10. Oktober 2019
WEG § 1 Abs. 4; GBO § 3 Abs. 4; GBO § 3 Abs. 5

Aufteilung eines Grundstücks in Wohnungseigentum, wenn diesem (herrschenden) Grundstück das Miteigentum an einem anderen Grundstück zugebucht ist

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 172081
letzte Aktualisierung: 10. Oktober 2019

WEG § 1 Abs. 4; GBO § 3 Abs. 4 u. 5
Aufteilung eines Grundstücks in Wohnungseigentum, wenn diesem (herrschenden)
Grundstück das Miteigentum an einem anderen Grundstück zugebucht ist

I. Sachverhalt

Im Grundbuch eines Grundstücks ist unter lfd. Nr. 2/zu 1 ein Miteigentumsanteil an einem
anderen Grundstück (Wege- und Zufahrtsfläche) als Bestandteil zugebucht. Das Grundstück
soll in Wohnungseigentumseinheiten nach WEG aufgeteilt werden.

II. Fragen

1. Fällt der Miteigentumsanteil an dem anderen Grundstück in das Gemeinschaftseigentum, so
dass er untrennbar mit dem Wohnungseigentum verbunden ist und der Wohnungseigentümer
somit entsprechend seines Miteigentumsanteils an dem Gemeinschaftseigentum auch
hieran berechtigt ist?

2. Wie wird der Miteigentumsanteil an dem anderen Grundstück im Bestandsverzeichnis des
jeweiligen Wohnungsgrundbuchs gebucht: als Bestandteil des aufgeteilten Grundstücks oder
unter einer eigenen (zugebuchten) laufenden Nummer?

III. Zur Rechtslage

1. Grundstück als Gegenstand der WEG-Aufteilung: Begriff des Grundstücks im katastertechnischen
und rechtlichen Sinne

Wohnungs- und Teileigentum kann gem. § 1 Abs. 4 WEG ausschließlich in der Weise begründet
werden, dass das Sondereigentum mit Miteigentum an nur einem Grundstück im
Rechtssinne verbunden wird. Mit dem Grundstücksbegriff im rechtlichen Sinne eng verbunden,
aber hiervon gleichwohl zu unterscheiden ist ein Grundstück im katastertechnischen
Sinne.

Grundstück im katastertechnischen Sinne (= Flurstück) ist gem. § 2 Nr. 3 Hmb-
VermG ein „geometrisch eindeutig begrenzter Teil der Erdoberfläche, der im Liegenschaftskataster (§ 11)
unter einer besonderen Bezeichnung geführt wird“. Dieses Begriffsverständnis geht zurück auf eine
Definition in Nr. 9 des Runderlasses des RMdJ zur Übernahme der Bodenschätzungsergebnisse
in die Liegenschaftskataster vom 23.9.1936. Nach der damaligen Definition war
ein Grundstück im katastertechnischen Sinne ein „zusammenhängender Teil der Erdoberfläche, der
in der Flurkarte unter einer besonderen Nummer gebucht wurde“. In der Folgezeit wurde dieses Begriffsverständnis
– inhaltlich unverändert – in den jeweiligen Landesvorschriften beibehalten
(vgl. Meikel/Nowak, GBO, 11. Aufl. 2015, § 3 Rn. 8).

Der Begriff des Grundstücks im rechtlichen Sinne ist demgegenüber weder im Bürgerlichen
Gesetzbuch noch in der Grundbuchordnung definiert. Nach der Rechtsprechung
handelt es sich bei einem Grundstück im Rechtssinne um einen räumlich abgegrenzten Teil
der Erdoberfläche, der auf einem besonderen Grundbuchblatt allein oder auf einem gemeinschaftlichen
Grundbuchblatt unter einer besonderen Nummer im Verzeichnis der Grundstücke gebucht
ist (Meikel/Nowak, § 3 Rn. 7 m. w. N.; BeckOK-GBO/Holzer, 36. Ed.
Std.: 1.6.2019, § 2 Rn. 17 m. w. N.). Mit dem Definitionsmerkmal „abgegrenzter Teil der Erdoberfläche“
findet allerdings eine Zurückführung des rechtlichen Grundstücksbegriffs auf das
katastertechnische Flurstück statt, denn die räumliche Abgrenzung der Erdoberfläche ergibt
sich nicht aus dem Grundbuch selbst, sondern aus dem Liegenschaftskataster. Vor diesem
Hintergrund ist auch die Bestimmung des § 2 Abs. 2 GBO zu sehen, wonach im Grundbuch
die Grundstücke (= Grundstücke im Rechtssinne) nach den in den Ländern
eingerichteten amtlichen Verzeichnissen (= Liegenschaftskataster) benannt werden. Diese
Benennung erfolgt in Spalte 3 des Bestandsverzeichnisses des jeweiligen Grundbuchblattes.
Mit der Benennung der Grundstücke im Rechtssinne nach den exakt vermessenen Flurstücken
des Liegenschaftskatasters werden diese beiden Grundstücksbegriffe untrennbar
miteinander verknüpft. Holzer spricht davon, dass hierdurch der Inhalt des Grundbuchs
gleichsam in die Örtlichkeit projiziert werde (BeckOK-GBO/Holzer, § 2 Rn. 17).

Ein Grundstück im rechtlichen Sinne kann ein Flurstück (sog. Idealgrundstück) oder auch
mehrere Flurstücke (sog. zusammengesetztes Grundstück) umfassen.

Im vorliegenden Fall unterstellen wir, dass das aufzuteilende Flurstück bzw. die aufteilenden
Flurstücke unter einer lfd. Nr. des Bestandverzeichnisses eingetragen sind. Eine
WEG-Aufteilung dieses Flurstücks bzw. dieser Flurstücke wäre mithin möglich, da es sich
sodann um ein Grundstück im rechtlichen Sinne handeln würde.

2. Buchung ideeller Miteigentumsanteile betreffend ein anderes Grundstück, § 3 GBO
Nach § 3 Abs. 1 GBO gilt der Grundsatz, dass jedes Grundstück im rechtlichen Sinne ein
eigenes Grundbuchblatt erhält. Für das weitere (zugbuchte) Grundstück wäre folglich ein
eigenes Grundbuchblatt anzulegen.

Von diesem Grundsatz des sog. Realfoliums lässt das Gesetz indes eine Ausnahme für die
Buchung von ideellen Miteigentumsanteilen zu. § 3 Abs. 4, Abs. 5 GBO gestatten dem
Grundbuchamt, von der Führung eines Grundbuchblatts für ein Grundstück abzusehen,
wenn das Grundstück den wirtschaftlichen Zwecken mehrerer anderer Grundstücke zu dienen
bestimmt ist, zu diesen in einem räumlichen Verhältnis und im Miteigentum der Eigentümer
dieser Grundstücke steht (dienendes Grundstück). In diesem Fall müssen an Stelle
des ganzen Grundstücks die den Eigentümern zustehenden einzelnen Miteigentumsanteile
an dem dienenden Grundstück auf dem Grundbuchblatt des dem einzelnen Eigentümer
gehörenden (herrschenden) Grundstücks eingetragen werden. Diese Eintragung gilt als
Grundbuch für den einzelnen Miteigentumsanteil (Keller/Munzig, Grundbuchrecht, 8.
Aufl. 2019, § 3 Rn. 8 ff.; BeckOK-WEG/Kral, 38. Ed. 1.8.2019, § 7 Rn. 14; Meikel/Nowak,
GBO, 11. Aufl. 2015, § 3 Rn. 46 - 59).

Die Eintragung der Miteigentumsanteile erfolgt nach Maßgabe des § 8 GBV im Bestandsverzeichnis
der herrschenden Grundstücke.

Die Buchung der Miteigentumsanteile betreffend das dienende Grundstück in den Bestandsverzeichnissen
der (umliegenden) herrschenden Grundstücke bedeutet indes nicht,
dass das dienende Grundstück fortan ein rechtlicher Bestandteil der herrschenden Grundstücke
ist; es wird vielmehr nur grundbuchverfahrensrechtlich von der Anlegung eines
eigenen Grundbuchblatts für das dienende Grundstück abgesehen. An der materiellrechtlichen
Eigenständigkeit des dienenden Grundstücks ändert sich nichts (vgl. Meikel/
Nowak, § 3 Rn. 46). Die „gemeinsame“ Buchung bei den Eigentümern der herrschenden
Grundstücke dient v. a. der Übersichtlichkeit des Grundbuchs und soll verhindern, dass
die Miteigentumsanteile bei einem Eigentumswechsel eines herrschenden Grundstücks
übersehen und infolgedessen vergessen werden (BeckOK-GBO/Holzer, § 3 Rn. 32).
Sofern die Miteigentumsanteile an dem dienenden Grundstück nicht mehr den Eigentümern
der (umliegenden) herrschenden Grundstücke zustehen, ist für das dienende Grundstück
– dem Grundsatz des § 3 Abs. 1 GBO folgend – ein eigenes Grundbuchblatt anzulegen,
§ 3 Abs. 8 GBO.

3. Würdigung des vorliegenden Sachverhalts

Obgleich uns das Grundbuch nicht vorliegt, deutet der mitgeteilte Sachverhalt darauf hin,
dass keine (materielle) Bestandteilszuschreibung gem. § 890 Abs. 2 BGB i. V. m. § 6 GBO
vorliegt, sondern vielmehr nur eine Buchung gem. § 3 Abs. 4, Abs. 5 GBO. Für den vorliegenden
Fall bedeutet dies: Die Buchung des Miteigentumsanteils betreffend das weitere
Grundstück steht einer WEG-Aufteilung des herrschenden Grundstücks nicht entgegen;
der Miteigentumsanteil an dem weiteren Grundstück ist nur formell bei dem aufzuteilendem
Grundstück (als vermutlich eines von mehreren herrschenden Grundstücken) gebucht,
dennoch hat das weitere (zugebuchte) Grundstück seine rechtliche Eigenständigkeit
bewahrt. Infolge der rechtlichen Eigenständigkeit des weiteren (zugebuchten) Grundstücks
gehört der Miteigentumsanteil hieran nicht zum Gemeinschaftseigentum des WEGGrundstücks;
der Miteigentumsanteil an dem weiteren Grundstück ist kein Recht i. S. v.
§ 96 BGB.

Vor dem Hintergrund, dass das Grundbuchblatt des aufzuteilenden Grundstücks geschlossen
wird, muss der aufteilende Eigentümer sich allerdings überlegen, was mit seinem Miteigentum
an dem weiteren (zugebuchten) Grundstück geschehen soll. Sofern jedem Eigentümer
der zu bildenden Sondereigentumseinheiten auch ein Anteil an dem weiteren (zugebuchten)
Grundstück zustehen soll, kann der aufteilende Eigentümer beim Grundbuchamt
„beantragen“ (anregen), dass sein bisheriger Miteigentumsanteil an dem weiteren (zugebuchten)
Grundstück nunmehr – gleichmäßig oder in einem anderen Verhältnis – den Sondereigentumseinheiten
zugebucht werden soll (vgl. BayObLG DNotZ 1995, 74; BeckOKGBO/
Kral, 36. Ed. 1.6.2019, Sonderbereich WEG Rn. 129; BeckOK-GBO/Holzer, § 3
Rn. 36). Diese Vorgehensweise erscheint empfehlenswert, wenn bei einem späteren Verkauf
der Sondereigentumseinheiten der jeweilige Erwerber nicht nur das (Sonder-)Eigentum an
dem nach WEG aufgeteilten Grundstück, sondern darüber hinaus auch einen Bruchteil an
dem weiteren Grundstück (z. B. an einer Wegefläche) erwerben soll. Mit der „gemeinsamen“
Buchung auf einem jeweiligen Wohnungsgrundbuchblatt würde verhindert, dass bei
einem späteren Verkauf die Mitveräußerung und Auflassung des Anteils an dem weiteren
(dienenden) Grundstück vergessen wird.

Sofern die Aufteilung gem. §§ 3, 8 WEG unter mehreren Eigentümern des aufzuteilenden
Grundstücks erfolgt, wäre im Rahmen der Teilungserklärung freilich darauf zu achten, dass
der bisherige Miteigentumsanteil an dem (zugebuchten) Grundstück im gewünschten Verhältnis
auf die zu bildenden Sondereigentumseinheiten aufgelassen wird (vgl. hierzu auch
das Formulierungsbeispiel von Schneider, in: Beck'sches Formularbuch Wohnungseigentumsrecht,
Müller, 3. Aufl. 2016, Teil G, I Ziff. 3, Die Zubuchung von Miteigentumsanteilen
am Wegegrundstück zum Wohnungseigentum; das Muster bezieht sich allerdings
auf die WEG-Aufteilung durch einen Alleineigentümer, sodass dort ein schlichter
„Antrag“ für die Zubuchung des dienenden Grundstücks bei den neu anzulegenden Wohnungsgrundbuchblättern
ausreicht). Sofern im Rahmen der Teilungserklärung der bisherige
Miteigentumsanteil an dem weiteren Grundstück auf die neu zu bildenden Sondereigentumseinheiten
„verteilt“ wird, nimmt das Grundbuchamt eine entsprechende Zubuchung
im Bestandsverzeichnis der jeweiligen Sondereigentumseinheit vor. Ein entsprechender
„Antrag“ des aufteilenden Eigentümers ist hierbei als bloße Anregung zu verstehen, da das
Buchungsverfahren gem. § 3 Abs. 4, Abs. 5 GBO von Amts wegen erfolgt und im
Ermessen des Grundbuchamtes steht.

Gutachten/Abruf-Nr:

172081

Erscheinungsdatum:

10.10.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

WEG
Grundbuchrecht

Normen in Titel:

WEG § 1 Abs. 4; GBO § 3 Abs. 4; GBO § 3 Abs. 5