Übertragung der Nacherbenanwartschaftsrechte auf den Vorerben; Einsetzung von Ersatznacherben; Teilungsversteigerung auf Betreiben des Mitvorerben
BGB §§ 2100, 2113, 2115; ZVG §§ 180 ff.
Übertragung der Nacherbenanwartschaftsrechte auf den Vorerben; Einsetzung von Ersatznacherben; Teilungsversteigerung auf Betreiben des Mitvorerben
I. Sachverhalt
E war Alleineigentümer eines Grundstücks. Er ist verstorben und von seinen Töchtern X und Y zu gleichen Erbteilen von je ½ beerbt worden.
X ist allerdings nicht befreite Vorerbin. Nacherben sind ihre beiden volljährigen Kinder A und B. Y ist ebenfalls nicht befreite Vorerbin. Nacherben sind ihre beiden volljährigen Kinder C und D. Ersatznacherben sind die Abkömmlinge des jeweiligen Nacherben. Sind solche nicht vorhanden, so tritt Anwachsung ein. Die Nacherbenstellung ist auf den Vorerben übertragbar, aber im Übrigen weder vererblich noch veräußerlich.
Diese Regelungen finden sich in einem notariellen Erbvertrag.
Die Kinder A und B möchten nun ihre Nacherbenanwartschaftsrechte auf X übertragen. X möchte anschließend die Teilungsversteigerung hinsichtlich des Grundstücks betreiben.
II. Fragen
1. Können A und B ihre Nacherbenanwartschaftsrechte auf X übertragen, sodass die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft betreffend X entfällt und sie „normale“ Erbin wird? Müssen etwaige Kinder von A und B als Ersatznacherben zustimmen oder Erklärungen abgeben?
2. Kann X anschließend erfolgreich die Teilungsversteigerung hinsichtlich des Grundstücks betreiben oder begegnet dies rechtlichen Bedenken?
III. Zur Rechtslage
1. Rechtsstellung des Nacherben nach dem Erbfall
Mit Eintritt des Erbfalls erwirbt der Nacherbe die gesicherte Erwartung, mit dem Nacherbfall die Erbschaft zu erlangen. Diese Erwartung wird als Nacherbenanwartschaftsrecht bezeichnet. Das Nacherbenanwartschaftsrecht stellt bereits einen gegenwärtigen Vermögenswert dar und ist grundsätzlich abtretbar und vererblich (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl. 2020, § 2100 Rn. 12).
Nach h. M. kann der Erblasser die Übertragbarkeit des Nacherbenanwartschaftsrechts allerdings ausschließen (vgl.
Wenn ein Ausschluss der Übertragbarkeit des Nacherbenanwartschaftsrechts nach h. M. zulässig ist, dann muss Gleiches für die Beschränkung der Übertragbarkeit gelten, vorliegend also in Bezug auf die Übertragung auf den Vorerben.
2. Rechtsfolgen der Übertragung der Nacherbenanwartschaftsrechte von A und B
Die Übertragung des Nacherbenanwartschaftsrechts durch den Nacherben auf den Vorerben kann dazu führen, dass die Anwartschaft in der Hand des Vorerben durch Konsolidation untergeht, der erwerbende Vorerbe somit unbeschränkter Vollerbe wird und sowohl unter Lebenden als auch von Todes wegen frei über die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände verfügen kann (vgl. OLG Köln
Dies gilt jedoch nur, soweit alle vorhandenen Nacherben ihre Anwartschaftsrechte auf den Vorerben übertragen und keine Ersatznacherben eingesetzt sind (vgl. nur Staudinger/Avenarius, § 2100 Rn. 85; BeckOGK-BGB/Küpper, Std.: 1.7.2020, § 2100 Rn. 144 m. w. N.). Bei Einsetzung von Ersatznacherben bedürfte der Nacherbe zwar nicht ihrer Zustimmung zur Übertragung seines Anwartschaftsrechts; durch die Übertragung würde nämlich ihre Rechtsstellung nicht berührt, weil der Nacherbe nicht mehr Rechte übertragen kann, als er selbst besitzt. Die Rechte der Ersatznacherben blieben von der Übertragung aber grundsätzlich unberührt, sofern nicht die Ersatznacherbfolge unter der auflösenden Bedingung der Übertragung des Nacherbenanwartschaftsrechts durch den Nacherben auf den Vorerben angeordnet worden wäre (vgl. OLG Schleswig
Aus dem mitgeteilten Sachverhalt ergibt sich, dass zu Ersatznacherben die Abkömmlinge des jeweiligen Nacherben eingesetzt sind. Dies dürfte sich nicht nur auf den Stamm Y, sondern auch auf den Stamm X beziehen (der mitgeteilte Sachverhalt ist insoweit nicht ganz eindeutig). Die Vererblichkeit des Nacherbenanwartschaftsrechts ist ausdrücklich ausgeschlossen worden.
Sind im vorliegenden Fall auch in Bezug auf den Stamm X ausdrücklich Ersatznacherben bestimmt, dann führt die Übertragung des Nacherbenanwartschaftsrechts durch A und B auf X folglich nicht dazu, dass X Vollerbin würde. Die Übertragung hätte nur zur Folge, dass die Vorerbin bis zum etwaigen Eintritt des Ersatzfalls die Rechtsstellung als Vorerbe und Nacherbe in einer Person vereinigen würde, sodass etwa zu Verfügungen i. S. d.
3. Nacherbenbindung und Teilungsversteigerung
Der Wirksamkeit der Teilungsversteigerung nach den
Der oder die Nacherben müssen nach h. A. daher die Teilungsversteigerung gegen sich gelten lassen und die Nichtberücksichtigung eines im Grundbuch eingetragenen Nacherbenvermerks im geringsten Gebot sowie dessen Löschung nach dem Zuschlag hinnehmen (OLG Hamm
Nach Durchführung der Teilungsversteigerung fällt der an den Vorerben ausgekehrte Versteigerungserlös gem. § 2111 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB (rechtsgeschäftliche Mittelsurrogation) in den Nachlass und tritt an die Stelle des versteigerten Grundstücks (BGH
Nach der Durchführung der Teilungsversteigerung würde hinsichtlich des Erlöses auch der Schutz des
4. Ergebnis
Die (zulässige) Übertragung der Nacherbenanwartschaftsrechte von A und B auf X führt vorliegend nicht dazu, dass X Vollerbin wird. Es sind nämlich Ersatznacherben eingesetzt und es handelt sich um nicht vererbliche Nacherbenanwartschaftsrechte.
Nach h. A. steht die Anordnung der Nacherbfolge mangels Anwendbarkeit der
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Erscheinungsdatum:11.09.2020
RechtsbezugNational
Erschienen in: Normen in Titel:BGB § 2113; ZVG § 180; BGB § 2115