Anwendung des MaßnG-GesR auf Publikums-GmbH & Co. KG; Personengesellschaft; Publikumsgesellschaft; Umlaufverfahren
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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 181153
letzte Aktualisierung: 05. März 2021
MaßnG-GesR §§ 1, 2, 5; HGB §§ 161, 119
Anwendung des MaßnG-GesR auf Publikums-GmbH & Co. KG; Personengesellschaft;
Publikumsgesellschaft; Umlaufverfahren
I. Sachverhalt
Die X-GmbH & Co. KG ist eine Publikumsgesellschaft mit etwa 850 Gesellschaftern. Ihr
Gesellschaftsvertrag soll geändert werden.
II. Frage
Sind § 2 und § 5 Abs. 2 u. 3 MaßnG-GesR auf die Gesellschafterversammlung einer Publikumsgesellschaft
(GmbH & Co. KG) entsprechend anzuwenden?
III. Zur Rechtslage
1. Bewusste Regelungslücke naheliegend
Zunächst ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber im MaßnG-GesR (so im Folgenden das
Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und
Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie,
BGBl. I 2020, S. 570, dort Art. 2) keine Regelungen zur Personengesellschaft getroffen
hat (vgl. auch Böffel/Schramm,
bleibe von der Ausnahmegesetzgebung unberührt; Noack/Zetzsche,
Schmidt, in: Schmidt, COVID-19, 2. Aufl. 2020, § 9 Rn. 92 ff. mit Hinweis lediglich auf
§ 9b WStBG). Es spricht viel dafür, dass dies eine bewusste Entscheidung war (vgl. auch
Böffel/Schramm,
Dabei ist zu bedenken, dass die Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft (auch
der Publikumspersonengesellschaft, Jaletzke, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts,
Bd. 2, 5. Aufl. 2019, § 66 Rn. 1) bisher nicht gesetzlich geregelt, hingegen vielfach in
den Gesellschaftsverträgen in unterschiedlicher Weise ausgestaltet ist. Hat sich der Gesetzgeber
aber bewusst enthalten, so kommt eine analoge Anwendung der für andere
Rechtsträger getroffenen Regelungen nicht in Betracht (Römermann/Grupe, in:
Römermann, Leitfaden für Unternehmen in der COVID-19-Pandemie, 2020, Teil 3 Rn. 9;
dies., in: Römermann, COVID-19 Abmilderungsgesetze, 2020, Teil 2 Vor § 1 COVMG
Rn. 12). Das kann u. E. auch im Hinblick auf die Publikumspersonengesellschaft nicht
anders sein. Auf diese werden zwar durchaus körperschaftsrechtliche Normen angewendet
(etwa
970, oder
BeckOGK-HGB/Notz/Zinger, Std.: 1.8.2020, § 161 Rn. 455; vgl. auch DNotIAbrufgutachten
Nr. 174856 zur Anwendung des
Dies genügt aber nicht, um von einer zweifelsfreien entsprechenden Anwendung des
MaßnG-GesR auszugehen.
2. Konkret analogiefähige Normen fraglich
Die sich anschließende Frage wäre zudem, welche Bestimmungen genau anzuwenden
wären. Das MaßnG-GesR stellt regelungstechnisch spezielle Regelungen für jede berücksichtigte
Körperschaft auf. Eine Gesamtanalogie kommt schon deshalb nicht in Betracht.
Andererseits gibt es u. E. keine Bestimmungen, deren Anwendung auf die Publikumsgesellschaft
sich gewissermaßen aufdrängen müsste. Es ist indes vertretbar, dies anders
zu sehen: So wird unabhängig von der COVID-19-Gesetzgebung eine entsprechende Anwendung
des GmbH-Rechts auf die (gesellschaftsvertraglich vorgesehene) Gesellschafterversammlung
der OHG/KG befürwortet (MünchKommHGB/Enzinger, 4. Aufl.
2016, § 119 Rn. 48; grds. auch Schäfer, in: Habersack/Schäfer, OHG, 2. Aufl. 2019, § 105
HGB Rn. 17; BeckOK-HGB/Klimke, Std.: 15.1.2021, § 119 Rn. 66: „sinngemäß“;
Oetker/Lieder, HGB, 6. Aufl. 2019, § 119 Rn. 38: am GmbH-Recht könne „Maß genommen
werden“; Freitag, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, § 119
Rn. 46: „vorsichtige Analogie“; einschränkend zur Einberufung Kindler, in:
Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, 9. Aufl. 2019, § 119 Rn. 6) und in Anknüpfung daran
eine analoge Anwendung des
(Otte/Dietlein,
2004, 2007, sodann zur ebenso abgelehnten ergänzenden Vertragsauslegung). Andererseits
soll für die Publikumspersonengesellschaft das Aktienrecht maßgeblich sein (vgl. Schäfer,
Gesellschaftsverträge lehnten sich üblicherweise an GmbH-Recht an). Zumindest eine
rechtssichere Differenzierung wird derzeit ausscheiden.
3. Fazit
Im Prinzip können die Gesellschafter der Personengesellschaft das Versammlungs- und
Beschlussrecht einvernehmlich ziemlich weitgehend gestalten, auch weil kein gesetzliches
Formerfordernis zu beachten ist. Schwierig wird es freilich, wenn – wie im vorliegenden Fall
– wegen der Vielzahl der Gesellschafter ein einvernehmliches Handeln oder auch nur eine
Gesellschaftsvertragsänderung aufgrund gesellschaftsvertraglicher Mehrheitsklausel nicht zu
realisieren ist. Dennoch dürften die Beteiligten im Ergebnis auf das reguläre Prozedere der
Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung zu verweisen sein (so im Ergebnis wohl
auch Noack/Zetzsche,
COVMG Rn. 13).
181153
Erscheinungsdatum:05.03.2021
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Kommanditgesellschaft (KG)
OHG
MaßnG-GesR § 1; MaßnG-GesR § 5; MaßnG-GesR § 2; HGB § 119; HGB § 161