01. Januar 2002
BGB § 1408; EGBGB Art. 15

Weißrussland: Ehevertrag

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Deutsches Notarinstitut

Dokumentnummer: Erstelldatum:

14107 06.02.2002

EGBGB Art. 15; BGB § 1408 Weißrussland; Ehevertrag

I.

Zum Sachverhalt Ein Deutscher hat eine weißrussische Staatsangehörige geheiratet. Die beiden beabsichtigen nun, einen Ehevertrag abzuschließen, durch den der Versorgungsausgleich ausgeschlossen und wechselseitig auf Scheidungsunterhalt verzichtet wird.

II. Fragestellung Kann ein derartiger Ehevertrag unter Berücksichtigung weißrussischen Rechts wirksam abgeschlossen werden? III. Zur Rechtslage 1. Zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs a) Wirksamkeit aus deutscher Sicht Gem. Art. 17 Abs. 3 i. V. m. Art. 17 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 S. 2 EGBGB unterliegt der Versorgungsausgleich in einer gemischt- nationalen Ehe dem Recht des Staates, in dem die Eheleute zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags entweder beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten oder aber während der Ehe zuletzt hatten, wenn einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Demgemäss wird im vorliegenden Fall, sofern beide Eheleute derzeit ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben und zum Zeitpunkt der Ehescheidung zumindest einer noch weiterhin seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben wird ­ also lediglich die Ehefrau nach Scheitern der Ehefrau in ihre Heimat zurückgekehrt ist ­ ein Gericht für die Durchführung des Versorgungsausgleichs das deutsche Recht anzuwenden haben. Soweit die Ausgleichsansprüche deutschem Recht unterliegen, ergibt sich aus diesem dann auch, ob eine hierauf bezogene Vereinbarung den entsprechenden Anspruch modifiziert oder aus schließt. Folglich wird ein entsprechend den deutschen Be stimmungen wirksamer Ausschluss des Versorgungsausgleichs durch das deutsche Gericht zu berücksichtigen sein.

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b) Wirksamkeit aus weißrussischer Sicht Das Familienrecht der Republik Weißrussland beruht weiterhin auf den Mustergesetzen der Sowjetunion (vgl. Bilinsky, in: Bergmann/Ferid, Internationales Eheund Kind schaftsrecht, Weißrussland, S. 8b, Stand 31.1.1998). 1999 ist zwar ein neues Zivilgesetzbuch erlassen worden. Weder dieses Gesetzbuc h, noch das dort enthaltene IPR regeln jedoch das Familienrecht. Das Familienrecht war bereits in der Sowjetunion ein separates Rechtsgebiet neben dem Zivilrecht (vgl. auch Mosgo, in: Ferid/Firsching/Dörner/Haus mann, Internationales Erbrecht, Weißrussland, Stand 15.12.2000, Rn. 10). Daraus ergibt sich, dass auch auf dem Gebiet des Kollisionsrechts mit der Fortgeltung der Grundsätze aus der Zeit der Sowjetunion zu rechnen ist (s. Bilinsky, S. 9, soweit es das Gebiet des Familienrechts betrifft). Dementsprechend enthält das weißrussische internationale Familienrecht keine ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen zu dem auf die Wirkungen einer Ehe sowie im Rahmen einer Scheidung anwendbare Recht. Allerdings wurde in der Praxis bei Auflösung einer Ehe sowie der Entscheidung der damit verbundenen Fragen stets nur das inländische weißrussische Familienrecht angewandt (s. schon Szaszy, Private International Law in the European Peoples Democracies, Budapest 1964, S. 350). Die Anwendung ausländischen Rechts kam nur ausnahmsweise in Betracht, wie z. B. bei Anerkennung im Ausland geschlossener Ehen (vgl. Geilke, in: Bergmann/Ferid, UdSSR, S. 29 f.). Daher ist damit zu rechnen, dass auch ein weißrussisches Gericht, sollte es nach der aktuellen Rechtslage hier tätig werden, von der Geltung weißrussischen Eherechts ausgehen wird, wonach die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft leben (vgl. Art. 20 ff. des Ehe- und Familienkodex der Republik Belarus vom 13.6.1969). Dieses Recht ließe zwar zu, dass Ehegatten untereinander Vermögensgeschäfte miteinander schließen (Art. 26 des Gesetzes). Die Möglichkeit, den gesetzlichen Güterstand durch einen vertraglichen Güterstand zu ersetzen oder zu modifizieren, kennt das Gesetz aber nicht. Das G esetz gestattet nicht einmal, das während der Ehe entstandene Gesamtgut teilweise auseinander zu setzen. Dementsprechend ist wohl davon auszugehen, dass nach dem weißrussischen materiellen Familienrecht in der überkommenen Fassung eine güterrechtliche Vereinbarung nicht anerkannt werden würde. Was jedoch den Versorgungsausgleich angeht, so sieht das weißrussische Recht ein derartiges Rechtsinstitut bzw. eine von der Zielrichtung her vergleichbare Regelung nicht vor. Daher wäre davon auszugehen, dass ein weißrussisches Gericht kein Versorgungsausgleich durchführen würde, und zwar selbst dann, wenn es das weißrussische Recht anwenden würde. Dementsprechend käme es dann auf die Wirksamkeit der Vereinbarung nicht mehr an.

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2.

Der Unterhaltsverzicht a) Wirksamkeit aus deutscher Sicht Die Wirksamkeit einer Unterhaltsvereinbarung unterliegt dem auf den Unterhalt anwendbaren Recht. Dieses wiederum würde sich im vorliegenden Fall gem. Art. 4 Abs. 1 des Haager Übereinkommens über das auf die Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 (BGBl. 1986 II, S. 837) richten, dessen Bestimmungen in den Art. 18 Abs. 4 EGBGB inkorporiert worden sind. Zwar ist Weißrussland nicht Vertragspartei. gem. Art. 3 Unterhaltsübereinkommen gilt dieses als loi uniforme jedoch unabhängig vom Erfordernis der Gegenseitigkeit auch gegenüber Nichtvertragsstaaten. Gem. Art. 8 Abs. 1 Unterhaltsübereinkommen unterliegt der nacheheliche Unterhalt dem auf die Ehescheidung angewandten Recht. Maßgeblich ist dabei nicht das richtigerweise, sondern das tatsächlich angewandte Eheauflösungsstatut (Palandt/Heldrich, 61. Aufl. 2002, Art. 18 EGBGB Rn. 12). Würde hier die Scheidung durch ein deutsches Gericht erfolgen, würde dieses gem. Art. 17 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB deutsches Recht anwenden, da die Ehegatten beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben bzw. bei Scheidung dort voraussichtlich zuletzt gehabt haben werden. Nach Scheidung durch ein deutsches Gericht würde Statut des nachehelichen Unterhalts und damit auch auf die Wirksamkeit der Unterhaltsvereinbarung anwendbares Recht das deutsche Recht sein. Bei Scheidung durch ein weißrussisches Gericht dagegen würde dieses aufgrund des im dortigen Recht noch geltenden Territorialitätsgrundsatzes (s. o.) wohl das weißrussische Recht anwenden, so dass damit auch für ein deutsches Gericht das weißrussische Recht als Unterhaltsstatut vorgegeben sein wird ­ sofern die Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidung (§ 328 ZPO) vorliegen. b) Aus weißrussischer Sicht anwendbares Recht Würde die Unterhaltsklage nach Scheidung der Ehe vor einem weißrussischen Gericht erhoben werden, so hätte dieses mangels Ratifikation des Haager Unterhaltsabkommens nicht die entsprechende Abkommensvorschrift, sondern das autonome weißrussische Recht anzuwenden. Dieses verweist die inländischen Gerichte für die Beurteilung fa milienrecht licher Fragen stets auf die lex fori (s. Szaszy, S. 250), so dass ein weißrussisches Gericht in diesem Fall selbst dann, wenn die Scheidung durch ein deut sches Gericht nach deutschem Recht erfolgt sein sollte, weißrussisches Recht auf den Unterhaltsanspruch anwenden würde. c) Wirksamkeit von Unterhaltsvereinbarungen nach weißrussischem Recht Gem. Art. 28 Abs. 1 Ehe- und Familienkodex hat ein arbeitsunfähiger Ehe gatte, der der materiellen Unterstützung bedarf, gegen den anderen Ehegatten auch nach der Scheidung weiterhin einen gerichtlich einklagbaren Unterhaltsanspruch, wenn der andere Ehegatte zur Unterhaltsleistung in der Lage ist. Gleiches gilt gem. Art. 32 Abs. 2 Familienkodex, wenn die Arbeitsunfähigkeit innerhalb eines Jahres nach Ehescheidung eintritt. Die Möglichkeit vertraglicher Vereinbarungen über den

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Unterhalt oder gar eines vertraglichen Ausschlusses des Unterhalts sieht das weißrussische Familienrecht nicht vor. Allenfalls könnte man vermuten, dass moderate vertragliche Modifikationen des Unterhaltsanspruchs, etwa in bezug auf Höhe und Art der Zahlungen, unter dem weißrussischen Familienrecht anerkannt werden, nicht jedoch ein völliger Verzicht. Die Anerkennung einer Verzichtsvereinbarung in Weißrussland ist daher unwahrscheinlich.

Gutachten/Abruf-Nr:

14107

Erscheinungsdatum:

01.01.2002

Rechtsbezug

International

Normen in Titel:

BGB § 1408; EGBGB Art. 15