Klingseis, BGB, 14. Aufl. 2020, § 2247
Rn. 23; siehe auch Voit, in: Reimann/Bengel/Dietz, Testament und Erbvertrag, 7. Aufl.
2020, § 2247 Rn. 19 m. w. N.). Das Unterschriftserfordernis ist zwingend und kann beispielsweise
nicht dadurch ersetzt werden, dass die Urheberschaft des Erblassers und die
Ernstlichkeit seiner Erklärung auf andere Weise, insbesondere durch Zeugenbeweis, festgestellt
werden (BayObLG NJW-RR 1991, 1222; Soergel/Klingseis, § 2247 Rn. 23).

b) Die Frage, ob nachträgliche Einschübe oder Ergänzungen des Testaments auch ohne
erneute Unterschrift wirksam sind, wird uneinheitlich beantwortet. Unstreitig ist allerdings,
dass bloße Klarstellungen, Erläuterungen und Berichtigungen keiner erneuten Unterschrift
bedürften (Staudinger/Baumann, BGB, 2018, § 2247 Rn. 60;
Soergel/Klingseis, § 2247 Rn. 34). Bei eigenhändigen Einschüben, Ergänzungen und
Nachträgen kommt es dagegen darauf an, ob sie durch die Unterschrift des Erblassers
räumlich gedeckt sind (Soergel/Klingseis, § 2247 Rn. 35; Voit, § 2247 Rn. 25). Vorliegend
handelt es sich mit der Ersetzung des ursprünglichen Datums durch ein neues, jüngeres
Datum einerseits lediglich um eine nachträgliche Berichtigung der ursprünglichen Urkunde,
die keiner erneuten Unterschrift bedürfte. Andererseits hat die Änderung des Datums
zu einer „Aktivierung“ des älteren, eigentlich durch das zwischenzeitliche Testament
bereits überholten Testamentes geführt.

c) Insoweit ist zunächst hervorzuheben, dass sowohl Zeit- als auch Ortsangaben auf dem
Testament keine Willenserklärungen sind (Grüneberg/Weidlich, BGB, 80. Aufl. 2021,
§ 2247 Rn. 13). Gemäß § 2247 Abs. 2 BGB soll der Erblasser in der Erklärung angeben,
zu welcher Zeit und an welchem Ort er sie niedergeschrieben hat. Wie sich bereits aus
der Formulierung „soll“ ergibt, ist die eigenhändige Orts- oder Zeitangabe nicht zwingendes
Wirksamkeitserfordernis des Testamentes. Fehlt sie oder ist sie unvollständig oder
falsch, so hat dies folglich für sich allein genommen noch nicht die Unwirksamkeit des
Testaments zur Folge (vgl. § 2247 Abs. 5 S. 1 BGB). Gerade wenn mehrere Testamente
vorhanden sind, die sich inhaltlich widersprechen, ist die Zeit- und Ortsangabe aber wegen
der im Raum stehenden Anwendung von § 2258 BGB von elementarer Wichtigkeit
(vgl. Soergel/Klingseis, § 2247 Rn. 48). Die eigenhändige Orts- und Zeitangabe in einem
privatschriftlichen Testament hat bis zum Beweis des Gegenteils die Vermutung der
Richtigkeit für sich (MünchKommBGB/Sticherling, 8. Aufl. 2020, § 2247 Rn. 43).

Datum und Unterschrift können nach allgemeiner Auffassung an einem anderen Tage
als die übrige Testamentserklärung geschrieben werden (so bereits RGZ 111, 247; vgl.
auch Soergel/Klingseis, § 2247 Rn. 32). Auch ist die Verwendung des Textes eines früher
niedergeschriebenen Testamentes, mag es auch zunächst ohne Testierwille verfasst oder
wegen eines Formfehlers nichtig sein, bei der Neuerrichtung eines eigenhändig
geschriebenen Testamentes in der Form eines Nachtrags zulässig, wenn es durch eigenhändige
Zusätze und mit neuer Unterschrift gültig vollendet wird (BayObLG NJOZ
2004, 3816, 3818; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 653, 654 f.). Einen Grundsatz, dass
die Unterschrift zeitlich nach der Niederschrift des Testamentstextes erfolgen soll, gibt
es nach allgemeiner Auffassung nicht (BGH NJW 1974, 1083, 1084; Soergel/Klingseis,
§ 2247 Rn. 32 m. w. N.). Es ist nämlich ohne Belang, in welcher zeitlichen Reihenfolge
die einzelnen Bestandteile des Testaments niedergeschrieben werden (BayObLG NJWRR
1992, 1225, 1226). Die Errichtungshandlung muss nicht in einem einheitlichen
zusammenhängenden Akt erfolgen (BayObLG NJOZ 2004, 3816, 3818; BayObLG
NJW-RR 1992, 1225, 1226; Soergel/Klingseis, § 2247 Rn. 32). Nichts anderes kann u. E.
danach gelten, wenn der Erblasser ein bereits vorhandenes Datum durch ein aktuelles
ergänzt.

d) Etwas anderes soll allerdings dann gelten, wenn das früher geschriebene und unterschriebene
Testament gemäß § 2254 BGB ausdrücklich widerrufen wurde. In diesem Fall
kann das widerrufene Testament nicht durch bloße Anfügung einer Orts- und
Datumsangabe wieder „in Kraft gesetzt“ werden (BayObLG NJW-RR 1992, 1225,
1226). Erklärungen auf einem bereits widerrufenen Testament bedürfen nach allgemeiner
Ansicht regelmäßig einer aktualisierten Unterschrift (Soergel/Kingseis, § 2247 Rn. 38
a. E.). Wird nämlich ein früher errichtetes, danach aber ausdrücklich aufgehobenes Testament
ergänzt und vervollständigt, so müssen zur Vermeidung einer Verfälschungsgefahr
die Ergänzungen vom Erblasser eigenhändig unterschrieben werden (siehe BayObLG
NJW-RR 1992, 1225, 1226 m. w. N.). Die Grundsätze, nach denen eine neuerliche Unterschrift
nicht erforderlich ist, wenn die vorhandene Unterschrift einen Nachtrag deckt
(siehe oben), sollen nämlich nicht zur Anwendung kommen, weil die ursprüngliche Unterschriftsleistung
durch den ausdrücklichen Widerruf des Testamentes rechtlich wirkungslos
geworden ist. Das bloße Anfügen einer Zeit- und Ortsangabe reicht nicht aus,
ein neues Testament wirksam zu errichten (vgl. OLG Schleswig SchlHA 1976, 9).

Vorliegend hat die Erblasserin, soweit wir den Sachverhalt verstehen, das am 1.11.2007
errichtete Testament zwar nicht ausdrücklich widerrufen. In Betracht kommt aber ein
Widerruf nach § 2258 Abs. 1 BGB. Gemäß § 2258 Abs. 1 BGB wird durch die Errichtung
eines Testamentes ein früheres Testament insoweit aufgehoben, als das spätere Testament
mit dem früheren in Widerspruch steht. Dabei ist zu beachten, dass es für den
Widerrufstatbestand des § 2258 Abs. 1 BGB nicht darauf ankommt, mit welcher Absicht
bzw. Motivation der Erblasser ein späteres Testament errichtet hat. § 2258 Abs. 1 BGB
bestimmt nämlich gerade unabhängig vom Vorliegen eines Aufhebungswillens kraft Gesetzes,
dass sich die Geltung der neueren Verfügung gegenüber der älteren durchsetzt,
soweit ein Widerspruch zwischen der alten und der neuen Anordnung besteht
(Soergel/Runge-Rannow, § 2258 Rn. 2). Ein Aufhebungswille wird nicht gesondert gefordert
(Lauck, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl. 2019, § 2258 Rn. 1). Es ergibt sich
vielmehr aus der systematischen Stellung des § 2258 Abs. 1 BGB, dass es sich um eine
reine Fiktion eines Widerrufstestamentes handelt. Dieses wird von dem vermuteten Widerrufswillen
bei Neuerrichtung getragen. Diese Fiktion besteht unabhängig davon, ob
der Erblasser noch Kenntnis von dem älteren Testament hat bzw. den Widerspruch
selbst überhaupt bemerkt (Lauck, § 2258 Rn. 1).

e) Vorliegend stellt sich aber die Frage, ob die Ausführungen zur Notwendigkeit einer erneuten
eigenhändigen Unterschrift nach einem Widerruf gemäß § 2254 BGB auch auf
den – soweit wir die Sachverhaltsschilderung verstehen, vorliegend gegebenen – Tatbestand
des § 2258 Abs. 1 BGB übertragbar sind. Das BayObLG (NJW-RR 1995, 1096)
hat diese Frage einmal ohne weitere Problemdiskussion bejaht und hierbei die Grundsätze
zum Widerruf durch ausdrückliches Testament gemäß § 2254 BGB ohne Weiteres
auch auf einen Testamentswiderruf gemäß § 2255 S. 1 BGB durch Veränderung an der
Testamentsurkunde sowie einen Widerruf gemäß § 2258 Abs. 1 BGB durch inhaltlich
widersprechende Verfügung von Todes wegen übertragen.

Überprüft man trotz der genannten Äußerung des BayObLG (NJW-RR 1995, 1096)
nochmals die Interessenlage, so ließe sich gegen eine Übertragbarkeit der Notwendigkeit
einer erneuten eigenhändigen Unterschrift nach einem Testamentswiderruf gemäß
§ 2254 BGB auch auf die Fallgestaltung des § 2258 Abs. 1 BGB anführen, dass sich das
strenge Formerfordernis wertungsmäßig dadurch rechtfertigen lässt, dass der Erblasser
die ursprüngliche Verfügung gemäß § 2254 BGB ausdrücklich, d. h. wissentlich und willentlich,
widerrufen hat. Würde man es ihm ermöglichen, eine derart widerrufene Urkunde
nach nachträglichen Änderungen wieder „in Kraft“ zu setzen, so würde die Beweis-
und Abschlussfunktion der eigenhändigen Unterschrift nach § 2247 BGB konterkariert.
Bei einem Widerruf gemäß § 2258 Abs. 1 BGB liegen die Dinge allerdings anders.

Der Erblasser wird hier häufig gar nicht wissen, dass die Errichtung eines späteren
Testamentes automatisch zum Widerruf eines früheren (inhaltlich widersprechenden)
führt. Dies gilt erst recht für die Vornahme von Änderungen bzw. Ergänzungen auf einer
älteren Urkunde. § 2258 Abs. 1 BGB fordert, wie gesehen, gerade keine Widerrufsabsicht.

Vor diesem Hintergrund erschiene es aber unbillig, den Erblasser bezüglich späterer
Korrekturen hinsichtlich der ursprünglichen Urkunde an die strenge Form des § 2247
Abs. 1 BGB zu binden. Aus Gründen der Rechtssicherheit kann es für diese Einordnung
u. E. nicht darauf ankommen, ob im konkreten Fall doch eine Widerrufsabsicht des Erblassers
gegeben war und welcher zeitliche Abstand zwischen den beiden Verfügungen
liegt (hier: nur eine Zeitspanne von fünf Tagen).

Nach unserer persönlichen Einschätzung spricht also zwar wertungsmäßig durchaus
einiges dafür, die Änderungen der Datumsangabe als bloße Korrektur eines ursprünglichen
Testamentsentwurfs anzusehen, die nicht der strengen Form des § 2247 Abs. 1
BGB unterliegt und mithin keiner Unterschrift bedarf. Im Hinblick auf die genannte beiläufige
entgegenstehende Äußerung des BayObLG (NJW-RR 1995, 1096) und angesichts
des Fehlens sonstiger Rechtsprechung wird man für die Praxis u. E. aber dennoch die
vom BayObLG angedeutete Linie zugrunde legen müssen, die immerhin den systematischen
Vorzug für sich beanspruchen kann, hinsichtlich des Erfordernisses einer neuerlichen
Unterschrift zwecks Erneuerung des ursprünglichen Testaments nach einem
Testamentswiderruf alle gesetzlichen Widerrufstatbestände der §§ 2253 ff. BGB gleich
zu behandeln. Hiernach konnte das erste, ursprünglich am 1.11.2007 errichtete
Testament nach seinem Widerruf gem. § 2258 Abs. 1 BGB durch das nachfolgende
Testament vom 15.11.2007 nicht durch bloße neuerliche Datumsangabe
ohne erneute Unterschrift wieder in Kraft gesetzt werden.

2. Ergebnis

Auf der Linie der dargestellten Rechtsprechung des BayObLG muss davon ausgegangen werden,
dass das ursprünglich am 1.11.2007 errichtete, durch das Testament vom 15.11.2007
gem. § 2258 Abs. 1 BGB widerrufene Testament nicht durch bloße neuerliche Datumsangabe
ohne erneute Unterschrift wieder in Kraft gesetzt werden konnte. Daher ist umgekehrt das
nachfolgende Testament vom 15.11.2007 wirksam geblieben. Dieses Testament ist, soweit
für uns aus dem Sachverhalt erkennbar, für die Erbfolge maßgeblich, sodass die Erblasserin
u. E. aufgrund des Testaments vom 15.11.2007 von ihren Nichten und Neffen beerbt
worden ist. Eine abschließende Entscheidung über diese Rechtsfrage bleibt aber dem ggf.
zur Entscheidung berufenen Gericht vorbehalten, das auch etwaige Besonderheiten des
Einzelfalls, die uns nicht bekannt sind, in seine rechtliche Prüfung und Entscheidung miteinbeziehen
kann.

Gutachten/Abruf-Nr:

187485

Erscheinungsdatum:

01.04.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Testamentsform

Normen in Titel:

BGB § 2247; BGB § 2258