21. Februar 2020
BGB § 1772 Abs. 1; BGB § 1741 Abs. 2

Adoption einer Volljährigen mit den Wirkungen der Minderjährigenannahme; Zulässigkeit der Stiefkindadoption nach Geschlechtsumwandlung des Ehemanns

BGB §§ 1772 Abs. 1 S. 1 lit. c, 1741 Abs. 2 S. 3; TSG § 8
Adoption einer Volljährigen mit den Wirkungen der Minderjährigenannahme; Zulässigkeit der Stiefkindadoption nach Geschlechtsumwandlung des Ehemanns

I. Sachverhalt
Herr NN wurde als dem männlichen Geschlecht zugehörig angesehen und trug den Vornamen B. Im März 2009 heiratete er Frau C NN.

Am 27.1.2017 beschloss das Amtsgericht auf der Grundlage des Transsexuellengesetzes (TSG), dass B NN fortan den Vornamen A trägt und als dem weiblichen Geschlecht zugehörig anzusehen ist.

Nunmehr möchte die kinderlose A NN die (nichteheliche) volljährige Tochter ihrer Ehefrau C NN als Kind annehmen, und zwar mit den Wirkungen der Minderjährigenannahme (§ 1772 Abs. 1 S. 1 lit. c BGB). Die Ehefrau würde dem zustimmen.

II. Frage
Ist die Annahme als Kind – wie gewünscht – möglich?

III. Zur Rechtslage
1. Volljährigenadoption nach § 1772 BGB
Im vorliegenden Fall soll eine Volljährigenadoption mit den Wirkungen einer Minderjährigenadoption i. S. v. § 1772 BGB beantragt werden. Diese Adoption zeitigt starke Wirkungen, d. h., es handelt sich um eine Volladoption, die den Angenommenen vollständig aus den bisherigen verwandtschaftlichen Beziehungen herauslöst und vollständig in die neue Verwandtschaft eingliedert (vgl. §§ 1754 Abs. 1, 1755 Abs. 1 S. 1 BGB). Bei der Stiefkindadoption beschränkt sich das Erlöschen der verwandtschaftlichen Beziehungen allerdings auf den anderen Elternteil und dessen Verwandte (vgl. § 1755 Abs. 2 BGB). Infolge der Volladoption würden daher gem. § 1755 Abs. 1 S. 1 BGB die Verwandtschaftsbeziehungen der Angenommenen zu ihrem leiblichen Vater und zu dessen Verwandten erlöschen.

Bei Volljährigen bedarf es zwar nicht der Einwilligung der leiblichen Eltern (hier: des leiblichen Vaters) in die Adoption. Im Falle des § 1772 BGB müssen aber die Interessen der leiblichen Eltern Berücksichtigung finden (§ 1772 Abs. 1 S. 2 BGB). Dies gilt insbesondere für deren unterhaltsrechtliche Interessen. In dem Adoptionsverfahren, das auf Ausspruch einer Volljährigenadoption mit starken Wirkungen gerichtet ist, sind daher die leiblichen Eltern zwingend anzuhören (vgl. §§ 192 Abs. 2, 188 FamFG).

2. Voraussetzungen der Stiefkindadoption
Für die Voraussetzungen der Volljährigenadoption gelten grund­sätzlich die Bestimmungen der Minderjährigenadoption entsprechend (vgl. § 1767 Abs. 2 S. 1 BGB), namentlich im Hinblick auf die Adoptionsbeteiligten. Verheiratete Personen können daher grundsätzlich nur gemeinsam mit dem Ehegatten adoptieren (§ 1741 Abs. 2 S. 2 BGB). Die Einzelannahme durch eine verheiratete Person kommt nur in Betracht bei der Annahme des Kindes des Ehegatten (Stiefkindadoption, § 1741 Abs. 2 S. 3 BGB) oder in dem Fall, dass der Ehegatte kein Kind adoptieren kann (vgl. § 1741 Abs. 2 S. 4 BGB).
Im konkreten Fall stellt sich die Frage, ob die Voraussetzungen der Stiefkindannahme erfüllt sind. Dies ist zu bejahen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem rechtlichen Elternteil des Kindes eine wirksame Ehe besteht (vgl. BeckOGK-BGB/Löhnig, Std.: 1.5.2019, § 1741 Rn. 81; MünchKommBGB/Maurer, 8. Aufl. 2020, § 1741 Rn. 23). Dabei spielt es für die Zulässigkeit der Stiefkindadoption keine Rolle, ob es sich um ein eheliches, nichteheliches oder adoptiertes Kind handelt und ob der Ehegatte alleiniger Inhaber der elterlichen Sorge ist (MünchKommBGB/Maurer, § 1741 Rn. 23).

Nach dem Sachverhalt haben die Beteiligten miteinander im Jahr 2009 die Ehe geschlossen. Fraglich könnte nur sein, inwieweit die zwischenzeitliche Geschlechtsumwandlung des Ehemanns in eine Frau daran etwas geändert hat. Mit der Einführung der „Ehe für alle“ zum 1.10.2017 (Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts v. 20.6.2017, BGBl. I, S. 2787) ist die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten nicht mehr Wesensmerkmal der Ehe. Da auch ein gleichgeschlechtliches Paar nunmehr die Möglichkeit hat, eine Ehe zu schließen, wirkt sich eine Geschlechtsumwandlung während bestehender Ehe (oder eingetragener Lebenspartnerschaft) nicht auf den Bestand der Ehe aus.

Fraglich könnte dies nur dann sein, wenn die Ehe – wie im vorliegenden Fall – vor dem 1.10.2017 geschlossen worden und auch die Geschlechtsumwandlung vor diesem Stichtag erfolgt ist. Nach Ansicht der Literatur gelten in solchen Fällen (mangels gesetzlicher Regelung) die Grundsätze, die das BVerfG in seiner Entscheidung vom 27.5.2008 (BVerfGE 121, 175 = NJW 2008, 3117) entwickelt hat. Danach lassen die rechtliche Anerkennung des Geschlechtswechsels gem. § 8 TSG und die daraus folgende faktische Gleichgeschlechtlichkeit der Partner den Bestand der Ehe unberührt, wenn beide Ehegatten an ihrer Ehe festhalten wollen (vgl. auch MünchKommBGB/Wellenhofer, 9. Aufl. 2019, Vor § 1303 BGB Rn. 17). Nach der Ge­schlechtsumwandlung würde die Ehe zwar tatsächlich und nach ihrem äußeren Erscheinungsbild von gleichgeschlechtlichen Partnern geführt. Sie sei aber weiterhin eine dauerhafte Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft zweier Ehegatten, die als solche vom grundrechtlichen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG nicht ausgenommen sei (NJW 2008, 3117 Tz. 59).

Im vorliegenden Fall dürfte ohne Weiteres davon auszugehen sein, dass die Ehe der Beteiligten Fortbestand hatte, sodass Frau A NN nunmehr auch ein Stiefkind wie gewünscht adoptieren kann.

Gutachten/Abruf-Nr:

174107

Erscheinungsdatum:

21.02.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Abstammung (incl. künstliche Befruchtung), Adoption

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 26-27

Normen in Titel:

BGB § 1772 Abs. 1; BGB § 1741 Abs. 2