Eingetragener Verein; Beschlussfassung im Rahmen einer sog. Doodle-Umfrage; Anforderungen an Textform
BGB §§ 32 Abs. 2, 126b;
Eingetragener Verein; Beschlussfassung im Rahmen einer sog. Doodle-Umfrage; Anforderungen an Textform
I. Sachverhalt
Ein eingetragener Verein kann wegen der Corona-Pandemie aktuell keine Mitgliederversammlung abhalten. Die anstehenden Beschlüsse sollen daher gem. § 5 Abs. 3 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (BGBl. I 2020, S. 570, dort Art. 2; im Folgenden kurz: MaßnG-GesR) gefasst werden. Konkret ist geplant, die Beschlüsse über die Internet-Plattform „Doodle“ abzuwickeln.
„Doodle“ ist eine Internetseite, auf der die Benutzer Umfragen und Abstimmungen einrichten und die Teilnehmer dazu per E-Mail einladen können. Dafür wird den Teilnehmern ein Link zu einer Internetseite bereitgestellt, auf der diese ihre Stimmen unter Nennung ihres Namens abgeben können. Die Identität der Teilnehmer wird nicht überprüft. Es können aber nur diejenigen ihre Stimme abgegeben, denen der Einladungslink bekannt ist. Das Ergebnis der Umfrage lässt sich auf der Internetseite unter dem bereitgestellten Link dauerhaft abrufen. Der Initiator (= Administrator der jeweiligen Umfrage) kann die Abstimmungsmodalitäten festlegen. Je nachdem, ob eine kostenlose Basisversion oder eine kostenpflichtige Version verwendet wird, stehen verschiedene Einstellungsmöglichkeiten zur Verfügung (Stimmen veränderbar, Abstimmungsfristen, „versteckte Umfrage“, anonyme Abstimmung etc.). Unter anderem lässt sich bestimmen, dass nur die eigene Stimme sichtbar ist und dass die Stimme nur unter bestimmten Voraussetzungen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt geändert werden kann. Ab dem festgelegten Zeitpunkt ist die eigene Stimme unveränderlich.
II. Frage
Genügt diese Art der Abstimmung den Anforderungen des
III. Zur Rechtslage
1. Modifikation des
Gem.
2. Anforderungen an die Textform i. S. d.
a) Dauerhafter Datenträger
Gem.
Die Frage, ob eine sog. Doodle-Umfrage (oder eine sonstige „Abstimmungswebsite“) den genannten Anforderungen genügt, haben wir nicht unmittelbar erörtert gefunden. Auch sind uns die technischen Hintergründe des Ablaufs und der Speicherung der Umfrageergebnisse nicht vollumfänglich bekannt. Geht man – wie im Sachverhalt – davon aus, dass die Ergebnisse dauerhaft gespeichert und jedenfalls dem Administrator der Umfrage dauerhaft zugänglich sind, so wird letztlich vom Initiator eine Plattform bei einem Drittanbieter bereitgestellt, auf der die einzelnen Vereinsmitglieder ihre Stimme dauerhaft „hinterlegen“ können. Im Hinblick auf die Mindestanforderungen der Textform ist jedenfalls auf einen Abstimmungsmodus zu achten, in dem die Stimmen nicht von anderen Benutzern oder noch nach Abstimmungsende vom Abstimmenden selbst geändert werden können.
b) Zugang der Erklärung
Erforderlich ist zudem der formgerechte Zugang der Erklärung i. S. d.
Die Erklärung muss dem Empfänger dabei dauerhaft und unveränderlich zur Verfügung stehen (BeckOK-BGB/Wendtland, Std.: 1.5.2020, § 126b Rn. 9). Inwieweit dieses Merkmal bei einer sog. Doodle-Umfrage erfüllt ist, vermögen wir nicht abschließend zu beurteilen. Es erscheint uns jedoch naheliegend, dass man über entsprechende Einstellungen – jedenfalls ab einem bestimmten Zeitpunkt – eine Bearbeitung der Erklärung durch den Erklärenden verhindern kann.
Für das gewählte Verfahren spricht zudem, dass letztlich auch Erklärungen, die über die Doodle-Website an den Initiator gerichtet werden, dauerhaft auf einer Festplatte gespeichert sind – wenngleich nicht auf der Festplatte des Empfängers. Der Empfänger kann jedoch über den Link dauerhaft auf diese Erklärung zugreifen. Ein Erfordernis, dass der Empfänger selbst „Herr über das Speichermedium“ sein muss, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.
c) Lesbarkeit der Erklärung / Person des Erklärenden
Die Erklärung muss schließlich lesbar sein und die Person des Erklärenden erkennen lassen, wobei genügt, dass die elektronische Erklärung über ein Anzeigeprogramm lesbar ist (Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl. 2020, § 126b Rn. 3). Der Wahrung der Textform dürfte also nicht entgegenstehen, dass die einzelnen Stimmen als Code der Website für den Empfänger nur insofern lesbar sind, als die Website die „Übersetzung“ des Quellcodes für den Empfänger übernimmt.
Darüber hinaus muss die Person des Erklärenden genannt werden (Palandt/Ellenberger, § 126b Rn. 4; MünchKommBGB/Einsele, § 126b Rn. 7). Ausreichend dürfte sein, dass die Mitglieder im Abstimmungsfeld ihren Namen angeben, soweit dieser dann auch für den Empfänger (Initiator der Anfrage) lesbar ist. Eine irgendwie geartete Identifizierung des Erklärenden ist gerade nicht erforderlich (vgl. lit. a).
d) Abschluss der Erklärung
Einen „Abschluss der Erklärung“ verlangt die Neufassung des
Bei der Stimmabgabe im Rahmen einer sog. Doodle-Umfrage gibt es regelmäßig überhaupt nur die Option, seinen Namen einzugeben und mit „Ja“ oder „Nein“ zu stimmen. Für den Empfänger ist also ohne Weiteres ersichtlich, wo die Erklärung beginnt und endet. Abgrenzungsschwierigkeiten zu einem bloßen Entwurf dürften sich hier von vornherein nicht einstellen. Die Erklärung ist vielmehr ihrer Natur nach mit dem Abschicken der Stimme vollständig und „abgeschlossen“. Nach dem Normzweck wird man dieses Erfordernis deshalb vorliegend als erfüllt ansehen können.
3. Fazit
Im Ergebnis würden wir davon ausgehen, dass bei entsprechender Gestaltung des Verfahrens auch die Abstimmung mittels einer sog. Doodle-Umfrage den Anforderungen der Textform genügen kann. Voraussetzung dafür ist, dass die Ergebnisse – jedenfalls ab einem bestimmten Zeitpunkt (dem „Abstimmungsende“) – unveränderlich auf der vom Administrator eingerichteten Abstimmungsseite gespeichert werden.
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Erscheinungsdatum:17.06.2020
RechtsbezugNational
Erschienen in: Normen in Titel:BGB § 126b; BGB § 32 Abs. 2; MaßnG-GesR § 5 Abs. 3