30. September 2022
BeurkG § 51

Anspruch eines Grundschuldgläubigers auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung; Widerruf einer Ausfertigungsanweisung

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 192038
letzte Aktualisierung: 30. September 2022

BeurkG § 51
Anspruch eines Grundschuldgläubigers auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung;
Widerruf einer Ausfertigungsanweisung

I. Sachverhalt

Es soll die Bestellung einer Grundschuld beurkundet werden, in welcher sich der Schuldner der
sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft und den Notar ermächtigt, dem Gläubiger sofort eine
(einfache) Ausfertigung zu erteilen und auf einseitiges Anfordern der Gläubigerin eine vollstreckbare
Ausfertigung zu erteilen. Nach Mitteilung der Gläubigerin wünscht diese nach Eintragung
der Grundschuld zunächst keine Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung, sondern lediglich
eine einfache Ausfertigung unmittelbar nach Beurkundung. Zudem teilt die Gläubigerin mit, dass
die übersandte Bindeausfertigung nach Übersendung durch den Notar seitens der Gläubigerin
lediglich gescannt und digitalisiert und anschließend vernichtet wird.

II. Fragen

Ist im Hinblick auf eine spätere Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung durch den Notar auf
einseitiges Anfordern der Gläubigerin hin ein Anspruch der Gläubigerin auf Erteilung gegeben,
sofern der Schuldner zwischenzeitlich die Ermächtigung zur Erteilung widerrufen haben sollte?

Bzw. anders formuliert, reicht alleine die einmalige Erteilung einer einfachen Ausfertigung aus,
um die Bindungswirkung zu erreichen oder ist hier vielmehr darauf abzustellen, dass der Gläubiger
die einfache Ausfertigung noch körperlich in Händen hat (bzw. welche Nachweise müssen dem
Notar hierzu vorliegen, sofern im Falle eines zwischenzeitlichen Widerrufs durch den Schuldner
eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden soll)?

III. Zur Rechtslage

1. Allgemeines zum Anspruch auf Erteilung einer (vollstreckbaren) Ausfertigung

Bei Niederschriften über Willenserklärungen kann jeder, der eine Erklärung im eigenen
Namen abgegeben hat oder in dessen Namen eine Erklärung abgegeben worden ist, eine
Ausfertigung dieser notariellen Urkunde verlangen, § 51 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG. Obgleich uns
der genaue Inhalt der notariellen Niederschrift vorliegend nicht bekannt ist, gehen wir davon
aus, dass – wie üblich – an der notariellen Niederschrift die Gläubigerin nicht unmittelbar
beteiligt ist und auch keine Erklärungen im Namen der Gläubigerin abgegeben werden. Demzufolge
steht der Gläubigerin kein „originärer“ Anspruch auf Erteilung einer (vollstreckbaren)
Ausfertigung gem. § 51 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG zu.

Das Recht der Gläubigerin, eine (vollstreckbare) Ausfertigung der – aus ihrer Sicht „fremden“
– Urkunde verlangen zu können, beruht vielmehr auf einer beurkundungsverfahrensrechtlichen
Weisung des Schuldners i. S. v. § 51 Abs. 2 BeurkG, die dahingehend lautet, dass der
Gläubigerin auf deren Verlangen hin eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen ist. Vor dem
Hintergrund, dass die Gläubigerin an der notariellen Niederschrift nicht als formell Beteiligte
(zum Begriff des/der formell Beteiligten vgl. § 6 Abs. 2 BeurkG) mitgewirkt, handelt es sich
um eine einseitige Weisung des Schuldners an den Notar, die vom Schuldner widerrufen
werden kann, solange der Gläubigerin noch keine einfache oder vollstreckbare Ausfertigung
erteilt worden ist, wobei auch die Erteilung einer einfachen Ausfertigung dem Widerruf der
Weisung zur Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung entgegensteht (vgl. OLG Hamm
DNotZ 1988, 241; OLG Düsseldorf FGPrax 2001, 166; BayObLG DNotZ 2003, 847;
BeckOGK-BeurkG/Regler, Std.: 1.5.2022, § 51 Rn. 42; Grziwotz/Heinemann, BeurkG, 3.
Aufl. 2018, § 51 Rn. 32, 34; Winkler, BeurkG, 20. Aufl. 2022, § 51 Rn. 21-24; Preuß, in:
Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG/DONot, 8. Aufl. 2019, § 51 BeurkG Rn. 21).
Das BayObLG hat in diesem Zusammenhang ausgeführt:

„Das entsprechende Widerrufsrecht des Schuldners wird daraus
abgeleitet, dass nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu der bloßen
Beurkundung ein vom Willen des Schuldners getragener Publikationsakt
hinzutreten muss, um die Unterwerfung unter die
Zwangsvollstreckung wirksam werden zu lassen (OLG Hamm,
MDR 1987, 943 m. w. Nachw.). Das Widerrufsrecht besteht deshalb
allenfalls bis zur erstmaligen Erteilung einer Ausfertigung an
den Gläubiger. Das entspricht im Übrigen der in § 183 Satz 1 BGB
festgelegten Regel, wonach eine Ermächtigung als Einwilligung
grundsätzlich bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts (bzw. hier der
bewilligten Rechtshandlung) widerruflich ist. Im Umkehrschluss
bedeutet dies, dass ein nach Vornahme des Rechtsgeschäfts oder
der Rechtshandlung zugegangener Widerruf unbeachtlich ist (vgl.
Staudinger/Gursky, BGB, 13. Bearb., § 183 Rdn. 8, 10).“

(BayObLG DNotZ 2003, 847)

Das OLG Düsseldorf hält zudem fest, dass der Gläubiger
„seinen einmal entstandenen Anspruch auf Erteilung einer vollstreckbaren
Ausfertigung verliert (…), wenn der sich der Zwangsvollstreckung
unterwerfende Schuldner die an den Notar gerichtete
Ermächtigung, dem Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung
zu erteilen, widerruft, bevor dem Gläubiger eine einfache
Ausfertigung erteilt worden ist.“

(OLG Düsseldorf FGPrax 2001, 166, 167 – Hervorhebung durch
das DNotI)

Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen ist der Widerruf bereits ausgeschlossen, wenn
eine (einfache oder vollstreckbare) Ausfertigung erteilt wurde. Nicht erforderlich ist es u. E.,
dass die bereits erteilte Ausfertigung später noch von der Gläubigerin vorgelegt werden kann.
Maßgeblich ist vielmehr, dass auf Geheiß des Grundschuldbestellers der Gläubigerin eine
Ausfertigung, welche im Rechtsverkehr die Urschrift vertritt (vgl. § 47 BeurkG), erteilt wurde.

Das Widerrufsrecht erlischt u. E. bereits mit der Erteilung einer einfachen Ausfertigung und
ist nicht von der späteren Vorlage der erteilten Ausfertigung abhängig. Literatur oder Rechtsprechung
ist zu dieser speziellen Frage allerdings – soweit ersichtlich – nicht vorhanden.

Die Erteilung der einfachen Ausfertigung wird die Gläubigerin dabei im Regelfall leicht nachweisen
können, da nach § 49 Abs. 4 BeurkG der Notar im Urkundenverzeichnis vermerken
soll, wem und an welchem Tage eine einfache Ausfertigung erteilt worden ist (siehe zum
Vermerk Hagemann, in: Beck’sches Notarhandbuch, 7. Aufl. 2019, § 1 Rn. 558; Preuß, § 49
BeurkG Rn. 15). Für vollstreckbare Ausfertigungen ergibt sich das Vermerkerfordernis (auf
der Urschrift) aus §§ 734, 795 ZPO (Preuß, § 49 BeurkG Rn. 15).

2. Verweigerung der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung wegen vorsätzlichem
Vernichten der erteilten einfachen Ausfertigung

Zur Frage, ob bei vorsätzlichem Vernichten einer erteilten einfachen Ausfertigung durch die
Gläubigerin der Anspruch auf Erteilung einer Ausfertigung erlischt, sofern der Schuldner
nach der Erteilung der Ausfertigung die Weisung (§ 51 Abs. 2 BeurkG) widerruft, konnten
wir weder Rechtsprechung noch Literatur finden.

a) Erteilung einer weiteren einfachen Ausfertigung (§ 51 Abs. 2 BeurkG)

Nach unserem Dafürhalten ist es im Grunde unbeachtlich, dass die erteilte Ausfertigung
durch die Gläubigerin vernichtet wurde. Das Recht, die Erteilung von Ausfertigungen
durch Widerruf der Ausfertigungsbefugnis zu untersagen, entfällt – wie oben gesehen –
mit Erteilung einer Ausfertigung. Weitere Voraussetzungen sind in der Literatur und
Rechtsprechung nicht diskutiert. Welches Schicksal die Ausfertigung ereilt (Zerstörung,
Abhandenkommen etc.) ist daher irrelevant. Denkbar wäre allenfalls, aus Gründen von
Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine erneute Ausfertigungserteilung zu untersagen. Die
Voraussetzungen einer möglichen Rechtsmissbrauchsgrenze können aber nicht sicher
bestimmt werden. Insbesondere fehlt hierzu Rechtsprechung. Vor diesem Hintergrund
ist Zurückhaltung bei der Annahme einer solchen Ausnahme geboten.

Eine Verwirkung (ebenfalls § 242 BGB) kann u. E. ebenfalls kein anderes Ergebnis zeitigen.

Ein Recht kann verwirkt werden, wenn sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment
vorliegen. Letzteres kann u. E. kaum bejaht werden. Nach dem Umstandsmoment
muss die Gegenpartei tatsächlich darauf vertraut haben und auch bei verständiger
Würdigung aller Umstände darauf vertraut haben dürfen, dass die Berechtigte
ihr Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. BGH NJW 2006, 3512 Rz. 37; BGHZ
146, 222 f.; Jauernig/Mansel, BGB, 18. Aufl. 2021, § 242 Rn. 61). Jedenfalls solange eine
Grundschuld valutiert, wird der Schuldner einer Grundschuld regelmäßig nicht darauf
vertrauen können, der Grundschuldgläubiger werde sein Recht auf Erteilung einer weiteren
Ausfertigung nicht mehr geltend machen. Die vorsätzliche Vernichtung der ersten
erteilten Ausfertigung durch die Bank rechtfertigt u. E. ebenfalls kein anderes Ergebnis.
Durch die digitale Verwendung (Scan) der Urkunde mit anschließender Vernichtung der
Ausfertigung erleichtert die Gläubigerin wohl ihre internen Abläufe, wird aber kaum auf
ihren Anspruch auf Erteilung einer weiteren Ausfertigung verzichten wollen. Der
Schuldner wird daher nicht auf einen Anspruchsverzicht vertrauen dürfen. Eine Verwirkung
wäre nach unserem Dafürhalten hier nicht einschlägig.

Allenfalls wäre denkbar, dass man die notarielle Urkunde, in der nach § 51 Abs. 2 BeurkG
vereinbart ist, wie viele Ausfertigungen an die Gläubigerbank zu übersenden sind, dahingehend
auslegt (§ 133 BGB), dass nur diese Anzahl an Ausfertigungen ausgehändigt
werden darf. Das OLG München hatte sich zu einer solchen Auslegungsmöglichkeit wie
folgt geäußert:

„Unabhängig davon, dass eine derartige Anweisung grundsätzlich
widerruflich ist (Huhn/von Schuckmann, BeurkG, 3. Aufl., § 51
Rn. 25 mwN), legt der Senat die Klausel dahin aus (§ BGB § 133
BGB), dass der Begünstigten nicht beliebig viele Ausfertigungen
erteilt werden dürfen, sondern nur eine („1”).“

(OLG München FGPrax 2009, 260, 261)

Eine solche Auslegung würde bedeuten, dass eine weitere einfache Ausfertigung dann
nicht erteilt werden darf, wenn bereits die in der Urkunde bezifferte Anzahl erteilt wurde.
Ob vorliegend aus diesem Grunde eine weitere einfache Ausfertigung versagt werden
kann, ist eine Auslegungsfrage, bei der der Wortlaut der Urkunde und die Umstände des
Einzelfalles berücksichtigt werden müssen. Die Unwiderruflichkeit der Weisung i. S. v.
§ 51 Abs. 2 BeurkG nach Erteilung der ersten einfachen Ausfertigung dürfte gleichwohl
nicht entfallen; die Limitierung auf eine bestimmte Anzahl von einfachen Ausfertigungen
ist vielmehr Inhalt der sodann unwiderruflich gewordenen Weisung.

b) Erteilung einer erstmaligen vollstreckbaren Ausfertigung

Ungeachtet dieses Befundes wäre es der Gläubigerin unbenommen, die Erteilung einer
vollstreckbaren Ausfertigung zu beantragen, selbst wenn eine weitere einfache Ausfertigung
nicht mehr erteilt werden dürfte. Denn die Frage der Erteilung von vollstreckbaren
Ausfertigungen richtet sich nicht nach der Vereinbarung in der Urkunde (§ 51 Abs. 2
BeurkG), sondern nach den Vorschriften der ZPO (§ 52 BeurkG i. V. m. §§ 795, 724 ff.
ZPO). Voraussetzung ist freilich, dass ein etwaiger Widerruf der Urkundsbeteiligten unbeachtlich
ist (vgl. Ziff. 1).

3. Ergebnis

U. E. erlischt das Widerrufsrecht betreffend die Weisung zur Erteilung einer vollstreckbaren
Ausfertigung gegenüber dem Notar zugunsten der Gläubigerin bereits mit der Erteilung einer
einfachen Ausfertigung und ist nicht von der späteren Vorlage der erteilten einfachen
Ausfertigung abhängig. Ob eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden darf, richtet sich
nach den Vorschriften der ZPO, sofern davon auszugehen ist, dass der Widerruf unbeachtlich
ist.

Gutachten/Abruf-Nr:

192038

Erscheinungsdatum:

30.09.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Beurkundungsverfahren

Normen in Titel:

BeurkG § 51