05. August 2022
BeurkG § 16c; BeurkG § 45 Abs. 3; BeurkG § 16d; BeurkG § 16d; BeurkG § 16 Abs. d

Online-Gründung; beglaubigte Abschrift einer elektronischen Urkunde, die nicht in der elektronischen Urkundensammlung verwahrt wird

BeurkG §§ 16a-16e, 45 Abs. 3
Online-Gründung; beglaubigte Abschrift einer elektronischen Urkunde, die nicht in der elektronischen Urkundensammlung verwahrt wird

I. Rechtsfragen
Kann von einem im Online-Verfahren erstellten Dokument auch ohne Verwahrung in der elektronischen Urkundensammlung und mithin ohne „Urschrift“ i. S. d.
§ 45 Abs. 3 BeurkG eine elektronisch beglaubigte Abschrift erstellt werden? Genügt eine solche elektronisch beglaubigte Abschrift ggf. als Grundlage der Eintragung einer im Online-Verfahren gegründeten GmbH im Handelsregister?

II. Zur Rechtslage
1. Ausgangslage
Gem. § 45 Abs. 3 BeurkG gilt das nach § 16b BeurkG erstellte elektronische Dokument (elektronische Urkunde) als Urschrift im Sinne des Beurkundungsgesetzes, wenn es in der elektronischen Urkundensammlung verwahrt wird (sog. „gekorene Urschrift“, vgl. dazu BeckOGK-BeurkG/Regler, Std.: 1.5.2022, § 45 Rn. 37; Winkler, BeurkG, 20. Aufl. 2022, § 45 Rn. 18 ff.; Kienzle, DNotZ 2021, 590, 603). Solange also die elektronische Urkunde (noch) nicht in der elektronischen Urkundensammlung verwahrt wird, ist noch keine elektronische Urschrift entstanden. Das Vorliegen einer Urschrift ist aber – jedenfalls bei der herkömmlichen Präsenzbeurkundung oder -beglaubigung – Voraussetzung für die Erteilung einer Ausfertigung (vgl. § 49 Abs. 1 BeurkG), die ja gerade die Niederschrift im Rechtsverkehr vertreten soll. Ausfertigungen von elektronischen Urkunden können also erst nach Aufnahme in die elektronische Urkundensammlung erteilt werden.

2. Möglichkeit der (elektronisch) beglaubigten Abschrift einer elektronischen Urkunde
Noch nicht beantwortet ist damit die Frage, ob von einer (noch) nicht in der elektronischen Urkundensammlung verwahrten elektronischen Urkunde eine beglaubigte Abschrift erteilt werden kann. Bei der Beglaubigung der Abschrift einer Urkunde soll gem. § 42 Abs. 1 BeurkG festgestellt werden, ob die Urkunde eine Urschrift, eine Ausfertigung, eine beglaubigte oder einfache Abschrift ist (HK-NotarR/Trautrims, 1. Aufl. 2022, § 42 BeurkG Rn. 3). Aus dieser Norm ergibt sich, dass das Ausgangsdokument einer Beglaubigung nicht zwingend die Urschrift sein muss. § 42 Abs. 4 BeurkG bestimmt, dass bei der Beglaubigung eines Ausdrucks oder einer Abschrift eines elektronischen Dokuments, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, das Ergebnis der Signaturprüfung dokumentiert werden soll. Gem. § 42 Abs. 4 S. 2 i. V. m. § 39a Abs. 3 S. 2 BeurkG genügt die Dokumentation der Prüfung der qualifizierten elektronischen Signatur des Notars, sofern das elektronische Dokument mit der qualifizierten elektronischen Signatur eines Notars versehen ist.

Es stellt sich insofern die Frage, ob Ausgangsdokument einer (elektronisch) beglaubigten Abschrift erst die elektronische Urschrift i. S. d. § 45 Abs. 3 BeurkG sein kann oder bereits die elektronische Urkunde i. S. d. § 45 Abs. 3 BeurkG. In der Literatur wird die Frage bisher noch nicht vertieft behandelt. Der Wortlaut des § 42 Abs. 1 BeurkG ist unergiebig, da er ersichtlich auf analoge Ausgangsdokumente zugeschnitten ist. Der Wortlaut des § 42 Abs. 4 BeurkG deutet darauf hin, dass von jedem elektronischen Dokument eine beglaubigte Abschrift erstellt werden kann, wenn das Ergebnis der Signaturprüfung dokumentiert wird.

Die Gesetzesbegründung ist an dieser Stelle nicht eindeutig, lässt bei genauerer Betrachtung aber auf eine Zulässigkeit beglaubigter Abschriften von elektronischen Urkunden schließen. Dort heißt es wörtlich (BT-Drucks. 19/28177, S. 130 / 131 – Hervorhebungen i. F. durch die DNotI-Redaktion):

„Ein nach §§ 16a bis 16e oder § 39a BeurkG-E erstelltes elektronisches Dokument soll mit Einstellung in die elektronische Urkundensammlung als Urschrift gelten, so dass erst ab diesem Zeitpunkt Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften erstellt werden können. Trotz beliebiger Reproduzierbarkeit elektronischer Urkunden besteht dennoch ein Bedürfnis zur Ausgabe beglaubigter Abschriften einer elektronischen Urkunde, da dieser nicht sämtliche qualifizierte elektronische Signaturen der Beteiligten (beispielsweise nach § 16b Absatz 4 BeurkG-E) beigefügt sind, sondern allein die Signatur der Notarin oder des Notars. Dies kann in der Praxis eine deutliche Vereinfachung bedeuten, etwa weil bei der Verwendung des elektronischen Dokuments nur eine statt mehrerer Signaturprüfungen erforderlich ist.“

Der erste Satz besagt zunächst, dass erst ab dem Zeitpunkt der Herstellung der elektronischen Urschrift Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften erteilt werden können. Leider bleibt die Formulierung insoweit unvollständig, als das Ausgangsdokument, von dem die Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift erstellt werden soll, nicht benannt wird. Gemeint sein dürften allerdings nur Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften „von der Urschrift“. Ausfertigungen können – wie dargestellt – ohnehin nur „von der Urschrift“ erstellt werden. Sofern für eine Abschrift die Übereinstimmung gerade mit der Urschrift beglaubigt werden soll, setzt auch dies naturgemäß das Vorhandensein einer Urschrift voraus. Der erste Satz besagt damit lediglich, dass Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften „von der Urschrift“ erst nach Vorhandensein der Urschrift erteilt werden können. Dies ist von der Frage zu trennen, ab welchem Zeitpunkt beglaubigte Abschriften „von der elektronischen Urkunde“ erteilt werden können. Klarheit schafft insoweit der folgende Satz, der auf das frühere Stadium der „elektronischen Urkunde“ rekurriert und auch bereits hier einen Bedarf für beglaubigte Abschriften anerkennt.

Für die Möglichkeit, eine (elektronisch) beglaubigte Abschrift bereits von der elektronischen Urkunde erstellen zu können, spricht auch folgende Erwägung: Mit Abschluss des Verfahrens nach §§ 16a ff. BeurkG entsteht ein mit qualifizierten elektronischen Signaturen versehenes Dokument in Form der elektronischen Urkunde, das – trotz seiner beliebigen Reproduzierbarkeit – zuverlässig Auskunft über den Inhalt des Beurkundungsvorgangs gibt (dazu auch Kienzle DNotZ 2021, 590, 603 ff.). Die Anbringung der qualifizierten elektronischen Signaturen ersetzt dabei als Pendant zur Unterschrift in der analogen Welt nicht nur diese, sondern gewährleistet auch in technischer Hinsicht, dass das Dokument nachträglich nicht verändert werden kann. Die angebrachten Signaturen ersetzen also gleichsam Schnur und Prägesiegel, die in der analogen Welt die Unveränderlichkeit der Urkunde sicherstellen. Der Beurkundungsvorgang ist mit Anbringung aller Signaturen gem. § 16b Abs. 4 BeurkG abgeschlossen. Das Hochladen der elektronischen Urkunde in die elektronische Urkundensammlung schafft lediglich darüber hinaus die Eigenschaft als Urschrift, wobei es sich hierbei allein um eine Fiktion für Zwecke des Beurkundungsrechts handelt, die der mangelnden Einzigartigkeit der elektronischen Urkunde Rechnung trägt. Dass die Beurkundung zuvor bereits abgeschlossen und das Rechtsgeschäft damit wirksam ist, dürfte außer Zweifel stehen.

Auch eine Betrachtung der Rechtslage zu § 39a BeurkG stützt dieses Ergebnis. Denn bei Dokumenten, die nach § 39a BeurkG erstellt wurden, ist die Verwahrung in der elektronischen Urkundensammlung die Ausnahme. Gem. § 45b Abs. 2 S. 1 BeurkG wird das nach § 39a BeurkG erstellte Dokument nur dann in der elektronischen Urkundensammlung verwahrt, wenn dies verlangt wird. Würde man beglaubigte Abschriften allgemein nur von der Urschrift und nicht auch bereits von elektronischen Urkunden für zulässig erachten, könnte von nach § 39a BeurkG erstellten Zeugnissen im Standardfall – also dass keine Verwahrung verlangt wird – keine (elektronisch) beglaubigte Abschrift erstellt werden. Dies kann ersichtlich nicht gewollt sein. Es würde nämlich bedeuten, dass von den in den Online-Verfahren typischerweise nach § 39a BeurkG errichteten Handelsregisteranmeldungen jedenfalls im gesetzlichen Regelfall keine beglaubigten Abschriften erstellt werden könnten. Das wollte der Gesetzgeber aber gerade ermöglichen, damit bei der Verwendung des elektronischen Dokuments nur eine statt mehrerer Signaturprüfungen erforderlich ist (BT-Drucks. 19/28177, S. 130 / 131).

Die Gesetzesbegründung wird in der bislang zur Thematik veröffentlichten Literatur wiedergegeben, ohne dass eine nähere Differenzierung danach erfolgt, ab wann eine beglaubigte Abschrift „von der Urschrift“ einerseits und „von der elektronischen Urkunde“ andererseits erteilt werden kann (Winkler, Beurk2, § 45
Rn. 21; BeckOGK-BeurkG/Regler § 45 Rn. 36).

Freilich muss im Beglaubigungsvermerk zum Ausdruck kommen, dass die (elektronisch) beglaubigte Abschrift nicht von der Urschrift, sondern von der elektronischen Urkunde erteilt wurde. Formuliert werden könnte bspw. wie folgt:

„Hiermit beglaubige ich die Übereinstimmung der in dieser Datei enthaltenen Bilddaten (Abschrift) zur UVZ-Nr. […] mit der mir vorliegenden elektronischen Urkunde. Die Prüfung der qualifizierten elektronischen Signatur des Notars war erfolgreich.“

3. Verwendbarkeit der beglaubigten Abschrift der elektronischen Urkunde beim Vollzug der Gründung im Registerverfahren
Mit der Erkenntnis, dass eine (elektronisch) beglaubigte Abschrift auch von der elektronischen Urkunde erstellt werden kann, ist noch keine Aussage darüber getroffen, ob dieses Dokument tauglich ist, das Formerfordernis des § 12 Abs. 2 HGB zu erfüllen. Die Norm spricht davon, dass Dokumente „elektronisch in einem maschinenlesbaren und durchsuchbaren Datenformat“ einzureichen sind. Ist eine Urschrift oder eine einfache Abschrift einzureichen, genügt die Übermittlung einer elektronischen Aufzeichnung; ist ein notariell beurkundetes Dokument oder eine öffentlich beglaubigte Abschrift einzureichen, so ist ein mit einem einfachen elektronischen Zeugnis (§ 39a BeurkG) versehenes Dokument zu übermitteln.

Die Norm sagt also nur etwas darüber aus, welchem analogen Dokument welche elektronische Form gegenübersteht. Sie wurde auf elektronische Ausgangsdokumente nicht angepasst. Dementsprechend ist funktional zu bestimmen, welche Anforderungen an das Ausgangsdokument zu stellen sind. Bei der GmbH-Gründung ist neben der Anmeldung selbst, die im Online-Verfahren unmittelbar elektronisch öffentlich beglaubigt wird, der Gesellschaftsvertrag in beglaubigter Abschrift (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG) beizufügen. Gesellschaftsvertrag meint an dieser Stelle nicht nur die Satzung im engeren Sinne, sondern das vollständige Gründungsgeschäft, also auch die in der Mantelurkunde befindlichen Erklärungen betreffend die Feststellung der Satzung und die Übernahme der Geschäftsanteile durch die einzelnen Gründungsgesellschafter, da diese für die wirksame Errichtung der GmbH erforderlich sind (MünchKommGmbHG/Herrler,
4. Aufl. 2022, § 8 Rn. 9).

Das Erfordernis der Einreichung in öffentlich-beglaubigter Form dient der Sicherheit des Registerverkehrs. Der Notar prüft die Identität der Beteiligten und schafft durch die Errichtung einer öffentlichen Urkunde eine beweissichere Tatsachengrundlage für die Eintragung (ausführlich Kienzle DNotZ 2021, 590, 597). Wird der Gründungsakt elektronisch vorgenommen, entspricht dieser beweissicheren Tatsachengrundlage die elektronische Urkunde. Die elektronische Urkunde ist hierbei ein Konstrukt des Beurkundungsverfahrensrechts. Sie ist nicht per se öffentliche Urkunde (§ 415 ZPO), da die öffentliche Urkunde zwingend ein verkörpertes Papierdokument voraussetzt. Die elektronische Urkunde stellt vielmehr ein öffentliches elektronisches Dokument dar (BeckOGK-BeurkG/Regler, § 45 Rn. 36).
§ 371a Abs. 3 S. 1 ZPO erklärt die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden für entsprechend anwendbar, sodass auch der elektronischen Urkunde die Beweiswirkungen des § 415 Abs. 1 ZPO zugutekommen (Herrler/Kienzle, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl. 2022, § 18a Rn. 36).

Daraus ergibt sich, dass bereits der elektronischen Urkunde die Beweiswirkungen des § 415 Abs. 1 ZPO zukommen, auch wenn sie noch nicht zur Urschrift erklärt wurde. Insofern genügt für Zwecke des Handelsregisterverkehrs auch eine beglaubigte Abschrift der elektronischen Urkunde.

4. Berufsrechtliche Implikationen
Von den beurkundungsrechtlichen Fragen zu unterscheiden sind die berufsrechtlichen Pflichten. Gem. § 35 Abs. 1 NotAktVV muss ein nach § 34 NotAktVV in der elektronischen Urkundensammlung zu verwahrendes Dokument unverzüglich nach der Eintragung in das Urkundenverzeichnis in die elektronische Urkundensammlung eingestellt werden. Eintragungen in das Urkundenverzeichnis sind gemäß § 18 NotAktVV spätestens 14 Tage nach der Beurkundung vorzunehmen, und sofern technische Probleme dies verhindern, sind die Eintragungen unverzüglich nach Behebung der technischen Probleme vorzunehmen.
§ 49 NotAktVV verpflichtet den Notar für den Fall, dass ein Zugriff auf das Elektronische Urkundenarchiv bzw. die elektronische Urkundensammlung nicht möglich ist, die Aufzeichnung vorübergehend in Papierform oder in elektronischer Form vorzunehmen und die Aufnahme in die elektronische Urkundensammlung später nachzuholen. Jedenfalls soweit der Notar eine elektronische Urkunde für die Archivierung in der elektronischen Urkundensammlung in XNP einem Urkundenverzeichniseintrag zuordnet, sie signiert und damit vollständig vorbereitet hat, dürften die Voraussetzungen einer Ersatzaufzeichnung nach § 49 NotAktVV ohne Weiteres erfüllt sein.

Beruht also das fehlende Verwahren in der elektronischen Urkundensammlung auf technischen Hindernissen seitens des Betreibers, so besteht für den Notar erst dann die berufsrechtliche Pflicht, die Eintragung bzw. die Verwahrung vorzunehmen, wenn die technischen Hindernisse behoben sind.

5. Ergebnis
Für Zwecke des Vollzugs einer im Wege der Videokommunikation gegründeten GmbH genügt die Einreichung elektronisch beglaubigter Abschriften der elektronischen Urkunde i. S. d. § 45 Abs. 3 BeurkG. Die Erstellung einer elektronischen Urschrift ist lediglich Voraussetzung dafür, dass auch Ausfertigungen erteilt werden können, was im Rahmen der GmbH-Gründung regelmäßig nicht erforderlich ist. Etwas anderes kann gelten, wenn in der Gründungsurkunde Vollmachten enthalten sind, die für die Zwecke des § 172 BGB zwingend in Ausfertigung vorgelegt werden müssen.

Gutachten/Abruf-Nr:

193183

Erscheinungsdatum:

05.08.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Beurkundungsverfahren

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 113-116

Normen in Titel:

BeurkG § 16c; BeurkG § 45 Abs. 3; BeurkG § 16d; BeurkG § 16d; BeurkG § 16 Abs. d