14. April 2023
BGB § 1411

Abschluss eines Ehevertrages aufgrund Vorsorgevollmacht

BGB § 1411
Abschluss eines Ehevertrages aufgrund Vorsorgevollmacht

I. Sachverhalt
Der Ehemann M (Jahrgang 1940) ist mit seiner Ehefrau F (Jahrgang 1938) seit Jahrzehnten im gesetzlichen Güterstand verheiratet. Die Eheleute haben ein erhebliches Millionenvermögen, das im Wesentlichen durch die unternehmerische Tätigkeit des Ehemannes während der Ehe erwirtschaftet worden ist. Das Vermögen liegt weit überwiegend bei der Ehefrau.

Die Ehefrau ist an Demenz erkrankt. Der Ehemann hat für seine Ehefrau eine umfassende Vorsorgevollmacht, nach der er ausdrücklich auch Schenkungen an sich selbst vornehmen kann. Er ist von § 181 BGB befreit. Der Ehemann will nun im Wege des Insichgeschäfts einen Ehevertrag mit seiner Ehefrau abschließen, in dem er Gütertrennung vereinbart und zum Ausgleich des entstandenen Zugewinnausgleichs bestimmte Immobilien gegen Leibrente für die Ehefrau auf sich überträgt.

Aus Sicht des anfragenden Notars ist eine Vertretung formell betrachtet zulässig. Der Abschluss eines Ehevertrages sei kein höchstpersönliches Rechtsgeschäft. Ein Missbrauch der Vertretungsmacht liege nicht vor, da die Versorgung der Ehefrau gewährleistet sei. Außerdem könne man mit einem Erst-recht-Schluss argumentieren: Wenn der Ehemann nach dem Inhalt der Vollmacht Schenkungen an sich selbst vornehmen dürfe, dann dürfe er auch einen Ehevertrag abschließen, mit dem er seinen Zugewinnausgleichsanspruch auslöse.

II. Frage
Kann der Ehemann seine Ehefrau bei dem beabsichtigten Ehevertrag aufgrund der erteilten Vorsorgevollmacht wirksam vertreten oder gibt es hierfür rechtliche Hinderungsgründe?

III. Zur Rechtslage
1. Vertretung eines Ehegatten bei Ehevertragsabschluss durch einen Vorsorgebevollmächtigten
Im Hinblick auf den Abschluss eines Ehevertrages durch einen Bevollmächtigten lässt sich zunächst festhalten, dass vorliegend eine umfassende Vorsorgevollmacht vorliegt. Es wird davon ausgegangen, dass es sich – wie bei der Vorsorgevollmacht üblich – im vermögensrechtlichen Bereich um eine Generalvollmacht handelt, die grundsätzlich zur Vornahme von allen Rechtsgeschäften und geschäftsähnlichen Handlungen berechtigt, bei denen eine Vertretung zulässig ist (Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl. 2023, § 167 Rn. 7).

Bei einem Ehevertrag handelt es sich um ein Rechtsgeschäft, das grundsätzlich Stellvertretung erlaubt (vgl. Staudinger/Thiele, BGB, 2018, § 1410 Rn. 5). Eine General- und Vorsorgevollmacht deckt daher grundsätzlich den Abschluss eines Ehevertrages ab (Langenfeld/Milzer, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 8. Aufl. 2019, § 3 Rn. 33; Schäfer, NZFam 2014, 676, 680; für die Zulässigkeit der gewillkürten Vertretung bei Abschluss eines Ehevertrages auch allg. Erman/Heinemann, BGB, 17. Aufl. 2023, § 1411 Rn. 4).

Es bleibt allerdings darauf hinzuweisen, dass auch Generalvollmachten auslegungsfähig sind und in ihrem Umfang begrenzt sein können (vgl. OLG Zweibrücken NJW-RR 1990, 931; OLG Hamm OLGR 1999, 269). So wird insbesondere vertreten, dass ganz außergewöhnliche Geschäfte, insbesondere solche, die erkennbar und eindeutig den Vollmachtgeber schädigen, von einer Generalvollmacht nicht gedeckt seien (vgl. RGZ 52, 96, 100; OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 1987, 482; OLG Zweibrücken NJW-RR 1990, 931).

Eine Einschränkung der Vertretungsmacht im Außenverhältnis – nur diese hat der Notar grundsätzlich zu prüfen – kann sich auch aus einem Missbrauch der Vertretungsmacht ergeben. Der Grundsatz, wonach ein Vollmachtsmissbrauch im Fall der Evidenz oder Kollusion auf das Außenverhältnis „durchschlägt“, gilt auch im Rahmen eines Insichgeschäfts des von § 181 BGB befreiten Bevollmächtigten. Liegt eine objektiv treuwidrige Vollmachtsverwendung vor, wäre bei dem von § 181 BGB befreiten Vertreter zugleich auch von der Kenntnis bzw. dem Kennenmüssen von diesen Umständen auszugehen, sodass die Vertretungsmacht im Außenverhältnis entfiele bzw. das solchermaßen abgeschlossene Rechtsgeschäft gem. § 138 BGB nichtig wäre, und zwar zumindest dann, wenn es für den Vertretenen nachteilig ist (vgl. nur BGH NJW-RR 2018, 222, 224; NZG 2021, 239, 240 f.; Grüneberg/Ellenberger, § 181 Rn. 21, § 164 Rn. 14). Für einen Missbrauch der Vertretungsmacht bestehen nach dem mitgeteilten Sachverhalt aber keine Anhaltspunkte.

2. Sonderfall: Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers
Der Vorsorgebevollmächtigte ist grundsätzlich – wie eben ausgeführt – zur Vertretung des Vollmachtgebers auch bei Abschluss eines Ehevertrages befugt. Ist der Vollmachtgeber aber geschäftsunfähig i. S. v. § 104 Nr. 2 BGB – was hier im Hinblick auf die demente Ehefrau vermutlich der Fall ist, zumal diese nach dem mitgeteilten Sachverhalt nicht selbst beim Vertragsschluss mitwirken soll – sind die weiteren Einschränkungen des § 1411 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen.

Nach § 1411 Abs. 2 S. 1 BGB schließt für einen geschäftsunfähigen Ehegatten der Betreuer den Ehevertag. „Betreuer“ ist der zivilrechtliche Betreuer i. S. d. §§ 1814 ff. BGB, nicht ein Bevollmächtigter. Dies gilt selbst dann, wenn dieser über eine Generalvollmacht verfügt. Auch wenn es zugegebenermaßen Sinn und Zweck einer Vorsorgevollmacht ist, die Einrichtung einer Betreuung entbehrlich zu machen (vgl. § 1814 Abs. 3 Nr. 1 BGB), kann nicht angenommen werden, dass ein Vorsorgebevollmächtigter oder sonstiger Generalbevollmächtigter insoweit einem Betreuer gleichgestellt werden kann (so aber möglicherweise Milzer, § 3 Rn. 33, der von einem „unabweisbaren Bedürfnis“ für die Vertretung des geschäftsunfähig gewordenen Ehegatten bei Vertragsabschluss aufgrund einer Vorsorgevollmacht ausgeht).

Hierfür spricht auch die Kommentierung von Reetz (BeckOGK-BGB/Reetz, Std.: 1.11.2022, § 1411 Rn. 26) in welcher explizit ausgeführt ist [Hervorhebungen i. F. durch das DNotI]:

„Trotz § 1896 Abs. 2 S. 2 (= Subsidiaritätsgrundsatz der Betreuung) ist ein Vorsorgebevollmächtigter, den der Ehegatte zeitlich vor Eintritt seiner Geschäftsunfähigkeit wirksam bestellt hat, nicht abschlussbefugt. Vielmehr liegt in Abs. 2 eine abschließende Zuweisung an den gesetzlichen Vertreter. Damit soll sichergestellt werden, dass die Genehmigungserfordernisse durch das Betreuungsgericht, die nicht auf das Vertreterhandeln eines Vorsorgebevollmächtigten anwendbar wären, zum Schutz des Ehegatten anwendbar bleiben. Aus Abs. 2 S. 1 folgt damit auch, dass trotz einer umfassenden Vorsorgevollmacht ein Betreuer mit entsprechendem Wirkungsbereich bestellt werden muss, wenn ehevertragliche Vereinbarungen mit einem geschäftsunfähigen Ehegatten erfolgen sollen.“

3. Ergebnis
Im vorliegenden Fall kann der gewünschte Ehevertrag wegen § 1411 Abs. 2 S. 1 BGB nach dem Grundsatz des sichersten Weges wirksam nur unter Beteiligung eines Betreuers abgeschlossen werden, sofern die Ehefrau geschäftsunfähig i. S. v. § 104 Nr. 2 BGB ist. Erforderlich wäre dann eine Genehmigung des Ehevertrages durch das Betreuungsgericht. Rechtsprechung, in der eine – wünschenswerte – analoge Anwendung der Bestimmung auf den Vorsorgebevollmächtigten befürwortet worden wäre, fehlt bislang.

Sollte die Ehefrau nicht geschäftsunfähig sein, könnte sie den Ehevertrag noch selbst schließen oder sich durch ihren Ehemann aufgrund der erteilten Vorsorgevollmacht vertreten lassen. Das Vorliegen eines etwaigen Vollmachtsmissbrauchs ist hingegen eine im Einzellfall zu untersuchende Tatfrage.

Gutachten/Abruf-Nr:

196777

Erscheinungsdatum:

14.04.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Ehevertrag und Eherecht allgemein

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 57-59

Normen in Titel:

BGB § 1411