03. Januar 2023
BGB § 1896 Abs. 2; BGB § 1814 Abs. 3

Erteilung einer notariell beglaubigten General- und Vorsorgevollmacht ; Formerfordernis bei Kreditaufnahme ;Vorteil einer notariellen Beurkundung

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 194580
letzte Aktualisierung: 03. Januar 2023

BGB § 1896 Abs. 2 a. F.; BGB § 1814 Abs. 3 S. 2 Nr. 1
Erteilung einer notariell beglaubigten General- und Vorsorgevollmacht ; Formerfordernis
bei Kreditaufnahme ;Vorteil einer notariellen Beurkundung

I. Sachverhalt

Die Rentnerin R hat ihrer Tochter T eine General- und Vorsorgevollmacht erteilt. Die Vollmacht
wurde aus Kostengründen lediglich notariell beglaubigt und nicht beurkundet. R ist mittlerweile
geschäftsunfähig.

Es muss nun ein Darlehen aufgenommen werden, um das Haus der R zu sanieren. Unter Vorlage
der notariell beglaubigten Generalvollmacht erscheint die T bei einer Bank, um einen Darlehensvertrag
für R abzuschließen. Die Bank steht auf dem Standpunkt, dass die Vollmacht nicht ausreicht
und verweist auf § 492 Abs. 4 BGB. Die Vollmacht hätte notariell beurkundet werden müssen.

Darüber ist T sehr erzürnt. Ihre Mutter habe vor der Erteilung der Vollmacht anwaltlichen
Rat in Anspruch genommen; der Anwalt habe ihr versichert, dass sie mit der Vollmacht auch
Bankgeschäfte tätigen könne. Eine Vollmacht, mit der sie nicht mal einen Darlehensvertrag abschließen
könne, sei doch nichts wert.

II. Frage

Ist die Rechtsauffassung der Bank zutreffend? Hätte die Vollmacht notariell beurkundet werden
müssen?

III. Zur Rechtslage

1. Formerfordernisse nach dem Gesetz

Nach dem Gesetz ist eine Vollmacht grundsätzlich nicht formbedürftig. Dies folgt aus § 167
Abs. 2 BGB, wonach die Vollmacht zur Wirksamkeit nicht der Form des Vertretergeschäfts
bedarf (Grundsatz der Formfreiheit der Vollmacht).

Dieser Grundsatz gilt aber nicht uneingeschränkt. So kann z. B. ausnahmsweise die
Vollmacht zum Abschluss eines Grundstückskaufvertrages nach § 311b Abs. 1 BGB
beurkundungsbedürftig sein, wenn durch die Vollmachtserteilung bereits eine vorverlagerte
Bindung eintritt oder die Vollmacht unwiderruflich sein soll (vgl. Grüneberg/Ellenberger,
BGB, 81. Aufl. 2022, § 167 Rn. 2; BeckOK-BGB/Schäfer, Stand: 1.8.2022, § 167 Rn. 9
m. w. N.).

Auch im Gesetz gibt es einzelne Vorschriften, die für eine Vollmacht ausnahmsweise die
Einhaltung einer bestimmten Form vorschreiben, wie etwa § 1945 Abs. 3 S. 1 BGB für die
Erbausschlagung (öffentlich beglaubigte Vollmacht) oder § 1820 Abs. 2 BGB i. V. m.
§§ 1829 ff. BGB (bis zum 31.12.2022: §§ 1904 Abs. 5, 1906 Abs. 5 und 1906a Abs. 5 BGB)
für die dort geregelten Maßnahmen, die sich allesamt als schwerwiegende Eingriffe in persönliche
Rechtsgüter darstellen (schriftliche Erteilung).

Zum Teil bedürfen Vollmachten auch aus verfahrensrechtlichen Gründen der Einhaltung
einer bestimmten Form - meist der öffentlichen Beglaubigung – etwa für Erklärungen gegenüber
dem Grundbuchamt (§ 29 Abs. 1 GBO) oder dem Handelsregister (§ 12 Abs. 1 HGB).

2. Spezielle Formerfordernisse zur Erledigung von Bankangelegenheiten?

a) Vollmachten in Bankangelegenheiten

Eine notariell beurkundete oder beglaubigte General- und Vorsorgevollmacht, die
den Wirkungsbereich „Vermögen“ umfasst, berechtigt den Bevollmächtigten auch zu
Verfügungen über Bankkonten oder zur Erledigung sonstiger Bankangelegenheiten
des Vollmachtgebers, unabhängig davon, ob zugleich eine spezielle Bankvollmacht
erteilt worden ist oder nicht (vgl. Reetz, in: Beck’sches Notarhandbuch, 7. Aufl.
2019, § 16 Rn. 90; Zimmermann, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung,
3. Aufl. 2017, Rn. 142). Gleiches gilt im Grundsatz auch für privatschriftliche
Vollmachten (vgl. LG Detmold ZEV 2015, 353 = BeckRS 2015, 3780; LG Hamburg
BeckRS 2017, 140369 = ErbR 2018, 354 ff. m. Anm. Zimmermann; AG Altötting
BeckRS 2020, 40593). Nicht erforderlich ist auch, dass die „Bankangelegenheiten“ in der
Vollmacht ausdrücklich genannt sind (vgl. Zimmermann, a. a. O.). Das Erfordernis einer
ausdrücklichen Aufgabenübertragung existiert in vermögensrechtlichen Angelegenheiten
nicht (vgl. für die Berechtigung zur Entgegennahme der Post des Vollmachtgebers
DNotI-Gutachten DNotI-Report 2013, 148 ff.).

Allerdings kommt es im Rechtsverkehr bisweilen zu Akzeptanzschwierigkeiten selbst
bei zweifellos wirksam erteilten Vorsorgevollmachten, namentlich bei Bankgeschäften,
wenn die Vollmacht nicht auf hausinternen Formularen erteilt worden ist (vgl. zur Problematik,
die hier nicht vertieft werden soll, die o. a. Rspr. sowie ausf. Tersteegen, NJW
2007, 1717 ff.; Müller-Engels, in: Würzburger Notarhandbuch, 6. Aufl. 2022, Teil 3
Kap. 3 Rn. 17; Renner/Braun, in: Müller-Engels/Braun, Betreuungsrecht und
Vorsorgeverfügungen in der Praxis, 6. Aufl. 2022, Kap. 2 Rn. 143 ff.).

b) Speziell: Vollmachten zum Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen
Die Frage, welchen Formerfordernissen Vollmachten genügen müssen, die zum Abschluss
von Verbraucherdarlehensverträgen erteilt werden, war lange Zeit umstritten
(vgl. OLG München NJW 1999, 2196, 2197 = DNotZ 1999, 801, 802 f.; OLG Köln
DNotZ 2000, 195, 196 f.; WM 2000, 127; OLG Frankfurt OLGR 2000, 191; BeckOKBGB/
Schäfer, Std.: 1.8.2022, § 167 Rn. 11 m. w. N.). Hierzu wurden die unterschiedlichsten
Ansichten vertreten. Das Meinungsspektrum reichte von genereller Formfreiheit
nach § 167 Abs. 2 BGB (Löhnig, VuR 1999, 147, 149), über Notwendigkeit der
Schriftform bei unwiderruflich erteilten Vollmachten (OLG Karlsruhe WM 2000, 1996;
LG Chemnitz NJW 1999, 1193, 1194) bis hin zu den Formerfordernissen des § 492
BGB (LG Potsdam WM 1998, 1235; Derleder, VuR 2000, 155, 157 ff.; ders., NJW 1993,
2401, 2404; vgl. dazu BeckOK-BGB/Schäfer, § 167 Rn. 11 m. w. N.).

Die Streitfrage wurde schließlich vom Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.1.2002 dahin gehend
entschieden, dass in § 492 Abs. 4 S. 1 BGB angeordnet wurde, dass § 492 Abs. 1
und 2 BGB auch für die Vollmacht gelten, die ein Darlehensnehmer zum Abschluss eines
Verbraucherdarlehensvertrages erteilt. Daraus folgt, dass solche Vollmachten sowohl der
Schriftform als auch den inhaltlichen Anforderungen an einen Verbraucherdarlehensvertrag
bedürfen (BeckOK-BGB/Schäfer, § 167 Rn. 11 m. w. N.). Vollmachten für Verbraucherdarlehensverträge
müssen damit auch die gleichen Mindestangaben (vgl.
§ 492 Abs. 2 BGB) enthalten wie der Darlehensvertrag selbst. Ausnahmen gelten nur für
Prozessvollmachten oder notariell beurkundete Vollmachten, wie § 492 Abs. 4 S. 2
BGB ausdrücklich bestimmt.

Da bei Ausstellung einer Vollmacht, gerade einer in die Zukunft gerichteten Vorsorgevollmacht,
Darlehensgeschäfte (beispielsweise zur Finanzierung des behindertengerechten
Umbaus oder der Sanierung des Hauses des Vollmachtgebers) regelmäßig nicht absehbar
sind, ist der Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages für einen Bevollmächtigten
damit praktisch nur möglich, wenn die Vollmacht beurkundet worden ist
(Renner/Braun, Kap. 2 Rn. 616; Kurze, in: Kurze, Vorsorgerecht, 2017, § 167 BGB
Rn. 36; Kordel, in: Kersten/Bühling, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen
Gerichtsbarkeit, 26. Aufl. 2019, § 96 Rn. 32).

3. Ergebnis

Bankangelegenheiten sind von einer Vorsorgevollmacht, die Vermögensangelegenheiten abdeckt,
grundsätzlich mitumfasst. Für die Vorsorgevollmacht besteht im vermögensrechtlichen
Bereich materiellrechtlich betrachtet grundsätzlich kein Formerfordernis (§ 167 Abs. 2
BGB), so dass zur Wahrnehmung von Bankangelegenheiten des Vollmachtgebers eine öffentlich
beglaubigte Vollmacht grundsätzlich genügt. Will der Bevollmächtigte aber einen
Verbraucherdarlehensvertrag schließen, muss die Vollmacht gem. § 492 Abs. 4 S. 1, Abs. 2
BGB die dort für den Darlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben enthalten, es sei denn, sie
ist beurkundet (§ 492 Abs. 4 S. 2 BGB). Die notariell beurkundete Vollmacht ist daher
insoweit der rein öffentlich beglaubigten (oder lediglich schriftlich erteilten) Vollmacht
überlegen, da der so Bevollmächtigte auch o. W. zum Abschluss von
Verbraucherdarlehensverträgen befugt ist.

Da im vorliegenden Fall nur eine öffentlich-beglaubigte Vollmacht vorliegt, die
höchstwahrscheinlich die Darlehensangaben nicht bereits enthält, genügt diese Vollmacht
damit nicht zur Darlehensaufnahme. Ggf. muss daher für die Darlehensaufnahme ein
Betreuer (§§ 1814 ff. BGB) bestellt werden, wenn der Vollmachtgeber – wie im vorliegenden
Fall – die Vollmacht aufgrund von Geschäftsunfähigkeit nicht (mehr) in der erforderlichen
Form erteilen kann.

Gutachten/Abruf-Nr:

194580

Erscheinungsdatum:

03.01.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)

Normen in Titel:

BGB § 1896 Abs. 2; BGB § 1814 Abs. 3