22. Dezember 2022
WEG § 12

Rückwirkende Verwalterbestellung; Zustimmung des Verwalters zur Veräußerung einer Wohnungseigentumseinheit

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 193990
letzte Aktualisierung: 22. Dezember 2022

WEG § 12
Rückwirkende Verwalterbestellung; Zustimmung des Verwalters zur Veräußerung einer
Wohnungseigentumseinheit

I. Sachverhalt

Der Verwaltervertrag einer WEG ist zum 31.12.2018 abgelaufen. Im April 2020 erfolgt eine Wiederbestellung
des Verwalters „rückwirkend zum 1.1.2019“ für weitere fünf Jahre bis zum
31.12.2023. 2022 wird eine Wohnung veräußert. Das Grundbuchamt hält den Nachweis der Verwaltereigenschaft
für das Jahr 2022 nicht geführt, weil die Bestellung insgesamt „nichtig“ sei.

II. Fragen

1. Gibt es Rechtsprechung oder Literatur zur Frage, ob eine nur teilweise rückwirkend beschlossene
Verwalterbestellung jedenfalls für den zukünftigen Zeitraum der Bestellung wirksam sein
kann (ggf. im Wege der Auslegung)?

2. Kann durch einen Bestätigungsbeschluss für den noch verbleibenden Zeitraum die Genehmigung
des Kaufvertrages erfolgen?

III. Zur Rechtslage

1. Erfordernis der Verwalterzustimmung

Wurde gem. § 12 Abs. 1 WEG als Inhalt des Sondereigentums vereinbart, dass die Veräußerung
zur Wirksamkeit der Zustimmung des Verwalters bedarf, sind die Veräußerung sowie
der schuldrechtliche Vertrag hierüber bis zur Erteilung der Zustimmung schwebend unwirksam,
§ 12 Abs. 3 S. 1 WEG.

Da die Zustimmung nur durch den wirksam bestellten Verwalter erteilt werden kann, ist im
geschilderten Sachverhalt maßgeblich, ob eine wirksame Verwalterbestellung vorliegt. Zu unterscheiden
sind hierbei der Zeitraum vor dem eigentlichen Bestellungsbeschluss im April
2020, für den eine rückwirkende Bestellung erfolgen sollte, und der Zeitraum ab dem Bestellungsbeschluss.
Da die Veräußerung der Wohnung und die hierzu erteilte Zustimmung des
Verwalters nach dem geschilderten Sachverhalt hier im Jahre 2022 und damit nach dem Bestellungsbeschluss
erfolgten, ist letztlich nur entscheidend, dass zu diesem Zeitpunkt der zustimmende
Verwalter wirksam als solcher bestellt war. Denn es ist allgemein anerkannt, dass
die Berechtigung des Verwalters im Zeitpunkt der Abgabe der Zustimmungserklärung gem.
§ 12 WEG vorliegen muss und nicht etwa schon bei Abschluss des Kaufvertrages (BeckOKWEG/
Hogenschurz, Std.: 1.7.2022, § 12 Rn. 44).

2. Wirksamkeit der Verwalterbestellung; rückwirkende Bestellung

a) Rückwirkende Bestellung?

Soweit Stellungnahmen zu der Frage vorhanden sind, wird die Möglichkeit einer rückwirkenden
Verwalterbestellung verneint (so BeckOK-WEG/Hogenschurz, § 12 Rn. 44).

Zu diesem Ergebnis gelangte auch das OLG Hamm in einer Entscheidung aus dem Jahre
1995 (OLG Hamm WE 1996, 33). In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt
ging es u. a. um die Frage der wirksamen Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung.
Dabei war ein Verwalter mit Beschluss vom 21.7.1993 für die Zeit
vom 1.1.1993 bis 31.12.1994 bestellt worden. Dazu führte das OLG Hamm Folgendes
aus:

„Voraussetzung für sein Einberufungsrecht ist, daß er zum Zeitpunkt
der Einberufung der WEer-Vers. wirksam zum Verw. bestellt
ist. Daran fehlt es hier, weil die Bet. erst durch den Beschl.
der WEer-Vers. vom 21.7.1993 als Verw. neu bestellt worden ist.

Daran ändert nichts, daß die Verwalterbestellung rückwirkend zum
1.1.1993 erfolgt ist. Durch diese Art der Beschlußfassung konnte
der Bet. … nicht rückwirkend die Verwaltereigenschaft im Sinne
des WEG verschafft werden. Denn die Verwalterbestellung durch
die WEer-Vers. im Sinne des § 26 WEG kann jeweils nur mit Wirkung
für die Zukunft erfolgen. Mit Rückwirkung geregelt werden
kann ausschließlich das schuldrechtliche Rechtsverhältnis zwischen
der Verw. und den WEern in dem Sinne, daß die WEer eine
in der Vergangenheit tatsächlich ausgeübte Verwaltertätigkeit billigen
und der Verw. für ihre zurückliegende Geschäftsbesorgung
eine Vergütung zusagen.“

(OLG Hamm WE 1996, 33, 35 = BeckRS 1995, 31008418)

Dies zugrunde gelegt, dürfte eine rückwirkende Bestellung auch im vorliegenden Fall
ausscheiden. Die restriktive Ansicht des OLG Hamm erscheint insofern überzeugend,
als der Vergleichsfall der Bevollmächtigung eines Dritten zeigt, dass auch hier bei fehlender
Vertretungsmacht im Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Gesetz einen Ausweg
dadurch vorsieht, dass dem Vertretenen die Möglichkeit gegeben wird, die Erklärungen
des Vertreters nachträglich zu genehmigen (§ 177 Abs. 1 BGB). Dagegen sieht das Gesetz
auch bei der Bevollmächtigung eine rückwirkende Vollmachtserteilung nicht vor.

Vielmehr wird das Fehlen der Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts
– wie gerade ausgeführt – durch die Möglichkeit der Genehmigung kompensiert.
Nach dem Gesagten kann im geschilderten Sachverhalt damit von einer wirksamen Verwalterbestellung
allenfalls ab dem Tag der Eigentümerversammlung, in der der aktuelle
Verwalter „rückwirkend“ bestellt wurde, ausgegangen werden. Ob in dem Bestellungsbeschluss
vom April 2020 angesichts der Unwirksamkeit der rückwirkenden Bestellung
auch eine Bestellung nur für die Zukunft zu sehen ist, ist eine Frage der Auslegung des
Bestellungsbeschlusses. Diese hängt vom maßgeblichen Willen der beschließenden Woh-
nungseigentümer und allen Umständen des Einzelfalls ab. Literatur oder Rechtsprechung,
die sich mit exakt einer solchen Konstellation auseinandersetzen, sind soweit
ersichtlich nicht vorhanden. Es erscheint jedoch nahezu zwingend, den Beschluss der
Eigentümer so zu verstehen, dass der Verwalter zumindest auch für die Zukunft bestellt
werden sollte. Denn zwar ist die rückwirkende Bestellung unzulässig, eine Bestellung für
die Zukunft ist aber gleichwohl möglich und von den Eigentümern gewollt. Der Wille
der Eigentümer kommt durch die Angabe des Endes der Amtszeit des Verwalters klar
zum Ausdruck. Die Eigentümer streben in der Regel auch keine Verwalterlosigkeit an,
das haben sie bereits durch die Bestellung zum Ausdruck gebracht. Dass sie eine Verwalterlosigkeit
für die Zukunft in Kauf nehmen würden, nur weil es für einen in der
Vergangenheit liegenden Zeitraum an einer wirksamen Bestellung fehlte, erscheint fernliegend.
Demnach dürfte daher der Bestellungsbeschluss vom April 2020 dazu führen,
dass der Verwalter jedenfalls ab diesem Zeitpunkt wirksam bis zum Ende der im
Beschluss genannten Amtsdauer bestellt wurde.

Da die Zustimmung des Verwalters vorliegend in dem Zeitraum erteilt worden ist, der
nach dem Bestellungsbeschluss liegt, dürfte diese Zustimmung wirksam sein. Dem dürfte
auch nicht die Einladung durch einen Nichtverwalter entgegenstehen (s. sogleich).

b) Wirksamkeit der Verwalterbestellung im vorliegenden Fall
Fraglich ist, ob die Verwalterbestellung in der Eigentümerversammlung im April 2020
aus anderen Gründen unwirksam ist. An der Wirksamkeit könnten Zweifel bestehen, weil
der Verwalter, der gem. § 24 Abs. 1 WEG zu dieser Versammlung eingeladen hat, im
Zeitpunkt der Einladung nicht Verwalter war und dies nach dem Gesagten auch nicht
durch rückwirkende Bestellung werden konnte. Zu der Einladung zu einer Eigentümerversammlung
ist nur der bestellte Verwalter befugt (vgl. BeckOGKWEG/
Hermann, Std.: 1.6.2022, § 24 Rn. 35). Beruft ein Nichtberechtigter eine Versammlung
ein, führt dies jedoch nur zur Anfechtbarkeit der auf dieser Versammlung
gefassten Beschlüsse, diese sind nicht nichtig. Selbst die Anfechtbarkeit ist dann ausgeschlossen,
wenn feststeht, dass die Beschlüsse auch bei ordnungsgemäßer Einberufung
der Versammlung gefasst worden wären (BeckOGK-WEG/Hermann, § 24 Rn. 48;
BeckOK-BGB/Hügel, Std.: 1.5. 2022, § 24 WEG Rn. 5; OLG München MittBayNot
2009, 462; BayObLG NZM 2005, 307; jüngst auch: BGH NZM 2021, 236 Rn. 12-14
sowie OLG Düsseldorf ZWE 2021, 31).

Eine Nichtigkeit der Beschlüsse, die auf einer solchen Versammlung gefasst wurden,
kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die Einladung durch einen derart offensichtlich
Nichtberechtigten erfolgte, dass kein Wohnungseigentümer davon ausgehen kann, es
werde tatsächlich eine Veranstaltung abgehalten. Dann handelte es sich um eine „Nichteinladung“
(vgl. BeckOGK-WEG/Hermann, § 24 Rn. 50 m. w. N.). Das erscheint
jedoch angesichts ca. eineinhalbjähriger und mutmaßlich unbeanstandeter Tätigkeit als
„faktischer“ Verwalter fernliegend (vgl. etwa LG Frankfurt a. M. ZWE 2021, 418, das
eine Nichtigkeit nur dann annehmen möchte, wenn „ein unbeteiligter Dritter zu einer
Eigentümerversammlung einlädt […].“). Abschließend könnte diese Frage jedoch nur ein
zur Entscheidung berufenes Gericht klären, so dass insoweit eine Restunsicherheit verbleibt.
Für den geschilderten Sachverhalt folgt daraus zunächst, dass die Verwalterbestellung,
die in der durch einen Nichtberechtigten einberufenen Versammlung im April 2020 beschlossen
wurde, allenfalls anfechtbar sein dürfte. Ob eine Anfechtung erfolgreich wäre,
hängt nach dem Gesagten davon ab, ob sich der Mangel der Einberufung auf die Beschlussfassung
ausgewirkt hätte (vgl. hierzu sowie zu einer konkludenten Heilung des
Mangels durch rügelose Teilnahme BeckOGK-WEG/Hermann, § 24 Rn. 49). Dass der
Einberufungsmangel sich auf die Beschlussfassung auswirkt, ist zwar fernliegend, im Ergebnis
jedoch einzelfallabhängig.

Ist ein gefasster Beschluss anfechtbar, ist dieser gleichwohl bis zur gerichtlichen Feststellung
der Unwirksamkeit aufgrund Anfechtungsklage (§ 44 Abs. 1 S. 1 Var. 1 WEG) wirksam.

Ist der Beschluss über die Bestellung eines Verwalters anfechtbar, bleibt dessen Bestellung
damit bis zu einer etwa erfolgreichen Klage ebenso wirksam wie durch diesen
Verwalter vorgenommene Maßnahmen, wie etwa die Einberufung einer (weiteren) Versammlung
oder auch die Erteilung einer Zustimmung zur Veräußerung gem. § 12 WEG
(BGH NJW 2020, 988 Rn. 8-10; BayObLG NJW-RR 1992, 787; NJW-RR 1991, 531,
532; OLG Hamburg BeckRS 2000, 10718 Rn. 26; BeckOGK-WEG/Hermann, § 24
Rn. 36; Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 9. Aufl. 2020, Kap. 12 C. Rn. 2668).
Hiervon hat auch das Grundbuchamt auszugehen, eine (aufgrund eigener Würdigung des
Sachverhalts begründete) Annahme der Nichtigkeit ist ihm verwehrt (OLG Düsseldorf
ZWE 2021, 31, 32).

Daraus folgt, dass, die Bestandskraft des Bestellungsbeschlusses unterstellt, von einer
nunmehr wirksamen Bestellung des Verwalters auszugehen sein dürfte. Denn selbst bei
unterstellt erfolgreicher Anfechtung wären zwischenzeitlich durch den Verwalter vorgenommene
Rechtshandlungen wirksam. Das gebietet auch die Rechtssicherheit. Denn
andernfalls wären alle möglicherweise vorgenommenen Rechtsgeschäfte rückabzuwickeln.
Gerade angesichts der einschneidenden Rechtsfolge des Fehlens einer Verwalterzustimmung
bei der Veräußerung von Wohnungseigentum, § 12 Abs. 3 S. 1 WEG,
dürften Erwägungen zur Rechtssicherheit dieses Ergebnis unterstützen. In diese Richtung
lässt sich auch die Rechtsprechung des BayObLG (NJW-RR 1991, 531, 532) verstehen,
das für die Wirksamkeit der Einberufung einer Versammlung durch den anfechtbar
bestellten Verwalter als Argumentationshilfe die Grundsätze zur Anscheins- und
Duldungsvollmacht heranzieht. Der BGH wiederum stützt dieses Ergebnis auf eine analoge
Anwendung von § 47 FamFG (BGH NJW 2020, 988 Rn. 8-10). Richtigerweise wird
man nach der Reform durch das WEMoG dieses Ergebnis auf die Organstellung des
Verwalters (§ 9b Abs. 1 WEG) und die infolge dessen anwendbaren Grundsätze des
fehlerhaften Organs stützen müssen (BeckOK-WEG/Elzer, Std. 30.9.2022, § 26 Rn.
107; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, 2021, Rn. 462), ohne dass dies freilich
etwas am Ergebnis ändern würde.

Im Ergebnis dürfte damit – eine im Übrigen wirksame Beschlussfassung unterstellt –
von einer wirksamen Verwalterzustimmung und damit von einem wirksamen Kaufvertrag
auszugehen sein, da und soweit die Zustimmung zeitlich nach April 2020 (Eigentümerversammlung,
auf der die Verwalterbestellung beschlossen wurde) erfolgte. Die Verwalterbestellung
ist dem Grundbuchamt durch Vorlage einer Niederschrift über den Bestellungsbeschluss,
unter dem die Unterschriften der in § 24 Abs. 6 WEG bezeichneten
Personen beglaubigt wurden, nachzuweisen, § 26 Abs. 4 WEG.

Gutachten/Abruf-Nr:

193990

Erscheinungsdatum:

22.12.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

WEG

Normen in Titel:

WEG § 12