01. März 2010
EGBGB Art. 26

Niederlande: Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments; Pflichtteile von Kindern

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EGBGB Art. 26 Niederlande: Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments; Pflichtteile von Kindern

I. Sachverhalt Es geht um die Beurkundung eines gemeinschaftlichen Testaments. Ein niederländischer Staatsangehöriger und seine deutsche Ehefrau leben in den Niederlanden. Sie wollen nun ein gemeinschaftliches Testament errichten, mit dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Die Kinder aus jeweils erster Ehe sollen enterbt werden. II. Frage Kann ein niederländischer Staatsangehöriger in Deutschland ein Testament errichten, in dem er seine Kinder enterbt? III. Zur Rechtslage 1. Erbstatut nach dem Ehemann Aufgrund der niederländischen Staatsangehörigkeit des Ehemannes verweist im vorliegenden Fall Art. 25 Abs. 1 EGBGB für die Erbfolge nach seinem Tode auf das niederländische Recht. Auf diese Verweisung wäre gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB zwar eine Rückverweisung durch das niederländische Recht zu beachten. Insoweit verweist das Haager Erbrechtsübereinkommen von 1989, welches in den Niederlanden durch Gesetz von 1996 einseitig in Kraft gesetzt worden ist, grundsätzlich auf das Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hatte. Da im vorliegenden Fall jedoch der Erblasser in den Niederlanden lebt, wäre also hier gem. Art. 3 Abs. 1 des Haager Erbrechtsabkommens das niederländische Recht anzuwenden. Eine Rechtswahlmöglichkeit aus Art. 5 des Abkommens ergibt sich hier nicht, weil eine abweichende Rechtswahl nur zugunsten des Rechts des Staates möglich ist, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Ausübung der Rechtswahl oder zum Zeitpunkt seines Todes Angehöriger diesen Staates war oder dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, Art. 5 Abs. 1 des Abkommens.. 2. Erbstatut nach der Ehefrau
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Aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit unterliegt im vorliegenden Fall die Ehefrau aus deutscher Sicht gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB dem deutschen Erbrecht. Aus niederländischer Sicht hingegen wäre aufgrund des Umstands, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden hat und dieser offenbar schon seit mindestens fünf Jahren besteht, gem. Art. 3 Abs. 2 des Haager Erbrechtsabkommens das niederländische Recht anzuwenden. Etwas anderes würde sich allenfalls dann ergeben, wenn sie gem. Art. 5 Abs. 1, 2 Erbrechtsabkommen das deutsche Heimatrecht durch ausdrückliche Anordnung in ihrem Testament zum Erbstatut bestimmt. Aus niederländischer Sicht hätte sie also im vorliegenden Fall die Möglichkeit, zwischen niederländischem und deutschem Recht zu wählen. 3. Zur Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments Das niederländische Recht untersagte grundsätzlich die Errichtung von gemeinschaftlichen Testamenten, Art. 4:93 des niederl. Bürgerlichen Gesetzbuches (B.W.). Erbverträge sind unwirksam (Art. 4:4 Abs. 2 B.W.). Zwar wird die Zulässigkeit der gemeinschaftlichen Testamentserrichtung als Formfrage behandelt, so dass bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments in Deutschland insoweit sich die Wirksamkeit aus dem deutschen Recht ergibt, welches die gemeinschaftliche Testamentserrichtung unter Eheleuten zulässt. Wegen der unklaren Wirkungen der gemeinschaftlichen Testamentserrichtung nach niederländischem Recht wäre allerdings im vorliegenden Fall bei Geltung niederländischen Erbstatuts vorsichtshalber von der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments abzuraten und ein gemeinschaftliches Testament nur dann zu errichten, wenn die Eheleute die Testamentserrichtung mit einer Wahl deutschen Erbrechts auf Seiten des niederländischen Ehemannes verbinden könnten ­ was im vorliegenden Fall mangels gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland aber auf Seiten des Ehemannes nicht der Fall ist. 4. Formwirksamkeit Das Königreich der Niederlande ist für die Bundesrepublik Deutschland Vertragspartner des Haager Übereinkommens über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anwendbare Recht vom 5.10.1961. Gem. Art. 1 lit. a des Übereinkommens (Text des Abkommens bei Palandt/Thorn, 68. Aufl. 2008, Anh. zu Art. 26 EGBGB) ist es für die Formwirksamkeit eines Testaments jedenfalls ausreichend, wenn dieses den Bestimmungen des Ortes entsprechend errichtet worden ist, an dem dieses Testament errichtet worden ist (Ortsrecht, s. auch Art. 26 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB). Ein in Deutschland den Vorschriften des deutschen Rechts entsprechend notariell beurkundetes Testament ist daher aus deutscher wie auch aus niederländischer Sicht stets als formwirksam anzusehen, und zwar auch insoweit, wie der niederländische Ehemann Verfügungen trifft. 5. Zu den Pflichtteilen der Kinder Das niederländische Erbrecht sieht schon im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge vor, dass der Nachlass zunächst ausschließlich an den überlebenden Ehegatten fällt und die gemeinschaftlichen Kinder ausschließlich schuldrechtliche Ansprüche erhalten, die auf den Tod des überlebenden Ehegatten aufschiebend bedingt sind. Insoweit würde also die gesetzliche Erbfolge niederländischen Rechts schon in gewisser Weise dem entsprechen, was im vorliegenden Fall den Eheleuten als testamentarische Regelung vorschwebt.

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Gegen diese gesetzliche Regelung können die Kinder gem. Art. 4:21 B.W. dann, wenn sie lediglich die vorgenannte Geldforderung gegen ein Stiefelternteil erworben haben, von diesem Gegenstände im Werte dieser Forderung herausverlangen, unter Vorbehalt des Nießbrauchs zugunsten des Ehegatten. Allerdings hat der Erblasser die Möglichkeit, auch diese Rechte gem. Art. 4:25 Abs. 6 des niederl. Bürgerlichen Gesetzbuches testamentarisch einzuschränken oder gar aufzuheben. Der niederländische Ehemann könnte also durch sein Testament anordnen, dass für seine Erbfolge das niederländische Recht gelten soll, dass danach die überlebende Ehefrau den gesamten Nachlass übernehmen soll und dass das Recht der Kinder, noch zu Lebzeiten der überlebenden Ehefrau hierfür eine Sicherheit oder Gegenstände zu verlangen, ausgeschlossen wird. Folge wäre dann, dass die Kinder im vorliegenden Fall ihr Pflichtteil i. H. d. Wertes ihres halben Erbteils (da Kinder und Ehegatte zu gleichen Teilen erben, Art. 4:10 B.W., also je ¼ des Nachlasses) erst dann verlangen können, wenn die überlebende Ehefrau ebenfalls verstorben ist. Eine Pflichtteilsentziehung kennt das niederländische Recht nicht. Allenfalls könnte man einen Verlust des Pflichtteilsrechts geltend machen, wenn die Kinder erbunwürdig wären. Gem. Art. 4:3 B.W. ist erbunwürdig, wer wegen des Versuchs oder der vollendeten Tötung des Erblassers verurteilt worden ist, wer ihn unrichtigerweise einer mit Freiheitsstrafe und mindestens vier Jahren bedrohten Straftat beschuldigt hat oder dessen Testament unterschlagen, vernichtet oder verfälscht hat. Auch ist erbunwürdig, wer wegen einer vorsätzlich gegen den Erblasser begangenen Straftat, auf die nach niederländischer gesetzlicher Bestimmung eine Freiheitsstrafe mit einem Höchstmaß von mindestens vier Jahren steht oder wegen des Versuchs der Vorbereitung oder der Teilnahme an einer solchen Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist, Art. 4 Abs. 1 lit. b B.W. Ein anderweitiges Fehlverhalten der Kinder berechtigt offenbar nach niederländischem Recht den Erblasser noch nicht, deren Pflichtteile in irgendeiner Weise zu entziehen oder zu beeinträchtigen.

Gutachten/Abruf-Nr:

98857

Erscheinungsdatum:

01.03.2010

Rechtsbezug

International

Normen in Titel:

EGBGB Art. 26