05. März 2021
BGB § 892; BGB § 883; GBO § 53 Abs. 1

Gutgläubiger Erwerb eines Grundstücks vom vermeintlichen Buchberechtigten; Verhältnis von Auflassungsvormerkung zugunsten der Erwerber und angekündigtem Widerspruch gegen die Eigentümerstellung des Verkäufers

BGB §§ 883, 892, 899; GBO § 53 Abs. 1 S. 1
Gutgläubiger Erwerb eines Grundstücks vom vermeintlichen Buchberechtigten; Verhältnis von Auflassungsvormerkung zugunsten der Erwerber und angekündigtem Widerspruch gegen die Eigentümerstellung des Verkäufers

I. Sachverhalt
Sohn S wird als (vermeintlicher) testamentarischer Schlusserbe seiner Eltern als Eigentümer eines Grundstücks in das Grundbuch eingetragen. Kurze Zeit später verkauft S das Grundstück an die Käufer. Die Auflassungsvormerkung für die Käufer wird am 19.12.2020 in das Grundbuch eingetragen. Als die (enterbte) Tochter T der ursprünglichen Grundstückseigentümer von dem Verkauf erfährt, macht sie gegenüber dem Grundbuchamt die Unrichtigkeit des Grundbuchs geltend; es sei gesetzliche Erbfolge eingetreten. Den Antrag der T auf Eintragung als gesetzliche Miterbin lehnt das Grundbuchamt allerdings mangels Nachweises der gesetzlichen Erbfolge ab. Hiergegen wendet sich T mit einer Grundbuchbeschwerde. Das OLG lehnt zwar das Ersuchen von T auf Eintragung als Miterbin ebenfalls mangels Erbnachweises ab; es ist in seiner Begründung allerdings der Auffassung, dass das Grundbuch unrichtig und ein Widerspruch gem. § 53 Abs. 1 S. 1 GBO einzutragen sei. Ein Widerspruch ist bislang noch nicht eingetragen. Dennoch verweigert das Grundbuchamt vor dem Hintergrund der erbrechtlichen Streitigkeit die bereits beantragte Eigentumsumschreibung auf die Käufer.

II. Fragen
1. Welche Schutzwirkung entfaltet die eingetragene Vormerkung für die Käufer gegenüber einem möglichen Widerspruch nach § 53 Abs. 1 S. 1 GBO? Können die Käufer das Eigentum widerspruchsfrei erwerben?

2. Muss das Grundbuchamt die Eigentumsumschreibung auch dann vornehmen, wenn sich herausstellen sollte, dass der Widerspruch nach § 53 Abs. 1 S. 1 GBO einzutragen ist oder die Rechtmäßigkeit eines Widerspruchs nach § 53 Abs. 1 S. 1 GBO auf Dauer unklar bleibt?

III. Zur Rechtslage
1. Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs gem. § 892 BGB
Unterstellt, der Verkäufer ist nicht der (alleinige) Eigentümer des veräußerten Grundstücks und das Grundbuch in Ansehung der Eigentümerstellung unrichtig i. S. v. § 894 BGB, so kommt ein gutgläubiger Erwerb des Grundstückseigentums durch die Käufer gem. § 892 BGB in Betracht. Zugunsten der Käufer gilt die im Grundbuch verlautbarte Eigentümerstellung des Verkäufers als richtig, es sei denn, dass ein Widerspruch gegen die Richtigkeit der Grundbuchverlautbarung eingetragen oder die Grundbuchunrichtigkeit den Erwerbern bekannt ist, § 892 Abs. 1 S. 1 BGB.

Fraglich ist, ob die etwaige Eintragung eines Widerspruchs einem gutgläubigen Erwerb des Grundstückseigentums durch die Käufer entgegensteht. Insoweit kommt sowohl ein Widerspruch gem. § 899 BGB als auch ein Amtswiderspruch gem. § 53 Abs. 1 S. 1 GBO in Betracht (vgl. BeckOGK-BGB/Hertel, Std.: 1.10.2019, § 892 Rn. 64 m. w. N.).

a) Keine Anwendung des § 892 Abs. 2 BGB
Im vorliegenden Sachverhalt ist derzeit noch kein Widerspruch eingetragen, aber die Eigentumsumschreibung auf die Käufer bereits beantragt. Sollte der Widerspruch zeitlich vor der Eigentumsumschreibung auf die Käufer eingetragen werden, so wäre dies grundsätzlich schädlich, denn die Bestimmung des § 892 Abs. 2 BGB, die den für die Kenntnis der Grundbuchunrichtigkeit maßgeblichen Zeitpunkt auf die Antragstellung vorverlegt, fände keine Anwendung. Die Unanwendbarkeit der Vorschrift ergibt sich daraus, dass es bei eingetragenem Widerspruch nicht auf die Kenntnis oder Unkenntnis des Erwerbers vom Widerspruch ankommt; der Widerspruch beseitigt die Richtigkeitsvermutung des Grundbuchs unabhängig von der subjektiven (Un )Kenntnis des Erwerbers (vgl. BeckOGK-BGB/Hertel, § 892 Rn. 71; MünchKommBGB/Kohler, 8. Aufl. 2020, § 892 Rn. 42 m. w. N.).

b) Prioritätsgrundsatz gem. § 17 GBO bei Widerspruch i. S. v. § 899 BGB
Sollte – wovon wir ausgehen – der vom OLG erwähnte Widerspruch (richtigerweise) auf § 899 BGB beruhen, so wäre der Prioritätsgrundsatz gem. § 17 GBO zu beachten (OLG Schleswig FGPrax 2004, 264, 265; BeckOGK-BGB/Hertel, § 892 Rn. 69; MünchKommBGB/Kohler, § 892 Rn. 42 m. w. N.). Der Eigentumsumschreibungsantrag zugunsten der Käufer wurde bereits gestellt, sodass ein Antrag der T auf Eintragung eines Widerspruchs gem. § 899 BGB diesem früheren Eintragungsantrag nachgeht. Der Antrag auf Eintragung des Widerspruchs gegen die vermeintliche Eigentümerstellung des Verkäufers kommt dementsprechend zu spät und der Widerspruch ist nicht mehr eintragungsfähig; denn nachdem das Eigentum – aufgrund des vorrangigen Antrags – auf die Käufer umgeschrieben worden ist, entfällt die Grundbuchposition des Verkäufers, gegen die sich der von T – ggf. im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes – zu erwirkende Widerspruch richtet. Das Grundbuchamt ist insbesondere nicht berechtigt, in Ansehung des Antrags auf Eintragung eines Widerspruchs, der gem. § 17 GBO als „nachrangig“ zu behandeln ist, den vorgehenden Antrag auf Eigentumsumschreibung auszusetzen (so zutreffend OLG Schleswig FGPrax 2004, 264, 265; MünchKommBGB/Kohler, § 892 Rn. 42; BeckOGK-BGB/Hertel, § 892 Rn. 69). Soweit in der Literatur die Ansicht vertreten wird, das Grundbuchamt dürfe nicht an einem gutgläubigen Erwerb mitwirken (vgl. exemplarisch BeckOK-GBO/Zeiser, Std.: 1.2.2021, GBO § 17 Rn. 29), wird nicht hinreichend zwischen einem antragsbedürftigen Widerspruch gem. § 899 BGB und einem von Amts wegen vorzunehmenden Widerspruch gem. § 53 Abs. 1 S. 1 GBO differenziert. Ein gutgläubiger Erwerb scheidet jedoch grundsätzlich (zur Ausnahme siehe sogleich Ziff. 2) dann aus, wenn ein später beantragter Widerspruch verfahrensfehlerhaft, also entgegen § 17 GBO, früher eingetragen wird (vgl. MünchKommBGB/Kohler, § 892 Rn. 42).

c) Unanwendbarkeit des Prioritätsgrundsatzes bei einem Amtswiderspruch
Neben einem Widerspruch gem. § 899 BGB ist im Falle einer Grundbuchunrichtigkeit auch an die Eintragung eines Amtswiderspruchs gem. § 53 Abs. 1 S. 1 GBO zu denken. Ein Amtswiderspruch käme allerdings nur dann in Betracht, wenn die Eintragung des Verkäufers als Grundstückseigentümer durch das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen worden wäre. Für eine solche Pflichtverletzung des Grundbuchamts ist indes nichts ersichtlich, weshalb wir davon ausgehen, dass die Eintragung eines Widerspruchs allenfalls gem. § 899 BGB auf Antrag von T – mit Bewilligung des Verkäufers oder im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes – herbeigeführt werden kann.

Sollte es sich tatsächlich um einen Widerspruch gem. § 53 Abs. 1 S. 1 GBO handeln, so fände nach wohl h. M. der Prioritätsgrundsatz gem. § 17 GBO auf die von Amts wegen vorzunehmende Eintragung des Widerspruchs keine Anwendung. Vielmehr wäre der Vollzug von noch unerledigten Anträgen bis zur Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen eines Amtswiderspruchs auszusetzen (vgl. Bauer, in: Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl. 2018, § 53 Rn. 55; BeckOK-GBO/Zeiser, § 17 Rn. 4 m. w. N. auch zur Gegenansicht). Die Aussetzung des Vollzugs von unerledigten Anträgen ist u. E. deshalb gerechtfertigt, weil hier – im Gegensatz zu § 899 BGB – die Überzeugungsbildung betreffend die Unrichtigkeit des Grundbuchs und die Notwendigkeit eines Tätigwerdens von Amts wegen dem Grundbuchamt obliegt. Allerdings darf ein Widerspruch gem. § 53 Abs. 1 S. 1 GBO nur dann eingetragen werden, wenn die unrichtige Grundbucheintragung unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften erfolgte. Ob eine solche Gesetzesverletzung vorliegt, ist aus der Sicht des Grundbuchamts nach dem von ihm anzuwendenden Recht zu beurteilen (BeckOK-GBO/Holzer, Std.: 1.2.2021, § 53 Rn. 16; KEHE/Schrandt/Kalb, GBO, 8. Aufl. 2019, § 53 Rn. 14).

2. Gutgläubiger Eigentumserwerb aufgrund gutgläubig erworbener Vormerkung
Die Frage, ob der Widerspruch auf § 899 BGB oder § 53 Abs. 1 S. 1 GBO beruht, kann u. E. allerdings dahinstehen. Denn es entspricht der h. M., dass die spätere Eintragung eines Widerspruchs gegen die vermeintliche Eigentümerstellung des Verkäufers oder die spätere positive Kenntnis des Käufers von der Unrichtigkeit der im Grundbuch verlautbarten Eigentumslage einem gutgläubigen Eigentumserwerb nicht entgegensteht, sofern jedenfalls die Auflassungsvormerkung vom Käufer gutgläubig gem. § 892 BGB erworben wurde (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 445, 446; OLG Dresden NotBZ 1999, 261; OLG Schleswig FGPrax 2004, 264, 265; OLG Köln FGPrax 2011, 12, 13; Lieder, in: Bauer/Schaub, AT C Rn. 96 m. w. N.; MünchKommBGB/Kohler, § 893 Rn. 13 m. w. N.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 1536 m. w. N.; a. A. BeckOGK BGB/Assmann, Std.: 1.2.2021, § 883 Rn. 154-158; § 885 Rn. 139-140.1).

Im vorliegenden Fall gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass das Grundbuch in Ansehung der Auflassungsvormerkung unrichtig i. S. v. § 894 BGB ist, denn dies würde – mangels bisheriger Eintragung eines Widerspruchs – voraussetzen, dass die Käufer im Zeitpunkt der Beantragung der Vormerkung positive Kenntnis von der fehlenden Eigentümerstellung des Verkäufers hatten; bloße Zweifel an der Richtigkeit des Grundbuchs zerstören den guten Glauben nicht (vgl. BeckOGK-BGB/Hertel, § 892 Rn. 75; MünchKommBGB/Kohler, § 892 Rn. 47).

Bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Grundbuch in Ansehung der Auflassungsvormerkung unrichtig ist (also die Käufer im Zeitpunkt der Beantragung der Vormerkung bösgläubig waren), so hat nach unserem Dafürhalten das Grundbuchamt den späteren Eigentumsumschreibungsantrag zu vollziehen, und zwar ungeachtet einer etwaigen zwischenzeitlichen Eintragung eines Widerspruchs gegen die Eigentümerstellung des Verkäufers (vgl. OLG Köln FGPrax 2011, 12; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 445, 446; OLG Dresden NotBZ 1999, 261; a. A. OLG Düsseldorf DNotZ 1971, 371, 373, das die Zustimmung des wahren Berechtigten verlangt, die der Vormerkungsberechtigte nötigenfalls gem. § 888 BGB zu erwirken habe; abl. auch BeckOGK-BGB/Assmann, § 883 Rn. 154-158, § 885 Rn. 139-140.1, der die h. M. betreffend den gutgläubigen Eigentumserwerb aufgrund gutgläubig erworbener Vormerkung insgesamt ablehnt).

3. Beseitigung eines etwaig eingetragenen Widerspruchs
Sollte es sich um einen Widerspruch gem. § 899 BGB handeln und der hierzu erforderliche Eintragungsantrag der T dem Eigentumsumschreibungsantrag zugunsten der Käufer nachgehen, so stellt sich die Frage der Widerspruchsbeseitigung bei rechtmäßigem Handeln des Grundbuchamtes nicht; denn der Widerspruch würde erst gar nicht eingetragen (s. o.).

Sollte der Widerspruch gem. § 899 BGB verfahrensfehlerhaft eingetragen werden oder es sich tatsächlich um einen Amtswiderspruchs gem. § 53 Abs. 1 S. 1 GBO handeln, so steht den Käufern – sofern man der unter Ziff. 2 genannten h. M. folgt – gegen den Berechtigten des (Amts-)Widerspruchs ein Beseitigungsanspruch analog §§ 883 Abs. 2, 888 BGB zu (vgl. OLG München BeckRS 2016, 9851, Tz. 26; Schöner/Stöber, Rn. 1536 m. w. N.; BeckOGK-BGB/Assmann, § 888 Rn. 20-20.2).

4. Ergebnis
Folgt man der h. M. in Literatur und Rechtsprechung, so hat das Grundbuchamt den Eigentumsumschreibungsantrag zugunsten der Käufer zu vollziehen, denn nach dieser Ansicht setzt sich die Schutzwirkung der Auflassungsvormerkung gegenüber einem beantragten oder von Amts wegen einzutragenden Widerspruch gegen die vermeintliche Eigentümerstellung des Verkäufers durch. Sofern die Eintragung des Widerspruchs erfolgt, sollte die Auflassungsvormerkung nicht mit der Eigentumsumschreibung zur Löschung gebracht werden, sondern über die Eigentumsumschreibung hinaus eingetragen bleiben, damit die Käufer ihren Beseitigungsanspruch gem. §§ 883 Abs. 2, 888 BGB geltend machen können.

Gutachten/Abruf-Nr:

179468

Erscheinungsdatum:

05.03.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vormerkung
Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 33-35

Normen in Titel:

BGB § 892; BGB § 883; GBO § 53 Abs. 1