Erfüllung eines unstreitigen Pflichtteilsanspruchs durch den Testamentsvollstrecker
BGB §§ 2204, 2046, 2213
Erfüllung eines unstreitigen Pflichtteilsanspruchs durch den Testamentsvollstrecker
I. Sachverhalt
Ein Erblasser hatte seine einzige Tochter als Vorerbin und ihre beiden minderjährigen Töchter zu Nacherben eingesetzt sowie Testamentsvollstreckung für die Zeit angeordnet, bis die Enkelinnen (Nacherben) das 27. Lebensjahr erreicht haben.
Die Mutter hat zu nachlassgerichtlichem Protokoll die Vorerbschaft ausgeschlagen und darin auch gleich den Pflichtteil dem Grunde nach geltend gemacht. Im Nachlass befanden sich kaum Barmittel, jedoch eine vermietete Wohnimmobilie. Testamentsvollstrecker und Mutter sind über die Erfüllung des unstreitigen Pflichtteilsanspruchs anhand eines Nachlassverzeichnisses und eines Wertgutachtens zur Immobilie einig. Die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs soll durch Übertragung eines dem Wert entsprechenden Miteigentumsanteils an der Immobilie erfolgen. Der Testamentsvollstrecker hat erklärt, dass es mangels Einkünfte und Vermögens der (Nach-)Erben keine Alternative gebe und dies die einzig sinnvolle Lösung darstelle.
II. Frage
Ist der Testamentsvollstrecker zur Erfüllung verpflichtet, weil die Pflichtteilserfüllung ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht?
III. Zur Rechtslage
1. Erbrechtliche Ausgangslage
Die nunmehr ihren Pflichtteilsanspruch nach dem Erblasser fordernde Mutter war zwar nicht gem.
2. Aufgabenbereich des Testamentsvollstreckers; allgemeines zur Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs durch den Testamentsvollstrecker
Der konkrete Aufgabenbereich des Testamentsvollstreckers ausweislich des Testaments ist im Sachverhalt nicht mitgeteilt. Insoweit wird unterstellt, dass der Testamentsvollstrecker die Enkelinnen nicht nur als Nacherben, sondern auch in ihrer Rolle als infolge der Ausschlagung nachrückende Ersatzerben beschwert und die Regulierung der Nachlassverbindlichkeiten – wie insbesondere regelmäßig bei der Abwicklungsvollstreckung gem. § 2203 BGB (Grüneberg/Weidlich, § 2203 Rn. 3) – nach der Anordnung des Erblassers grundsätzlich zu seinem Aufgabenbereich gehört.
Den gesetzlichen Ausgangspunkt bei einer Auseinandersetzungsvollstreckung hat der BGH (
3. Die Sonderregelung in § 2213 Abs. 1 S. 3 BGB
Allerdings trifft § 2213 Abs. 1 S. 3 BGB für Pflichtteilsansprüche die Sonderregelung, dass sie nur gegen den Erben geltend gemacht werden können, auch wenn dem Testamentsvollstrecker die Verwaltung des Nachlasses zusteht. In der Vorschrift des § 2213 BGB geht es damit darum, die vormalige Stellung des Testamentsvollstreckers als gleichsam fortlebenden Erblasser zurückzudrängen. Der Testamentsvollstrecker trat nach gemeinem Recht an die Stelle des Erblassers und war damit der berufene Verteidiger des Testaments, also der testamentarisch bestimmten Erben gegen die gesetzlichen Erben (
§ 2213 Abs. 1 S. 3 BGB zielt primär nur auf die gerichtliche Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen. Darüber hinaus kann der Testamentsvollstrecker aufgrund der genannten Vorschrift ohne Willen des Erben eine Pflichtteilsforderung nicht mit Wirkung gegen diesen rechtsgeschäftlich anerkennen. Außergerichtlich kann der Testamentsvollstrecker jedoch im Rahmen seines Verwaltungsrechts gleichwohl über Pflichtteilsansprüche verhandeln und, falls es sich um einen unstreitigen Pflichtteilsanspruch handelt, diesen auch ohne Zustimmung des Erben erfüllen, da es sich um eine Nachlassverbindlichkeit handelt. Lediglich bei streitigen Ansprüchen hat der Testamentsvollstrecker nach § 2046 Abs. 1 S. 2 BGB zu verfahren und setzt sich der Haftung nach § 2219 BGB aus, wenn er den bestrittenen Pflichtteilsanspruch trotzdem erfüllt und hierbei mehr leistet, als etwa später im Rechtsstreit zwischen dem Pflichtteilsberechtigten und dem Erben als Pflichtteil zugesprochen wird (zum Ganzen BGH
Dutta (in: Staudinger, § 2213 Rn. 19) folgert aus § 2213 Abs. 1 S. 3 BGB noch weitergehend, dass der Testamentsvollstrecker dem Pflichtteilsberechtigten gegenüber an sich nicht verpflichtet sei, den Pflichtteilsanspruch zu erfüllen, auch dann nicht, wenn der Erbe den Pflichtteilsanspruch anerkannt habe. Der Testamentsvollstrecker sei lediglich infolge seiner nach
U. E. entfernt sich die Auffassung Duttas jedoch zu weit von dem für den Testamentsvollstrecker geltenden Ausgangspunkt der §§ 2204 Abs. 1, 2046 Abs. 1 BGB, wonach der Testamentsvollstrecker zur Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten verpflichtet ist. Aus § 2046 Abs. 1 S. 2 BGB und der Grundsatzentscheidung des BGH zu § 2213 Abs. 1 S. 3 BGB (
4. Ergebnis im vorliegenden Sachverhalt
Im vorliegenden Sachverhalt geht es nach der Schilderung letztlich um eine unter den Nachlassbeteiligten nicht streitige Regulierung des Pflichtteilsanspruchs. Der auf Geld gerichtete Pflichtteilsanspruch der Mutter soll aufgrund einvernehmlicher Regelung durch eine andersartige, an Erfüllung statt hingegebene Leistung befriedigt werden (§ 364 Abs. 1 BGB), nämlich durch die Übertragung des betreffenden Miteigentumsanteils an der Immobilie. Einer derartigen einvernehmlichen, außergerichtlichen Regulierung des Pflichtteilsanspruchs durch den Testamentsvollstrecker steht § 2213 Abs. 1 S. 3 BGB u. E. nicht im Wege. Der Testamentsvollstrecker ist u. E. zur Erfüllung der Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 Abs. 2 BGB) auf diese Weise auch verpflichtet (
197716
Erscheinungsdatum:16.05.2023
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Testamentsvollstreckung
Erbengemeinschaft, Erbauseinandersetzung
BGB § 2213; BGB § 2204