15. April 2010
EGBGB Art. 14

Russische Föderation/Kasachstan: Güterstatut bei Spätaussiedlern aus der Russischen Föderation; Beschluss des OLG Hamm v. 8.10.2009 – I-15 Wx 292/08

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EGBGB Art. 14, 15, 220 Russische Föderation/Kasachstan: Güterstatut bei Spätaussiedlern aus der Russischen Föderation; Beschluss des OLG Hamm v. 8.10.2009 - I-15 Wx 292/08

I. Sachverhalt Das OLG Hamm beschäftigte sich mit dem Güterrechtsstatut eines Spätaussiedlerehepaares aus dem Gebiet der heutigen Russischen Förderation (OLG Hamm, Beschl. v. 8.10.2009 ­ I-15 Wx 292/08, FGPrax 2010, 38). Die Eheleute waren bei Eheschließung sowjetische Staatsangehörige. Im Jahre 1996 erwarben sie die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung und gaben die vormalige Staatsangehörigkeit auf. Erst nach Verlust der vormaligen Staatsangehörigkeit trat in der Russischen Föderation das neue Familiengesetzbuch (FGB) in Kraft, welches erstmals eine kollisionsrechtliche Regelung des Güterstatuts (letzter gemeinsamer Wohnsitz der Ehegatten in erster Linie maßgeblich) enthielt und welches gem. Art. 169 Nr. 1 S. 2 FGB insoweit Anwendung findet, als die aus der vor Inkrafttreten des Gesetzes geschlossenen Ehe folgenden Rechte und Pflichten erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes entstanden sind. Das OLG Hamm ließ die Frage offen, ob auch bei Spätaussiedlern in analoger Anwendung des Art. 15 Abs. 4 EGBGB i. V. m. §§ 1, 3 des Vertriebenengüterstandsgesetzes deutsches Güterrecht anzuwenden ist. Vielmehr kam es auch bei der allgemeinen Anknüpfung nach Art. 220 Abs. 3 i. V. m. Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB im zu entscheidenden Fall über eine Rückverweisung des russischen FGB zur Anwendung deutschen Güterrechts. Die maßgebliche Argumentationslinie lässt sich wie folgt kurz skizzieren: Das deutsche Recht verweist gem. Art. 220 Abs. 3 S. 2 i. V. m. Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB auf das Recht des Staates, dem beide Ehegatten bei Eheschließung angehörten, einschließlich des Kollisionsrechts; eine Rückverweisung ist gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB zu beachten. Bei Ermittlung des maßgeblichen ausländischen Kollisionsrechts sind nach Auffassung des OLG Hamm sämtliche ­ auch intertemporale ­ Änderungen zu berücksichtigen, selbst dann, wenn diese erst in Kraft getreten sind, nachdem die aus deutscher Sicht maßgeblichen Anknüpfungstatsachen ­ hier: sowjetische Staatsangehörigkeit beider Eheleute ­ entfallen waren. Zum einen ist hierbei zu beachten, dass die Gesetzgebungshoheit bei Zerfall der Sowjetunion auf die einzelnen Nachfolgestaaten übergegangen ist, so dass es darauf ankommt, Staatsangehörige welchen Nachfolgestaates die Eheleute waren bzw. wären, hätten sie die Staatsangehörigkeit nicht aufgegeben. Zum anderen sind nach Auffassung des OLG Hamm entgegen der in der Rechtsprechung v. a. früher vertretenen sog. Versteinerungstheorie auch
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Änderungen des Kollisionsrechts zu beachten, die erst eingetreten sind, nachdem die von ihr Betroffenen die Staatsangehörigkeit des betreffenden Landes bereits verloren haben. Sollte es im Einzelfall zu Unzuträglichkeiten führen, könnte über Art. 6 EGBGB (Verstoß gegen den ordre public) im Einzelfall geholfen werden. II. Fragen 1. Für welche Staaten der ehemaligen Sowjetunion gilt diese neue Rechtsprechung? Gilt sie auch für Spätaussiedler aus dem Gebiet von Kasachstan? Ist bei den Spätaussiedlern aus dem betroffenen Rechtsgebiet damit die Unterscheidung überflüssig, ob diese vor dem 1.1.1993 oder danach nach Deutschland umgesiedelt sind? Hat sich somit eine bisher teilweise für Spätaussiedler empfohlene Rechtswahl auf deutsches Ehegüterrecht erübrigt? Gilt diese Rechtsprechung auch dann, wenn nur einer der Ehegatten Spätaussiedler im Sinne des Gesetzes ist?

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III. Zur Rechtslage 1. Geltungsbereich der Rechtsprechung Entschieden hat das OLG Hamm den Fall von Spätaussiedlern aus dem Gebiet der heutigen Russischen Föderation. Die Argumentationslinie des OLG Hamm ist jedoch auf andere Fälle übertragbar. Zum gleichen Ergebnis wie im vom OLG Hamm entschiedenen Fall kommt man bei Zugrundelegung der vorgenannten Rechtsprechung somit jedenfalls in allen Fällen, in denen folgende Bedingungen erfüllt sind: (1) Das deutsche internationale Privatrecht verweist hinsichtlich des Güterstatuts auf das gemeinsame Heimatrecht (hier vielleicht besser: Herkunftsrecht) der Eheleute. (2) Das Kollisionsrecht des betreffenden Staates verweist für die Beurteilung der zu entscheidenden Frage auf das deutsche Recht zurück. Bei der Prüfung ist das Kollisionsrecht in der nach den intertemporalen Bestimmungen des betreffenden Staates geltenden Fassung anzuwenden, auch wenn die Eheleute die Staatsangehörigkeit des betreffenden Staates bei einer maßgeblichen Rechtsänderung bereits verloren hatten. a) Kasachstan Für die Republik Kasachstan gilt Folgendes: Bis zum 24.12.1998 war für das Ehegüterrecht das gemeinsame Heimatrecht bzw. bei gemischt kasachischausländischen Ehen das kasachische Recht maßgeblich (ungeschriebene Kollisionsnorm; vgl. Weishaupt, in: Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderbericht Kasachstan, Stand: 1.1.2003, S. 26). Nunmehr gilt gem. Art. 205 des Ehe- und Familiengesetzes n. F. für die nicht vermögensrechtlichen und güterrechtlichen Beziehungen der Ehegatten primär das Recht am gemeinsamen ständigen Wohnsitz, wobei dieser gem. Art. 162 des kasachischen Zivilgesetzbuches der Ort ist, an dem die betreffende Person ständig oder überwiegend lebt; es ist ein Statutenwechsel eingetreten (vgl. Weishaupt, a. a. O.). Für Spätaussiedler aus Kasachstan gelangt man bei Anwendung der Rechtsprechung des OLG Hamm somit

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ebenfalls zur Anwendung deutschen Güterrechts, solange diese ihren gemeinsamen ständigen Wohnsitz in Deutschland haben. b) Übersicht über die Nachfolgestaaten der Sowjetunion Eine überschlägige Prüfung der aktuellen Kollisionsnormen der Nachfolgestaaten der Sowjetunion (anhand des jeweils zitierten Länderberichts aus Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Loseblattsammlung - im Folgenden: a. a. O.), ergibt das nachfolgend skizzierte Bild: Armenien: Keine Kollisionsnorm ersichtlich (Lorenz, a. a. O., Stand 15.12.2002, S. 13) Aserbaidschan: Art. 151 des Familiengesetzbuchs v. 1.6.2000 Recht am gemeinsamen Wohnsitz bzw. ­ falls kein gemeinsamer Wohnsitz ­ am letzten gemeinsamer Wohnsitz (Güterstatut wandelbar) Rechtswahl nur möglich, wenn weder gemeinsame Staatsangehörigkeit noch gemeinsamer Wohnsitz Zeitlicher Anwendungsbereich: keine Regelung ersichtlich (Lorenz, a. a. O., Stand 30.9.2003) Estland: Art. 57, 58 des Gesetzes über das internationale Privatrecht v. 27.3.2002 Recht am gemeinsamen Wohnsitz zum Zeitpunkt der Eheschließung bzw. ­ falls kein gemeinsamer Wohnsitz ­ Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt der Eheschließung (Güterstatut nicht wandelbar) Rechtswahl möglich; wählbar Recht des Wohnsitzstaates eines Ehegatten oder Recht der Staatsangehörigkeit eines Ehegatten Zeitlicher Anwendungsbereich: keine Regelung ersichtlich (Schulze, a. a. O., Stand 1.9.2008) Georgien: Art. 45 des Gesetzes v. 29.4.1998 zur Regelung des internationalen Privatrechts Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit bzw. letzten gemeinsamen Staatsangehörigkeit; bei unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten Recht am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt (Güterstatut wandelbar) Rechtswahl möglich; wählbar Recht der Staatsangehörigkeit eines Ehegatten oder des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts eines Ehegatten bzw. für Immobilien Recht des Lageortes Zeitlicher Anwendungsbereich: keine Regelung ersichtlich (Ciklauri-Lammich, a. a. O., Stand 1.2.2009) Kasachstan: Art. 205 des Ehe- und Familiengesetzes v. 17.12.1998 Recht am gemeinsamen Wohnsitz bzw. ­ falls kein gemeinsamer Wohnsitz ­ am letzten gemeinsamen Wohnsitz Keine Rechtswahl möglich Zeitlicher Anwendungsbereich: keine Regelung ersichtlich; soll auch für ,,Altehen" gelten (Weishaupt, a. a. O., Stand 1.1.2003, S. 26).

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Kirgisistan: Art. 168, 176 des Familiengesetzbuchs der Kirgisischen Republik v. 26.6.2003 Recht am gemeinsamen Wohnsitz bzw. ­ falls kein gemeinsamer Wohnsitz ­ am letzten gemeinsamer Wohnsitz (Güterstatut wandelbar) Rechtswahl nur möglich, wenn weder gemeinsame Staatsangehörigkeit noch gemeinsamer Wohnsitz Zeitlicher Anwendungsbereich: bei Altehen hinsichtlich solcher Rechte und Pflichten anzuwenden, die nach Inkrafttreten entstanden sind (Art. 176 FamGB) (Lorenz, a. a. O., Stand 31.3.2009) Lettland: Keine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass Wohnsitz außerhalb von Lettland Art. 13 des Zivilgesetzbuchs v. 28.1.1937 i. d. F. v. 25.5.1993: Vermögensbeziehungen richten sich nach lettischem Recht, sofern Wohnsitz in Lettland; bei Vermögen in Lettland richten sie sich in Ansehung dieses Vermögens auch dann nach lettischem Recht, wenn kein Wohnsitz in Lettland Daraus u. U. zu schließen, dass bei Wohnsitz im Ausland i. Ü. nach Recht am Wohnsitz (Güterstatut wandelbar) Zeitlicher Anwendungsbereich: Bestimmungen über das eheliche Güterrecht gelten ab 1.9.1993 auch für Altehen; bei Entscheidung über güterrechtliche Streitigkeiten ist dasjenige Gesetz anzuwenden, welches zum Zeitpunkt der Beendigung der Ehe galt (Art. 8 des Gesetzes über Zeit und Verfahren des Inkrafttretens des familienrechtlichen Teils des wieder in Kraft gesetzten Zivilgesetzbuches von 1937 v. 25.5.1993) (Schulze, a. a. O., Stand 1.5.2002) Litauen: Art. 1.28 des Zivilgesetzbuchs v. 18.7.2000 Recht am gemeinsamen ständigen Wohnsitz bzw. ­ falls kein gemeinsamer Wohnsitz ­ Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit (Güterstatut wandelbar) Rechtswahl möglich; wählbar u. a. Recht des aktuellen oder künftigen ständigen gemeinsamen Wohnsitzes, Recht der Staatsangehörigkeit eines Ehegatten Zeitlicher Anwendungsbereich: Stets Kollisionsrecht im Zeitpunkt der Entscheidung anwendbar (Art. 5 EGZGB); auf familienrechtliche Beziehungen, die vor Inkrafttreten des neuen Rechts entstanden sind, neues Recht anzuwenden hinsichtlich derjenigen Rechtsfolgen, welche nach Inkrafttreten bestehen (Art. 19 Abs. 2 EGZGB), was weit ausgelegt wird (Schulze, a. a. O., Stand 1.3.2008, u. a. S. 32 zum zeitlichen Anwendungsbereich) Moldau: Art. 157 des Familiengesetzbuchs v. 26.10.2000 Recht am gemeinsamen Wohnsitz bzw. ­ falls kein gemeinsamer Wohnsitz ­ am letzten gemeinsamen Wohnsitz (Güterstatut wandelbar) Rechtswahl möglich; wählbar Recht des Staates, in dem ein Ehegatte seinen Wohnsitz hat Zeitlicher Anwendungsbereich: bei Altehen hinsichtlich solcher Rechte und Pflichten anzuwenden, die nach Inkrafttreten begründet wurden (Art. 166 Abs. 2 FamGB) (Buruiana, a. a. O., Stand 11.6.2004) Russische Föderation Art. 161 des Familiengesetzbuchs v. 29.12.1995

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Recht am gemeinsamen Wohnsitz bzw. ­ falls kein gemeinsamer Wohnsitz ­ am letzten gemeinsamen Wohnsitz (Güterstatut wandelbar) Rechtswahl nur möglich, wenn weder gemeinsame Staatsangehörigkeit noch gemeinsamer Wohnsitz Zeitlicher Anwendungsbereich: bei Altehen hinsichtlich solcher Rechte und Pflichten anzuwenden, die nach Inkrafttreten entstanden sind (Art. 169 FamGB) (v. Albertini, a. a. O., Stand 30.11.2005) Tadschikistan: Art. 172 des Familiengesetzbuchs v. 13.11.1998 Recht am gemeinsamen Wohnsitz bzw. ­ falls kein gemeinsamer Wohnsitz ­ am letzten gemeinsamen Wohnsitz (Güterstatut wandelbar) Rechtswahl nur möglich, wenn weder gemeinsame Staatsangehörigkeit noch gemeinsamer Wohnsitz Zeitlicher Anwendungsbereich: keine Regelung ersichtlich (v. Albertini, a. a. O., Stand 30.12.2002) Turkmenistan: Keine Kollisionsnorm ersichtlich (Lorenz, a. a. O., Stand: 30.04.2008, S. 15) Ukraine: Art. 60, 61 des Gesetzes über das internationale Privatrecht v. 23.6.2005 Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit bzw. ­ falls keine gemeinsame Staatsangehörigkeit ­ Recht des gemeinsamen letzten Wohnsitzes, falls ein Ehegatte dort noch seinen Wohnsitz hat (Güterstatut wandelbar) Rechtswahl möglich; wählbar Recht der Staatsangehörigkeit eines Ehegatten oder des gewöhnlichen Aufenthalts eines Ehegatten oder betreffend unbewegliches Vermögen Recht des Lageorts Zeitlicher Anwendungsbereich: gilt bei Altehen, sofern Ehegatten nichts anderes schriftlich festlegen (Art. 61 Abs. 2 S. 2 IPRG) (v. Albertini, a. a. O., Stand 15.1.2009) Usbekistan: Keine Kollisionsnorm ersichtlich ((Lorenz, a. a. O., Stand: 31.08.2001) U. U. lex fori anzuwenden, d. h. bei Entscheidung in Deutschland über maßgebliche Frage deutsches Recht (vgl. DNotI-Gutachten ew-mo M/XI/4d ­ Usbekistan ­ 71533 v. 18.6.2006) Weißrussland: Keine Kollisionsnorm ersichtlich (v. Albertini, a. a. O., Stand 22.12.2003) Soweit uns keine Regelungen zum zeitlichen Anwendungsbereich ersichtlich sind, ist nicht auszuschließen, dass die neuen Regelungen für Altehen keine oder nur beschränkte Anwendung finden. Wie aus dem Fall Kasachstan zu ersehen ist, spricht jedoch einiges dafür, dass auch für Altehen die neue Regelung gilt.

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c) Zwischenergebnis Somit ist bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des OLG Hamm bei der Anknüpfung über Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB nach überschlägiger Prüfung ­ vgl. lit. b) ­ deutsches Recht Güterstatut für Eheleute aus Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Litauen, Moldau, Russische Föderation, Tadschikistan, die zum maßgeblichen Zeitpunkt ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben; Eheleute aus Georgien und der Ukraine, die zum maßgeblichen Zeitpunkt gemeinsam die deutsche Staatsangehörigkeit (und nicht mehr die Staatsangehörigkeit ihres Herkunftsstaates) haben.

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Aber Vorsicht: Ein gemeinsamer Wohnsitzwechsel bzw. Wechsel der Staatsangehörigkeit führt zum Wechsel des Güterstatuts! Für Eheleute aus Armenien, Lettland, Turkmenistan, Usbekistan und Weißrussland lässt sich die Frage mangels Kollisionsnorm nicht sicher klären. Bei Lettland spricht einiges für die Anwendung des Wohnsitzrechts, bei Usbekistan für die lex fori, so dass auch insoweit häufig deutsches Recht anwendbar sein dürfte. Bei Eheleuten aus Estland wird unwandelbar an den gemeinsamen Wohnsitz, hilfsweise die gemeinsame Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung angeknüpft, so dass in der Regel ohne Rechtswahl deutsches Recht nicht Güterstatut ist. Soweit die intertemporalen Regelungen ­ wie jedenfalls in Kirgisistan, Moldau, ggf. Litauen und der Russischen Föderation ­ für Altehen das neue Kollisionsrecht nur für Rechte und Pflichten anwenden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes begründet wurden bzw. entstanden sind, ist jedenfalls bei Auflösung des Güterstandes das neue Recht anwendbar. Es stellt sich jedoch die Frage, was bei Erwerb einer Immobilie in Deutschland während intakter Ehe gilt. Hierzu konnten wir keine einschlägige Literatur finden. Allerdings sind wir der Auffassung, dass auch in einem solchen Fall das neue Recht anzuwenden sein müsste. Wenn nämlich auf die spätere güterrechtliche Auseinandersetzung das dann gültige neue Recht anzuwenden ist, muss dies auch für Maßnahmen wie den Erwerb einer Immobilie gelten, die für die spätere Auseinandersetzung güterrechtliche Bedeutung haben und insoweit u. U. Rechte und Pflichten begründen, zumal wenn der Erwerb nach Inkrafttreten des neuen Rechts erfolgt. 2. Offene Fragen; Notwendigkeit einer Rechtswahl Tatsächlich ist für Spätaussiedler aus Staaten, deren Kollisionsrecht betreffend den Güterstand auf deutsches Recht verweist, unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des OLG Hamm eine Rechtswahl nicht erforderlich. Es gibt jedoch Unwägbarkeiten. Zum Teil lässt sich für einige Staaten nicht abschließend klären, ob das derzeitige Kollisionsrecht auch für Altehen gilt. Stellt sich die Frage des Güterstatuts nicht im Zusammenhang mit der Auflösung des Güterstandes (Scheidung, Tod eines Ehegatten), sondern z. B. beim Erwerb einer Immobilie durch Eheleute während intakter Ehe, lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit beurteilen, wie die intertemporalen Regelungen derjenigen Staaten mit dieser Situation umgehen, die das neue Kollisionsrecht nur für Rechte und Pflichten anwenden, die nach

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Inkrafttreten des Gesetzes begründet wurden bzw. entstanden sind. Zu diesen Staaten zählen jedenfalls Kirgisistan, Moldau, ggf. Litauen und die Russische Föderation. Hierzu konnten wir keine einschlägige Literatur finden. Allerdings sind wir der Auffassung, dass auch in einem solchen Fall das neue Recht anzuwenden sein müsste. Wenn nämlich auf die spätere güterrechtliche Auseinandersetzung das dann gültige neue Recht anzuwenden ist, muss dies auch für Maßnahmen wie den Erwerb einer Immobilie gelten, die für die spätere Auseinandersetzung güterrechtliche Bedeutung haben und insoweit u. U. Rechte und Pflichten begründen, jedenfalls wenn die Maßnahme (der Erwerb der Immobilie) nach Inkrafttreten des neuen Rechts erfolgt. Es wird in der Rechtsprechung teilweise noch die ,,Versteinerungstheorie" vertreten, wobei auf den Stand des Kollisionsrechts des ausländischen Staates vor Verlust der Staatsangehörigkeit durch die Spätaussiedler abgestellt wird. Bei Anwendung der Versteinerungstheorie käme man z. B. bei Spätaussiedlern aus Kasachstan, die bis zum 24.12.1998 ihre kasachische Staatsangehörigkeit verloren, zur Anwendung kasachischen Güterrechts (s. o.). Unerwartete Folgen für die Eheleute können auch dadurch eintreten, dass aus Sicht des Kollisionsrechts einiger Nachfolgestaaten wie z. B. der Russischen Föderation und von Kasachstan (vgl. oben Ziff. 1 b) das Güterstatut bei einem weiteren Wohnsitzwechsel bzw. Wechsel der Staatsangehörigkeit wandelbar ist, so dass bei einem gemeinsamen Umzug der Eheleute in einen anderen Staat kein deutsches Güterrecht mehr anzuwenden wäre. Im Übrigen ist auch eine Änderung des ausländischen Kollisionsrechts denkbar. Somit sollte dennoch weiterhin erwogen werden, ob die Eheleute nicht nach Art. 15 Abs. 2 EGBGB eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts treffen wollen. Aus deutscher Sicht wäre dann in jedem Fall deutsches Güterrecht maßgeblich. Jedoch ist zu beachten, dass eine Rechtswahl aus Sicht der Russischen Föderation, von Kasachstan und von weiteren Staaten im Zweifel nicht anerkannt würde, da in deren Kollisionsrecht keine passenden Rechtswahlmöglichkeiten vorgesehen sind (vgl. oben Ziff. 1 b). Wären dann güterrechtliche Fragen in den vorgenannten Staaten vor Gerichten oder Behörden zu klären, käme es allein auf die kollisionsrechtlichen Regelungen des betreffenden Staates an. 3. Nur ein Ehegatte Spätaussiedler und andere vom Fall des OLG Hamm abweichende Gestaltungen Fraglich ist, inwieweit die Rechtsprechung des OLG Hamm auch auf Fälle übertragbar ist, die vom entschiedenen Fall abweichen. Folgende Fallgestaltungen sind denkbar: a) Bei Eheschließung beide Eheleute ausländische Staatsangehörige desselben Heimatstaates, jedoch nicht beide Spätaussiedler Das OLG Hamm stellt bei seiner Entscheidung nicht auf Sonderregelungen ab, die für Aussiedler oder Spätaussiedler gelten. Es begründet sein Ergebnis auch nicht mit der Spätaussiedlereigenschaft. Im Gegenteil macht es wegen der Spätaussiedlereigenschaft Ausführungen, derer es sonst nicht bedurft hätte. Es führt nämlich aus, die Versteinerungstheorie sei früher v. a. damit begründet worden, man könne auf Flüchtlinge und Vertriebene Änderungen des Kollisionsrechts ihres Herkunftsstaates deshalb nicht anwenden, weil sie typischerweise in ihrem Herkunftsstaat nicht verwurzelt seien, dem dortigen Recht eher ablehnend gegenüber stünden und nach Ausreise kaum mehr Verbindung zum Herkunftsstaat hätten.

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Deshalb ist davon auszugehen, dass es bei die Zugrundelegung der Rechtsprechung des OLG Hamm im Ergebnis keinen Unterschied macht, ob beide Ehegatten, nur ein Ehegatte oder keiner der Ehegatten Spätaussiedler sind bzw. ist. In all diesen Fällen gilt das unter Ziff. 1 Ausgeführte. b) Bei Eheschließung ein Ehegatte deutscher, der andere ausländischer Staatsangehöriger oder beide Ehegatten ausländische Staatsangehörige, jedoch aus verschiedenen Heimatstaaten War bei Eheschließung ein Ehegatte zumindest auch deutscher Staatsangehöriger (dann gilt er gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB nur als Deutscher, auch wenn er Doppelstaater ist), der andere ausländischer Staatsangehöriger, oder waren beide Ehegatten ausländische Staatsangehörige verschiedener Heimatstaaten (u. U. auch verschiedener Nachfolgestaaten der Sowjetunion), ist Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB (Verweisung auf gemeinsames Heimatrecht) nicht einschlägig. aa) Bei Eheschließung gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt im selben Staat Hatten die Eheleute bei Eheschließung ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im selben Staat, gilt gem. Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB das Recht dieses Staates. Sofern der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt bei Eheschließung nicht in Deutschland lag, stellt sich die Frage, ob die Rechtsprechung des OLG Hamm, die zur Anknüpfung an das Heimatrecht ergangen ist, auch auf eine solche Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht bei Eheschließung übertragbar ist. Zum Recht eines Aufenthaltsstaates hat man typischerweise weniger Verbindung als zum Recht eines Heimatstaates. Wenn allerdings nach Auffassung des OLG Hamm auch bei Flüchtlingen und Vertriebenen, die häufig ihrem Herkunftsstaat sogar ablehnend gegenüberstehen, Änderungen des Kollisionsrechts zu berücksichtigen sind, sollte dies unserer Auffassung nach auch für Änderungen des Kollisionsrechts des Aufenthaltsstaates gelten. Es macht somit unserer Auffassung nach z. B. im Ergebnis keinen Unterschied, ob beide Eheleute Staatsangehörige desselben Nachfolgestaates der Sowjetunion waren bzw. wären oder ob ein Ehegatte Staatsangehöriger eines anderen als des Nachfolgestaates war bzw. wäre, in dem die Eheleute bei Eheschließung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Dann müsste nicht vertieft in die Regelungen der einzelnen Nachfolgestaaten zur Staatsangehörigkeit eingestiegen werden. Soweit zumindest feststeht, dass für einen Ehegatten Heimat- und Aufenthaltsstaat identisch sind, wäre das Kollisionsrecht dieses Staates anzuwenden, da Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB und Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 2 EGBGB zum selben Ergebnis führten.

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bb) Bei Eheschließung kein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt im selben Staat Hilfsweise gilt für das Güterstatut aus deutscher Sicht nach Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB das Recht des Staates, mit dem die Eheleute gemeinsam am engsten verbunden sind. Lebt also z. B. ein Ehegatte bei Heirat in Deutschland, der andere in einem anderen Staat, aber haben beide bei Heirat vor, zeitnah ihren ersten gemeinsamen Wohnsitz in Deutschland zu begründen, so gilt deutsches Güterrecht. Besteht keine engste Verbindung zu Deutschland, sondern zu einem anderen Staat (Nachfolgestaat der Sowjetunion), so dürfte das zur Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt gem. Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB entsprechend gelten.

Gutachten/Abruf-Nr:

99736

Erscheinungsdatum:

15.04.2010

Rechtsbezug

International

Normen in Titel:

EGBGB Art. 14