19. März 2021
GmbHG § 72; BGB § 311b Abs. 1

Liquidation: Beschluss über Vermögensverteilung in natura; Beurkundungsbedürftigkeit des Beschlusses, wenn Grundstück an Gesellschafter ausgekehrt werden soll; Auflösungsbeschluss; Liquidationsbeschluss

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 173484
letzte Aktualisierung: 19. März 2021

GmbHG § 72; BGB § 311b Abs. 1
Liquidation: Beschluss über Vermögensverteilung in natura; Beurkundungsbedürftigkeit
des Beschlusses, wenn Grundstück an Gesellschafter ausgekehrt werden soll; Auflösungsbeschluss;
Liquidationsbeschluss

I. Sachverhalt
Die Alleingesellschafterin einer GmbH fassten 2016 folgenden Gesellschafterbeschluss:

„1. Die Gesellschaft wird zum … aufgelöst.
2. Als Liquidator wird … bestellt. Der Liquidator ist einzelvertretungsbefugt.

3. Die Bücher und Schriften der Gesellschaft werden nach Beendigung der
Liquidation von … verwahrt.
4. Im Rahmen der Vermögensverteilung ist der Grundbesitz von … Blatt
… nicht in Geld umzusetzen, sondern an die alleinige Gesellschafterin …
auszukehren, und zwar in Form einer Überlassung des Grundbesitzes.“

Die Liquidation wurde im Handelsregister eingetragen. Inzwischen sind sämtliche Geschäfte
abgewickelt, sodass der Grundbesitz auf die Alleingesellschafterin übertragen werden soll.

II. Frage
Hätte der Gesellschafterbeschluss beurkundet werden müssen, weil dort die Auskehrung des
Grundstücks an die Alleingesellschafterin vorgesehen ist?

III. Zur Rechtslage
1. Meinungsstand zur Beurkundung des Liquidationsbeschlusses
Der Gesellschafter der GmbH hat nach beendeter Liquidation einen Anspruch auf den
Liquidationsüberschuss (Liquidationsquote), wobei sich dieser Anspruch – auch für den
Sachinferenten – grundsätzlich auf eine Geldleistung richtet (Baumbach/Hueck/Haas,
GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 72 Rn. 2 f.; MünchKommGmbHG/H.-F. Müller, 3. Aufl. 2018,
§ 72 Rn. 3, 8; Herrler/Blath, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2017,
§ 6 Rn. 1752). Durch Satzung oder allseitigen Gesellschafterbeschluss (d. h. jedenfalls
mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters) lässt sich jedoch eine Teilung in natura
anordnen (vgl. Baumbach/Hueck/Haas, § 72 Rn. 11; MünchKommGmbHG/H.-F. Müller,
§ 72 Rn. 9) oder im Fall der Einpersonengesellschaft schlicht die Auskehr des gesamten
„unversilberten“ Gesellschaftsvermögens an den Alleingesellschafter. Die Literatur spricht
in diesem Zusammenhang davon, dass die „Zustimmung“ zur Übertragung eines Grundstücks
an einen Gesellschafter nicht der Form des § 311b Abs. 1 BGB unterliege
(Scholz/K. Schmidt/Scheller, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 72 Rn. 8;
MünchKommGmbHG/H.-F. Müller, § 72 Rn. 9; Nerlich, in:
Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 72 Rn. 16; Gesell, in:
Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl. 2017, § 72 Rn. 8). K. Schmidt/Scheller (in:
Scholz, § 72 Rn. 8) verlangen die Beurkundung aber ausdrücklich für einen Beschluss, aus
dem „sich unmittelbar ein Anspruch auf Grundstücksübereignung ergeben soll“. Tendenziell
anders sieht es indes die Literatur zu § 15 Abs. 4 GmbHG: Sie verneint eine Beurkundung
des Liquidationsbeschlusses, wonach der Liquidator Geschäftsanteile auf die Gesellschafter
übertragen soll. Argumentiert wird insoweit mit dem Wortlaut des § 15 Abs. 4
GmbHG, der eine „Vereinbarung“, also einen Vertrag, zu verlangen scheint (Ebbing, in:
Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, § 15 Rn. 57; GroßkommGmbHG/Löbbe, 3. Aufl.
2019, § 15 Rn. 47; Scholz/Seibt, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 15 Rn. 48). Darunter falle ein
Gesellschafterbeschluss nicht, auch wenn er das obligatorische Recht des Gesellschafters
auf (anteilige) Abtretung der im Eigentum der Gesellschaft befindlichen Geschäftsanteile
erzeuge (GroßkommGmbHG/Löbbe, § 15 Rn. 47).

2. Stellungnahme
Unseres Erachtens dürfte entscheidend sein, dass der Beschluss die Verpflichtung der
GmbH (und ihres Geschäftsführers) erzeugt, ein Grundstück auf den Gesellschafter zu
übertragen. Ist dies der Fall, so dürfte es auf das Wortlautargument nicht ankommen. Es
gibt nämlich keinen echten Grund, den Begriff des „Vertrags“ (so § 311b Abs. 1 BGB) oder
der „Vereinbarung“ (so § 15 Abs. 4 GmbHG) streng auf zweiseitige Rechtsgeschäfte zu beschränken.
Dem Sinn und Zweck des Beurkundungserfordernisses (vgl. zu § 311b Abs. 1
BGB BeckOGK-BGB/Schreindorfer, Std.: 1.3.2021, § 311b Rn. 9) entspricht es durchaus,
auch andere Rechtsgeschäfte einzubeziehen, die mit einer Übertragungsverpflichtung einhergehen.
Die Verpflichtung gerade zur Übertragung eines Grundstücks entsteht aber durch
den vorliegend gefassten Gesellschafterbeschluss. Zwar hat der Gesellschafter gegenüber
der Gesellschaft (BeckOK-GmbHG/Lorscheider, Stand: 1.2.2021, § 72 Rn. 7a) auch ohne
einen besonderen Gesellschafterbeschluss seinen mitgliedschaftlichen Anspruch auf die
Liquidationsquote; dieser Anspruch ist aber – wie oben gesagt – auf Geld gerichtet. Der
Anspruch auf das Grundstück ist in ihm nicht bereits enthalten. Damit wäre der Auflösungsbeschluss
vorliegend wohl zu beurkunden gewesen. Anders wäre es u. E. zu beurteilen,
wenn der Gesellschafter lediglich einen Beschluss gefasst hätten, dass das Grundstück
zu verkaufen sei. Insoweit wäre es nicht um die konkrete Begründung einer
Veräußerungspflicht gegangen und erst der später abzuschließende Kaufvertrag unterläge
der Beurkundungspflicht.

Es sei schließlich darauf hingewiesen, dass die Frage der Beurkundungsbedürftigkeit im
konkreten Fall keineswegs abschließend geklärt ist.

3. Folgen einer angenommenen Beurkundungsbedürftigkeit
Über den Vollständigkeitsgrundsatz wäre zwar wohl das gesamte Rechtsgeschäft – einschließlich
etwaiger Nebenabreden und verbundener Verträge – beurkundungsbedürftig
gewesen (einseitige Abhängigkeit der beurkundungsbedürftigen von der beurkundungsfreien
Abrede, vgl. BGH DNotZ 2009, 619 Rn. 14). Gleichwohl ist es denkbar, dass die an
sich formfrei möglichen Bestandteile nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB wirksam
bleiben, wenn anzunehmen ist, dass sie auch ohne den beurkundungspflichtigen Bestandteil
beschlossen worden wären (vgl. BGH NJW 1986, 2642, 2643 zu § 15 Abs. 4 GmbHG; allg.
zu § 139 BGB MünchKommBGB/Ruhwinkel, 8. Aufl. 2019, § 311b Rn. 78; BeckOGKBGB/
Schreindorfer, § 311b Rn. 294 ff.). Insoweit lässt sich durchaus vermuten, dass der
Gesellschafter den Beschluss über die Auflösung und die Liquidatorenbestellung auch ohne
die Regelung über die „Grundstücksauskehr“ gefasst hätte (was gleichwohl eine Tatfrage
bleibt). Wäre dies anders, müsste man eine Wiederholung der Auflösung und Liquidation
erwägen, insbesondere vor der Vermögensauskehr noch einmal das Sperrjahr abwarten (vgl.
Gutachten DNotI-Report 2017, 10, 11). Die bereits vorgenommenen Liquidationshandlungen
werden dadurch aber noch nicht in Frage gestellt, solange das Gesellschaftsvermögen
nicht verteilt wurde.

Gutachten/Abruf-Nr:

173484

Erscheinungsdatum:

19.03.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

GmbH
Allgemeines Schuldrecht

Normen in Titel:

GmbHG § 72; BGB § 311b Abs. 1