Online-Gründung; beglaubigte Abschrift einer elektronischen Urkunde, die nicht in der elektronischen Urkundensammlung verwahrt wird
BeurkG §§ 16a-16e, 45 Abs. 3
Online-Gründung; beglaubigte Abschrift einer elektronischen Urkunde, die nicht in der elektronischen Urkundensammlung verwahrt wird
I. Rechtsfragen
Kann von einem im Online-Verfahren erstellten Dokument auch ohne Verwahrung in der elektronischen Urkundensammlung und mithin ohne „Urschrift“ i. S. d.
§ 45 Abs. 3 BeurkG eine elektronisch beglaubigte Abschrift erstellt werden? Genügt eine solche elektronisch beglaubigte Abschrift ggf. als Grundlage der Eintragung einer im Online-Verfahren gegründeten GmbH im Handelsregister?
II. Zur Rechtslage
1. Ausgangslage
Gem. § 45 Abs. 3 BeurkG gilt das nach § 16b BeurkG erstellte elektronische Dokument (elektronische Urkunde) als Urschrift im Sinne des Beurkundungsgesetzes, wenn es in der elektronischen Urkundensammlung verwahrt wird (sog. „gekorene Urschrift“, vgl. dazu BeckOGK-BeurkG/Regler, Std.: 1.5.2022, § 45 Rn. 37; Winkler, BeurkG, 20. Aufl. 2022, § 45 Rn. 18 ff.; Kienzle,
2. Möglichkeit der (elektronisch) beglaubigten Abschrift einer elektronischen Urkunde
Noch nicht beantwortet ist damit die Frage, ob von einer (noch) nicht in der elektronischen Urkundensammlung verwahrten elektronischen Urkunde eine beglaubigte Abschrift erteilt werden kann. Bei der Beglaubigung der Abschrift einer Urkunde soll gem. § 42 Abs. 1 BeurkG festgestellt werden, ob die Urkunde eine Urschrift, eine Ausfertigung, eine beglaubigte oder einfache Abschrift ist (HK-NotarR/Trautrims, 1. Aufl. 2022,
Es stellt sich insofern die Frage, ob Ausgangsdokument einer (elektronisch) beglaubigten Abschrift erst die elektronische Urschrift i. S. d. § 45 Abs. 3 BeurkG sein kann oder bereits die elektronische Urkunde i. S. d. § 45 Abs. 3 BeurkG. In der Literatur wird die Frage bisher noch nicht vertieft behandelt. Der Wortlaut des § 42 Abs. 1 BeurkG ist unergiebig, da er ersichtlich auf analoge Ausgangsdokumente zugeschnitten ist. Der Wortlaut des § 42 Abs. 4 BeurkG deutet darauf hin, dass von jedem elektronischen Dokument eine beglaubigte Abschrift erstellt werden kann, wenn das Ergebnis der Signaturprüfung dokumentiert wird.
Die Gesetzesbegründung ist an dieser Stelle nicht eindeutig, lässt bei genauerer Betrachtung aber auf eine Zulässigkeit beglaubigter Abschriften von elektronischen Urkunden schließen. Dort heißt es wörtlich (BT-Drucks. 19/28177, S. 130 / 131 – Hervorhebungen i. F. durch die DNotI-Redaktion):
„Ein nach §§ 16a bis 16e oder
Der erste Satz besagt zunächst, dass erst ab dem Zeitpunkt der Herstellung der elektronischen Urschrift Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften erteilt werden können. Leider bleibt die Formulierung insoweit unvollständig, als das Ausgangsdokument, von dem die Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift erstellt werden soll, nicht benannt wird. Gemeint sein dürften allerdings nur Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften „von der Urschrift“. Ausfertigungen können – wie dargestellt – ohnehin nur „von der Urschrift“ erstellt werden. Sofern für eine Abschrift die Übereinstimmung gerade mit der Urschrift beglaubigt werden soll, setzt auch dies naturgemäß das Vorhandensein einer Urschrift voraus. Der erste Satz besagt damit lediglich, dass Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften „von der Urschrift“ erst nach Vorhandensein der Urschrift erteilt werden können. Dies ist von der Frage zu trennen, ab welchem Zeitpunkt beglaubigte Abschriften „von der elektronischen Urkunde“ erteilt werden können. Klarheit schafft insoweit der folgende Satz, der auf das frühere Stadium der „elektronischen Urkunde“ rekurriert und auch bereits hier einen Bedarf für beglaubigte Abschriften anerkennt.
Für die Möglichkeit, eine (elektronisch) beglaubigte Abschrift bereits von der elektronischen Urkunde erstellen zu können, spricht auch folgende Erwägung: Mit Abschluss des Verfahrens nach §§ 16a ff. BeurkG entsteht ein mit qualifizierten elektronischen Signaturen versehenes Dokument in Form der elektronischen Urkunde, das – trotz seiner beliebigen Reproduzierbarkeit – zuverlässig Auskunft über den Inhalt des Beurkundungsvorgangs gibt (dazu auch Kienzle
Auch eine Betrachtung der Rechtslage zu
Die Gesetzesbegründung wird in der bislang zur Thematik veröffentlichten Literatur wiedergegeben, ohne dass eine nähere Differenzierung danach erfolgt, ab wann eine beglaubigte Abschrift „von der Urschrift“ einerseits und „von der elektronischen Urkunde“ andererseits erteilt werden kann (Winkler, Beurk2, § 45
Rn. 21; BeckOGK-BeurkG/Regler § 45 Rn. 36).
Freilich muss im Beglaubigungsvermerk zum Ausdruck kommen, dass die (elektronisch) beglaubigte Abschrift nicht von der Urschrift, sondern von der elektronischen Urkunde erteilt wurde. Formuliert werden könnte bspw. wie folgt:
„Hiermit beglaubige ich die Übereinstimmung der in dieser Datei enthaltenen Bilddaten (Abschrift) zur UVZ-Nr. […] mit der mir vorliegenden elektronischen Urkunde. Die Prüfung der qualifizierten elektronischen Signatur des Notars war erfolgreich.“
3. Verwendbarkeit der beglaubigten Abschrift der elektronischen Urkunde beim Vollzug der Gründung im Registerverfahren
Mit der Erkenntnis, dass eine (elektronisch) beglaubigte Abschrift auch von der elektronischen Urkunde erstellt werden kann, ist noch keine Aussage darüber getroffen, ob dieses Dokument tauglich ist, das Formerfordernis des § 12 Abs. 2 HGB zu erfüllen. Die Norm spricht davon, dass Dokumente „elektronisch in einem maschinenlesbaren und durchsuchbaren Datenformat“ einzureichen sind. Ist eine Urschrift oder eine einfache Abschrift einzureichen, genügt die Übermittlung einer elektronischen Aufzeichnung; ist ein notariell beurkundetes Dokument oder eine öffentlich beglaubigte Abschrift einzureichen, so ist ein mit einem einfachen elektronischen Zeugnis (
Die Norm sagt also nur etwas darüber aus, welchem analogen Dokument welche elektronische Form gegenübersteht. Sie wurde auf elektronische Ausgangsdokumente nicht angepasst. Dementsprechend ist funktional zu bestimmen, welche Anforderungen an das Ausgangsdokument zu stellen sind. Bei der GmbH-Gründung ist neben der Anmeldung selbst, die im Online-Verfahren unmittelbar elektronisch öffentlich beglaubigt wird, der Gesellschaftsvertrag in beglaubigter Abschrift (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG) beizufügen. Gesellschaftsvertrag meint an dieser Stelle nicht nur die Satzung im engeren Sinne, sondern das vollständige Gründungsgeschäft, also auch die in der Mantelurkunde befindlichen Erklärungen betreffend die Feststellung der Satzung und die Übernahme der Geschäftsanteile durch die einzelnen Gründungsgesellschafter, da diese für die wirksame Errichtung der GmbH erforderlich sind (MünchKommGmbHG/Herrler,
4. Aufl. 2022, § 8 Rn. 9).
Das Erfordernis der Einreichung in öffentlich-beglaubigter Form dient der Sicherheit des Registerverkehrs. Der Notar prüft die Identität der Beteiligten und schafft durch die Errichtung einer öffentlichen Urkunde eine beweissichere Tatsachengrundlage für die Eintragung (ausführlich Kienzle
Daraus ergibt sich, dass bereits der elektronischen Urkunde die Beweiswirkungen des § 415 Abs. 1 ZPO zukommen, auch wenn sie noch nicht zur Urschrift erklärt wurde. Insofern genügt für Zwecke des Handelsregisterverkehrs auch eine beglaubigte Abschrift der elektronischen Urkunde.
4. Berufsrechtliche Implikationen
Von den beurkundungsrechtlichen Fragen zu unterscheiden sind die berufsrechtlichen Pflichten. Gem. § 35 Abs. 1 NotAktVV muss ein nach § 34 NotAktVV in der elektronischen Urkundensammlung zu verwahrendes Dokument unverzüglich nach der Eintragung in das Urkundenverzeichnis in die elektronische Urkundensammlung eingestellt werden. Eintragungen in das Urkundenverzeichnis sind gemäß § 18 NotAktVV spätestens 14 Tage nach der Beurkundung vorzunehmen, und sofern technische Probleme dies verhindern, sind die Eintragungen unverzüglich nach Behebung der technischen Probleme vorzunehmen.
§ 49 NotAktVV verpflichtet den Notar für den Fall, dass ein Zugriff auf das Elektronische Urkundenarchiv bzw. die elektronische Urkundensammlung nicht möglich ist, die Aufzeichnung vorübergehend in Papierform oder in elektronischer Form vorzunehmen und die Aufnahme in die elektronische Urkundensammlung später nachzuholen. Jedenfalls soweit der Notar eine elektronische Urkunde für die Archivierung in der elektronischen Urkundensammlung in XNP einem Urkundenverzeichniseintrag zuordnet, sie signiert und damit vollständig vorbereitet hat, dürften die Voraussetzungen einer Ersatzaufzeichnung nach § 49 NotAktVV ohne Weiteres erfüllt sein.
Beruht also das fehlende Verwahren in der elektronischen Urkundensammlung auf technischen Hindernissen seitens des Betreibers, so besteht für den Notar erst dann die berufsrechtliche Pflicht, die Eintragung bzw. die Verwahrung vorzunehmen, wenn die technischen Hindernisse behoben sind.
5. Ergebnis
Für Zwecke des Vollzugs einer im Wege der Videokommunikation gegründeten GmbH genügt die Einreichung elektronisch beglaubigter Abschriften der elektronischen Urkunde i. S. d. § 45 Abs. 3 BeurkG. Die Erstellung einer elektronischen Urschrift ist lediglich Voraussetzung dafür, dass auch Ausfertigungen erteilt werden können, was im Rahmen der GmbH-Gründung regelmäßig nicht erforderlich ist. Etwas anderes kann gelten, wenn in der Gründungsurkunde Vollmachten enthalten sind, die für die Zwecke des
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Erscheinungsdatum:05.08.2022
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Beurkundungsverfahren
Erschienen in: Normen in Titel:BeurkG § 16c; BeurkG § 45 Abs. 3; BeurkG § 16d; BeurkG § 16d; BeurkG § 16 Abs. d