21. Februar 2020
ErbbauRG § 27; GBO § 19; BGB § 875; BGB § 889; ErbbauRG § 28

Entschädigungsanspruch des Erbbauberechtigten nach Erlöschen des Erbbaurechts; kein Erlöschen des Entschädigungsanspruchs durch Konfusion

ErbbauRG §§ 27, 28; BGB §§ 875, 889; GBO § 19
Entschädigungsanspruch des Erbbauberechtigten nach Erlöschen des Erbbaurechts; kein Erlöschen des Entschädigungsanspruchs durch Konfusion

I. Sachverhalt
An einem Grundstück war ein Erbbaurecht bestellt. Dieses war bis zum 31.12.2019 befristet und ist abgelaufen. Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigter sind personenidentisch. Das Erbbaugrundbuch ist lastenfrei. Im Grundstücksgrundbuch ist lediglich das abgelaufene Erbbaurecht eingetragen. Das Erbbaugrundbuch soll geschlossen und das Erbbaurecht im Grundstücksgrundbuch gelöscht werden, sodass fortan nur noch ein „normales“ Grundstück besteht. Entsprechendes hat der Grundstückseigentümer/Erbbauberechtigte formgerecht bewilligt und beantragt. Das Grundbuchamt verlangt darüber hinaus eine öffentlich beglaubigte Erklärung dahingehend, dass der Antragsteller auf den Entschädigungsanspruch gem. § 27 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG verzichtet.

II. Fragen
1. Kann dem Erbbauberechtigten gegen sich selbst als Grundstückseigentümer eine Entschädigungsforderung nach Erlöschen des Erbbaurechts zustehen oder ist nicht vielmehr von einer Konfusion auszugehen?

2. Kann das Grundbuchamt auf einer ausdrücklichen Verzichtserklärung bestehen oder genügt bereits die abgegebene Bewilligung (nebst Antrag) auf Löschung des Erbbaurechts im Grundstücksgrundbuch sowie Schließung des Erbbaurechtsgrundbuchs?

III. Zur Rechtslage
1. Kein Erlöschen des Entschädigungsanspruchs durch Konfusion
Beim Entschädigungsanspruch gem. § 27 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG handelt es sich nach mittlerweile ganz herrschender und insbesondere vom BGH vertretener Ansicht nicht um einen schuldrechtlichen Anspruch, sondern um ein dingliches Sicherungsmittel eigener Art, das seinem Wesen nach einer Reallast ähnlich ist (vgl. BGH DNotZ 2013, 850 Tz. 17 u. 18; DNotI-Abrufgutachten Nr. 144938; MünchKommBGB/Heinemann, 8. Aufl. 2020, § 27 ErbbauRG Rn. 6; Ingenstau/Hustedt/Bardenhewer, ErbbauRG, 11. Aufl. 2018, § 28 Rn. 5; v. Oefele/Winkler/Schlögel, Handbuch Erbbaurecht, 6. Aufl. 2016, § 5 Rn. 237; Staudinger/Rapp, BGB, 2017, § 28 ErbbauRG Rn. 1). Daher kommt ein Erlöschen der Entschädigungsforderung infolge Konfusion nicht in Betracht. Vielmehr gilt der sachenrechtliche Grundsatz, dass eine dingliche Rechtsposition nicht dadurch untergeht, dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks und der Inhaber des belastenden Rechts personenidentisch sind, § 889 BGB. Die Entschädigungsforderung tritt vielmehr im Wege der dinglichen Surrogation an die Stelle des durch Zeitablauf erloschenen Erbbaurechts und nimmt dessen Rangstelle auf dem Erbbaurechtsgrundstück ein, § 28 ErbbauRG (vgl. MünchKommBGB/Heinemann, § 27 ErbbauRG Rn. 4; v. Oefele/Winkler/Schlögel, § 5 Rn. 236).

2. Konkludenter Verzicht auf Entschädigungsforderung
Im Grundsatz ist dem Grundbuchamt also darin zuzustimmen, dass es einer Aufgabeerklärung (i. S. v. § 875 Abs. 1 S. 1 BGB, § 19 GBO) in Ansehung der reallastähnlichen Entschädigungsforderung bedarf. Im Gegensatz dazu zielt die Löschungsbewilligung betreffend das noch im Grundstücksgrundbuch eingetragene Erbbaurecht eigentlich „nur“ auf die Berichtigung des Grundbuchs; denn infolge Zeitablaufs ist das Erbbaurecht materiell-rechtlich bereits untergegangen und das Grundbuch insoweit unrichtig geworden.

Das Grundbuchamt hat allerdings nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, die ihm vorgelegten urkundlichen Erklärungen auszulegen und den wirklichen Willen zu erforschen (vgl. OLG Zweibrücken DNotZ 1997, 325; OLG München NJOZ 2012, 1727, 1728; BGH DNotZ 2014, 513 Tz. 10; BeckOK-GBO/Holzer, Std.: 15.12.2019, § 19 Rn. 47; Keller, in: Keller/Munzig, Grundbuchrecht, 8. Aufl. 2019, Teil 1 § 2 Rn. 88). In Fällen, in denen weder eine Personenmehrheit noch eine Personenverschiedenheit besteht, wenn also der Alleineigentümer des Erbbaugrundstücks zugleich der alleinige Inhaber des Entschädigungsanspruchs ist, kann das Grundbuchamt nach unserem Dafürhalten keine ausdrückliche Aufgabeerklärung verlangen. Vielmehr hat es bei verständiger Würdigung des Lebenssachverhalts die Löschungsbewilligung dahingehend auszulegen, dass der Bewilligende auch – also konkludent – auf die Entschädigungsforderung gem. § 27 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG verzichtet; denn an einer Durchsetzung dieses gegen sich selbst gerichteten Sicherungsmittels dürfte der Bewilligende regelmäßig weder ein wirtschaftliches noch ein rechtliches Interesse haben. Auf einer ausdrücklichen Aufgabeerklärung zu beharren, erschiene uns als unnötige „Förmelei“. In der notariellen Vertragsgestaltungspraxis sollte freilich zwischen der Berichtigung des Grundbuchs in Ansehung des untergegangenen Erbbaurechts und der Aufgabe der reallastähnlichen Entschädigungsforderung unterschieden werden und sollte diese Unterscheidung in der Bewilligung zum Ausdruck kommen – um Zwischenverfügungen der vorliegenden Art zu vermeiden.

3. Ergebnis
Im Ergebnis ist mithin festzuhalten, dass es sich bei dem Entschädigungsanspruch gem. § 27 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG um ein dingliches Sicherungsmittel eigener Art handelt, das nicht durch Konfusion untergeht. Im Grundsatz bedarf es daher einer Aufgabeerklärung (i. S. v. § 875 Abs. 1 S. 1 BGB, § 19 GBO) in Ansehung dieses reallastähnlichen Rechts. Eine ausdrückliche „Verzichtserklärung“ erscheint uns indes entbehrlich, wenn der Alleineigentümer des Grundstücks, der zugleich der einzige Erbbauberechtigte ist, die Löschung des durch Zeitablauf untergegangenen Erbbaurechts bewilligt und beantragt.

Gutachten/Abruf-Nr:

172855

Erscheinungsdatum:

21.02.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbbaurecht
Grundbuchrecht
Sachenrecht allgemein

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 25-26

Normen in Titel:

ErbbauRG § 27; GBO § 19; BGB § 875; BGB § 889; ErbbauRG § 28