02. Dezember 2022
EGBGB Art. 15; BGB § 1371; EUErbVO Art. 21

Polen: Gesetzliche Erbfolge nach polnischem Staatsangehörigen mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland; Problematik des § 1371 Abs. 1 BGB; Anpassung

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 175965
letzte Aktualisierung: 02. Dezember 2022

EuErbVO Art. 21; EGBGB Art. 15 a.F.; BGB § 1371
Polen: Gesetzliche Erbfolge nach polnischem Staatsangehörigen mit letztem gewöhnlichen
Aufenthalt in Deutschland; Problematik des § 1371 Abs. 1 BGB; Anpassung

I. Sachverhalt

Der Erblasser ist seit der Geburt ausschließlich polnischer Staatsangehöriger. Er ist im Oktober
2019 in Polen verstorben. Sein letzter gewöhnlicher Aufenthalt lag in Deutschland. Verfügungen
von Todes wegen hat der Erblasser keine hinterlassen. Die Ehefrau ist seit der Geburt ebenfalls
ausschließlich polnische Staatsangehörige. Die Ehe ist im Jahr 2011 in Polen geschlossen worden.
Einen Ehevertrag haben die Eheleute nicht abgeschlossen. Die Eheleute haben zwei gemeinsame
(minderjährige) Kinder. Einseitige Kinder hat keiner von Ihnen. Die Ehefrau möchte
nun einen gemeinschaftlichen Erbschein für sich und ihre Kinder beantragen.

II. Frage

Wer sind die gesetzlichen Erben und wie hoch sind deren Erbquoten?

III. Zur Rechtslage

1. Erbstatut

Das anzuwendende Erbrecht richtet sich aus deutscher ebenso wie aus polnischer Sicht
nach den Regeln der Europäischen Erbrechtsverordnung (Text auszugsweise abgedruckt bei
Grüneberg/Thorn, BGB, 81. Aufl. 2022, Anh. zu Art. 25 EGBGB). Danach ist als Erbstatut
das Recht des Staates berufen, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen
gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). Der gewöhnliche Aufenthalt
des Erblassers ist sein Daseinsmittelpunkt als Schwerpunkt seiner familiären, sozialen und
beruflichen Beziehen (s. nur EuGH NJW 2020, 2947 Rn 37 ff.; Grüneberg/Thorn, Art. 21
EuErbVO Rn. 5 f.; ausführlich Süß, in: ders., Erbrecht in Europa, 4. Aufl. 2020, § 2 Rn. 1
ff.). Vorliegend lag dieser letzte gewöhnliche Aufenthalt, obwohl der Erblasser in Polen verstorben
ist, in Deutschland. Somit ist das deutsche Erbstatut berufen.

Wegen der Geltung des deutschen Erbrechts erbt die überlebende Ehefrau gem. § 1931
Abs. 1 S. 1 BGB jedenfalls ¼ des Nachlasses. Die beiden Kind erben gem. § 1924 Abs. 1, 4
BGB zu gleichen Teilen. Fraglich ist aber weiterhin, ob im vorliegenden Fall §§ 1931 Abs. 3,
1371 Abs. 1 BGB zu einer weiteren Erhöhung der Erbquote der Ehefrau führen.

Kollisionsrechtlich hat sich der EuGH unlängst – anders als vormals der BGH zum deutschen
Recht (BGH DNotZ 2015, 624 ff.) – für eine erbrechtliche Qualifikation des § 1371
BGB entschieden (Urt. v. 1.3.2018, RS C-558/16 – Mahnkopf = DNotZ 2018, 785 ff.). Wie
gesehen, ist hier für die Erbfolge nach dem Erblasser deutsches Erbrecht anzuwenden, sodass
die kollisionsrechtliche Voraussetzung für die Anwendung des § 1371 Abs. 1 BGB erfüllt
ist.

2. Erhöhung der Ehegattenerbquote nach § 1371 Abs. 1 BGB: Tatbestandliche Voraussetzungen
Auf der Ebene des deutschen Sachrechts setzt § 1371 Abs. 1 BGB voraus, dass die Ehegatten
entweder im Güterstand der deutschen Zugewinngemeinschaft verheiratet waren,
oder – falls ein ausländischer Güterstand gelten sollte – das Tatbestandsmerkmal der „Zugewinngemeinschaft“
nach deutschem Recht ersatzweise auch durch das geltende ausländische
Güterrecht ausgefüllt werden kann.

Bei der zweiten Alternative handelt es sich einen Fall der Substitution, bei der es darauf
ankommt, ob und unter welchen Voraussetzungen ein normatives Tatbestandsmerkmal einer
inländischen Norm auch durch ein ausländisches Rechtsinstitut ausgefüllt werden kann.

Hierfür muss das in Betracht kommende ausländische Rechtsinstitut der deutschen Zugewinngemeinschaft
gleichwertig sein. Hierbei ist keine vollständige Kongruenz zu verlangen.

Genügen würde vielmehr eine funktionale Äquivalenz des ggf. geltenden ausländischen Güterstands
zur deutschen Zugewinngemeinschaft in den wesentlichen Grundzügen (allgemein
zu den Voraussetzungen der Substitution: BGH NJW 2015, 2185; MünchKommBGB/v.
Hein, 8. Aufl. 2020, Einl. zum IPR Rn. 247 ff.; Grüneberg/Thorn, Einl. vor Art. 3 EGBGB
Rn. 31).

Mithin ist zunächst das Ehegüterstatut der Eheleute zu ermitteln. Bei dieser Bestimmung
handelt es sich im Verhältnis zu der hier letztlich zu beantwortenden erbrechtlichen Fragestellung
systematisch um eine Vorfrage. Auch unter Geltung der Europäischen Erbrechtsverordnung
ist umstritten, ob derartige Vorfragen ausgehend von einer selbständigen Anknüpfung,
also nach den Kollisionsnormen der lex fori, mithin bei Beantwortung durch ein
deutsches Gericht ausgehend von den Kollisionsnormen des deutschen IPR zu beantworten
sind, oder ob Ausgangspunkt die sog. unselbständige Anknüpfung zu sein hat, wonach die
Prüfung bei den Kollisionsnormen der lex causae, also des Erbstatuts zu beginnen hätte. Die
Europäische Erbrechtsverordnung selbst enthält keine Regelung dieser Problematik. Auch
die Judikatur hat sich, speziell bezogen auf die Europäische Erbrechtsverordnung, zu dieser
Grundsatzfrage nach unserer Kenntnis bislang noch nicht geäußert. Das überwiegende
Schrifttum (s. nur die Erörterung bei Weber, in: Dutta/Weber, Internationales Erbrecht, 2.
Aufl. 2021, Einl. Rn. 96 ff.; MünchKommBGB/Dutta, 8. Aufl. 2020, Vorbem. zu Art. 20
EuErbVO Rn. 50 ff., je m. w. N.) befürwortet unter dem Regime der Europäischen Erbrechtsverordnung
eine unselbständige Anknüpfung auftretender Vorfragen nach der
lex causae. Dafür spricht der internationale Entscheidungseinklang. Das Ergebnis des
Rechtsstreits hängt in diesem Fall nicht davon ab, das Gericht welchen Staates über das
Verfahren entscheidet. Widersprüche im sog. internen Entscheidungseinklang sollen demgegenüber
im übergeordneten Interesse des unionsweiten Entscheidungseinklangs hinzunehmen
sein; ggf. muss also die lex fori aufgrund der befürworteten unselbständigen Anknüpfung
ein Rechtsverhältnis in einem Zusammenhang als wirksam und in einem anderen
wiederum als unwirksam behandeln.

Letztlich bedarf die angeschnittene Streitfrage hier aber keiner Entscheidung. Die lex fori ist
hier das deutsche Recht, da deutsche Nachlassgerichte über den Erbscheinsantrag entscheiden.

Lex causae, also das maßgebliche Erbstatut, ist im vorliegenden Fall gem. Art. 21 Abs. 1
EuErbVO ebenfalls das deutsche Recht. Mithin ist die Frage des anzuwendenden Ehegüterrechts
in jedem Falle ausgehend von den Kollisionsnormen des deutschen EGBGB zu beantworten.

Da die Eheschließung der Eheleute hier noch vor dem 29.1.2019 stattfand, gelten demgegenüber
noch nicht die Bestimmungen der Europäischen Güterrechtsverordnung (vgl.
Art. 69 Abs. 3, 1. Var. EuGüVO). Vielmehr sind gem. Art. 229 § 47 Abs. 1, 2 Nr. 2
EGBGB noch Art. 14, 15 EGBGB in der bis zum 28.1.2019 geltenden Fassung maßgeblich.
Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB a.F. stellt im Wege einer unwandelbaren, unveränderlich
auf den Zeitpunkt der Eheschließung abstellenden Anknüpfung (siehe hierzu nur
Palandt/Thorn, 78. Aufl. 2019, Art. 15 EGBGB Rn. 3 m. w. N.) in erster Linie auf die gemeinsame
Staatsangehörigkeit der Eheleute bei Eheschließung ab. Da die Eheleute hier beide
bei Eheschließung ausschließlich polnische Staatsangehörige waren, ist damit auf das
polnische Recht verwiesen. Es handelt sich um eine Gesamtverweisung (Art. 4 Abs. 1 S. 1
EGBGB), sodass zunächst das polnische IPR daraufhin zu prüfen ist, ob es die Verweisung
annimmt oder zurück- bzw. weiterverweist.

Aus polnischer Sicht ist hierfür das polnische Gesetz über das Internationale Privatrecht
vom 4.2.2011 entscheidend. Art. 51 Abs. 1 poln. IPRG knüpft – ebenso wie vormals Art. 15
Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB a.F. – in erster Linie an das gemeinsame Heimatrecht der
Eheleute an. Die objektive Anknüpfung des Ehegüterstatuts ist aus polnischer Sicht zwar
wandelbar, sodass eine Veränderung der Staatsangehörigkeit im Verlauf der Ehe zu einer
veränderten kollisionsrechtlichen Beurteilung geführt hätte (s. nur Margonski, in: Süß/Ring,
Eherecht in Europa, 4. Aufl. 2021, Länderbericht Polen, Rn. 52, 55). Dies wirkt sich im vorliegenden
Fall jedoch nicht aus, da die gemeinsame polnische Staatsangehörigkeit der Eheleute
nach dem Sachverhalt durchgehend bestand. Falls Art. 51 des poln. IPRG 2011 zum
Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht in Kraft gewesen sein sollte, wäre jedenfalls zu beachten,
dass Art. 80 poln. IPRG das Vorgängergesetz von 1965 außer Kraft setzt. Das neue
Gesetz erfasst damit also auch Altehen, die vor seinem Inkrafttreten geschlossen wurden.
Lediglich für bereits vorher abgeschlossene Eheverträge soll es weiter auf die alte Gesetzeslage
ankommen (Krzymuski, StAZ, 2012, 74). Damit ist hier für das Ehegüterstatut polnisches
Sachrecht berufen, da das polnische IPR die Verweisung annimmt.

3. Substitution der deutschen Zugewinngemeinschaft durch den polnischen gesetzlichen
Güterstand der gesetzlichen Gütergemeinschaft?

a) Allgemeine Charakterisierung des polnischen gesetzlichen Güterstandes

Gesetzlicher Güterstand ist in Polen die gesetzliche Gütergemeinschaft nach Art. 31 ff.
des poln. Familien- und Vormundschaftsgesetzbuches vom 25.2.1964 (s. hierzu Margonski,
Rn. 16 ff.; de Vries, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und
Kindschaftsrecht, Länderbericht Polen, Std.: 1.7.2021, S. 32 f.). In der gesetzlichen Gütergemeinschaft
polnischen Rechts sind drei Vermögensmassen zu unterscheiden: Das
gemeinschaftliche Vermögen beider Ehegatten sowie das Sondervermögen eines jeden
Ehegatten. Grundsätzlich werden Vermögensgegenstände während der Dauer der Gütergemeinschaft
zum gemeinschaftlichen Vermögen der Eheleute erworben (Margonski,
Rn. 18), es sei denn, es greift die gesetzliche Zuweisung zum Sondervermögen
des betreffenden Ehegatten nach Art. 33 poln. FVGB ein. Zum Sondervermögen eines
jeden Ehegatten zählt hiernach insbesondere voreheliches Vermögen, weiterhin mangels
anderweitiger Bestimmung des Zuwendenden durch Erbschaft, Vermächtnis der
Schenkung erworbenes Vermögen, außerdem Vermögensgegenstände, die ausschließlich
der Befriedigung der persönlichen Bedürfnissen eines Ehegatten dienen sowie
Vermögensgegenstände, die im Austausch für Bestandteile des persönlichen Vermögens
erworben wurden (s. im Einzelnen Margonski, Rn. 25). Am Gemeinschaftsvermögen
haben grundsätzlich beide Ehegatten gleiche Anteile (Art. 43 § 1
FVGB). Auf Antrag eines jeden Ehegatten kann das Gericht die Anteile an dem Gemeinschaftsvermögen
abweichend und unter Berücksichtigung des Beitrages bestimmen,
den ein jeder der Ehegatten zur Bildung des Gemeinschaftsvermögens geleistet
hat (Art. 43 § 2 FVGB). Dazu ist auch der persönliche Arbeitsaufwand bei der Erziehung
der Kinder oder im gemeinsamen Haushalt zu berücksichtigen (zum Ganzen
Maragonski, Rn. 93 ff.). Art. 45 FVGB enthält besondere Regelungen zum Ausgleich
von Vermögensverschiebungen zwischen dem gemeinschaftlichen Vermögen und dem
Sondervermögen der Eheleute.

Zur Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft nach deren Beendigung enthält das
poln. FVGB keine weiteren ausführlichen Bestimmungen. Art. 46 FVGB verweist im
Übrigen subsidiär auf die Regelungen über die Nachlassteilung nach Art. 1035 ff. poln.
ZGB (Maragonski, Rn. 95; de Vries, S. 33). Art. 1035 poln. ZGB verweist weiter auf die
Vorschriften über das Miteigentum nach Bruchteilen, also die Art. 210-221 poln. ZGB.
Augenfällig ist jedenfalls, dass es im Rahmen der Gütergemeinschaft polnischen Rechts
– anders als bei der deutschen Zugewinngemeinschaft – schon während des Bestehens
der Ehe zu einer teilweisen dinglichen Vergemeinschaftung von Vermögen kommt.

Soweit ersichtlich sind auch für den Fall der Eheauflösung durch Tod bei der Auseinandersetzung
wirtschaftlich die Regelungen in Art. 43 § 1 FVGB über die hier hälftige
Beteiligung des erstversterbenden und des überlebenden Ehegatten am gemeinschaftlichen
Vermögen leitend. Auf der Grundlage dieser und der weiter genannten Regelungen
hat die güterrechtliche Auseinandersetzung zu erfolgen.

b) Voraussetzungen der Substitution

Fraglich ist nun, ob der eben skizzierte Güterstand der gesetzlichen Gütergemeinschaft
polnischen Rechts geeignet ist, im Wege der Substitution das Tatbestandsmerkmal der
„Zugewinngemeinschaft“ gem. § 1371 Abs. 1 BGB zu erfüllen. Zu dieser im vorliegenden
Zusammenhang neu aufgeworfenen Substitutionsfrage hat sich die Rechtsprechung
hinsichtlich des polnischen gesetzlichen Güterstandes nach unserer Kenntnis
bislang noch nicht geäußert (s. aber zur Errungenschaftsgemeinschaft chinesischen
Rechts verneinend: OLG Frankfurt a. M. DNotI-Report 2021, 6 = FamRZ 2021, 234).
In der Literatur existiert im Allgemeinen ein recht breites Meinungsspektrum darüber,
wann die Substitutionsvoraussetzungen erfüllt seien, freilich ohne dass sich dies letztlich
immerhin unterschieden bei der Rechtsanwendung im Ergebnis fortsetzen würde.
Beispielhaft seien genannt: J. Weber (NJW 2018, 1356, 1357) vertritt die Auffassung, bei
der Geltung deutschen Erbrechts und ausländischen Ehegüterrechts komme eine Substitution
im Rahmen des § 1371 Abs. 1 BGB nur in Betracht, wenn das geltende ausländische
Güterrecht zur Abwicklung des danach bestimmten Güterstandes eine Erbteilserhöhung
vorsehe. Nur dann sei der ausländische Güterstand seiner Funktion nach
mit der Zugewinngemeinschaft im Kontext des § 1371 Abs. 1 BGB vergleichbar. Fornasier
(FamRZ 2018, 635) will die Erhöhung nach § 1371 Abs. 1 BGB davon abhängig
machen, dass die sich aus dem ausländischen Güterstatut ergebende Ehegattenerbquote
ausschließlich eine erbrechtliche Funktion erfülle. Die Erhöhung gem. § 1371 Abs. 1
BGB bei Geltung deutschen Erbstatuts sei daher ausgeschlossen, während die vom ausländischen
Erbrecht vorgesehene Ehegattenerbquote zugleich dem güterrechtlichen
Vermögensausgleich diene. Süß (DNotZ 2018, 747, 752) nimmt zwei Voraussetzungen
für die Gleichwertigkeit des ausländischen Güterstandes an: Das ausländische Güterrecht
müsse für den Fall der Auflösung der Ehe unter Lebenden einen – wie auch immer
gearteten – Ausgleich der während der Ehe erzielten Vermögenszuwächse vorsehen.

Im Rahmen der Beendigung der Ehe durch Tod eines der Ehegatten müsse diese
Form des Ausgleichs ausgeschlossen sein. Dörner (ZEV 2018, 305, 307 f.) hält eine Erhöhung
des Ehegattenerbteils gem. § 1371 Abs. 1 BGB bei Geltung ausländischen
Ehegüterrechts von der Rechtsfolge her prinzipiell für ausgeschlossen, da hierfür das
ausländische Ehegüterrecht zumindest konkludent die Bereitschaft zum Ausdruck bringen
müsse, die durch ein parallel anwendbares ausländisches Erbstatut getroffenen pauschalen
Erbzuweisungen anstelle der eigenen güterrechtlichen Regelungen zu übernehmen,
also den eigenen güterrechtlichen Ausgleich zur Disposition zu stellen. Diese Voraussetzung
sei aber nie erweisbar, da ausländische Güterrechte regelmäßig ihren eigenen
Ausgleich durchsetzen wollten. In demselben, eine Substitution a priori abweisenden
Sinn ließe sich auch annehmen, dass § 1371 Abs. 1 BGB seine Anwendbarkeit von
vornherein auf die Institutionen des deutschen Rechts beschränkt.

Selbst abgesehen von der zuletzt genannten eindeutigen Position Dörners, dürften auch
die anderen referierten Ansichten hier zur Verneinung der Substitutionsvoraussetzungen
hinsichtlich des polnischen gesetzlichen Güterstandes gelangen. Der polnische
gesetzliche Güterstand sieht zu seiner Abwicklung keine Erbteilserhöhung vor. Auch
die genannte Ansicht von Fornasier (FamRZ 2018, 635) will in jedem Falle eine doppelte
Begünstigung des überlebenden Ehegatten sowohl auf güterrechtlichem als auch in
Anwendung des § 1371 Abs. 1 BGB auf erbrechtlichem Wege vermeiden. Da die Geltung
deutschen Erbstatuts den güterrechtlichen Ausgleich nach dem zur Anwendung
berufenen ausländischen (hier: polnischen) Ehegüterrecht nicht ausschließen kann,
muss auch nach seiner Ansicht die Erhöhung hier ausscheiden, weil sonst ein kumulierter
Ausgleich durchgeführt werden würde. Auch nach der Ansicht von Süß dürften hier
die Substitutionsvoraussetzungen zu verneinen sein: Der polnische gesetzliche Güterstand
kennt nämlich einen güterrechtlichen Ausgleich nicht nur für den Fall der Eheauflösung
unter Lebenden durch Scheidung, sondern auch für den Fall der Beendigung
der Ehe durch Tod eines der Ehegatten.

c) Zwischenergebnis

Vorbehaltlich einer Korrektur durch Anpassung (dazu unter Ziff. 4) wäre hier also davon
auszugehen, dass § 1371 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall nicht zu einer Erbteilserhöhung
zugunsten der überlebenden Ehefrau führt. Dann würde es dabei bewenden,
dass die überlebende Ehefrau gem. § 1931 Abs. 1 S. 1 BGB zu ¼ erbt, die
beiden Kinder gem. § 1924 Abs. 1, 4 BGB zu jeweils 3/8.

4. Korrektur der Erbquoten durch Anpassung?

Das Problem der Anpassung bzw. Angleichung tritt im IPR auf, wenn und weil wegen
der jeweils verwendeten unterschiedlichen Anknüpfungspunkte in den einschlägigen Kollisionsnormen
oft mehrere Rechtsordnungen nebeneinander zur Anwendung für einen einheitlichen
Lebenssachverhalt berufen werden, die inhaltlich nicht aufeinander abgestimmt
sind und auch im konkreten Fall zu Friktionen in der rechtlichen Gesamtbeurteilung führen.

Anlass für eine Anpassung wird nach überkommener Meinung zum deutschen IPR im vorliegenden
Sachzusammenhang insbesondere dann gesehen, wenn ein Ehegatte aufgrund der
gesonderten Anknüpfung von Erb- und Ehegüterstatut im Ergebnis eine geringere oder eine
höhere Nachlassbeteiligung erhält, als er sie bei einer gemeinsamen Anknüpfung nach
jeder der beteiligten Rechtsordnungen hätte. Die dann notwendige Harmonisierung kann
prinzipiell entweder durch Anpassung der Kollisionsnormen (Einschränkung und Erweiterung
des Verweisungsumfangs) oder der Sachnormen unter Berücksichtigung der Interessenlage
erreicht werden (s. hierzu Grüneberg/Thorn, Einl. vor Art. 3 EGBGB Rn. 32; Weber,
in: Dutta/Weber, Einl. Rn. 105 ff., 109; MünchKommBGB/Dutta, Vorbem. zu Art. 20
EuErbVO Rn. 58 ff.). Die EuErbVO hält in Erwägungsgrund 17 den Weg zu einer Anpassung
nach den herkömmlichen Methoden des jeweiligen nationalen Rechts ausdrücklich
offen: Neben der Anpassung unbekannter dinglicher Rechte sollen andere Formen der Anpassung
im Zusammenhang mit der Anwendung der Europäischen Erbrechtsverordnung
nicht ausgeschlossen sein. Methodisch ist dabei die Anpassung der Sachnormen regelmäßig
schonender; die kollisionsrechtliche Anpassung setzt sich demgegenüber vielfach über zuvor
bereits – im vorliegenden Fall gar unionsrechtlich – getroffene Qualifikationsentscheidungen
hinweg (s. die Problemdiskussion bei Dutta, in: MünchKommBGB/Dutta, Vorbem.
zu Art. 20 EuErbVO Rn 60 f.).

Speziell zur hier vorgelegten Fallkonstellation haben sich soweit ersichtlich bislang weder
die Rechtsprechung noch die Literatur geäußert. Es dürfte aber keine Anpassungssituation
gegeben sein: Da die Eheleute vorliegend im Güterstand der (polnischen) gesetzlichen
Gütergemeinschaft verheiratet sind, muss u. E. Vergleichsmaßstab für die Prüfung bei
unterstellter Geltung ausschließlich deutschen Rechts ebenfalls der Güterstand der (deutschen)
Gütergemeinschaft nach §§ 1415 ff, 1471 ff. BGB sein, nicht derjenige der Zugewinngemeinschaft
deutschen Rechts. Würde aber für die Eheleute der Güterstand der deutschen
Gütergemeinschaft kombiniert mit ebenfalls deutschem Erbrecht gelten, so erhielte
die überlebende Ehefrau nach Durchführung der Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft
gem. §§ 1471 ff. BGB aus dem Nachlassbestand des Ehemannes nach Auseinandersetzung
(s. § 1482 BGB) ebenfalls nur eine Erbquote von einem Viertel nach § 1931 Abs. 1
S. 1 BGB, ohne dass es zu einer Erbteilserhöhung käme. Daher ist im vorliegenden Fall
keine durch die kollisionsrechtliche Spaltung von Ehegüter- und Erbstatut bedingte „zu
niedrige“ Vermögensbeteiligung der überlebenden Ehefrau gegeben. Dass sie bei Geltung
ausschließlich polnischen Rechts wegen der dortigen Erbquote von 1/3 möglicherweise –
nämlich falls die Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft polnischen Rechts nach dortigen
Regeln in etwa zum selben wirtschaftlichen Ergebnis führen würde wie die Auseinandersetzung
einer Gütergemeinschaft nach deutschen Regeln – noch etwas besser dastünde,
ist für sich genommen noch kein hinreichender Anlass zu einer Ergebniskorrektur zugunsten
der Ehefrau durch Anpassung. Eine konkrete Vergleichsberechnung, zu welchem
wertmäßigen Ergebnis eine Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft bei unterstellter
Geltung deutschen Rechts hierfür führen würde, ist nicht angezeigt. Die andernfalls eintretende
Verkomplizierung der Rechtsanwendung geht über die der Anpassung als Aufgabe
zufallende pauschale Stimmigkeitskontrolle hinaus (in diesem Sinn auch Weber, DNotZ
2016, 424, 438; dagegen wiederum Dutta, FamRZ 2015, 1238, 1239 f.). Es bleibt nach hier
vertretener Auffassung somit bei der unter Ziff. 3 c) zusammengefassten erbrechtlichen
Beurteilung.

Gutachten/Abruf-Nr:

175965

Erscheinungsdatum:

02.12.2022

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

EGBGB Art. 15; BGB § 1371; EUErbVO Art. 21