02. November 2013
WEG § 3; BGB § 877; WEG § 8; BGB § 876

Zustimmungserfordernis des Nießbrauchsberechtigten zur Aufteilung in Wohnungseigentum bei unterschiedlich belasteten Miteigentumsanteilen

Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 127690
letzte Aktualisierung: 14. November 2013

BGB §§ 876, 877; WEG §§ 3, 8
Zustimmungserfordernis des Nießbrauchsberechtigten zur Aufteilung in Woh¬nungseigentum bei unterschiedlich belasteten Miteigentumsanteilen

I. Sachverhalt

Es bestehen vier Miteigentumsanteile (1/2, 1/6, 1/6, 1/6) an einem Grundstück.

Die drei 1/6 Miteigentumsanteile sind belastet mit einem Nießbrauch und einer Rückerwerbs¬vormerkung (zur Sicherung der Rückforderung bei einer Veräußerung ohne Zustimmung der Vormerkungsberechtigten). Die Eigentümer möchten das Grundstück in Wohnungseigentum aufteilen. Die Miteigentumsanteile an den neuen, insgesamt elf Sondereigentumseinheiten sollen dieselben sein wie zuvor. Nach der Teilung bestünden somit elf Sondereigentumseinheiten, deren Eigentümer je 4 Miteigentümer (1/2, 1/6, 1/6, 1/6) in Bruchteilsgemeinschaft sind.

Sodann möchten drei Eigentümer ihre Miteigentumsanteile an zwei der elf Sondereigentumsein¬heiten an einen der Miteigentümer und eine weitere Person verkaufen.

II. Frage

Ist zur Aufteilung durch mehrere Eigentümer bei gleichbleibenden Eigentumsverhältnissen die Zustimmung der Nießbraucher und der Vormerkungsberechtigten erforderlich?

III. Zur Rechtslage

1.    Beschluss des BGH vom 9.2.2012

Lange Zeit war umstritten, ob Gläubiger (insbesondere von Grund¬pfandrechten), die am gesamten Grundstück berechtigt sind, der Begründung von Wohnungseigentum zustimmen müssen. Mit Beschluss v. 9.2.2012 (DNotZ 2012, 531) hat der BGH entschieden, dass die Zustimmung derartiger Gläubiger nicht erforderlich ist (zum Meinungsstreit im Überblick: Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 877 Rn. 62).

Im Gegensatz zum vorliegenden Sachverhalt betraf der vom BGH entschiedene Sachverhalt zwar keinen Abteilung-II-Gläubiger, der nur an einzelnen Bruchteilen berechtigt ist, sondern einen Grundpfandrechtsgläubiger, dessen Recht am gesamten Grundstück lastete. Dennoch lassen sich dem Beschluss allgemeine Aussagen entnehmen, die als Hintergrundinformation für den vorliegenden Fall von Interesse sein können. U.E. gilt für Gläubiger von Rechten aus Abteilung II nichts anderes als für Grundpfandrechtsgläubiger. Einer Zustimmung von Gläubigern, deren Belastung auf dem ganzen Grundstück lastet, bedarf es folglich nicht. Dies wird vom BGH (Beschl. v. 9.2.2012, Az.: V ZB 95/11, DNotZ 2012, 531) wie folgt begründet:

Bei der Begründung von Wohnungseigentum nach § 8 WEG handele es sich nicht um eine Inhaltsänderung eines Rechts, mit der Folge einer entsprechenden Anwendung der §§ 876, 877 BGB (Tz. 5 der Entscheidung; so auch die h.M., vgl. nur Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 877 Rn. 43). Das nach § 876 S. 1 BGB betroffene „Recht an einem Grundstück“ könne nur ein beschränktes dingliches Recht, nicht aber das Vollrecht Eigentum selbst sein. Die §§ 876, 877 BGB fänden ebenso wenig bei der realen oder ideellen Teilung des Eigentums Anwendung. Eine Schutzbedürftigkeit des Gläubigers sei zu verneinen, weil dessen Recht als Gesamtrecht am Grundstück fortbestehe (Tz. 7). § 8 WEG sei ebenso wie § 3 WEG als Teilung des Vollrechts anzusehen, auf welches §§ 876, 877 BGB weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung fänden (Tz. 8). Auch das Rangklassenprivileg für rückständiges Wohngeld in § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG recht¬fertige eine entsprechende Anwendung der §§ 876, 877 BGB mangels einer planwidrigen Regelungslü¬cke nicht (Tz. 12).

Nach Ansicht des BGH verhält es sich jedoch anders, wenn selbstständig belastete Miteigentumsanteile nach § 3 WEG umgewandelt werden (BGH DNotZ 2012, 531, 533 Tz. 10). Denn dies hätte zur Folge, dass sich das Belastungsobjekt von einem Miteigentumsanteil in einen Miteigentumsanteil am Grund¬stück verbunden mit dem Sondereigentum an einer bestimmten Raumeinheit wandelt. Für den Fall, dass einzelne Miteigentumsanteile selbständig belastet sind, bedürfe es der Zustimmung des Gläubigers in entsprechender Anwendung der §§ 876, 877 BGB.

2.    Differenzierung zwischen Teilung nach § 3 WEG und § 8 WEG bei unterschiedlich belasteten Miteigentumsanteilen

Die Differenzierung zwischen § 3 WEG und § 8 WEG ist u. E. gerechtfertigt. Eine zustim¬mungsbedürftige Inhaltsänderung ist naheliegend, wenn ein Recht nicht mehr an einem Mit¬eigentumsanteil eines Grundstücks, sondern am Sondereigentum an einer Wohnung in Ver¬bindung mit einem Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum lastet (§ 3 WEG). Dagegen ist eine Zustimmung im Falle des § 8 WEG entbehrlich, wenn ein Recht statt an einem Miteigen¬tumsanteil an einem Grundstück nun an einem Miteigentumsanteil an allen Sonderei¬gentumsein¬heiten (verbunden mit den jeweiligen Anteilen am Gemeinschaftseigentum) las¬tet. Im Falle einer Teilung nach § 8 WEG ist der Miteigentümer – entsprechend der Vorga¬ben der Miteigentümergemeinschaft nach 741 ff. BGB – immer noch Miteigentümer „des ganzen Objekts“. So kann er z.B. jede einzelne Wohnung mitbenutzen. Bei einer Auf¬teilung nach § 3 WEG wird hingegen jedem Miteigentümer eine eigene Sondereigentums¬einheit zu¬gewiesen. Mit der Zuweisung des Alleineigentums an einer Sondereigentumsein¬heit kor¬respondiert zugleich der Nutzungs- und Verfügungsausschluss der übrigen Sonder¬ei¬gentumseinheiten.

Neben dem BGH unterscheiden auch die obergerichtliche Rechtsprechung und die Literatur zwischen den beiden Formen der Begrün¬dung von Wohnungseigentum nach § 3 WEG und § 8 WEG (BayObLG NJW 1958, 2016, 2017 f.; OLG Stuttgart NJW 1954, 682, 683; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 877 Rn. 62; BeckOK-WEG/Kesseler, Stand: 1.1.2013, § 3 Rn. 31 m. w. N.; Heyn, WEG, 1. Aufl. 2012, § 3 Rn. 7; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 2849; Bärmann/Armbrüster, WEG, 12. Aufl. 2013, § 2 WEG Rn. 26).

Vorliegend handelt es sich um eine Teilung gem. § 8 WEG, weil die Eigentumsverhältnisse an den ge¬bildeten Sondereigentumseinheiten unverändert bleiben sollen und keine Zuweisung von Einheiten an einzelne Miteigentümer gem. § 3 WEG erfolgt. Das Nießbrauchsrecht und die Vormerkung sind dann in allen Wohnungsgrundbüchern einzutragen. Der Nießbrauchsbe¬rechtigte kann weiterhin das gesamte Grundstück nutzen – entsprechend den unverändert bestehen gebliebenen Miteigentümerbefugnissen gem. § 743 Abs. 2 BGB, des durch den Nießbrauch beschränkten Miteigentümers.

3.    Nießbrauchsrecht als Grundstücksbelastung

Die Entscheidung des BGH und zahlreiche Stellungnahmen in der Literatur beziehen sich indes speziell auf Grundpfandrechte. U.E. gilt jedoch für Abteilung-II-Gläubiger nichts anderes. So wie sich z.B. für einen Grundpfandrechtsgläubiger das Haftungsobjekt durch Aufteilung in Wohnungseigentum nicht ändert, ändert sich für den Nießbrauchsberechtigten sein Nut¬zungsobjekt nicht. Einer Vermes¬sung und realen Grundstücksteilung muss der Nießbrauchs¬berechtigte nicht zustimmen; vielmehr gilt hier ebenfalls, dass sein Recht durch die Tei¬lung nicht beeinträchtigt wird und an den verselbstständigten Teil-Grundstücken fortbesteht (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 668).     Im Ergebnis besteht daher u.E. kein Grund für ein Zustimmungserfordernis eines Berechtigten aus Abt. II des Grundbuches im Hinblick auf eine Aufteilung nach § 8 WEG (vgl. OLG Oldenburg NJW-RR 1989, 273 für ein Wohnungs¬recht; Schöner/Stöber, Rn. 2849; BeckOK-WEG/Kesseler, § 3 Rn. 32).

Dagegen erschließt sich der Sachbearbeiterin nicht, warum Kesseler (BeckOK-WEG, § 3 Rn. 31 a.E.) eine Zustim¬mung bei unterschiedlich belasteten Miteigentumsanteilen auch bei einer Tei¬lung nach § 8 WEG fordert. Als vorangestellte Begründung für das Zustimmungs¬erfordernis wird angeführt, dass durch die Aufteilung eines bislang freien Miteigentumsan¬teils dieser in einen solchen umgewandelt wird, dem zwar die exklusive Nutzung des zuge¬wiesenen Son¬dereigentums zusteht, dem aber an den anderen Sondereigentumseinheiten keine Berechti¬gung mehr zusteht. Dies ist bei einer Aufteilung nach § 8 WEG jedoch gerade nicht der Fall.

4.    Rückauflassungsvormerkung als Grundstücksbelastung

a)    Aufteilung als vormerkungswidrige Verfügung

Ebenso wenig bedarf die Teilung zu ihrer Wirksamkeit oder zum Vollzug der Zustimmung des Vormerkungsberechtigten. Auch die Vormerkung besteht an allen einzelnen Sonderei¬gentumseinheiten fort. Der Vormerkungsberechtigte ist jedoch durch §§ 883 Abs. 2, 888 BGB geschützt. Zwar erfordert die Aufteilung nicht seine Zustimmung. Bei einem späteren Rückerwerb muss er die Aufteilung als vormerkungswidrige Verfügung aber nicht gegen sich gelten lassen. Tritt nach erfolgter Aufteilung die Bedingung für den gesi¬cherten Übereignungsanspruch ein, so ist der Übereignungsanspruch des Vormerkungsbe¬rechtigten noch immer auf Rückübertragung des „ganzen“, nicht nach WEG-aufgeteilten Grundstücks gerichtet. U.E. ist die Aufteilung nach § 8 WEG als eine den Vormerkungsbe¬rechtigten beeinträchtigende Verfügung einzuordnen, indem diese den Rückerwerbsan¬spruch teilweise vereitelt, wenn nicht mehr das hingegebene Grundstück, sondern nur noch nach WEG aufgeteilte Sondereigentumseinheiten zurückverlangt werden können.

Für den Vormerkungsberechtigten gilt neben §§ 876, 877 BGB zusätzlich der Schutz nach §§ 883 Abs. 2, 888 BGB. Während §§ 876, 877 BGB die Aufhebung oder Inhaltsänderung eines „Rechts an einem Grundstück“ voraussetzen, fordert § 883 Abs. 2 BGB nur das Vor¬liegen einer Verfügung. Die Aufteilung in Wohnungseigentum ist zweifellos eine Inhaltsän¬derung des Eigentums (Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 877 Rn. 43) und daher als Verfügung unter § 883 Abs. 2 BGB zu fassen. Dagegen fällt die Aufhebung oder Änderung des Vollrechts selbst nicht unter §§ 876, 877 BGB. Infolgedessen ist der Vormer¬kungsberechtigte im Ergebnis stärker geschützt, weil die Vormerkung die Aufteilung zwar nicht rechtlich, aber faktisch verhindern kann.

b)    Praxisempfehlung

Demnach empfiehlt es sich vorliegend, die Zustimmung des Vormerkungsberechtigten zur Teilung nach § 8 WEG einzuholen, um die Vormerkungswidrigkeit der Verfügung aus¬zuräumen. Eine Beeinträchtigung des Vormerkungsberechtigten nach § 883 Abs. 2 BGB ist zu verneinen, wenn die¬ser der Verfügung zugestimmt hat (zu den Konseuqenzen der relativen Unwirksamkeit und zu den Voraussetzungen, die an eine dinglich wirkende Zustimmung zu stellen sind: Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2012, § 883 Rn. 243 ff.). Ohne Einholung der Zustimmung des Vormerkungsbe¬rechtigten ergibt sich zwar keine Grundbuchsperre für den Vollzug der Teilung nach § 8 WEG. Allerdings droht eine nachträgliche, relative Unwirksamkeit gegenüber dem Vor¬merkungsberechtigten, falls später die Bedingung für den gesicherten Rückerwerbsanspruch eintreten sollte.

Sollte später eine Wohnung verkauft und veräußert werden, stellt sich die Frage, ob der Vormerkungs¬berechtigte Rückübereignung nur der betroffenen Wohnung oder den Rückerwerb aller Wohnungen (also das aufgeteilte Grundstück im Ganzen) verlangen kann. Diese Frage dürfte durch Auslegung der ursprünglichen Vereinbarung zu beantworten sein. Daher empfiehlt sich u. E. eine Klarstellung (bzw. Änderung der Vereinbarungen zum Rückerwerbsrecht), denn dieses sollte nach der Aufteilung sinnvollerweise nur noch auf Rückübereignung der einzelnen Sondereigentumseinheit gerichtet sein, die vom Rückerwerbsgrund betroffen ist (zu den Grenzen der Wiederverwendung einer Vormerkung: BGH MittBayNot 2013, 37 m. Anm. Preuß). Da der Anspruch auf Übereignung einer Sondereigentums¬einheit möglicherweise ein echtes Aliud zum ursprünglich gesicherten Rückerwerbsan¬spruch darstellt, empfiehlt es sich ferner, zum Schutz des Vormerkungsberech¬tigten vorsorglich aus Anlass der Teilung die Voraussetzungen einzuhalten, die das Gesetz an eine Inhaltsänderung (§ 877 BGB) bzw. Neubestellung der Vormerkung (§ 885 Abs. 1 BGB) stellt (vgl. Reymann, MittBayNot 2013, 456, 458 f.). Bei Nichteinhaltung dieser Voraussetzungen besteht die Möglichkeit, dass die ursprünglich bewilligte und eingetragene Vormerkung die gesicherten Ansprüche nicht mehr deckt.

Gutachten/Abruf-Nr:

127690

Erscheinungsdatum:

02.11.2013

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

WEG
Sachenrecht allgemein

Normen in Titel:

WEG § 3; BGB § 877; WEG § 8; BGB § 876