Nachweis der Erbfolge bei Testamentserrichtung durch Übergabe einer Schrift
Nachweis der Erbfolge bei Testamentserrichtung durch Übergabe einer Schrift
I. Sachverhalt
Es wurde entsprechend den Ausführungen in DNotI-Report 7/2020, 50 ein Testament durch Übergabe einer offenen Schrift beurkundet.
II. Fragen
1. Hat ein durch Übergabe einer Schrift errichtetes öffentliches Testament erbscheinsersetzende Wirkung i. S. d.
2. Macht es für den Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt einen Unterschied, ob die Schrift offen oder geschlossen übergeben wird?
III. Zur Rechtslage
1. Nachweis der Erbfolge im Grundbuchverfahren
Gem.
Soll die Erbfolge durch ein notarielles Testament (Erbvertrag) samt Eröffnungsniederschrift des Nachlassgerichts nachgewiesen werden, so hat das Grundbuchamt zunächst die Formgültigkeit und anschließend den Inhalt des Testaments zu prüfen (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 787). Dabei erstreckt sich die inhaltliche Prüfung auf die Erbeinsetzung und deren Beschränkung durch Vor- und Nacherbfolge oder durch Testamentsvollstreckung sowie auf die Frage, ob eine spätere Verfügung von Todes wegen infolge entgegenstehender Bindungswirkung unwirksam ist (vgl. BayObLG
Das Grundbuchamt ist jedoch nicht berechtigt und verpflichtet, eigene Ermittlungen anzustellen (Schöner/Stöber, Rn. 788). Es kann daher zum Nachweis des Erbrechts einen Erbschein (bzw. ein ENZ) verlangen, wenn sich bei der Prüfung des Erbrechts begründete konkrete Zweifel ergeben, die sich nur durch weitere Ermittlungen über den tatsächlichen Willen des Erblassers oder sonstige tatsächliche Verhältnisse klären lassen (Schöner/Stöber, Rn. 788 m. w. N.; Meikel/Krause, GBO, 11. Aufl. 2015, § 35 Rn. 117 m. w. N.; vgl. dazu auch Böhringer,
2. Verfügung von Todes wegen durch Übergabe einer Schrift: Eignung als Erbnachweis
Bei dem durch Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift beurkundeten Testament (
Wie oben bereits ausgeführt, genügt die Vorlage einer öffentlichen Verfügung von Todes wegen (nebst Eröffnungsniederschrift) jedoch nicht zwangsläufig und in allen Fällen als Erbnachweis im Grundbuchverfahren. Aus den vorgelegten Urkunden muss sich vielmehr auch einigermaßen klar und eindeutig die jeweilige Erbfolge ergeben. Das Grundbuchamt kann ausnahmsweise die Vorlage eines Erbscheins oder eines ENZ verlangen, wenn es die Erbfolge durch die vorgelegten Urkunden nicht für nachgewiesen erachtet (
Tatsächlich mag es daher gerade bei Errichtung einer öffentlichen Verfügung von Todes wegen durch Übergabe einer geschlossenen Schrift häufiger der Fall sein, dass das Testament bzw. der Erbvertrag keinen klaren Nachweis der Erbfolge ermöglicht und daher wegen der vorzunehmenden tatsächlichen Ermittlungen – wofür ausschließlich das Nachlassgericht zuständig ist – doch die Einholung und Vorlage eines Erbscheins erforderlich wird. Klassischer Beispielsfall wäre die in der verschlossenen Schrift enthaltene Einzelzuweisung von Nachlassgegenständen ohne eigentliche Bestimmung der Erbfolge (hier lässt sich auch unter Heranziehung der gesetzlichen Auslegungsregel des
Bei offen übergebenen Schriften, namentlich solchen, die vom Notar entworfen wurden, dürften diese Probleme angesichts der notariellen Beratungspflicht (
Diese Sonderkonstellationen ändern aber nichts an der grundsätzlichen Feststellung, dass auch ein durch Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift errichtetes öffentliches Testament (oder ein solchermaßen errichteter Erbvertrag) nebst Eröffnungsniederschrift im Grundsatz einen geeigneten Erbnachweis i. S. v.
177308
Erscheinungsdatum:15.05.2020
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Testamentsform
Grundbuchrecht
BeurkG § 30; GBO § 35