Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Erbscheinsverfahren durch Vorsorgebevollmächtigten; Zulässigkeit; Form der Vollmacht
Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Erbscheinsverfahren durch Vorsorgebevollmächtigten; Zulässigkeit; Form der Vollmacht
I. Sachverhalt
Es geht um einen Erbscheinsantrag. Der Erblasser ist von seiner Schwester als Alleinerbin beerbt worden. Auftraggeberin des Erbscheinsantrags ist die mit einer privatschriftlichen Vollmacht (auf Grundlage eines Formulars aus dem Internet) ausgestattete Tochter der alleinigen Erbin. Die Erbin (= Vollmachtgeberin) ist inzwischen dement und nicht mehr geschäftsfähig.
Der Notar hat den von der Bevollmächtigten zur Niederschrift erklärten Erbscheinsantrag mit eidesstattlicher Versicherung beurkundet. Das Nachlassgericht kündigt an, den Antrag mit der Begründung zurückzuweisen, dass die eidesstattliche Versicherung für die Vertretene nur unter Verwendung einer beurkundeten Vollmacht wirksam abgegeben werden könne. Dies wird vom Nachlassgericht nicht näher begründet.
Wegen der Demenz der Erbin ist die Beurkundung einer Vollmacht nicht nachholbar. Das Nachlassgericht fordert zur Bestellung eines Betreuers mit zweckentsprechendem Wirkungskreis auf. Das Betreuungsgericht lehnt die Bestellung ab, weil es die Rechtsansicht des Nachlassgerichts nicht teilt. Der Betreuungsrichter hält die privatschriftliche Vollmacht für ausreichend.
II. Fragen
1. Konnte im vorliegenden Fall die Bevollmächtigte die eidesstattliche Versicherung für die Vollmachtgeberin abgeben?
2. Wenn ja, musste die Vollmacht beurkundet sein?
III. Zur Rechtslage
1. Eidesstattliche Versicherung durch einen Bevollmächtigten
Früher war überwiegend anerkannt, dass die eidesstattliche Versicherung im Erbscheinsverfahren gem.
Etwas anderes wurde in der Literatur bspw. von Litzenburger (
Zwischenzeitlich hat sich die Rechtsprechung mehrfach zum Thema geäußert. Das OLG Celle hat mit Beschluss vom 20.6.2018 (
Auch das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 17.4.2018 (
In der neueren Literatur wird diese Rechtsprechung meist zustimmend aufgenommen (vgl. Becker, ZErb 2018, 332; BeckOK-BGB/Müller-Engels, Std.: 1.11.2020, § 1896 Rn. 31; BeckOGK-BGB/Fröhler, Std.: 1.11.2020, § 2353 Rn. 288.1; a. A. aber MünchKommFamFG/Grziwotz, 3. Aufl. 2019,
2. Form der Vollmacht
Was die Form der Vollmacht anbelangt, so handelte es sich sowohl im Fall des OLG Celle (
Denn ein Formerfordernis besteht an dieser Stelle nur für die eidesstattliche Versicherung selbst, nicht aber für die zugrunde liegende Vollmacht. Diesbezüglich greift u. E. der allgemeine Grundsatz des
3. Erlass der eidesstattlichen Versicherung
In Betracht kommt zudem ggf. ein Erlass der eidesstattlichen Versicherung durch das Nachlassgericht. Dies sieht
In Betracht kommt ein Erlass der eidesstattlichen Versicherung etwa, wenn das Gericht insgesamt von den zu ermittelnden Tatsachen überzeugt ist und gerade den (z. B. weiteren) Nachweis einer bestimmten Tatsache für nicht mehr notwendig erachtet oder wenn der Nutzen der Versicherung in keiner Relation zum Aufwand steht (Staudinger/Herzog, 2010, § 2356 Rn. 67 m. w. N.). Dabei geht man davon aus, dass sich eine eidesstattliche Versicherung in der Regel erübrige, wenn die Erbfolge eindeutig sei oder wenn etwa nach Beendigung der Testamentsvollstreckung oder Eintritt des Nacherbfalls ein neuer Erbschein beantragt werde und keine neuen Tatsachen vorlägen (Staudinger/Herzog, § 2356 Rn. 68; MünchKommFamFG/Grziwotz, § 352 Rn. 102 m. w. N.). Ferner kann die eidesstattliche Versicherung eines anderen Beteiligten genügen (Staudinger/Herzog, § 2356 Rn. 68).
In der aktuellen Kommentarliteratur zum FamFG wird ein Erlass im Einzelfall für den Erbscheinsantrag eines Berufsbetreuers als gesetzlichen Vertreter des Betreuten erwogen, falls er ohne Kontakt zum Erblasser war, bzw. in vergleichbaren Fällen beim Erbscheinsantrag eines Vorsorgebevollmächtigten des geschäftsunfähigen Erben (so Keidel/Zimmermann, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 352 Rn. 84).
Sollte im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Geschäftsunfähigkeit der Antragstellerin im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung des Nachlassgerichts auch ein Erlass der eidesstattlichen Versicherung in Frage kommen, dann dürfte erst Recht vom Nachlassgericht die Entgegennahme einer eidesstattlichen Versicherung der – wenn auch nur privatschriftlich – Bevollmächtigten in Betracht zu ziehen sein und diese im Rahmen der Beweiswürdigung Berücksichtigung finden können. Diese Erwägung wird auch in der jüngeren Literatur ausdrücklich als Argument herangezogen (so Harders, in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 12. Aufl. 2019, § 352 Rn. 23).
180787
Erscheinungsdatum:05.03.2021
RechtsbezugNational
Erschienen in: Normen in Titel:BGB § 1896