05. März 2021
MaßnG-GesR § 1; MaßnG-GesR § 5; MaßnG-GesR § 2; HGB § 119; HGB § 161

Anwendung des MaßnG-GesR auf Publikums-GmbH & Co. KG; Personengesellschaft; Publikumsgesellschaft; Umlaufverfahren

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 181153
letzte Aktualisierung: 05. März 2021

MaßnG-GesR §§ 1, 2, 5; HGB §§ 161, 119
Anwendung des MaßnG-GesR auf Publikums-GmbH & Co. KG; Personengesellschaft;
Publikumsgesellschaft; Umlaufverfahren

I. Sachverhalt

Die X-GmbH & Co. KG ist eine Publikumsgesellschaft mit etwa 850 Gesellschaftern. Ihr
Gesellschaftsvertrag soll geändert werden.

II. Frage

Sind § 2 und § 5 Abs. 2 u. 3 MaßnG-GesR auf die Gesellschafterversammlung einer Publikumsgesellschaft
(GmbH & Co. KG) entsprechend anzuwenden?

III. Zur Rechtslage

1. Bewusste Regelungslücke naheliegend

Zunächst ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber im MaßnG-GesR (so im Folgenden das
Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und
Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie,
BGBl. I 2020, S. 570, dort Art. 2) keine Regelungen zur Personengesellschaft getroffen
hat (vgl. auch Böffel/Schramm, WM 2020, 2004, 2005, 2006: Personengesellschaftsrecht
bleibe von der Ausnahmegesetzgebung unberührt; Noack/Zetzsche, AG 2020, 265 Rn. 111;
Schmidt, in: Schmidt, COVID-19, 2. Aufl. 2020, § 9 Rn. 92 ff. mit Hinweis lediglich auf
§ 9b WStBG). Es spricht viel dafür, dass dies eine bewusste Entscheidung war (vgl. auch
Böffel/Schramm, WM 2020, 2004, 2007).

Dabei ist zu bedenken, dass die Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft (auch
der Publikumspersonengesellschaft, Jaletzke, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts,
Bd. 2, 5. Aufl. 2019, § 66 Rn. 1) bisher nicht gesetzlich geregelt, hingegen vielfach in
den Gesellschaftsverträgen in unterschiedlicher Weise ausgestaltet ist. Hat sich der Gesetzgeber
aber bewusst enthalten, so kommt eine analoge Anwendung der für andere
Rechtsträger getroffenen Regelungen nicht in Betracht (Römermann/Grupe, in:
Römermann, Leitfaden für Unternehmen in der COVID-19-Pandemie, 2020, Teil 3 Rn. 9;
dies., in: Römermann, COVID-19 Abmilderungsgesetze, 2020, Teil 2 Vor § 1 COVMG
Rn. 12). Das kann u. E. auch im Hinblick auf die Publikumspersonengesellschaft nicht
anders sein. Auf diese werden zwar durchaus körperschaftsrechtliche Normen angewendet
(etwa § 50 Abs. 3 GmbHG über das Minderheiteneinberufungsrecht, BGH NJW 1988, 969,
970, oder § 273 Abs. 4 AktG über die gerichtliche Bestellung eines Nachtragsliquidators,
BeckOGK-HGB/Notz/Zinger, Std.: 1.8.2020, § 161 Rn. 455; vgl. auch DNotIAbrufgutachten
Nr. 174856 zur Anwendung des § 73 GmbHG auf die GmbH & Co. KG).

Dies genügt aber nicht, um von einer zweifelsfreien entsprechenden Anwendung des
MaßnG-GesR auszugehen.

2. Konkret analogiefähige Normen fraglich

Die sich anschließende Frage wäre zudem, welche Bestimmungen genau anzuwenden
wären. Das MaßnG-GesR stellt regelungstechnisch spezielle Regelungen für jede berücksichtigte
Körperschaft auf. Eine Gesamtanalogie kommt schon deshalb nicht in Betracht.

Andererseits gibt es u. E. keine Bestimmungen, deren Anwendung auf die Publikumsgesellschaft
sich gewissermaßen aufdrängen müsste. Es ist indes vertretbar, dies anders
zu sehen: So wird unabhängig von der COVID-19-Gesetzgebung eine entsprechende Anwendung
des GmbH-Rechts auf die (gesellschaftsvertraglich vorgesehene) Gesellschafterversammlung
der OHG/KG befürwortet (MünchKommHGB/Enzinger, 4. Aufl.
2016, § 119 Rn. 48; grds. auch Schäfer, in: Habersack/Schäfer, OHG, 2. Aufl. 2019, § 105
HGB Rn. 17; BeckOK-HGB/Klimke, Std.: 15.1.2021, § 119 Rn. 66: „sinngemäß“;
Oetker/Lieder, HGB, 6. Aufl. 2019, § 119 Rn. 38: am GmbH-Recht könne „Maß genommen
werden“; Freitag, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, § 119
Rn. 46: „vorsichtige Analogie“; einschränkend zur Einberufung Kindler, in:
Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, 9. Aufl. 2019, § 119 Rn. 6) und in Anknüpfung daran
eine analoge Anwendung des § 2 MaßnG-GesR auf das Umlaufverfahren der Personengesellschaft
(Otte/Dietlein, BB 2020, 1163, 1168; dagegen Böffel/Schramm, WM 2020,
2004, 2007, sodann zur ebenso abgelehnten ergänzenden Vertragsauslegung). Andererseits
soll für die Publikumspersonengesellschaft das Aktienrecht maßgeblich sein (vgl. Schäfer,
§ 105 HGB Rn. 17; BeckOK-HGB/Klimke, § 119 Rn. 66; s. aber Jaletzke, § 66 Rn. 1:
Gesellschaftsverträge lehnten sich üblicherweise an GmbH-Recht an). Zumindest eine
rechtssichere Differenzierung wird derzeit ausscheiden.

3. Fazit

Im Prinzip können die Gesellschafter der Personengesellschaft das Versammlungs- und
Beschlussrecht einvernehmlich ziemlich weitgehend gestalten, auch weil kein gesetzliches
Formerfordernis zu beachten ist. Schwierig wird es freilich, wenn – wie im vorliegenden Fall
– wegen der Vielzahl der Gesellschafter ein einvernehmliches Handeln oder auch nur eine
Gesellschaftsvertragsänderung aufgrund gesellschaftsvertraglicher Mehrheitsklausel nicht zu
realisieren ist. Dennoch dürften die Beteiligten im Ergebnis auf das reguläre Prozedere der
Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung zu verweisen sein (so im Ergebnis wohl
auch Noack/Zetzsche, AG 2020, 265 Rn. 111; Römermann/Grupe, Teil 2 Vor § 1
COVMG Rn. 13).

Gutachten/Abruf-Nr:

181153

Erscheinungsdatum:

05.03.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Kommanditgesellschaft (KG)
OHG

Normen in Titel:

MaßnG-GesR § 1; MaßnG-GesR § 5; MaßnG-GesR § 2; HGB § 119; HGB § 161