05. März 2021
BGB § 1896

Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Erbscheinsverfahren durch Vorsorgebevoll­mächtigten; Zulässigkeit; Form der Vollmacht

BGB § 1896
Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Erbscheinsverfahren durch Vorsorgebevollmächtigten; Zulässigkeit; Form der Vollmacht

I. Sachverhalt
Es geht um einen Erbscheinsantrag. Der Erblasser ist von seiner Schwester als Alleinerbin beerbt worden. Auftraggeberin des Erbscheinsantrags ist die mit einer privatschriftlichen Vollmacht (auf Grundlage eines Formulars aus dem Internet) ausgestattete Tochter der alleinigen Erbin. Die Erbin (= Vollmachtgeberin) ist inzwischen dement und nicht mehr geschäftsfähig.

Der Notar hat den von der Bevollmächtigten zur Niederschrift erklärten Erbscheinsantrag mit eidesstattlicher Versicherung beurkundet. Das Nachlassgericht kündigt an, den Antrag mit der Begründung zurückzuweisen, dass die eidesstattliche Versicherung für die Vertretene nur unter Verwendung einer beurkundeten Vollmacht wirksam abgegeben werden könne. Dies wird vom Nachlassgericht nicht näher begründet.

Wegen der Demenz der Erbin ist die Beurkundung einer Vollmacht nicht nachholbar. Das Nachlassgericht fordert zur Bestellung eines Betreuers mit zweckent­sprechendem Wirkungskreis auf. Das Betreuungsgericht lehnt die Bestellung ab, weil es die Rechtsansicht des Nachlassgerichts nicht teilt. Der Betreuungsrichter hält die privatschriftliche Vollmacht für ausreichend.

II. Fragen
1. Konnte im vorliegenden Fall die Bevollmächtigte die eidesstattliche Versicherung für die Vollmachtgeberin abgeben?

2. Wenn ja, musste die Vollmacht beurkundet sein?

III. Zur Rechtslage
1. Eidesstattliche Versicherung durch einen Bevollmächtigten
Früher war überwiegend anerkannt, dass die eidesstattliche Versicherung im Erbscheinsverfahren gem. § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG (entspricht § 2356 Abs. 2 BGB a. F.) grundsätzlich vom Antragsteller persönlich abzugeben und eine gewillkürte Vertretung nicht zulässig sei (vgl. KG OLGZ 1967, 247, 249 m. w. N.; LG Berlin Rpfleger 1976, 60, 61; Staudinger/Herzog, BGB, 2016, § 2353 Rn. 210; G. Müller, in: Müller/Renner, Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen in der Praxis, 5. Aufl. 2018, Rn. 199).

Etwas anderes wurde in der Literatur bspw. von Litzenburger (ZEV 2004, 450) ver­treten. Dieser ging davon aus, dass das Gericht bei Geschäftsunfähigkeit des Antragstellers ersatzweise eine nicht gesetzlich vorgeschriebene eidesstattliche Versicherung des Vorsorgebevollmächtigten anfordern und seiner Beweiswürdigung zugrunde legen könne (zust. Staudinger/Herzog, § 2353 Rn. 210; a. A. Zimmermann, ZErb 2008, 151, 154).

Zwischenzeitlich hat sich die Rechtsprechung mehrfach zum Thema geäußert. Das OLG Celle hat mit Beschluss vom 20.6.2018 (NJW-RR 2018, 1031 = ZEV 2018, 728 m. Anm. Litzenburger = MittBayNot 2018, 572) entschieden, dass bei Eidesunfähigkeit des Antragstellers die eidesstattliche Versicherung im Erbscheinsverfahren auch von dessen Vorsorgebevollmächtigtem (als Erklärung über dessen eigenes Wissen) abgegeben werden könne, sofern die Angelegenheit von der Vollmacht umfasst sei. Zur Begründung hat sich das OLG Celle auf die Gleichsetzung des Vorsorgebevollmächtigten mit einem gesetzlichen Vertreter (vgl. § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB) gestützt. Es hat auch darauf hingewiesen, dass die Frage, ob der Antragsteller selbst oder sein Vorsorgebevollmächtigter die eidesstattliche Versicherung betreffend die Richtigkeit der im Erbscheinsantrag gemachten Angaben abzugeben habe, letztlich das Nachlassgericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden habe (NJW-RR 2018, 1031, 1032; so auch der BGH WM 2008, 2264 zur eidesstattlichen Versicherung im Zwangsvollstreckungsverfahren).

Auch das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 17.4.2018 (ZEV 2019, 422 f. = BeckRS 2018, 41433) die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch den Vorsorgebevollmächtigten für ausreichend gehalten, sofern der Erbe geschäftsunfähig ist und infolgedessen an der eigenen Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im Erbscheinsverfahren gehindert ist.

In der neueren Literatur wird diese Rechtsprechung meist zustimmend aufgenommen (vgl. Becker, ZErb 2018, 332; BeckOK-BGB/Müller-Engels, Std.: 1.11.2020, § 1896 Rn. 31; BeckOGK-BGB/Fröhler, Std.: 1.11.2020, § 2353 Rn. 288.1; a. A. aber MünchKommFamFG/Grziwotz, 3. Aufl. 2019, § 352 FamFG Rn. 94). Zudem hat der BGH mittlerweile den Vorsorgebevollmächtigten auch in anderen Lebensbereichen zur Abgabe einer eidesstaatlichen Versicherung zugelassen (vgl. BGH NJW 2020, 1143, 1144 ff. zur Abgabe der eidesstaatlichen Versicherung bzgl. der Vermögensauskunft gem. § 802c ZPO).

2. Form der Vollmacht
Was die Form der Vollmacht anbelangt, so handelte es sich sowohl im Fall des OLG Celle (NJW-RR 2018, 1031) als auch im Fall des OLG Düsseldorf (ZEV 2019, 422) jeweils um notariell beurkundete Vollmachten. Daraus lässt sich jedoch nicht herleiten, dass die Vollmacht stets notariell beurkundet sein müsse, damit der Vorsorgebevollmächtigte – anstelle eines gesetzlichen Vertreters des geschäftsunfähigen Antragstellers – die eidesstattliche Versicherung abgeben kann.

Denn ein Formerfordernis besteht an dieser Stelle nur für die eidesstattliche Versicherung selbst, nicht aber für die zugrunde liegende Vollmacht. Diesbezüglich greift u. E. der allgemeine Grundsatz des § 167 Abs. 2 BGB, wonach die Form der Vollmacht prinzipiell unabhängig von der Form ist, die für das Vertretergeschäft gilt. § 167 Abs. 2 BGB verwirklicht den Trennungsgrundsatz für das Verhältnis von Vollmacht und Vertretergeschäft hinsichtlich der Form (MünchKommBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 13).

3. Erlass der eidesstattlichen Versicherung    
In Betracht kommt zudem ggf. ein Erlass der eidesstattlichen Versicherung durch das Nachlassgericht. Dies sieht § 352 Abs. 3 S. 4 FamFG für den Fall vor, dass das Nachlassgericht eine solche für nicht erforderlich hält. In der Praxis verfahren die Gerichte mit dieser Möglichkeit sehr restriktiv. Die Beurteilung liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Nachlassgerichts (vgl. Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl. 2002, § 2356 Rn. 17; MünchKommFamFG/Grziwotz, § 352 Rn. 101).

In Betracht kommt ein Erlass der eidesstattlichen Versicherung etwa, wenn das Gericht insgesamt von den zu ermittelnden Tatsachen überzeugt ist und gerade den (z. B. weiteren) Nachweis einer bestimmten Tatsache für nicht mehr notwendig erachtet oder wenn der Nutzen der Versicherung in keiner Relation zum Aufwand steht (Staudinger/Herzog, 2010, § 2356 Rn. 67 m. w. N.). Dabei geht man davon aus, dass sich eine eidesstattliche Versicherung in der Regel erübrige, wenn die Erbfolge eindeutig sei oder wenn etwa nach Beendigung der Testamentsvollstreckung oder Eintritt des Nacherbfalls ein neuer Erbschein beantragt werde und keine neuen Tatsachen vorlägen (Staudinger/Herzog, § 2356 Rn. 68; MünchKommFamFG/Grziwotz, § 352 Rn. 102 m. w. N.). Ferner kann die eidesstattliche Versicherung eines anderen Beteiligten genügen (Staudinger/Herzog, § 2356 Rn. 68).

In der aktuellen Kommentarliteratur zum FamFG wird ein Erlass im Einzelfall für den Erbscheinsantrag eines Berufsbetreuers als gesetzlichen Vertreter des Betreuten erwogen, falls er ohne Kontakt zum Erblasser war, bzw. in vergleichbaren Fällen beim Erbscheinsantrag eines Vorsorgebevollmächtigten des geschäftsunfähigen Erben (so Keidel/Zimmermann, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 352 Rn. 84).

Sollte im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Geschäftsunfähigkeit der Antragstellerin im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung des Nachlassgerichts auch ein Erlass der eidesstattlichen Versicherung in Frage kommen, dann dürfte erst Recht vom Nachlassgericht die Entgegennahme einer eidesstattlichen Versicherung der – wenn auch nur privatschriftlich – Bevollmächtigten in Betracht zu ziehen sein und diese im Rahmen der Beweiswürdigung Berücksichtigung finden können. Diese Erwägung wird auch in der jüngeren Literatur ausdrücklich als Argument herangezogen (so Harders, in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 12. Aufl. 2019, § 352 Rn. 23).

Gutachten/Abruf-Nr:

180787

Erscheinungsdatum:

05.03.2021

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 36-37

Normen in Titel:

BGB § 1896