29. Oktober 2021
BGB § 1638

Ausschluss der elterlichen Vermögensverwaltung; Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

BGB § 1638
Ausschluss der elterlichen Vermögensverwaltung; Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

I. Sachverhalt
Die Beteiligten (Ehegatten) wünschen die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments. In diesem Testament soll ein minderjähriges Kind (aus einer anderen Familie) bedacht werden. Es soll vermieden werden, dass die Eltern des minderjährigen Kindes „Zugriff“ auf das ererbte Vermögen erhalten. Die Beteiligten möchten deshalb die Vermögenssorge der Eltern für das ererbte Vermögen gem. § 1638 BGB ausschließen. Der stattdessen zu bestellende Pfleger soll keinerlei Beschränkungen unterliegen.

Auch nach ab dem 1.1.2023 geltender Rechtslage kann gem. § 1638 BGB n. F. angeordnet werden, dass Eltern das Vermögen nicht verwalten können, also insoweit ein Pfleger zu bestellen ist. Allerdings regelt die künftige Fassung des § 1859 BGB n. F. hinsichtlich der Befreiung nur, dass von bestimmten Pflichten (Sperrvermerk, Rechnungslegung etc.) befreit werden kann, wenn „der Betreute“ dies vor der Betreuung verfügt hat. Im vorliegenden Fall möchten allerdings die Erblasser die Befreiung anordnen.

II. Fragen
1. Kann § 1859 BGB n. F. analog angewandt werden, wenn der Erblasser/Schenker die Befreiung anordnet, oder sieht das künftige Recht anderweitig eine Befreiungsmöglichkeit vor?

2. Gilt für Pflegschaften, die ab dem 1.1.2023 angeordnet werden, neues Recht, auch wenn das Testament, in welchem die Pflegerbestellung angeordnet wird, bereits vor Inkrafttreten der Reform errichtet wird?

III. Zur Rechtslage
1. Anwendbares Recht
Die unlängst verabschiedete umfassende Reform des Vormundschafts- und Betreuungs­rechts wird am 1.1.2023 in Kraft treten (Art. 16 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform des Vor­mundschafts- und Betreuungsrechts v. 4.5.2021, BGBl. I, 882 ff.).

Einschränkungen für bestimmte Teile des Gesetzes sieht die maßgebliche Bestimmung über das Inkrafttreten des Gesetzes nicht vor. Auch in den Erläuterungen in der Gesetzesbegründung gibt es mit Ausnahme der Übergangsvorschrift in Art. 229 § 54 EGBGB, die lediglich spezielle Fragen regelt, keine näheren Ausführungen zur Anwendbarkeit der neuen bzw. alten Bestimmungen. Wir gehen daher im Ergebnis davon aus, dass das neue Recht ab dem 1.1.2023 Anwendung findet, unabhängig davon, ob an Vorgänge angeknüpft wird, die vor Inkrafttreten stattgefunden haben (wie hier z. B. die Errichtung des Testaments). Damit wird auch für neue Sachverhalte unabhängig von der Errichtung der Verfügung auf das Recht im Zeitpunkt der Bestellung des Pflegers/Vormunds abzustellen sein.

Demzufolge dürfte es sich empfehlen, bereits bei Beurkundungsvorgängen, die sich möglicherweise erst nach dem Inkrafttreten der Reform auswirken (wie hier z. B. der Todesfall), die neuen Bestimmungen zu berücksichtigen.

2. Vorschriften über die Befreiung des Pflegers
a) Bisherige Rechtslage
Nach § 1638 Abs. 1 BGB kann der Erblasser für einen Erwerb von Todes wegen bzw. der Zuwendende bei einer unentgeltlichen Zuwendung anordnen, dass die Eltern oder ein Elternteil das ererbte bzw. zugewendete Vermögen nicht verwalten sollen. Werden durch eine derartige Verwaltungsanordnung beide Elternteile von der Verwaltung ausgeschlossen, hat dies zur Folge, dass ein Ergänzungspfleger bestellt werden muss (vgl. § 1909 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Person des Ergänzungspflegers kann nach § 1917 Abs. 1 BGB durch den Erblasser bzw. Zuwendenden bestimmt werden. Dieser Pfleger unterliegt (grundsätzlich) der Kontrolle des Familiengerichts.

§ 1917 Abs. 2 BGB sieht vor, dass für den benannten Pfleger durch letztwillige Verfügung oder bei der Zuwendung die in den §§ 1852 bis 1854 BGB bezeichneten Befreiungen angeordnet werden können. Dies betrifft bspw. die Befreiung von der Hinterlegung und Sperrung nach § 1853 BGB, aber auch die Befreiung von der Rechnungslegungspflicht nach § 1854 BGB. Die möglichen Befreiungen entsprechen letztlich denen, die Eltern für einen von ihnen benannten Vormund anordnen können (BeckOGK-BGB/Schöpflin, Std.: 1.9.2021, § 1917 Rn. 18).

Eine große praktische Bedeutung sollen die Vorschriften nach Ansicht der Kommentarliteratur (vgl. nur MünchKommBGB/Schneider, 8. Aufl. 2020, § 1917 Rn. 11) bislang nicht erlangt haben.

b) Neue Rechtslage
Durch die umfassende Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts werden die betroffenen Rechtsgebiete neu strukturiert und viele Gesetzesbestimmungen nicht nur verschoben, sondern auch inhaltlich neu gefasst. Was die Beschränkung der Vermögenssorge in § 1638 BGB anbelangt, so wird die Vorschrift grundsätzlich beibehalten, Abs. 1 der Vorschrift aber neu gefasst wie folgt:

„(1) Die Vermögenssorge erstreckt sich nicht auf das Vermögen, welches das Kind von Todes wegen, durch unentgeltliche Zu­wendung auf den Todesfall oder unter Lebenden erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung, der Zuwendende bei der Zuwendung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen.“

Durch diese Anpassung des Wortlauts wird der Änderung des § 1639 BGB Rechnung getragen, wo künftig zusätzlich der Vermögenserwerb durch unentgeltliche Zuwendung auf den Todesfall mitumfasst wird (vgl. BT-Drucks. 19/24445, 185).

Im Rahmen der Vormundschaftsrechtsreform werden die Bestimmungen über die Aufsicht über Pfleger und Vormünder neu gefasst. Was den Vormund anbelangt, so enthält § 1801 BGB n. F. in Abs. 3 eine Möglichkeit der Eltern, durch letztwillige Verfügung einen von ihnen benannten Vormund von bestimmten Beschränkungen, u. a. von der Verpflichtung zur Rechnungslegung nach § 1865 Abs. 1 BGB n. F., zu befreien.

Nach den Regelungen über die Pflegschaft für Minderjährige (§§ 1809 ff. BGB), die nunmehr den Vormundschaftsregelungen nachfolgen, ist in § 1811 BGB n. F. eine Bestimmung zur sog. „Zuwendungspflegschaft“ enthalten.

Nach § 1811 Abs. 2 BGB n. F. ist vorgesehen, dass der Erblasser durch letztwillige Verfügung, der Zuwendende bei der Zuwendung einen Zuwendungspfleger benennen kann (Nr. 1 der Vorschrift) bzw. den Zuwendungspfleger von den Beschränkungen gem. den §§ 1843, 1845, 1846, 1848, 1849 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 und S. 2 sowie § 1865 BGB befreien kann (vgl. dazu auch BT-Drucks. 19/24445, S. 29, 226-228).

Gutachten/Abruf-Nr:

185447

Erscheinungsdatum:

29.10.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 165-166

Normen in Titel:

BGB § 1638