27. November 2020
BGB § 2194; BGB § 2196

Testamentarische Nichtveräußerungs-Auflage an Vermächtnisnehmer: Reichweite; Folgen eines Auflagenverstoßes; Bestellung eines Erbbaurechts

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Abruf-Nr.: 176374
letzte Aktualisierung: 27. November 2020

BGB §§ 2194, 2196
Testamentarische Nichtveräußerungs-Auflage an Vermächtnisnehmer: Reichweite; Folgen
eines Auflagenverstoßes; Bestellung eines Erbbaurechts

I. Sachverhalt

In einem 1997 privatschriftlich errichteten Testament hat die Erblasserin vier gemeinnützige
Institutionen als Erben eingesetzt. Darüber hinaus hat einen Naturschutzverein mit einem Vermächtnis
bedacht. Bei dem Vermächtnis handelte es sich zum Zeitpunkt der Errichtung des
Testaments um eine Landwirtschaftsfläche mit einer Größe von fast 3.000 qm. Die
angrenzenden Grundstücke waren unbebaut und landwirtschaftlich geprägt.

Gleichzeitig hat die Erblasserin die Auflage erteilt, das vermachte Grundstück weder zu veräußern
noch zu verschenken.

Der Naturschutzverein als Vermächtnisnehmer möchte das Grundstück nunmehr veräußern.
Zwischenzeitlich hat sich der Charakter sämtlicher angrenzender Grundstücke geändert. Es
handelt sich nicht mehr ausschließlich um Felder und Wiesen. Unmittelbar an das Vermächtnisgrundstück
grenzt eine gewerbliche Bebauung (Einkaufsmarkt mit Parkplatz).

II. Fragen

1. Mit welchen Rechtsfolgen hat der Naturschutzverein als Vermächtnisnehmer zu rechnen,
wenn er die Auflage nicht beachtet und das Grundstück trotzdem veräußert?

2. Wie verhält es sich, wenn die Veräußerung mit Zustimmung sämtlicher im privatschriftlichen
Testament eingesetzter Erben erfolgt? Ist neben den Erben noch die Zustimmung
einer Behörde erforderlich (Bundesland Hessen)?

3. Wäre der Naturschutzverein berechtigt, an dem vermachten Grundstück zugunsten eines
Dritten ein Erbbaurecht für einen längeren Zeitraum zu bestellen?

III. Zur Rechtslage

1. Die Beantwortung der gestellten Rechtsfragen hängt entscheidend von der Auslegung der
uns nur im Sachverhaltsauszug geschilderten testamentarischen Verfügung der Erblasserin
ab. Hierzu kann das DNotI nicht abschließend Stellung nehmen, da hierfür stets alle Umstände
des Einzelfalls, auch solche außerhalb der Testamentsurkunde, heranzuziehen sind.

In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der so ermittelte Wille der Erblasserin zur Wah-
rung des Formgebotes wenigstens andeutungsweise in der Testamentsurkunde selbst Andeutung
gefunden hat (sog. Andeutungstheorie; s. nur Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl.
2020, § 2084 Rn. 1 ff.). Wir können daher nachfolgend nur Aspekte aufzeigen, die nach unserer
Einschätzung bei der Ermittlung des Testamentsinhalts im Wege der Auslegung zu berücksichtigen
sind. Wir bitten Sie, die nachfolgenden Ausführungen daher unter diesem
Vorbehalt zu würdigen.

2. Als Vorfrage ist zunächst aufgeworfen, ob der Wille der Erblasserin hier tatsächlich auf eine
Auflage (§ 1940 BGB) gerichtet war. Abzugrenzen ist die Auflage vom bloß unverbindlichen
Wunsch des Erblassers, einem Rat oder einer Empfehlung, die keine rechtliche Verpflichtung
begründen soll, sondern deren Befolgung zunächst in das freie Belieben des
Erben oder Vermächtnisnehmers gestellt ist. Bei einer Auflage muss die Verfügung des
Erblassers den Willen zum Ausdruck bringen, dass der Zuwendungsempfänger zu einer
Leistung verpflichtet sein soll. Nach allgemeinen Regeln (§§ 133, 2084 BGB) ist hierfür
nicht der bloße Wortlaut entscheidend, sondern der durch Auslegung zu ermittelnde wahre
Wille des Erblassers (s. nur MünchKommBGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, § 1940 Rn. 3;
Staudinger/Otte, BGB, 2017, § 1940 Rn. 8). Mangels deutlicher Anhaltspunkte für das
Gegenteil unterstellen wir, dass es sich hier um eine Auflage der Erblasserin handelt. Für sie
ist charakteristisch, dass der Erblasser den Erben oder Vermächtnisnehmer zu einer
Leistung verpflichtet, ohne einem anderen ein Recht auf die Leistung zuzuwenden (§ 1940
BGB).

3. Veräußert nun der Naturschutzverein das ihm durch Vermächtnis zugewendete Grundstück,
so verstößt er damit nach dem mitgeteilten Wortlaut der Auflage eindeutig gegen das
Veräußerungsverbot. Für die Auswirkungen eines solchen Auflagenverstoßes ergibt sich
Folgendes:

a) Da durch die Auflage nur eine Leistungsverpflichtung, nicht aber unmittelbar die Begründung,
Aufhebung oder Belastung eines Rechts an einem Nachlassgegenstand möglich
ist, wirkt die Auflage, über Nachlassgegenstände nicht oder nur in bestimmter
Weise zu verfügen, nur schuldrechtlich und nicht dinglich (§ 137 S. 1, 2 BGB). Ein
Veräußerungsverbot in Form einer Auflage entzieht oder beschränkt also nicht die Verfügungsmacht
des Erben bzw. hier des Vermächtnisnehmers (BayObLG FamRZ 1990,
1404; MünchKommBGB/Leipold, § 1940 Rn. 7; Schmitz, ErbR 2014, 568, 569).

Auch ohne eine Mitwirkung der nach § 2194 BGB Vollziehungsberechtigten wäre daher
eine auflagenwidrige Veräußerung des vermachten Grundbesitzes durch den Vermächtnisnehmer
grundsätzlich dinglich wirksam. Daher müsste das Grundbuchamt,
selbst wenn es von der entsprechenden Auflage im Testament der Erblasserin Kenntnis
hätte, einen etwaigen Kaufvertrag vollziehen und den Käufer als neuen Eigentümer im
Grundbuch eintragen (s. allgemein zum Prüfungsumfang durch das Grundbuchamt:
Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 206 ff.).

b) Wird in der geschilderten Weise gegen die testamentarische Auflage verstoßen, so
haben jedenfalls die Testamentserben nach § 2194 S. 1 BGB den dort genannten Anspruch
auf Vollziehung der Auflage. Es handelt sich um ein fremdnütziges Recht jedes
Vollziehungsberechtigten (s. nur BeckOGK-BGB/Grädler, Std.: 1.11.2020, § 2194 Rn.
15 ff. m. w. N.). Die Durchsetzung dieses Vollziehungsanspruchs wäre etwa in der
Weise denkbar, dass die Vollziehungsberechtigten aufgrund einstweiliger Verfügung
(§§ 935, 938 ZPO) ein gerichtliches Verfügungsverbot erwirken würden (§ 938 Abs. 2
ZPO). Ein derartiges Verfügungsverbot würde einen gutgläubigen Erwerb von dem
Naturschutzverein als Vermächtnisnehmer ausschließen (§§ 135, 136, 892 Abs. 1 S. 2
BGB), wenn das Verfügungsverbot im Grundbuch eingetragen wird. Rechtlich würde
eine derartige Eintragungsmöglichkeit bestehen (s. nur Schöner/Stöber, Rn. 1642 ff.).

Dass die Vollziehungsberechtigten auf diese relativ aufwendige Weise vorgehen
würden, erscheint freilich unwahrscheinlich.

Vollziehungsberechtigte wären im vorliegenden Fall nicht nur gem. § 2194 S. 1 BGB
die Erben, sondern auch die zuständige Behörde, falls die Vollziehung im öffentlichen
Interesse liegt (§ 2194 S. 2 BGB). Ein derartiges öffentliches Interesse ist zu
bejahen, wenn die Vollziehung der Auflage einem Zweck dient, den zu fördern zu den
Aufgaben des Staates oder einer sonstigen Person des öffentlichen Rechts zählt (s. nur
OLG Schleswig BeckRS 2017, 132055 Rn. 38: BeckOGK-BGB/Grädler, § 2194 Rn. 9).

Ob diese Voraussetzung zu bejahen ist, hängt von der durch uns wiederum nicht
abschließend zu beurteilenden Testamentsauslegung ab. Nach der Person des bedachten
Vermächtnisnehmers und dem Regelungszusammenhang erscheint es aber naheliegend,
dass die Vollziehung des angeordneten Veräußerungsverbots hier der Erhaltung
des Grundstücks in seinem bisherigen naturbelassenen Zustand und dadurch dem
Naturschutz dienen sollte. Darin würde sicherlich unproblematisch ein öffentliches
Interesse im Sinne von § 2194 S. 2 BGB gegeben sein. Zuständige Behörde im Sinne
von § 2194 S. 2 BGB ist in Hessen das Regierungspräsidium, in dessen Bezirk der Verstorbene
zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz hatte (§ 19 Hess. ABGB v. 18.12.1984;
BeckOGK-BGB/Grädler, § 2194 Rn. 9.1).

c) Wenn ein Erblasser hinsichtlich des vermachten Grundbesitzes ein Veräußerungsverbot
anordnet, so kann er zugleich Vermächtnisvollstreckung in der Form einer Überwachungsvollstreckung
bestimmen. Die Befolgung eines solchen als Auflage ausgestalteten
Veräußerungsverbotes könnte dann darüber hinaus durch den Testamentsvollstrecker
nach §§ 2203, 2208 Abs. 2, 2223 BGB erzwungen werden (vgl. BayObLG
NJW-RR 1986, 629; Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 6. Aufl.
2020, § 9 Rn. 119). Soweit ersichtlich, hat die Erblasserin eine derartige Gestaltung im
vorliegenden Fall jedoch nicht gewählt.

d) Erwirken die Vollziehungsberechtigten kein gerichtliches Verfügungsverbot und kann
der Käufer daher wirksam vom Vermächtnisnehmer erwerben, so wäre für die weiteren
Rechtsfolgen des Verstoßes gegen die Auflage an § 2196 Abs. 1 BGB zu denken: Wird
die Vollziehung einer Auflage infolge eines von den Beschwerten zu vertretenden Umstandes
unmöglich, so kann derjenige, welchem der Wegfall des zunächst Beschwerten
unmittelbar zustattenkommen würde, die Herausgabe der Zuwendung nach den Vorschriften
über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung insoweit fordern,
als die Zuwendung zur Vollziehung der Auflage hätte verwendet werden müssen.
Zweck der Vorschrift ist es, eine Bereicherung des beschwerten Zuwendungsempfängers
zu verhindern, der die Erfüllung der Auflage vereitelt. Da charakteristisch
für die erbrechtliche Auflage gerade der fehlende Leistungsanspruch des Vollziehungsberechtigten
ist, kommt umgekehrt auch ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung
bei Unmöglichkeit der Vollziehung der Auflage nach allgemeiner Auffassung nicht
in Betracht (s. nur BeckOGK-BGB/Grädler, § 2194 Rn. 16). Zum Inhalt des in § 2196
BGB bestimmten Bereicherungsanspruchs bei einem Verstoß gegen ein Veräußerungsverbot
nimmt die Kommentarliteratur an, dass der Gegenstand, dessen Veräußerung
der Erblasser verboten hatte, nicht i. S. v. § 2196 Abs. 1 BGB zur Erfüllung der Auflage
bestimmt war. Jedoch bedeutet die Beachtung des Veräußerungsverbots die Unterlassung
einer ggf. gewinnbringenden Veräußerung. Veräußert der Beschwerte den
Gegenstand dennoch verbotswidrig, ist er daher aus § 2196 Abs. 1 BGB zur Herausgabe
eines etwaigen, über den Wert des Gegenstandes hinausgehenden
Mehrerlöses verpflichtet (s. nur Staudinger/Otte, BGB, 2019, § 2196 Rn. 4 m. w. N.).

Mit der Geltendmachung dieses Anspruchs hätte also auch im vorliegenden Fall die
Vermächtnisnehmerin bei einer auflagenwidrigen Veräußerung zu rechnen. Es dürfte
nach unserer Einschätzung auch naheliegen, bei der anzustellenden Vergleichsberechnung
für den Mehrerlös als Ausgangspunkt den Wert des Grundstücks zum Zeitpunkt
des Erbfalls heranzuziehen, also ggf. mit dem damaligen Wert als Landwirtschaftsfläche.
Dann wäre auch eine etwaige Wertsteigerung herausgabepflichtig, falls es sich mittlerweile
nach öffentlichem Recht um Bauerwartungsland oder Bauland handeln sollte.

Auch über diese Auslegungsfrage hätten aber im Zweifelsfall die unabhängigen Gerichte
abschließend zu entscheiden.

e) Eine noch empfindlichere Sanktion hätte die Vermächtnisnehmerin aufgrund des
Testaments zu gewärtigen, falls sich im Wege der Auslegung der Wille der Erblasserin
feststellen ließe, dass ein Verstoß gegen die genannte Auflage zur auflösenden
Bedingung der Vermächtnisanordnung erhoben wurde (s. zu dieser Möglichkeit
nur Staudinger/Otte, § 2196 Rn. 1, 4). Dann dürfte im Fall der weiterhin dinglich wirksamen
Veräußerung nicht nur ein etwaiger Mehrerlös im vorbeschriebenen Sinne gem.
§ 2196 Abs. 1 BGB, sondern wegen nachträglichen Wegfalls des rechtlichen Grundes
(§ 812 Abs. 1 S. 2, 1. Var. BGB), nämlich des Vermächtnisanspruches, über § 818 Abs.
2 BGB darüber hinaus der gesamte objektive Verkehrswert des Grundstückes herauszugeben
sein (dazu allgemein BGH NJW 2004, 1314; BGHZ 24, 106, 110 f.;
MünchKommBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020 § 818 Rn 47). Allein aufgrund des uns mitgeteilten
Sachverhalts vermögen wir allerdings keinen derart weitreichenden Willen
der Erblasserin zu erkennen.

4. Wie unter Ziff. 3 bereits erwogen, dürften im vorliegenden Fall nicht nur die Erben gem.
§ 2194 S. 1 BGB, sondern wegen des verfolgten öffentlichen Interesses (Naturschutz) auch
das Regierungspräsidium des Wohnsitzes des Erblassers vollziehungsberechtigt sein (§ 2194
S. 2 BGB). Ein ausdrücklicher Verzicht auf das Vollziehungsrecht ist nach h. M. nur
zulässig, wenn dieser dem Willen des Erblassers entspricht (BeckOK-BGB/Müller-
Christmann, Std.: 1.2.2020, § 2194 Rn. 6; MünchKommBGB/Rudy, § 2194 Rn. 7). Unbeschadet
der sonach durch den Erblasserwillen limitierten Möglichkeit des Verzichts auf das
Vollziehungsrecht ist aber jedenfalls der private Vollziehungsberechtigte nicht verpflichtet,
den Anspruch auf Vollziehung geltend zu machen. Dies steht vielmehr in seinem Belieben.
Jedoch soll die nach § 2194 S. 2 BGB zuständige Behörde verpflichtet sein, einen Vollziehungsanspruch
im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens auch auszuüben (s. zum
Ganzen BeckOGK-BGB/Grädler, § 2194 Rn. 20 m. w. N.). Letzteres sollte daher mit dem
zuständigen Regierungspräsidium abgeklärt werden, ehe eine Veräußerung erfolgt.
Wäre in dieser Weise abgesichert, dass der Vollziehungsanspruch nicht geltend gemacht
wird, und wären auch etwaige weitere Ansprüche wegen Nichtvollziehung der Auflage (insbesondere
aus § 2196 Abs. 1 BGB) von den genannten Vollziehungsberechtigten wirksam
erlassen (§ 397 Abs. 1 BGB), dann könnte der Grundbesitz ohne weitere testamentarische
Sanktionen veräußert werden. Wie dargestellt, ist nach unserer Einschätzung hierzu nicht
nur ein entsprechender Erlass des Vollziehungsanspruches durch die Erben, sondern
auch durch das nach § 2194 S. 2 BGB zuständige Regierungspräsidium erforderlich.

5. Wie sich die Bestellung eines langfristigen Erbbaurechts anstelle einer Veräußerung im
Rahmen der testamentarischen Sanktionen auswirken würde, ist wiederum eine Frage der
Testamentsauslegung. Sollte – was nach der Person des bedachten Vermächtnisnehmers
naheliegt – mitbestimmende Intention der Erblasserin die Förderung des Naturschutzes
gewesen sein, so dürfte nach unserer unverbindlichen Einschätzung allein der Wortlautunterschied
zwischen Veräußerung und Belastung mit einem langfristigen Erbbaurecht
noch nicht genügen, um diese Fallgestaltung unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen
das testamentarische Verbot abweichend zu behandeln. Abweichende Rechtsfolgen dürften
nach dem von der Erblasserin verfolgten Interesse dann nur gerechtfertigt sein, wenn
zumindest durch entsprechende Nutzungsbeschränkungen in dem abzuschließenden Erbbaurechtsvertrag
sichergestellt werden würde, dass die Nutzung des Grundstücks durch den
Erbbauberechtigten weiterhin auf naturschutzfreundliche Weise erfolgt. Wie gesagt, handelt
es sich aber auch hier um eine von uns nicht abschließend entscheidbare Frage der
Testamentsauslegung. Zur Vermeidung von Sanktionen durch Erteilung der notwendigen
Zustimmungen verweisen wir auf die sinngemäß geltenden vorstehenden Ausführungen
(Ziff. 4).

Gutachten/Abruf-Nr:

176374

Erscheinungsdatum:

27.11.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vermächtnis, Auflage

Normen in Titel:

BGB § 2194; BGB § 2196